Abendausgabe
Nr. 61343. Jahrgang Ausgabe B Nr. 303
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10 Pfennig
Mittwoch
29. Dezember 1926
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Deutsch - italienischer Schiedsvertrag. Keine Steuern, aber Geschenke!
sprochen:
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Italienische Kommentare.
Der deutsch - italienische Schiedsgerichtsver.| desto geringer wird die Möglichkeit von friegerischen Verfrag wird heute nachmittag 4 Uhr in Rom von Muffolini widelungen. Man fann sogar sagen, daß es empfehlenswert und dem deutschen Botschafter, v. Neurath , unterzeichnet werden. ist, gerade mit folchen Staaten Schiedsverträge abzu Einem römischen WTB.- Telegramm zufolge wird dieser diplo. schließen, deren Regierungen friegerisch veranlagt matische Aft in mehreren italienischen Morgenblättern bereits be find. In diesem Sinne begrüßen wir ganz besonders die Unterzeichnung des Vertrages mit der Regierung Mussolinis. Mussolini hatte allerdings mehr gewünscht als einen bloßen juristischen Schiedsvertrag. Er wollte ursprünglich einen politischen Freundschaftsvertrag mit Deutschland und spielte diese Absicht in Paris als Trumpf gegenüber Frankreich aus, um einerseits die deutsch - französische Annäherungspolitik zu durchkreuzen, anderseits Frankreich in der Kolonialfrage weicher zu stimmen. Die Wilhelmstraße hat sich demgegenüber und mit Recht auf solche gefährlichen Bläne nicht eingelassen, deren Verwirklichung nur sehr hypothetische Vorteile für Deutschland , dagegen den schweren Nachteil gehabt hätte, die Politit von Thoiry zu erschweren. Außerdem verfolgt Mussolini mit derartigen großzügigen politischen Bertragsplänen die Absicht, sein Ansehen in der Welt und in Italien felbst zu festigen. Deutschland hat feinen Anlaß, ihm diesen persönlichen Gefallen zu erweisen. Eine politische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und ta lien, die ein römisches Faschistenblatt für späterhin" in Ausficht stellt, kommt für das deutsche Volk erst dann in Frage, wenn Italien zu einem zivilisierten Regime zurüdgefehrt sein mird.
Messaggero" wiederholt in seinem Leitartikel zunächst, daß der Schiedsvertrag weit mehr juristische als politische Bedeutung haben werde und ausschließlich darauf abziele, über etwa auftauchende Meinungsverschiedenheiten nach bestimmten Normen zu verhandeln. Messaggero" hebt ferner hervor, daß der Schiedsvertrag trotzdem auch eine große politische Bedeutung habe, weil er insbesondere den Geist des Krieges zwischen den beiden Völkern vollständig beseitige. Die anderen Mächte hätten im übrigen teinerlei Grund zu Besorgnissen, denn der Schiedsvertrag fei weiter nichts als eine Konsequenz der Politik von Locarno und des Gesprächs von Thoiry. Das Blatt weist zum Schluß darauf hin, daß zwischen Italien und Deutschland feinerlei Interessengegenfäge bestünden, sondern daß im Gegenteil die beiden Länder darauf ange wiesen seien, sich in wirtschaftlicher Hinsicht gegenseitig zu ergänzen. So werde denn der Schiedsvertrag die offizielle Beträftigung der Wünsche von Berlin und Rom darstellen, in Zukunft unter Bermeidung aller Reibungen zusammenzugehen und zusammen
zuarbeiten in der Welt, die offen sein müsse für alle Nationen, die in friedlicher Weise für Fortschritt und Kultur arbeiten wollen.
Popolo di Roma" hebt heute nur hervor, daß der Schiedsvertrag eine Borbedingung für die Beseitigung von Schwierigkeiten sei, zu dem Zwede, auch späterhin eine poli
tische Zusammenarbeit möglich zu machen.
Secolo" erklärt: 3m Grunde genommen bedeutet die neue Annäherung zwischen Deutschland und Italien nichts außerordentliches für gute Beobachter der europäischen Lage, denn diese beiden Mächte waren niemals durch tiefe und dauernde Gegensätze getrennt. Zwischen beiden Völkern, die aus dem Kreige herausgegangen sind mit dem Gefühl, daß die Friedensbedingungen eine Kränkung für sie bedeuten und daß ihre berechtigten Wünsche nicht erfüllt wurden, bestehen mehr Gründe für Gemeinsamkeit als für Gegenfäße.
