Aufhebung des Zeugniszwangs.
Revision der Untersuchungshaft.
Anordnungen.
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Preußische
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Das vom Reichstag beschlossene Gesetz zur Aenderung der Strafprozeßordnung enthält über den Zeitpunkt des Infrafttretens feine besonderen Bestimmungen; es wird daher zwei Wochen nach dem Tag der Verkündur in Kraft treten. In einer Allgemeinen Berfügung gibt der preußische Justizminister die wesentlichsten Aenderungen, die das Gesez bringen wird, unter Hinzufügung bestimmter Auswirtungen für die preußische Justiz bekannt. Der Amtliche Preußische Pressedienst gibt einen Auszug der wichtigsten Vorschriften wieder:
Nach den neuen Vorschriften wird Redakteuren, Berlegern und Druckern einer periodischen Druckschrift sowie den bei der technischen Herstellung der Druckschrift beschäftigten Personen das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses gegeben über die Person des Verfassers oder Einsenders einer Beröffentlichung strafbaren Inhalts, wenn ein Redakteur der Druckschrift als Täter bestraft ist oder seiner Bestrafung fein rechtliches Hindernis entgegensteht."
Eine unbeliebte Reichsbehörde.
Die Finanzämter vor dem völligen Zusammenbruch?
Die Folgen.
An der Tatsache, daß Behörden unbeliebt sind, hat sich auch im I und mehr. Dazu kommen alle möglichen und unmöglichen Sonderneuen Deutschland nichts geändert. Die unbeliebteste Beauftrage, Statistiken und Erhebungen, deren Durchführung Tage und hörde aber ist zweifellos der Steuerfistus. Gegen Wochen in Anspruch nimmt. die Steuer- und Finanzverwaltung des Reiches wird seit Jahr und Tag von allen Kreisen der Bevölkerung Sturm gelaufen, als ob fie die überflüssigste Einrichtung wäre, und als ob ihre Beamten nur das eine Ziel verfolgten, der Bevölkerung zu schaden. Da der Steuerbrud, insbesondere bei den unteren und mittleren Schichten des Boltes, sehr hart ist, so ist es begreiflich, daß den Steuerbeamten bei der Ausübung ihres schweren Amtes von den Steuerpflichtigen nicht immer das Verständnis entgegengebracht wird, auf das sie Anspruch haben. Um so mehr aber ist es die Pflicht aller Berantwort lichen, die Finanzbeamtenfchaft bei ihrer schweren Aufgabe zu unterftügen. Statt dessen haben sowohl wirtschaftliche Organisationen, z. B. der Reichslandbund, als auch politische Parteien, z. B. bie Wirtschaftspartei, den persönlichen Gegensatz zwischen Steuerpflichtigen und Steuerbeamten verschärft. Sie find an scheinend von der Anschauung geleitet, je weniger Steuer beamte, je meniger Steuern.
Unhaltbare Zustände bei den Finanzamtern.
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Das folche Zustände die Grundsäße unserer Steuergefeßgebung gefährden und schwere Folgen für das Finanzgefüge von Reich, Ländern und Gemeinden heraufbeschwören, ist ohne weiteres flar. Zutreffend sagt der Bericht aus Hamburg über die Folgen: 1. große Steuerausfälle fürs Reich, die um so größer werden, je länger dieser Zustand andauert, 2. viele Reibereien und Unzuträglichkeiten mit den Steuerpflichtigen und 3. unausbleibliches und vorzeitiges Abnußen der Arbeitsträfte. Der Bericht aus Berlin stellt außerdem fest, daß die Anzahl der willigen Steuerzahler immer geringer wird und die Zahl der Vollstreckungsaufträge dauernd steigt. Der Bericht aus Magdeburg unterstreicht mehrfach den Schaden, der durch die nicht fachgemäße Arbeit vor allem ben ehrlichen Steuerzahlern zugefügt wird. Daß dieses System den ehrlichen Steuerzahler am schwersten trifft, liegt flar zutage, der Drüdeberger wird hierbei flets gut abschneiden."
