Nr. 616 ♦ 4Z. Jahrgang
1. Seilage ües vorwärts
Ireitag, Zl.dezemberiy26
Der letzte weg eines Kämpfers. Die Ueberführung des Genossen Znbeil in das Krematorium Gerichtftratze.
Unablässig strömte der Regen hernieder, al» sich gestern schon kurz nach 4 Uhr die ersten Freund« vor dem Urban-Krankenhaus emsanden. Aus S Uhr war die Ueberführung der irdischen Reste des Genossen Fritz Z u b« i l nach dem Krematorium Gortchtstrabe ange- setzt, und schon gegen Uhr standen Tausende wie eine Mauer. Immer neue Scharen rückten an: die Abteilungen der So- zialdemokratischen Partei, die roten Fahnen ausrecht im Wind, die Kameradschasten des Reichsbanners mit um- starten schwarzrotgoldenen Bannern und viel«, viele Freunde und Bekannte unseres Totea In der großen Halle war der verstorbene ausgebohrt. Zu beiden Seiten der Stufen hielten die roten Banner Ehrenwacht. Für diese Symbol» unserer Ueberz'eugung, die zugleich die Hoffnung der Menschheit ist, hatte Aubeil in selbstloser Aufopferung gestritten, solange noch ein Atemzug in ihm war. An den Fahnen vorbei, strömten sie unablässig in feierlicher Stille herein. Alte und Junge. Männer und Frauen, um noch einen Bt'ck aus den Tote» zu werfen, der so still im geöffneten Sarge lag. Viele Kränz« der Liebe, de» Danke» und der Verehrung: Sie olle zollten dem verschiedenen Kämpfer den schuldigen Tribut: die Familie, die Partei und die Bezirkskörperschosten von Kreuzberg , wo Fritz Zubeil außer seinem Siodtverorduetenmandat da» Amt«ine» unbesoldeten Stadtrats irnehclte. Kurz nach 5 Uhr ist die Umgebung des Krankenhauses schwarz von Menschen! viele Zehntausende Jind erschienen Als der Savg die Stufen hinuntergetragen wird, senken sich die Fahnen zum letzten Gruß, entblößen sich die Häupter zum endgültigen Abschied. Ehrfurchtsvolle» Schweigen ruht für Minuien 7Hs der Menge. Die Trommelwirbel des Reichsbanners ehren den sozialen Republikaner, unzählige Fackeln entzünden sich, unter den Klängen de» Lieds vom braven Kameraden setzt sich der gewaltige Trauerzug tn Bewegung. Parteigenossen und Reichsbannerkameraden begleiten den Sargwagen, den ein Kranz lohender Fackeln umgibt. Hinter dem Sarge marschieren die Mitglieder des Bezirksvorstandes Berlin der Partei, ihr folgt die Kreisleitung des Bezirks Kreuzberg und des Reichsbanners Echwarz-Rot-Gold, dem Zubell als tätiges
Mitglied angehörte, die Anverwandten folgten und dann tn endlosem Zuge Reichsbannermitglieder und Parteiangehörige. Im Zuge marschieren Postbeamte und Beamte der städtischen Werk« in Uniiorin, deren sich der Verstorben« in seiner parlamentarischen Tätigkeit stets ganz besonders angenommen hat: auch die Gastwirt« haben eine Deputation entsandt. An den Seiten des Fahrdamms stehen Arbeiter und Bürger in dichten Massen, die den Kondukt ehr- furchtsyoll grüßen. Man liest auch auf den Gesichtern von vielen Leuten, an denen der lange Zug vorbeimarfchfert. den