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Gegen den Abschluß von Schiedsgerichtsver trägen läßt fich nicht nur nichts einwenden, sondern man fann ihr Zustandekommen nur begrüßen. Denn sie sind ein Mittel zur Verhütung von friegerischen Konflikten und je ausgedehnter das System der Schiedsgerichtsverträge ist,
Tschechische Faschistendämmerung.
Das Großkapital heißt fie abtreten.
Aus Prag schreibt man uns: In der Tschechoslowakei hat die Nationaldemokratische Partei des Dr. Kramarsch eine faschistische Bewegung organisiert. Die Losung war dabei: Wenn die Deut schen in die Regierung treten, tommt eine faschistische Revolution. Es hat sich später herausgestellt, daß damit nur Die sozialdemokratischen Deutschen gemeint waren, das heißt, die Bildung einer Regierung der tschechischen und deutschen fozialistischen Parteien und der Agrarier, die sogenannte„ rotgrüne" Koalition. Nun find aber die Deutschbürgerlichen in die Regierung getreten, die angesagte Revolution fand auch in diesem Falle, wie gewöhnlich, nicht statt. Die Nationaldemokratische Partei wäre auch gern bereit, in die Regierung zu treten, trotzdem die Deutschen schon drin sind und trotzdem die Partei des Dr. Kramarsch immer grundfäßlich" die Teilnahme der Deutschen an der Regierung ablehnte. Die Klasseninteressen des großen Rapitals, welche die Nationaldemokratische Bartei vertritt, sind aber stärker als die nationalistischen Phrasen. Was soll man jetzt mit den Faschisten an fangen? Die Nationaldemokratische Partei organisiert in diesen Tagen ein breitangelegtes Intrigenspiel gegen die Faschisten, um ihre Bewegung zu zertrümmern. Es ist schon dazu gekommen, daß das Sekretariat der Faschisten auf Drängen der Nationaldemokratischen Partei polizeilich gesperrt und versiegelt murde, daß auch in das Gefretariat der faschistischen Arbeiter organisation", welche hauptsächlich aus Ueberläufern der Kommunisten zusammengestellt ist, die Polizei gerufen wurde, damit sie die unentwegten Anhänger der faschistischen Politit hinauswerfe. Die Faschisten wollen jetzt bei Gericht den Schuß ihrer Organisation suchen. Aber man fann schon heute von einem Abschluß des Kapitels vom tschechoslowakischen Faschismus sprechen. Man braucht
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Wie sehr es Mussolini darauf abgesehen hat, diesen Vertrag mit Deutschland für seine persönlichen Preſtigezwede auszunuzen, ergibt sich schon daraus, daß er mit allen Mitteln Stresemann nach Italien zum Unterzeichnungs aft loden wollte denselben Stresemann, den er noch vor einem Dreivierteljahr hysterisch beschimpfte. Der Reichs außenminister hat schließlich diesen Lockrufen widerstanden, und die Unterzeichnung erfolgt heute lediglich durch den Botschafter in Rom Freiherrn von Neurath, was übrigens vollständig genügt.
Wir hätten es sogar vorgezogen, wenn die Unterzeich nung in Genf zwischen den eigentlichen Bätern diefes juri. stischen Werkes, dem italienischen Völkerbundsdelegierten Scialoja und dem Ministerialdirektor Dr. Gaus erfolgt wäre. Denn ein Schiedsvertrag ist ein Dokument des Fortschrittes, des Friedensgeistes, der Zivilisation. Während an jedem Dokument, das den Namenszug Benito Mussolinis trägt, ein Beigeschmad von Blut, Gewalt und Barbarei haftet.
Lösung zu finden. Die Erklärungen seien übrigens nur geeignet, die bereits seit einiger Zeit latente innere Rrife in Spamen zu illustrieren.
Faschismus über Gelehrsamkeit.
Nur Mussolinier dürfen lehren.
Rom , 29. Dezember. ( EP.) Nach dem„ Popolo d'Italia" find neuerdings neun Mittelschulprofessoren ihres Amtes enthoben worden. Außerdem wurde der Bizerektor des Kollegiums von Cagliari abgefeßt, ebenso mehrere Privatschullehrer. Der Unterrichtsminister hat zudem den Professor Senator Cirincione als Leiter der Augenklinik der römischen Universität abgesett. Attentat als Terrorfignal.