Die Forderungen der Beamten.
Dem der neuen Bestimmung zugrunde liegenden Gedanken, so bemerkt hierzu der preußische Justizminister, wird es entsprechen, wenn schon jetzt von der Ausübung des Zeugniszwanges gegen die vorstehend bezeichneten Personen beim Borliegen der angegebenen Voraussetzungen Abstand genommen wird. Diese Vorschrift wird in Preußen auch für das Disziplinarverfahren Geltung haben, da die Gefeße vom 7. Mai 1851 und vom 21. Juli 1852 entgegenstehende Bestimmungen nicht enthalten und die HeranAber gerade das Gegenteil ist der Fall. Das mangelnde Ber ziehung der StPO. zur Ergänzung daher insoweit der ständigen Bragis der Disziplinargerichte entspricht. Für das ehrengericht. ftändnis und die Abneigung gegen die Finanzverwaltung haben mit Diese Zustände müffen also schleunigft geliche Verfahren gegen Rechtsanwälte trifft§ 66 der dazu beigetragen, daß in den Finanzamtern ganz un ändert werden. Wie aber tann das geschehen? Die FinanzRechtsanwaltsordnung ausdrückliche Bestimmung im gleichen Sinne; haltbare 3ustände eingetreten sind, die gleichermaßen beamtenschaft fordert, daß angesichts der gewaltigen Ueber. für Reichsbeamte gelten gleichfalls die einschlägigen Bor. Den Steuerfistus als auch den Steuerzahler schädigen. Ohne Rüd laftung der Finanzämter an einen weiteren Abbau des Beamten schriften der StPO. im Disziplinarverfahren entsprechend. sicht auf die dauernd gestiegenen Aufgaben der Finanzverwaltung ist förpers nicht gedacht werden fönne, man müsse vielmehr die bereits Personen, die sich wegen Berbrechens oder Bergehens in der Beamineapparat tünstlich klein gehalten worden, ohne daß abgebauten rund 6000 Blanstellen wieder zurückgeben. Untersuchungshaft befinden, wird das Recht gegeben, in gleichzeitig eine Berminderung der Arbeitslaft herbeigeführt worden Durch die jetzige Arbeitsüberlastung werde die Gesundheit und die mündlicher( nicht öffentlicher) Verhandlung vor dem für die wäre. 3war verlangt seit Jahren die gesamte Deffentlichkeit die Ver Arbeitskraft der Beamten geradezu vernichtet. Der Berechtigung Untersuchungshaft zuständigen Richter, die für die Aufhebung des einfachung der Steueregefeßgebung und der Steuerverwaltung. Als dieser Forderung wird man sich faum entziehen können, zumal der Haftbefehls oder des Haftvollzugs fprechenden Umstände geltend die neuen Steuergefeße der Luther Schlieben Re- Staat ein eben so großes Interesse an der Erhaltung der Arbeitszu machen. Zu der mündlichen Berhandlung ist, wenn der Begierung vorgelegt wurden, erhoffte man sie von ihnen. Aber fraft seiner Beamten hat wie der Beamte selbst. Daher ist es überschuldigte nicht vorgeführt wird, oder wenn die Haft zurzeit des diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht. Die Vereinfachung ist nicht aus bedauerlich, daß den schönen Worten des Reichsfinanzministers Beginnes der mündlichen Berhandlung bereits drei Monate gedauert eingetreten. Die praktische Durchführung der Gefeße hat vielmehr Dr. Reinhold auf der Münchener Tagung der Reichssteuerhat, stets ein Verteidiger zuzuziehen. Der preußische Justiz- eine ungeheure Flut von Verordnungen, Erlaffen und Anweisungen beamten feine entsprechenden Taten gefolgt find. Herr Dr. Reinhold minister bestimmt hierzu, daß die rechtzeitige Bereitstellung der