Serlin und München . Dcutschnationaler Druck auf die Bayerische Volk». Partei. München . 31. Dezember.(Eigener Drahtbericht.) In dem Feder- krieg, der nach dem Sturz der Reichsregierung zwischen den Deutsch - nationalen und der Bayerischen Volkspartei in Bayern ausgebrochen ist, demaskierte am Freitag der Führer der Deutschnationalen, Pro- fcssor Hilpert, die Haltung seiner Partei. Aus einem Artikel, den er über die Wirkung der Reichskrise aus Bayern verössentticht. geht klar hervor, daß die Teuischnationalen unter der Drohung der Auf- lösung der bayerischen Regisrungskoalition darauf ausgehen, die Bayerische Volkspartei auf das Zentrum zu Heyen , damit dieses dem deutschnationalen Machtstreben im Reich gefügig wird. Wärt- lich wird erklärt, dag das Ziel des bayerischen Koalitioneprogranims erschüttert werde, wenn es im Reich unter Hilfe des Zentrums zu einer Linksorientierung käme. Gleichzeitig wird der Bayerischen Volksparlei vorgeschrieben, daß,„wenn das Zentrum die Ueber- zeugung gewänne, daß es der Bayerischen Bollspartei unter allen Uniständen bitterernst ist mit einer Regierungserweiterung nach rechts, das Zentrum schon um des guten Einvernehmens willen diesen, Wunsche Rechnung tragen müsse". Das ist natürlich bloße Gaukelei, denn jederniann ist sich darüber klar, wer in dem augenblicklichen Verhältnis Zentrum-Bayerische Bolkspattsi der gebende und der nehmende Teil ist. Di« von der Bayerischen Voltspartei mit ollen Mitteln betriebene Annäherung an das Zentrum ist letzten Endes für die Bayerische Volkspartei eine Existenzfrage und wird bestimmt durch deutschnationale Wünsche und Forderungen, auch wenn dieselben ultimativen Charakter tragen. Die bulgarische Schreckensregierung. Sozialistischer Kammcrangriff.— 1500 politische Untersuchungsgcfangene. Sofia , 31. Dezember.(Eig. Ver.) Anläßlich der Kammerdebatte über die Thronrede ergriff für die Sozialdemokraten u. a. auch der Fraktionsvorsitzsnde I a n k a S a k a s o s s das Wort und unterzog die Politik der heutigen Regierung einer vernichtenden Kritik. Alisgehend von der im Sommer dieses Jahres von Süd- slawicn, Griechenland und Rumänien an Bulgarien gerichteten Kol- lekrivnote betonte der Redner, daß sich Bulgarien heute in einer außerordentlich schwierigen Lage befinde, die ein« doppelt- friedfertige Politik der Regierung ersordere, um zu einer Verständigung mit den Nachbarstaaten zu kommen. In erster Linie sei eine Annäherung an Südslawien eine unbedingte Lebensnotroendigkeit für Bulgarien . Der offene faschistische Vorstoß auf dem Balkan und Albanien müsse jeden friedliebenden Bulgaren mit größter Besorgnis erfüllen. Sakafoff stellte dann fest, daß die„Demokratische Vereinigung ' nicht imstande gewesen sei, normale Verhältnisse im Lande herzustellen. Die inneren Konflikte hätten sich in« riesenhaft« aus» gewachsen, und der bulgarische Bürger erschauere vor dem Blut- ström, der>» t»«» letzten drei Iahren geflossen sei. Roch niemals seien soviel bulgarische Söhne ün Bürgerkrieg gefallen, selbst die blutigen Unruhen in den Iahren 1886/87 würden durch die jetzigen Vorgänge in den Schatten gestellt. All« Wahlen ständen unter den schlimmsten Gewalttätigkeiten, wie sie die Geschichte des Landes nie zu oorzeichnen gehabt habe. Das heutige Kabinett Liaptscheff unterscheid« sich in seiner Politik wenig von dem terroristischen Regime des Putschisten Zankoff. Auf seinen zynischen Zwischenruf des Ministerpräsidenten