Abendausgabe
Nr. 61543. Jahrgang Ausgabe B Nr. 304
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10 Pfennig
Donnerstag
30. Dezember 1926
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Lehrerschaft gegen Schulstreik.
Der Preußische Lehrerverein gegen die Dortmunder Hezze. Der Schulstreit im Dortmunder Landkreise, ver-| zu verwalten und die Berfassung, die bekanntlich die Berückanstaltet von evangelisch- muderischen Geistlichen gegen die sichtigung der konfeffionellen Eigenart in den Schulen empverfassungsmäßige Gleichberechtigung aller Staatsbürger, ist fiehlt, gewissenhaft zu beobachten. Die Preußische Verfassung in sich selbst zusammengebrochen. Herr Külz hat ihm info- bietet also eine genügende Handhabe, gegen einen Schul fern ein Fortleben nach feinem Tode gesichert, als er versprochen rat einzuschreiten, wenn er den Geiſt einer Schule in parteihat, den Staatsgerichtshof in Leipzig darüber entscheiden zu ischer Weise beeiflußt. Solange diese Feststellung nicht gelassen, ob ein Dissident die Schulaufsicht in konfessionell ge- troffen wird, ist ein Vorgehen nicht nur ungerecht, sondern mischten Gegenden führen dürfe. verstößt auch sowohl gegen die preußische wie die Reichsverfassung, die beide die Entfernung eines
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des Preußischen Lehrervereins zu, dem Schulstreit Beamten von einem Posten aus religiösen Gründen nicht bayerischen Ministerrat ,, Bon Freising bis Regensburg " turz Jezt hat nun die in Görlitz tagende Bertreterversammlung
Stellung genommen. Nach einer, mit stürmischen Beifall aufgenommenen Rede des Vorsitzenden des Westfälischen Lehrervereins, Schulrats Titel, wurde folgende Resolution beschloffen:
fennen.
Wie feindlich auch heute noch der größere Teil der evangelischen Kirchengemeinden selbst den Katholiken gegenübersteht, haben Aeußerungen evangelischer Geistlicher Die 8. Bertreterversammlung des Preußischen Lehrerverein und Körperschaften mehr als einmal bewiesen. Wie die verurteilt den Dortmunder Schulstreik wie jeden Schulstreit evangelischen Elternschaften in Dortmund einen dissidentischen aufs schärfste. Es iſt gröbste Verlegung der Erzieherpflicht. Schulrat zu verdrängen suchen, so bemüht sich die protestanPerlegung an der Kindesseele, Unmündige als Mittel zur Austra- tische Diaspora am fast ausschließlich katholischen Niederrhein , gung weltanschaulicher, partei- und firchenpolitischer Kämpfe zu beden katholischen Schulrat in Mörs II faltzustellen nutzen. Die Bertreterversammlung verurteilt es noch ganz und durch einen protestantischen zu ersetzen, obgleich der im besonderen und bedauert es aufs tiefste, daß e pange. Poften in Mörs I schon durch einen Protestanten lische Pfarrer diesen Kampf in einer Weise geführt haben, die befeßt ist. Sie wußte die deutsch nationale Land tagsfrattion für ihre Quertreibereien zu interessieren, und das Kultusministerium hatte alle Mühe, den bisherigen Stand der Dinge aufrechtzuerhalten.
mit dem Amt eines Geistlichen unvereinbar ist. Die Bertreterversammlung fann nicht anerkennen, daß Gewiffensnot Beranlassung zum Streif gegeben habe. In der Bersönlichkeit und der Amtsführung des Schulrates Nischalte war fein Grund gegeben, von ihm eine Berlegung religiöser Ueber zeugungen befürchten zu müssen. Die Lehrer würden dem auch mit Entschiedenheit zu begegnen gewußt haben. Der Streit sollte viel mehr, wie das von einigen feiner Organisatoren auch ganz offen zugegeben worden ist, eine Vorbereitung für das Reichsschulgefeh. folte eine Art Borentscheidung werden, der Kirche bestimmenden Einfluß auf die Ernennung von Schulaufsichtsbeamten und auf die
ginnt in wilhelminischen Ausmaßen zu reden. Bald wird der Der Herr Ministerpräsident des Freistaates Bayern besatirische Zeitgenosse des Herrn Dr. Held einundeinhalb Stüd werk der Rethorit für den Einzeltag errechnen fönnen. Der atirische Zeitgenosse; denn uns dünkt der Heldsche Drang Schöpfungsgeschichte jener Metamorphosen, die das Bayern zur Rostra des Freistaates vornehmlich ein Beitrag zur von heute seiner inneren Werte berauben und in den Zirkusfreis stellen. Lassen wir die Dezemberrevue des Herrn Präsidenten im die Kritik passieren. Wir beginnen mit Regensburg . Mit vollen Baden, zwar nicht staatsmännisch, wohl aber robuft schmettert Herr Dr. Held in die Welt hinaus, mit der Sozialdemokratie jei teine Regierungstoa= lition möglich, bei der man mittun könne. Diejenigen, die grundsäglich auf dem Boden der Gottesleugner und des Atheismus stünden, und diejenigen, welche die Grundsäge des poſitiven Christentums vertreten, fönnten niemals Politik miteinander machen, weder wirtschaftlich noch sozialpolitisch.