gezeitigt, durch die sich der Steuerzahler überhaupt nicht, der Steuer hat damals den Steuerbeamten Schutz vor den unmotivierten perVerhandlungsräume für derartige Verhandlungen, die voraussicht- beamte nur selten und mit großen Schwierigkeiten hindurchfindet. fönlichen Angriffen versprochen, ohne daß inzwischen irgend etwas lich insbesondere während der Uebergangszeit in größerer Zahl zu Da außerdem im Jahre 1926 diese neuen Steuergefeße zum ersten gegen diejenigen Organisationen und Parteien geschehen wäre, die erwarten find, fofort Sorge zu tragen ist. Male durchzuführen waren, und infolgedessen sowohl die Beran dauernd die Beziehung der Steuerpflichtigen zu den Steuerbeamten lagung zur Einkommen und Körperschaftssteuer als auch zur Ber. verschärfen. aller Bermögenswerte zeitlich zusammenfiel, so ist es völlig begreiflich, mögens- und Erbschaftssteuer mit der gleichzeitigen Neubewertung daß der nur für normale Zwecke ausreichende Finanzapparat dieser gewaltigen Aufgabe in teiner Weise gewachsen ist.
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Der§ 126 StPO., soweit er sich auf die Haftfristen bezog, wird durch Vorschriften ersetzt, die ohne Beschränkung auf das vorbereitende Verfahren eine richterliche Nachprüfung der Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft innerhalb gefeßlich vorgeschriebener oder vom Ge richt zu feßender Fristen sicherzustellen bestimmt find. Im Haft. prüfungsverfahren wird bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag des Beschuldigten gleichfalls auf Grund mündlicher Berhandlung entschieden. Hierzu ordnet der Justizminiſter an, daß die Staatsanwaltschaft alsbald alle Sachen, in denen die Unterfuchungshaft bis etwa mitte Januar über zwei Monate gedauert haben wird, zu ermitteln hat, damit fle rechtzeitig zur richterlichen Nachprüfung gestellt werden können. Die Oberstaatsanwalt. schaften haben die pünktliche Durchführung dieser Borschriften besonders zu überwachen. Der Wegfall der Haftfristen wird voraus. fichtlich zu einer nicht unerheblichen Verminderung der Anträge auf Boruntersuchung führen; hierauf ist bei der Geschäftsverteilung Rücksicht zu nehmen.
Die lleberwachung des mündlichen Berlehrs des Berhafteten mit seinem Berteidiger darf in Zukunft nur durch den Haftrichter persönlich oder durch einen beauftragten oder ersuchten Richter ausgeübt werden. In die Anlage schrift ist das Ermittlungsergebnis bei allen Berbrechen und, wenn Boruntersuchung geführt worden ist, auch bei Bergehen aufzunehmen. In allen Fällen, in denen das Ermittlungsergebnis in die Anklageschrift aufgenommen ist, ist diese dem Angeschuldigten nach der neuen Faffung des§ 201 StPO. mitzuteilen.
Die Einlassungsfrist muß auch dem Verteidiger gegen über gewahrt werden. Die Revision fann in den Sachen, in denen nach§ 313 SIPD. die Berufung ausgeschloffen ist, auch auf die Verlegung anderer Borschriften über das Verfahren als der Borschrift des§ 358 geftüßt werden.
Der Reichsjustizminister hat dem Reichskabinett den Entwurf Der Reichsjustizminister hat dem Reichskabinett den Entwurf eines Reichsstrafvollzugsgefeßes zur Beschlußfaffung 3ugeleitet. Die neue Regierung wird sich infolgedessen in einer ihrer ersten Kabinettssitzungen mit diesem wichtigen Gesehentwurf zu befassen haben.