Ausdruck des Erstaunens und der Bewunderung vor dem Opfermut und der Disziplin unserer Parteigenossen. Viele Zuschauer, die bisher der Sozialdemokratie fremd oder gar ablehnend gegenüberstanden, werden sich gesagt haben, daß keine andere Partei einen solchen Zug bei einem derartigen Wetter zu einem sast zweistündigem Marsch hätte veranstalten können. Am Opernhaus eilt eine Gruppe Bau- arbeiter herzu, um dem toten Genossen einen letzten Gruß zu bieten. — Weiter geht d«r Zug zum Krematorium im Norden Berlins . In der Gerichtstroße stehen seit Stunden in langen Spalieren Partei- und Reichsbannersreunde. AI » der Zug sichtbar wird, kommt in die unübersehbaren Reihen Bewegung. Entblößten Haupte» lassen sie den Trauerzug pafsieren. Da» Reichsbanner bildet auf dem Friedhof Spalier. Mann neben Mann stehen sie, ehren den Toten, der von seinen näheren Freunden unter Trommelwirbel zur Halle getragen wird, Hunderte von Fahnen ziehen noch einmal an dem Sarg vorbei. Genosse Künstler mmmt in schlichten Worten Ab- schied von Fritz Zubeil : In einem imposanten Trauerzuge hat die Berliner Arbeiterschaft zum Ausdruck gebracht, wie unser alter Zubeil verchrt wird. Die Sympathien der Berliner Arbeiterfchaft sind dem Toten zuteil geworden für seinen aufopfernden Komps für die arbeitende Bevölkerung, die tr«u und fest zu ihren Führern steht. Wir haben die Gewißheit, daß jeder von uns das rote Banner, dos der Hand dieses treuen Kämpfers entfallen ist, ergreifen wird, um es im weiteren Kampfe ooranzutragen-
Zweierlei Naß. Berliner Justiz am Jahresende. Zufammenftöh« zwischen Angehörigen rechts- und linksrahitaler Organisationen bilden gegenwärtig ein ständiges Aburteilungsgobiet der Strafgericht«. Bald sind es Mitglieder der«inen Richtung, bald der anderen, die auf der Anklagebank zu erscheinen haben. Am Dienstag hat sich wiederum das Amtsgericht Mitte an zwei ver- fchiehenen Stellen gleichzeitig mit derartigen Zusammenstößen Rechts- und Lintsraditaler zu befchästigen. vor«iner Abteilung des Erweiterten Schöffengerichts Miste unter Lorsitz von Landgerichtsrat S t e r n h e i m erschien unter An- klage der Teilnahm« am LandfriedenÄtruch«In M> t g n e d de, Rote» Fronttämpferbunde». Im Osten haue ein« völ- kijche Versammlung stattgefunden, und«in Test der Mitglieder war nach Schluß mit dem Redner de» Abend», dem Abgeordneten K u b e, noch im Lokal beisammen, als drei jun�e Männer vom Roten Front» kämpierbund dort erschienen. S>« waren angetrunken und belästigten die Anwesenden. Als dann zwei älter« völkilche Herren sich ent- sernten. folgten ihnen die drei. Einer der Herden Herren wollte am Echlesifchen Tor in sein Haus gehen, als der Angeklagte, ein Arbeiter St.. ihm ein„Halt" zurief, mit„dickes Schwein" titulierte, an die Brust faßt« und derb schüttelte- vi« Anklage nahm an, daß es sich um eine„Zusammenrottung zum Zwecke von Gewalttätigkeiten" gehandelt habe, und Staatsanwaltschaft»«! Zimmermann crbltckte in dem Angeklagten den Rädelsjührer. weshalb er gegen ihn sechs Monate Gefängnis beantragte. Da» Gericht verneint? die Frage des Landsriedensdruche». da nicht angensnnnen werden konnte, daß