Die Blamage folgte dieser parteipolitischen Rede auf dem Fuße. Die Fraktionsfreunde Dr. Helds im Reichstag, sein Freund, der Reichspoftminister im Reichskabinett, sprachen sich einstimmig für Verhandlungen mit der„ atheistischen" Sozialdemokratie zweds Schaffung einer Großen Koalition aus. Den Hintermännern derartiger Machenschaften, die Ministerpräsident Hoffmann will aus dem Kabinett aus Und dazu eine Erinnerung. Spätherbst 1919. Der ,, atheistische" größtenteils im deutschnationalen Lager zu finden find, scheiben. In einer follegialen, offenen Aussprache im Gebäude fommt es dabei weniger auf die Interessen der christlichen des Bayerischen Landtags erklärt- Herr Dr. Held, dazu Schule als auf politische Machtziele an. In ihren beſtünde gar kein Anlaß. Die Koalition mit den SozialdemoMitteln find sie nicht wählerisch. Im Dortmunder traten habe sich doch durchaus gewährt. Also bleibt der Atheist. Streitfall, in dem die Entscheidung des Reichs War Dr. Held damals unehrlich? Schloß er aufs neue poligerichts angerufen worden ist, unternimmt man jogar tische Gemeinschaft, um den anderen die Berantwortung zuden Versuch, Gericht und Deffentlichkeit im voraus zu beeinzuschanzen? Die Frage zu bejahen, hieße den Ministerpräsiflussen. Man nimmt dabei eine le bergangsbestim benten beleidigen. Das aber sei uns vollkommen ferne. Der Minister für Wissenschaft, Kunst und Boltsbildung ist mung der Reichsverfassung für sich in Anspruch, die ane Dieses Gerede über den sozialdemokratischen Boden der diesem Ansinnen, dessen Erfüllung eine offenbare Gefeßes geblich einen Artikel aus der preußischen Ber Gottesleugner und Atheisten" ist im übrigen ein so allgemeines perlegung gewesen wäre, entgegengetreten. Die Bertreter- faffungsurkunde von 1850 zum geltenden Recht in Feld-, Wald-, Wiesengerede, daß ein Ministerpräsident selbst verfammlung erwartet, daß der Minister wie die preußische Regie. der Schulfrage erhebt. Abgesehen davon, daß dieser Artikel rung und der Preußische Landtag in allen ähnlichen Fällen und vor lediglich die Berücksichtigung der konfeffionellen Ber- Freiheit der katholischen Kirche ist der schwarzweißrote furor als Parteipolitiker solche Plattitüden meiden müßte. Der allem auch bei den Berhandlungen über das Reichsschulgesetz fich hältnisse bei der Einrichtung der konfessionellen Bolts protestanticus der bayerischen, taiſertreuen Koalitionsmit aller Entschiedenheit dafür einsehen, daß die Staatshoheit über schulen empfiehlt und mit der Besetzung der Schul- freunde Dr. Helds etwas schädlicher als der sozialdemokratische die Schule und die Freiheit der Lehrerpersönlichkeit unangetaftet rats poft en nur gewaltsam in Verbindung gebracht wer- Atheismus war und iſt. den kann, wird der Uebergangsbestimmung ein ganz falscher Sinn unterlegt. Die betreffende Bestimmung lautet:
Schule überhaupt zu sichern.
bleiben.
Die Bertreterversammlung spricht der Leitung des Westfälischen Lehrervereins Dant und Anerkennung dafür aus, daß sie in flarer Erkenntnis der wahren Ursachen und Ziele des Schulstreits aus echter Erzieher und Staatsbürgerpficht heraus Lehrer und Elternschaft gegen den Streit aufgerufen und damit wesentlich dazu beigetragen hat, ihn zum Scheitern zu bringen.