Gefährliche Experimente. Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft in
München , 30. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Die bane. rische Regierung hat dem Hausbefiz ein ,, anständiges" Weihnachtsgeschent gemacht. Sie hat sich seinem fortgesetzten Drängen gefügig gezeigt und eine neue, tiefeinschneidende Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft angeordnet. Sehr wohl scheint ihr bei diesem Erlaß nicht gewesen zu fein, denn sie selbst bezeichnet in einem Nachfaz die Verordnung als Maßnahme von einschneidender Bedeutung. Sie erflärt die Verordnung zunächst als widerruflich und will fie fofort wieder rüdgängig machen, wenn sich eine nichtfreundliche Handhabung zeigen sollte, d. h. wenn Massenkündigungen oder Massenmietsteigerungen auftreten sollten. Die Verordnung ficht u. a. vor, daß die Grenze für die sogenannten hochwertigen Wohnungen nach Ortsflaffen geregelt wird. Die Grenze beträgt für die Großstädte München , Nürnberg , Fürth und Ludwigshafen 3000 m., für die Orte der Beriflaffe B 900 M. Golche Wohnungen bleiben fünftighin von den Bestimmungen über Mietpreisregelung und Mieterschutz völlig frei. Bei der Bergebung von Wohnungen mit einer Jahresmiete Don 2000 bis 3000 m. in München und 360 bis 900 m. in ber Ortsklasse B wird künftig die Mitwirkung der ortspolizeilichen Be hörden fortfallen. Für das flache Land und Gemeinden unter 2000 Einwohnern ist, falls die Wohnungsmarktlage dies zuläßt, die völlige Aufhebung aller Zwangsverordnungen verfügt worden. Für gewerblich oder geschäftlich benutzte Räume fallen mit Wirtung vom 1. Juli 1927 die Bestimmungen über Mieterschutz und Mietpreisbildung gänzlich weg. Es ist lediglich für fleinste Betriebe eine gewiffe Schußgrenze vorgesehen worden.
Religiöser Zwangskurs in den Schulen. München , 30. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Mit Begin des Schuljahres 1927/28 erhalten die bayerischen Bolts. ichulen eine neue Lehrordnung, die im wesentlichen den Charatteri
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Es war eine verdienstvolle Arbeit, die Deffentlichkeit auf die Gefahr des Bersagens des Steuerapparates aufmert fam zu machen, wie das im Frühjahr 1926 durch die Steuer warte, das Organ des Bundes Deutscher Reichssteuerbeamten, geschehen ist. Wenn sich auch dadurch an den tatsächlichen Verhältniffen nicht viel geändert hat, fo ift es boch möglich, baß der erneute Notschrei dieses Blattes mehr Gehör findet. Unter der Ueberschrift: Wer will noch weiter die Verantwortung tragen? Ein Mahnruf vor dem völligen Zusammenbruch der Finanzamter" bringt die Steuerwarte" Berichte aus den Finanzämtern des Reiches zum Abdrud. Sie enthüllen ein erfahredendes Bild von der augenblicklichen Desorganisation in der Finanzverwaltung. In allen Dienstzweigen, bei fast allen Finanzamtern find trop erheblich per längerter Arbeitszeit Berge Don Rüdständen vorhanden. Die laufenden Beranlagungen für die verschiebenen Steuerarten müffen mehr als durchgepeitscht merden. Die Folge find Taufende und aber Tausende von Berufungen und Beschwerden der Steuerpflichtigen wegen dieser Ramscharbeit. Die unter dem 3wang der Verhältnisse sehr oberflächlichen Veranlagungen müffen daher zum großen Teil nochmals überprüft werden. Buchprüfungen, Lohn steuerkontrollen, Steueraußendienst liegt im Argen. Hunderte von Stundungsgefuchen berechtigter und unberechtigter Art liegen unerledigt bei den einzelnen Finanzämfern. Das Bublifum schimpft inzwischen in Wort und Schrift über die faulen Beamten. In zwischen aber sind bereits neue Beranlagungen fällig, die zu nahen Terminen erledigt sein sollen. Die Durchführung der Einheitsbewertung ist besonders durch die Sabotage der Landbünde zu einer riefigen Belastung der Finanzämter geworden. Auch bei den Finanzfaffen häufen sich die Rüdstände zu Bergen. Die Kontrolle wird erSchwert, Unregelmäßigkeiten werden erleichtert ungezählte Boll stredungsaufträge liegen unerledigt, die Außenstände steigen mehr
Vereinfachung von Gefehgebung und Verwaltung.