die Leute sich zu Gewalttätigkeiten gemeinschaftlich zusammengerottet hätten. Dagegen wurde öffentliche und tätlich« Beleidigung de» Angegriffenen angenommen. Derartige Ausschreitungen aus der Straße aus politischen Gründen müßten nach Ansicht de» Schössen- gerichts, von welcher Seite si« auch ausgehen, streng bestraft werden. Deshalb erschien dem Gericht eine Geldstrafe nicht ausreichend, und e» erkannte aus ein» Woche Gesängni«. Der Einwand de» Angeklagten, daß er sinnlv» betrunken gewesen sei, wurde vom Gericht nicht für stichhallig erklärt. In dem zweiten Falle vor einer anderen Abteilung d«« Er- weiterten ochossengerichs Mitte, unter Vorsitz von Landgericht»- direktor F i e l i tz. wurde gegen ein Mitglied derNattonal- sozialistischen Arbeiterpartei namens O d a n s r i oer- handelt. Der Angeklagt« hatte mit zwei Parteifreunden gezecht und war aus der Straß« einem Mitglied de» Reichsbanners begegnet. Er war diesem jungen Manne nach. gerannt und hatte ihn derart in» Gesicht geichlagen, daß er erheblich« Verletzungen davontrug. Der Angeklagt» behauptete, daß er durch den vorübergelfenden Reichebannennann schwer gereizt worden sei. weil dieser ihm..Faschistenstrolch' zugerufen hätte. Sein« beiden Begleiter hatten diesen Au, druck nicht gehört, auch der Zeuge selbst bestritt, ein Schimpfwort gebraucht zu hoben. Er will ruhig seines Weges gegangen fein, als er von dem Angeklagten an der Gurgel gepackt und mißhandelt wurde. Da, Gericht kiest»» auch nicht für erwiesen, daß der Zuruf.�oschistenstrolch" gebraucht worden sei. Gegen eine derartige Verrohung de? Sitten müsse durch empfindliche Strafen eingeschritten werden. Deshalb oer- urteilte das Schöffengericht den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit grobe,« Unfug zu—«0 Mark Geld st rase, bewilligt« ihm ober Ratenzahlungen von monatlich 40 Mark.
Also beide Gerichte wenden sich mit vollem Recht gegen die Ver- rohung der Sitten. Beide wünschen mit Recht, daß Ausschreitungen aus politischen Gründen streng bestrast werden. Der eine Täter, ein Angehöriger des Roten Frontkämpferbundes , schüttelt einen wohl etwas beleibten Herrn derb, tituliert ihn allzu derbe, tut ihm aber sonst gar nichts und bekommt dasür acht Tage Gesöngnis Der andere, ein Nationalsozialist, schlägt einen Reichsbanner- mann derart zusammen, daß er erhebliche Verletzungen davonträgt und büßt die unsägliche Rohheit mit SO Mark, eine Strafe, die das Gericht durch langfristige Ratenzahlungen noch mildert. Die unerträglichen und unhaltbaren Zustände in der deutschen Justiz können nicht krasser illustriert werden, als durch diese beiden Urteile.