Diefe Entschließung des Preußischen Lehrervereins ist von erfreulicher Klarheit und eindeutiger Schärfe. Die fleinen Geister, die ,, religiöse Gewissensnot" vorschüßten, um den Einfluß der Dunkelmänner auf den Schulbetrieb wieder einführen zu können, sehen sich der geschlossenen Front der Lehrerschaft und aller Republikaner gegenüber. Sie werden auch beim Reichsschulgesetz ihre Forderungen erheblich herabschrauben müssen.
Die Ziele der Schulreaktion.
Wie jeder Beamte ist auch der Schulrat durch die Preußische Verfassung eidlich verpflichtet, das ihm übertragene Amt unparteiisch nach bestem Wissen und Können
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Im Schatten des Regensburger Domes bringt Herr Held es über sich, von Versuchen zu sprechen ,,, von Wirth bis Loebe ,, Bis zum Erlaß des im Artikel 146 Abs. 9 vorgesehenen die Reichswehr in die Hand der Sozialdemo Reichsgefeßes( Reichsschulgefeß) bleibt es bei der bestehenden Rechtstratie zu spielen". Eine Beugung objettiver Wahrheit, lage. Das Gefeh hat Gebiete des Reiches, in denen eine nach wie sie hemungsloser überhaupt nicht gedacht werden kann. Betenntniffen nicht getrennte Schule gesetzlich besteht, besonders zu Der bayerische Ministerpräsident weiß, daß von Wirth bis berücksichtigen." Loebe lediglich verlangt wird, daß dem Skandal der Fernhaltung überzeugter Anhänger der Republik und der Verfassung in der Reichswehr endlich ein Ende bereitet werden foll. Und der Mann, dessen engste politischen Freunde die Meuterei des Generals Lossow, diefe politische Bergiftung der bayerischen Reichswehr , veranlaßt und sanktioniert haben, wagt die Behauptung ,,, in Bayern verlange man ein Militär, das mit der Politik nichts zu tun habe".
Die Bestimmung stellt sich also nicht nur nicht schüßend vor die Konfessionsschule, sondern verpflichtet die künftige Schulpolitik von vornherein auf eine Bevorzugung der überfonfeffionellen Schule. Es hieße den Sinn der Verfassung umfehren, wenn man aus dieser Bestimmung das Recht auf ein Vorgehen gegen eine Persönlichkeit herleiten wollte, die jenseits des Kampfes der Konfessionen steht. Aber das Ziel der Treiber im Dortmunder Schulstreit geht weiter. Ihr Plan ist es, durch Mißbrauch tonfessioneller Probleme die Anhänger der Sozialdemokratischen Partei der Republik zu entfremden. Die Sozialdemokratische Partei ist stark genug, um eigene Wege zu gehen. Aber die anderen Parteien mögen sich vorsehen, daß sie dabei nicht zu schaden kommen!
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mung und Muttersprache zwischen Mehrheits- und Minderheitschulen wählen können und daß der von der MojeDeutsche Schulen für 7000 Kinder verlangt. wodschaft eingenommene Standpunkt, wonach alle Kinder mit Das nach der Teilung Oberschlesiens geschlossene deutsch - polnischer Muttersprache vom Besuch der deutschen Minpolnische Abkommen bestimmt, daß die Erflärung eines Er berheitsschule zurüď zuweisen seien, rechtlich unhalt. polnische Abkommen bestimmt, daß die Erklärung eines Er bar sei. Für den Fall, daß die polnischen Behörden seine ziehungsberechtigten genügt, damit sein Kind zu einer sprachlichen Minderheit gerechnet wird. In dieser Art Stellungnahme" nicht annehmen sollten, erklärt es der waren in Rattowig 8500 Kinder für deutsche Minderheits- Bräsident für dringend notwendig, den Bölterbunds fchulen angemeldet worden. Gegenüber dem flaren WortGegenüber dem flaren Wort- rat zu bitten, den ganzen Rechtsstreit in seiner nächsten Laut des Bertrages hatten die polnischen Behörden nun einen Seffion zu entscheiden. unzulässigen Drud auf die Eltern ausgeübt. Sie hatten fie polizeilich vernommen, und zum Teil zum Widerruf veranlaßt. Die polnischen Behörden strichen nicht weniger als 6500 Kinder wieder von der Liste, um sie nicht in deutschen Minderheitsschulen unterbringen zu müssen: fie behaupteten dabei, daß es sich gar nicht um Kinder deutscher, sondern pol nischer Eltern handle.