Liaptscheff rief ihm Sokosoff zu, sich doch einmal als Harun al Raschid unter das Volk zu mischen, um zu vernehmen, mit welch ungeheurem Terror seine Polizeiorgane und verantwortlichen Faktoren unter der Be- völkerung wüten. Wie könne man von einer Freiheit der Wahlen sprechen, wenn zehn Tag« vor dem Wstimmungstermin eine ver- schärfte Polizeistunde eingcführt würde, um die Wahl- agitation der Opposition zu behindern. Schließlich verlangte der Redner volle A m n e st i e für die p o l i ti f ch e n Gefangenen, die noch zu Tausenden in den Gefängnissen schmachteten. Mein mehr als IS SO von ihnen sind feit Jahr und Tag eingekerkert, ohne daß sie bis heute vor den Richter geführt worden sind. Unzählig« Unschuldige seien lediglich auf. Anzeig« irgend eines persönlichen Feindes hinter Schloß und Riegel gefetzt worden. Siitc ganze Familie au� politischen Gründe« yingemordet— sechs Menschen verbrannt! Sofia . 31. Dezember.(Eigener Bericht.) Die gesamte Oppositwn in Lulgarlcn ohne Unterschied der parteipolitischen Schattierung vereinigt sich immer mehr in ihren Protesten gegen den z u- nehmenden Terror der Regierungsorgane und der in ihrem Solde stehenden unverantwortlichen Faktoren. Als vor einigen Wochen in der berüchtigten nordbulgarischen Stadt P l e w e n die Wohnung des politisch linksstehenden Arztes B e f ch e f f unter eigenartigen Umständen niederbrannte, wobei die ganze Familie mit sechs Köpfen in schrecklicher Weise ums Leben kam. erhob die Oeffentlichteit schwere Anklagen gegen die verbrecherischen Elemente der Regierung. Die sozialistischen Organe„N o r o d' und„N o- v i n i' beschuldigten offen die„unverantwortlichen Faktoren' der „Demokratischen Vereinigung ' als Brandstifter. Aber schließlich sahen sich die Behörden unter dem Druck der Opposition doch ge- zwungen,«ine sachverständige Enquetekommission einzu- setzen, die sich aus Regicrungsbeamten zusammensetzte. Die abge- schlossenen Erhebungen sind eine einzige Rechtfertigung des Verdachts der Opposition. Uebercinstimmend wurde bei der Untersuchung festgestellt, daß Brandstiftung vorliegt und sich die Täter dabei großer Mengen leicht brennbarer Stoffe, wie Benzin. Petroleum oder Spiritus, bedient hoben, um eine Rettung der Familie Bescheffs unmöglich zu machen. Zur Ablenkung des Verdachts wurde das Feuer nicht nur in der dritten Etage, wo die Unglücklichen wohnten, sondern danach auch im ersten Stockwerk angelegt, wo es wenig«? Schaden anrichtete. Die Feuerwehr traf erst etwa zwei Stunden nach der Drandmeldung«in. Die Regierungspresse schwelgt bis jetzt über die Feststellungen der Untersuchungskommission, die nicht überraschend . kommen, nachdem kürzlich schon bekannt geworden ist, daß Dr. Vescheff In den letzten Monaten wiederHoll Drohbrief« er- halten hatte, daß man mit ihm Abrechnung hallen werde. Eine unzureichende Teilamnestie. Losia . 31. Dezember.(Eig. Drahtber.) Anläßlich des Neujahrs- tage» io«rd«n am Danncrstag durch königlichen Utas gegen SOO Gefangen« begnadigt. 80 davon völlig, während die übrigen eine.'Strafmilderung erhalten. Von den Begnadigten find nur«in kleinem Teil politische Gefangene. Di« Regierung ist also dem Cr- suchen der Linksparteien um w e i t g e n d« Amnestierung der nach') auf enden zählenden politischen Sträfling« aus den Bürger- Jämpst n der letzten Jahre nicht nachgekommen,_ j.... i
parlamentskomööie in Ätauen. Das Rumpfparlament verzichtet auf ein Regieruugsprogramm.