Setriebsftörung bei üen LEW. Straßenbahnen bleiben auf der Strecke liegen. Am Donnerstag nachmittag gegen Z-i!5 Uhr trat zwischen dem Kraftwerk Moabit und dem Umspannwerk Mauer- straße der Berliner städtischen Cicttrizitfitswcrke infolge eines Kabeldefektes im 30 stliv-Bolt-Kabel eine sehr empfindliche, zum Teil mehrstündige Strom Unterbrechung ein. Zahlreiche Geschäftshäuser, Läden und auch einige Straßenbahnlinien wurden von der Stromkalamität in Mitleidenschast gezogen. Ganze Straßenzüge in der Innen- stodt lagen in der Zeit von H4 Uhr bis gegen 7 Uhr abends völlig im Dunkeln. Teile der Friedrich'ftadt bis zur Königgrätzer Straße und weiter hinaus bis zum Halleschen Tor wurden am schwersten betroffen, wo zum Teil nach um 8 Uhr abends die Strom- zufuhr unterbrochen war. Es braucht kaum betont zu werden, daß der Lichtausfall gerade von den Ladeninhobern, die sich mit Not- beleuchtungen beHelsen mußten, am schwersten empfunden wurde. Von der Betriebsdirektion der Bewag erfahren wir über die Störung folgendes: Um 4 Uhr 32 nachmittags trat in dem 30<XV-Aolt-Kabel zwischen dem Kraftwerk Moabit und dem Umspann- werk Mauerstraße. wo der Strom auf büOV Voll umgespannt wird. aus noch nicht bekannter Ursache ein Kadeldesekt ein. Als Folge- erscheinung machten sich Ueberschläge in der Schaltanlage des Kraft- werks bemerkbar. Es erfolgten fortwährend Kurzschlüsse, so daß dt« Umspannwerke Mauerstraße, Humboldt(Gleimstraße), Wittenau und Wilhelmsruh , die an das Kraftwerk Moabit ange- Ichlossen sind, etwa 15 bis 20 Minuten spannungslos waren. Die von den Umspannwerken gespeisten Uinsormerwerte in der Mark- arafenstraße, Palisadenstraße, Voltostrahe, Prenzlauer und Königin- Augusta-Allee hatten in Teilen ihres Lichtnetze» Störungen von durchweg einhalbstündiger Dauer. Lm Umsormerwerk Mauerstraße war eine Hälfte de» Lichtnetzes allein zwei volle Stunden span- nungslo». während aus der anderen Hälfte die Störung gegen 8 Uhr abends noch immer nicht behoben war. Im Westen Groß-Berlins, In Charlottenburg , im Norden,(Voltastraße), Köpenick und Britz war die Oberleitung längere Zelt stromlos, so daß die Straßen- bahnen mitten aus der Strecke liegenblieben. Der Aerkehr tonnte zum Teil durch Umlelttmge» aufrechterhalten werden. was naturgemäß empfindliche Verspätungen in der verkehrsreichen Zeit zur Folge hatte._______ Der gute Ton in Adelskreisen. Nach wiederholten Verhandlungen und Vertagungen wurde durch den Urteilsspruch de» Amtsgerichts Mitte die Beleidigung»- klage der Herren v. Berg und o. Wickede von der Adels- genossenschaft gegen Herrn v. T s ch i r n e r vom Orden St. Georg entschiehen. Der Streitsall hat die Oeffentllchtett wiederholt beschäftigt. Der Klage lag folgender Totdestand zu gründe: Am 10. November lösö war in den„Groß-Berliner Nach, richten"»in Artikel erschienen:»Der Fall Wickede , skandalös» Zustände in der Deutschen Adelsgenossenschaft '. In hämischer uns gehässiger Weise wurden die Privatkläger angegrissen, dl» Adels« genossinschaft als vollständig verjudet bezeichnet. Es hieß auch, daß nach dem Ausspruch eines Offiziers die Reitpeitsche für diese Leute zu schade sei, Di« gebrauchten Ausdrücke hätten von einer so hätzlichen Tonart gezeugt, wie sie unter anständigen Journalisten nicht üblich sei. Die fraglichen Behauptungen hätten, soweit überhaupt ein Beweis möglich war, sich als erweislich UN- wahr erwiesen. Das Gericht hatte aber zu prüfen, ob der An- gettagte v, Tschirner für den Artikel verantwortlich sei. Der An- geklagte hatte dem Gericht dargelegt, daß von einem Herrn von Ledebur und einer Dame in dem sragltchen Blatt ein Artikel gegen den Ritterorden St. Gearg erschienen wäre, der scharfe An-