Daraufhin hat sich der Deutsche Bolfsbund, als die anerfannte Vertretung der deutschen Minderheit, beim Bräfi. denten der Gemischten Kommiffion, Calon de r, beschwert. Er hat daraufhin angeordnet, daß die Kinder unverzüg= Iich Minderheitsschulen zu überweisen find. Zugleich sollen die Strafmandate aufgehoben werden, die die polnische Polizei den Eltern deshalb aufgehalft hatte, weil sie die Rinder nicht in die polnischen Schulen hatten gehen lassen.
Calonder stellte grundsäßlich fest, daß die Er ziehungsberechtigten ohne Rücksicht auf Abstim
Der Mainzer Zwischenfall.
Die französischen Soldaten verhaftet. Mainz , 30. Dezember. ( WTB.) Bon zuständiger Stelle erfahren wir, daß nach Mitteilung des französischen Generals die beiden französischen Militärpersonen, die an dem Zwischenfall beteiligt gewesen sind. wegen Widersprüche in ihren Aussagen festgenommen worden sind.
Deutsche Kriegsgerichte hatten während der Besetzung Antwerpens die Zahlung bedeutender Schadenersaßsummen an die bei Kriegsausbruch durch den Böbel geschädigten deutschen und öfterreichischen Staatsangehörigen erzwungen. Das gemischte deutsch entschieden, daß diefer Betrag, und zwar eine Gesamtfumme von belgische Schiedsgericht hat jeẞt auf Antrag der Stadt Antwerpen ciner Million Franken zurückgezahlt werden müsse Deutschland hat für diese Summe 5 Broz. Zinsen seit dem 1. Oftober 1915 zu bezahlen und außerdem die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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In Freising erbringt der Herr Ministerpräsident einen neuerlichen Beweis, daß er die Sprache wilhelminischer Randbemer fungen vollkommen beherrscht. Wir bedauern, daran erinnern zu müssen, daß die Úebung persönlicher Invektiven Herrn Dr. Held im Bayerischen Landtag schon einmal den gesellschaftlichen Bontott einer angesehenen bürgerlichen Fraktion eintrug. Der damalige Redeerzeß blieb nicht vereinzelt. In Freising ließ die christliche Nächstenliebe den Ministerpräsidenten von seinen politschen Widersachern nun gar als Mörtelbuben" sprechen. Man sieht, daß die Münchener Staatstunst die Sprache des Baugerüftes nicht verfchmäht. Gerechterweise fügen wir hinzu. daß Herr Held seinen Gegnern jüngst im Landtag zurief, ob er wie ein stummer Hund" bei Angriffen dastehen soll. Im Sprachgebrauch Preuße und Bayer je zur Hälfte. Originell, auch populär, aber wohl nicht sehr flug. Doch wir wollen nur registrieren; Herr Held wird wiffen, wie er am vorteilhafteften, die von ihm oft und feierlich propagierte Stärkung der Staatsautorität" fördert.
Das Auftrumpfen" liegt offenbar den Zugewanderten noch besser als die Einheimischen. Der Kampf um den Finanzausgleich wird mit Baufen und Trompeten als ein Rampf mit aller Energie und bis zu den äußersten Konse= quenzen" verkündet. Die Beispiele dieser letzten vier Jahre ließen Aeußerstes erwarten. Die bayerischen Berge gebaren nicht einmal eine Maus. Am nächsten Tage schon entblätterte Bayerns Ministerpräsident selbst seine Redeblüten: er habe nur an den Austritt der Bayerischen Volkspartei aus der Reichsregierung gedacht. Wie harmlos. Wie harmlos. Als Stachel blieb abermals ein böses Herabsehen des politischen Gegners: Der Ministerpräsident schalt das Eintreten des Nürnberger Oberbürgermeisters Luppe für den Einheitsstaat, ein legales, der Verfassung entsprechendes Ziel als Felonie, als Handlung eines gemeinen Verräters.
Demokraten in des Reiches schwerster Stunde ein gemeinOftober 1918. Im Bayerischen Landtag wollen die fchaftliches Treuebekenntnis aller Parteien zum Reichsgedanken veranlassen. Einer widerspricht mit der Begrün
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