Entscheidend aber ist und bleibt die Vereinfachung der Steuergefeßgebung und der Steuerverwaltung. Auf dem letzteren Gebiet fönnte zweifellos viel mehr geschehen, wenn man sich nur von den bureaukratischen Ueberlieferungen im stärkeren Maße frei machen wollte. Die Vereinfachung der Gefeßgebung ist zwar ein Programmpunkt aller Parteien, in der Pragis aber erweisen sich die theoretischen Anhänger der Bereinfachung als thre fchärften Gegner. Denn nicht bie Bereinfachung der Steuergesetzgebung ist das wahre Ziel ihrer Sehnsucht, sondern die Ermäßigung ihrer Steuerlast. Wenn sie diese zu erreichen hoffen, nehmen fie felbst die größte Erschwerung des Steuerapparates in Kauf, So 3. B. schreit das ganze Bürgertum nach der Gewährung des Zuschlagsrechtes sur Cin fommen und Körperschaftssteuer an Länder und Gemeinden, obwohl dadurch der Steuerapparat ungeheuer fompliziert würde. Man fam sogar annehmen, daß der Steuerapparat in feiner jetzigen Verfassung in furzer Zeit völlig zusammenbricht, wenn man ihm diese Aufgabe übertragen wollte.
Bei den Etatberatungen im Reichstag wird man den Reichs. finanzminister fragen müffen, was er zur Abwendung der Gefahr des Bersagens des Steuerapparates zu tun gedentt. Es handelt sich hier feineswegs mur um die Frage der Arbeitsentlastung der Be amten der Finanzverwaltung.
Für uns steht im Vordergrund die Erwägung, daß ohne einen ordnungsgemäß arbeitenden Steuerapparat teine befriedigende Durchführung der Steuergesetze zu erwarten ist, daß eine sozialere Verteilung der Steuerlaft erschwert, die Steuermogelei und die Steuerunwilligkeit begünstigt wird.
Gerade die Arbeitertlaffe aber hat das dringendste Intereffe daran, daß ihr Kampf für eine ausreichende Belastung des Besizes. und für eine Entlastung des Arbeitseinkommens und des Berbrauchs nicht auch noch durch das Bersagen des Steuerapparates erschwert wird.
des flerital beherrschten bayerischen Kultusminifteriums trägt.| auf Einladung Kemal Baschas nach Angora tamen, ging es ihnen Als Erziehungsziel wird hingestellt die im inneren Gleichklang entwidelte Persönlichkeit, die religiös und sittlich, deutsch und sozial empfindet, denft und handelt". Der größte Wert wird dabei, mie aus Einzelheiten der Neuordnung hervorgeht, auf die Begriffe religiös, sittlich und deutsch gelegt, während die soziale Ein stellung im Hintergrund verschwindet.
zum Teil schlecht; aber auf der anderen Seite war durch Abwande rung intelligenter und sozial regsamer Elemente aus Konstantinopel in Angora der Boden immerhin etmas bereitet, und alsbald riefen in der neuen Hauptstadt der neuen Türkei der frühere Gouverneur Hazim und der Tierarzt hadschioglu eine communistische Partei ins Leben, die zwanzig Abgeordnete in die Große National versammlung brachte. Ihr Zentralorgan Emef"( Arbeit) wurde zwar nach drei, vier Rumunern verboten, aber Kemal- Pascha faßte apost doen die Kommunisten ziemlich fanft an, solange er der Rüdendedung durch Sowjetrußland bedurfte.