Die Wunöer der Klara van Haag. SjZ Van Johann» vuchholh. Au» dem Dänischen übersetzt von Erwin Magnus . Der Ingenieur wandte sich mit blitzenden Augen zu ihr: ..Wenn ich jedenfalls in den Sommernächten— ein Feld- bett in meine Zeichenstubs stellen ließe--- Ja, nicht wahr! Glauben Sie, die Leute würden das merkwürdig von mir finden?' „Das kann ich bei Gott im Himmel nicht wissen!' sagte Minna. Dann erhob sie sich so heftig, daß ihr Likörglas umfiel und aus den Teppich rollte. „Lassen Sie mich sagte der Ingenieur,.�s ging glücklicherweise nicht entzwei. Aber Minna lachte ein lautes scharfes Lachen und zer- brach das Glas unter ihrem Absatz. Dann ging sie zum Flügel. Der Ingenieur erhob sich und stürzte ihr nach. Lhr Lachen war mir Antwort genug.' sagte er.„aber bin Sie mir nur d«N Gefallen und sprechen Sie nicht in der Stadt davon. Das ganze war ja nur eine Idee. Nichts als eine Idee!' Minna sang und ließ nachher den Ingenieur singen. Sie büfselte mit ihm, riß Ihm den Mund weit auf und schalt ihn Als er aber fertig war. wurde sie wieder gut und setzte sich von neuem hin. um zu singen. „Das Lied war sehr schön.' sagte Svejdal. „Finden Sie. ach ja. es ist Stimmung darin,' sagte Minna und sah nach hinten zu ihm empor. „Ja, eben Stimmung, Ist es norwegisch?" „Nein, können Sie nicht hören, das es dänisch ist?" „Ja. aber was Ist„Hallg' eigentlich?" Hallg!--- Wo haben Sie das her?' ..«angen Si« nicht in der ersten Strophe: Holla andern schlafen?' Minna lachte wieder ihr hartes Lachen und sagte:„Nein. jetzt müssen Ihre Ohren bei Gott im Himmel nicht ganz in Ordnung lein. Wenn alle andern schlafen, dann denk« ich an dich! Mein A— obendgebet vergesse ich darüber. Da» war es. Nun!' Svefdol bot um Berzeihung. Ihm gefiel das Lied so besonders gut. und«r schrieb e» nach Minna« Diktat in sein Notizbuch. Sie versprach, es ihn gelegentlich zu lehr»«.
Jetzt saßen sie ein« Weile gemütlich beisammen, dann aber bedauerte der Ingenieur, daß«r nun gehen müsse. „Gehen!' sagte Minna,„Sie denken doch nicht daran, setzt, um neun Uhr. zu gehen? Zu gehen, wenn wir eben das Essen hinunter haben! Aber er hätte«inen wichtigen Brief zu schreiben, der keinen Aufschub duldete, sagt« der Ingenieur und runzelte pflichtbewußt die Stirn. „Aber den können Si« ja hier schreiben!" Ließe sich nicht machen— der Brief sei übrigens nicht das schlimmste, sondern die Briefmarke. Wo bekäme man am Sonntag abend eine Briefmarke? Man müsse in dle Stadt, und sehen, eine zu leihen. „Ich habe Briefmarken!' sagte Minna lächelnd.„Unten im Laden. Ich hole sie." „Bielen Dank, aber es hat ja Zeit, bl» ich geh«.' „Nun ja. ich kaufe immer einen Bogen auf einmal: das tat Vater immer. Warum sollt« man den Rabatt nicht mit- nehmen.' „Ihr Bater war ein prächtiger Mann," sagt« der In- genieur und warf unwillkürlich einen Blick auf Lund » Bild über der Tür.„Was ist das eigentlich für eine Uniform, in der Ihr Vater photographiert ist?' „Er ist als Schützenkönig aufgenommen.