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Bie anders, wenn Faschisten morden! Da dürfen fie ungestraft mitnehmen, was sie wollen; von der Uhr Matteottis und den Schreibmaschinen der sozialdemokratischen Parteizeitung bis zu dem arm feligen Habe der Helden von Molinello.
Demokratisch- großkapitalistische Vorschläge zur
Stenersenkung.
Rürzlich hat der Präsident des" Hansabundes, der demotratische Großkapitalist und Reichstagsabgeordnete Dr. Fischer, Köln , den Vorschlag gemacht, man folle für 1927 eine großzügige einmalige Steuererleichte rung durchführen. Die Kapitalkraft der öffentlichen Hand ermögliche es, für 1927 bei allen Steuerzahlungen auf Berfo nal- und Realsteuern, den Steuerpflichtigen einen einmaligen prozentualen Abzug zu gestatten. Damit fönnte der Gesamtwirtschaft eine einmalige Erleichterung um etwa 750 millionen Mark verschafft werden. Da aber selbst Dr. Fischer einsieht, obwohl er für die Steuerzahlung des Besizes nie großes Verständnis gehabt hat, daß weder die öffentlichen Ausgaben um diesen Betrag ermäßigt werden können, noch daß Barreserven zur Deckung eines Dreiviertelmilliardengeschenkes vorhanden sind, so propagiert er einen Vorschlag, den er für sehr pfiffig halten muß. Würde ihn der Bäckermeister Schulze gemacht haben lo müßte man diesem Herrn den guten Glauben und die besten Absichten zuerkennen. Bei Herrn Dr. Fischer, einem in allen fapitalistischen Geschäf= ten hocherfahrenen Mann, aber fällt das etwas schwerer. Herr Dr. Fischer schlägt nämlich vor, zum Ausgleich dieser Einnahmeverminderung
die öffentliche Hand zur Veräußerung von solchen Vermögenswerten und folchen privatwirtschaftlichen Unternehmungen zu zwingen, die die Bewegung gegen die sogenannte talte Sozialisierung hervorgerufen hat".
Wir fönnen uns zwar taum vorstellen, daß man Herrn sehr ernst nimmt. Das Reklamebedürfnis vergessener Orga Dr. Fischer einen Gefallen erweist, wenn man diefen Borschlag nifationen und politisch bedeutungslofer Persönlichkeiten hat schon öfters Borschläge entstehen lassen, bei denen den Berfaffern nicht wohl war, wenn man sie ernft er nahm, als fie geb a cht waren. So scheint es auch diefem neuesten Geistesprodukt von Dr. Fischer zu ergehen. Da aber die gedacht Gefahr besteht, daß der Borschlag von anderen ernft genommen wird, so dürfte eine kurze fritische Betrachtung nicht unzweckmäßig sein.
Prüfen wir zunächst, welche privatwirtschaftlichen Unternehmungen sich im Besiz der öffentlichen Hand befinden. Einen erschöpfenden Ueberblick darüber gibt die Denk= schrift der Spizenverbände der Unternehmer: Die öffentliche Hand in der privaten Wirtschaft."
Die wirtschaftlichen Unternehmungen des Reiches find zusammengefaßt in der Vereinigten Industries Unternehmungen Aktiengesellschaft( Bia g). Ihr Aktienfapital beträgt 120 Millionen Mart. Die Biag fontrolliert alle Wirtschaftsunternehmungen, die dem Reiche gehören, oder bei denen das Reich über einen größeren Teil der Aftien verfügt. Dazu gehören: Die Reichstreditgesellschaft 2.-G., die Elettrowerke A.-G. die Bereinigten Aluminiumwerte A.-G., das Inn wert. Bayerische Aluminium A.-G., die Mitteldeutschen Stidstoffwerte 2.-G., Banerische Kraftwerke. A.-G., Deutsche Werte A.-G. Außerdem besitzt das Reich Aktien der Ilfeder Hütte, der Telerhonfabrik A.-G., der Bayerischen Lloyd Schiffahrts A.-G. Alle diefe Beteiligungen zufammen haben einen Wert von rund 200 millionen Mart.