Die türkische Arbeiterbewegung. Schwierige Anfänge.- Unterdrückung durch die Regierung.
Aus Konstantinopel wird uns geschrieben:
Da in einem wirtschaftlich und kulturell zurückgebliebenen Lande wie der Türkei alle Voraussetzungen für die Geburt einer Arbeiterbewegung im westeuropäischen Sinne fehlten, war bisher alles, was auf diesem Boden aufschoß. ein mehr oder minder fünstliches Gewächs. Zuerst regte es fich, als mit der jungtürkischen Revolution von 1908 ein wenig freiere Luft wehte. Damals erschien in Konstantinopel unter dem Namen Iftirat cin Oppofitionsblatt, das sich gern sozialistisch gab, ohne es zu fein; cin Oppositionsblatt, das sich gern sozialistisch gab, ohne es zu fein; nach zwei Monaten wurde es unterdrüdt, und in dem bis 1918 währenden Abschnitt innerer und außerer Kriege( Albaner und Araberaufstände, Krieg mit Italien , Ballantriege, Weltfrieg) war jeder Widerspruch gegen das herrschende Regime stumm gemacht.
Kennzeichnend genug, fam auch nach Ablauf dieser Periode der Anstoß zur Sammlung der Arbeiterschaft von außen. Schon 1917 gerieten in Rußland türkische Kriegsgefangene, die die Ottoberrevolution aus ihren Lagern befreit hatte, unter den Einfluß der bolschewikischen Ideologie. Ein angesehener Politifer und aus gesprochener Gegner der Jungtürken , Muft afa Subht, unter nahm die Gründung einer fommuniftifchen Partei und begab sich zu diesem Ende nach Aserbeidschan, wo baid das Wochen blatt Jeni Dunja"( Neue Welt) und die Jugendzeitschrift Genisch ler"( Die Jungen) erschienen. Als die Anhänger Mustafa Subhis
Auch aus Deutschland lam cin Anstoß zu einer proleta rischen Bewegung in der Türkei , denn die rund 1000 Arbeiter, die während des Krieges von der Konstantinopeler Regierung in deutsche Munitionsfabriken und Spezialwerkstätten geschickt werden waren, wurden im November 1918 revolutionär angesteckt". In Berlin schlossen sie sich zu einer Bartei zusammen, die, etwa auf dem Boden der früheren deutschen Unabhängigen stehend, ein Blatt, kuriu. lusch"( Befreiung), herausgab. Bei ihrer Rückkehr in die Heimat brachten diese Arbeiter den sozialistischen Gedanken mit. In Konftantinopel, das wenigstens die Umrisse eines Broletariats nach abendländischen Begriffen aufweist, gab Dr. Schefit Hiusnt von September 1919 bis März 1920 fechs Nummern von der„ Kur tulusch" heraus. Auch als das Blatt auf Weifung der brt= tischen und der französischen Besagungstruppen eingestellt werden mußte, gelang es dem gleichen Kreise abermals, ein Wochenblatt, Aidan fut, erscheinen zu faffen, das sich ausdrücklich als Organ der Arbeitertlaffe" bezeichnete; zett meilig hatte es eine Auflage von 2000 Eremplaren, die auch nach Smyrna, Angora und Adrianopet gingen. Da der Ver such, während des Konstantinopeler Segerstreits im Oftober 1923 als Erfaß für die übrige Preffe eine sozialistische Tageszeitung herauszubringen, eingeschlagen hatte, strebte Dr. Schefit Hjusni die Bründung eines regelmäßigen Tagblattes an, aber all diesen Plänen und Entwürfen machte das während des Kurdenaufstandes erlaffene Ausnahmegefeß vom 5. März 1925 ein Ende, das den Machthabern gestattete, die Anfäße einer Arbeiterbewegung und Arbeite preffe mit Stumpf und Ehl auszurotten.