---- Ja. Vater war schon gut. aber er mischte sich in zu viele Ding«. Schützen- könig! Wozu mußte er Schützenkönig sein? Cr glaubte, es nützte dem Geschäft, wenn er überall dabei war. Die Geschichte kostete ihn über hundert Kronen und nützte dem Ge- schüft nicht einen Pfifferling." „Woran starb Ihr Vater denn elgentllch. wenn ich fragen darf.' „Aus demselben Grund«, aus dem er Schützenkönig wurde,' sagte Minna zomig.«Aus mißverstandenem Ge- schäftssinn. Er glaubte an dt» Touristengeschicht». Daß s>« neues Leben in alles bringen sollte. Nur kamen keine Touristen, und er saß da mit Unmengen von Badelaten und Badeanzügen. Do nahm er eines Tages selbst ein großes, rotgestreiftes Badelaken über die Schulter— zum erstenmal in seinem Leben---- und ging in die Badeanstalt er wollt« gleichsam das Touristen- und Bodeleben herzmingen, verstehen Sie. Am nächsten Tage hatte er die Lungenentzündung, die seinem Leben ein Ende machte. Ihr Kranz wurde allgemein bewundert! Und er hielt solange." Svejdal strich sich übers Kinn und sagte, bah sei ja nichts. aber Minna wand ihr Uhrtetteimudalllon hervor und zeigte«
daß zwei rot« Buchenblätter darin lagen.„Ja," sagte sie klangvoll. Dann nahm sie den Ingenieur mit in die Küche, um Wasser zum Glühwein zu kochen. Das Mädchen hatte sie gleich nach Tisch fortgeschickt. Und da sie sich jetzt zwischen den Kochtöpfen besonders nett ausnahm, geschah es, daß der Ingenieur sie. ehe dos Wasser kochte, einige Male küßte. Den Glühwein stellten sie auf da» kleine Tischchen vor dem großen Soso, aber obwohl sie ganz dicht beieinander saßen, wurde nicht mehr geküßt. Der Ingenieur war noch schweigsamer geworden, schien es, und noch länger, seine Knie ragten spitz und unbesteigbor in die Höhe. Minna versuchte. wieder lN die Küche zu gehen, um mehr Zucker zu holen, und sich vom Ingenieur begleiten zu lassen, aber auch da, Kols Nichts. Erst, als Minna das Gespräch auf seine Arbeit brachte, wurde er etwas lebhafter."Er erwartete in den nächsten Togen eine Betonmischmaschine. Zwei vielleicht, sagte er, und seine Stimme wurde rauh. Ja, er hatte die ganze Ver- antwortung. Cr hatte niemand über sich. In den nächsten Tagen wollte er Egholms Pappeln fällen und ihren ganzen Garten wegfahren lassen. Denn sie hotten nur das 5zaus gemietet und auch das nur solange, bis er. Ingenieur Svejdal, verlangte, daß es geräumt und abgerissen würde. Minna nickte bewundernd. „Aber schließlich— Egholm ist ein nester Mann, warum sollte er Ihn also zwecklos genieren? Nein. Das Haus konnte gute noch ein halbes Jahr stehen. Die Pappeln und der Garten eigentlich auch. Man würde sehen, was man für ihn tun könnte. Minna nickte noch bewundernder. Ingenieur Svejdal wurde das Herz weich bei dieser Be- wunderung. Er sagte, einem Mann wie Egholm müsse man eher helfen als schaden, wie Rechtsanwalt Worm es täte. „Wissen Sie nicht, daß er Egholm eine Ziegelei verkaust hat. deren Lehmgrube eine Kiesgrube ist?" „Ich kann mir alles Schlechte von dem Lumpen denken,' sagte Minna mit zusammengebissenen Zähnen. „Ja, und er prahlt noch im Hotel damit." „Sie würden nie jemand betrügen!' sagte Minna und stieß mit ihrem Gla» gegen das seine. Es war jetzt spät geworden, und de? Ingenieur brach mit vielen Danksagungen auf. Minna wollte ihn durchaus hin- unter begleiten, und da es dunkel auf her Treppe war. faßte sie ihn um den Hals, um nicht zu stolpern. Lrautzen war es feine stille Sommernacht. (Fortsetzung folgt.)
V