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Außerdem ist das Reich an einer ganzen Reihe von Unternehmungen unmittelbar beteiligt, die in erster Line öffentliche Zwede fördern sollen und bei denen der wirtschaftliche Nuzen start in den Hintergrund tritt. So z. B. das Reichsministerium des Innern am Reichs. und Mailand , 29. Dezember. ( EP.) Der Popolo d'Italia" melbet Staatsverlag G. m. b. H. und an der Drahtlosen Dienst A.-G., aus Padua : In Megliodin ist der Faschist Marchu auf dem Heim- Berlin. Das Reichsarbeitsministerium an der wege von Unbekannten erfchoffen und ausgeraubt worben. Deutschen Wohnstättenbank A- G., an der WohnstättenaefellDie Polizei nahm unter den Kommunisten des Ortes etwa 20 Berschaft m. b. 5. und an der Deutschen Deblandkultur G. m. haftungen vor, da nach ihren Erhebungen ein politischer Mord b.. Das Reichsernährungsministerium vorliegt und die Ausraubung nur zur Irreführung. der Reichsgetreide G. m. b. S., an der Deuterfolgt ist. schen Bodenkultur A.-G. Das Reichsverkehrsministerium ist an etwa zwanzig Gesellschaften beteiligt. Die den Kanalbau, den Kraftverkehr und den Flugverfehr einzelner Wirtschaftsgebiete fördern sollen. Bisber bestand auch eine Beteiligung am Flugzeugbau( Junkers). Der Nennwert dieser Beteiligungen beträgt in der Regel im Einzelfalle nur wenige hunderttausend Mark. Alle Beteiligungen zufammen, einschließlich der Beteiligung an der Deutschen Lufthansa A.-G. und an den Junkers- Flugzeugwerken, betragen weniger als 30 millionen Marf. Die wirtschaftlichen Unternehmungen der unternehmungen der Elektrowirtschaft, sowie des Berkehrs2änder sind in der Regel Bergwertsunternehmungen, und Schiffahrts- und des Druderei und Verlagswesens. Die industriellen Intereffen Breußens sind zusammengefaßt in der Preußischen Bergwerts- und HüttenA.-G.( Preußag), in der Bergwerfsgesellschaft Redling= hausen, in der Bergwerksgefellichaft Hibernia. Fast alle diefe Unternehmungen hat Preußen lange vor dem Kriege erworben. Die industriellen Intereffen Sachfens werden wahrgenommen durch die Sächsischen Werte A.-G. Auch hier handelt es sich meist um Bergwerks- und Elektrizitätsunternehmungen. Aehnlich liegen die Verhält niffe bei den übrigen Ländern, wenn auch ab und zu noch Beteiligungen an anderen privaten Unternehmungen vorhanden sind.
sie niht mehr, der Mohr im schwarzen Hemd hat seine Schuldigkeit fongreß hat dem Programm der Swarajiften mit großer Mehrheit
getan und fann gehen.
Paris , 29. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Aus Lissabon melden sämtliche Morgenblätter, daß dort das Gerücht von dem bevorstehenden Rüdtritt Primo de Riveras verbreitet sei. Er werde sich völlig von der Politik zurückziehen, und an seine Stelle werde General Berenguer treten. Es sei außer ordentlich wahrscheinlich, daß bezüglich der außergewöhnlichen Erflärungen, die die Zeitung ABC vor einigen Tagen veröffentlichte, persucht werde, auf, diplomatischem Wege eine zufriedenstellende
Indien fordert Selbstregierung. Der Nationalfongreß unter Führung Swarajs. Gauhati ( Affam), 29. Dezember. ( WTB.) Der indische National zugestimmt. Auf dem Brogramm stehen u. a. die Nichtannahme Don Aemtern und die Ablehnung des Budgets, bis die Regierung eine befriedigende Antwort auf die von der gefeß gebenden Versammlung aufgestellten Forderungen erteilt habe.
Zum Tode Fritz Zubeils.
Aus Anlaß des Ablebens unseres Genoffen Friz 3u beit sind beim Parteivorstand zahlreiche Beileidsfundgebungen eingetroffen, die Zeugnis davon ablegen, daß der Verstorbene weit über die Grenzen seines Berliner Wirkungskreises hinaus als ein aufrechter und unerschrockener Kämpfer für die Ideen des Sozialismus gewürdigt wurde.