Kowno . ZI. Dezember.(MTV.) An der gestrigen ersten Sitzung des litauischen Sejm nach der Umwälzung nahmen auch Abgeordnete der Volkssoziolistischen und der Sozial- demotralischen Partei teil. Ein von einem Volkssozialisten gestellter Anteag, die neue Regierung möge eine programmatisch« Erklärung abgeben, wurde mit einer Stimme Mehrheit abge- lehnt, nachdem die erste Abstimmung Slimmenzleichheit ergeben hatte. Der Sejm beschäftigte sich weiter mit dem Budget und nahm den Etat des Ministeriums des Innern, bei dessen Beratung es zu Lärmszenen kam. mit den Stimmen des Reckzksblocks gegen die Stimmen der Linken und der Polen an. Die mcmellävdifch- deutsche Fraktion übte Stimmenthaltung, die jüdische Fraktion stimmte überhaupt nicht mit. * Selbst aus der übervorsichtigen Fassung dieser Wolfs- Depesche, deren zurückhaltende Kürze sehr wohl auch eine Folge terroristischen Zwanges oder von Zensurstreichungen sein kann, geht deutlich hervor, daß es nur ein Rumpf- Parlament gewesen ist, in dem die Faschistenregierung schließ- lich mit Ach und Krach eine Stimme Mehrheit erhalten hat. Und was für eine Qualität hat diese Parlamentsmehrheit, die nach einem gewaltsamen Umsturz durch das Militär nicht einmal ein Programm der neuen Regierung hören und ver- künden lassen will. Freilich, über eine Programmerklärung müßte man schon eine Debatte zulassen, und die kann man nicht brauchen. Man hat doch die Pressefreiheit nicht dazu beseitigt, daß die unterdrückte Volksstimme auf der Parla- mentstribüne erschalle. Nur ein Teil der oppositionellen Abgeordneten hat also an der Sitzung teilgenommen. Wie kommt das? Vielleicht äibt die lakonische Meldung von Lärmszenen beim itat des Innern einen Anhaltspunkt: wenn oppositio- nelle Abgeordnete von der Polizei an der Ausübung ihres Volksauftrags gehindert sind, können sie nicht am Parlament erscheinen. Es ist begreiflich, daß ihre noch nicht verhafteten Genossen dagegen mit aller Stimmenkraft protestieren; frei- lich ebenso verständlich, daß die solcherart zur Mehrheit ge- wordene Rechte des Sejms nicht säumt, diese Gelegenheit auszunutzen. Im benachbarten Polnischen hat man für solche Methoden die sprichwörtliche Bezeichnung:„Nicht ehrenvoll, aber gesund!" Das Fehlen der Iudenfraktion bei den Abstimmungen erklärt sich recht einfach aus der Besorgnis, durch Stellung-
nähme gegen die Faschisten noch ärgere Bedrückung auf die jüdischen Massen heraufzubeschwören. Und ähnlich ist wohl auch die Stimmenthaltung der Deutschbürgerlichen zu werten. Staatspräsident Dr. Grinius. kowno. 31. Dezember.(OE.) Die neue Regierung hat dem durch den Staatsstreich gestürzten Staatspräsidenten Dr. Grinius eine monatliche Pension von 603 Lit angeboten, was aber Grinius abgelehnt habe. Die Zeitungsmeldungen über sein« angeblich geplante Auswanderung dementiert Dr. Grinius . Verhafte« und verbiete« könne» sie. kowno. 31. Dezember.(OE.) Im Rayon zwischen den Forts 1 l und III bei Kowno fand eine Versammlung statt, die den Militärposten verdächtig erschien. Ausgejandt« Partouillen kamen jedoch zu spät, da die Teilnehmer bereits geflüchtet waren. Nachträglich find mehrere Personen unter dem Verdacht. Anstifter dieser Versammlung gewesen zu sein, in einem Dorf bei Kowno verhaftet worden. Zur Einsetzung der Feldgerichte erklärt der Kommandant von Kowno , die Gerüchte, daß bereits zahl- reiche Personen den Feldgerichten übergeben seien, für halt- los« Sensationsmeldungen. Die„Jüdische Stimme' meldst aber unter Bezugnahme auf polizeiliche Angaben, daß in Mosheiki der Vorsitzende der dortigen sozialdemokratischen Organisation, Spukas, wegen regierungsfeindlicher Aeußeruu- gen schon dem Feldgericht übergeben worden sei. Die ausländischen Zeitungen„Prager Presse"(Organ der tschechoslowakischen Regierung),„Dni', und„Poslednijo Nowosti' (russisch -bürgerliche Emigrantenblätter) sind für Litauen verboten worden. Protestkundgebungen in Sowjctrußland. Moskau , 31. Dezember. (OE.) Nachdem nun die Hinrichtung der vier Kommunisten in Kowno feststeht, haben in Moskau und anderen russischen Städten große Protestkundgebungen stattgesunden, denen wohl noch weitere folgen werden. Die„P r o w d a" be» hauptet, daß der Putsch in Litauen nur das Signal zu weiteren ähnlichen Vorstößen in den baltischen Staaten sei und macht dabei Andeutungen über angebliche Faschistenpläne in L e t t l a n d, wo soeben eine Linksrcgierung ans Ruder gekommen ist.„Jswestija" schreiben, es sei doppelt und dreifach zu beklagen, daß Litauen , das hoch bisher Wert auf gute Verbindung mit der Sowjetunion gelegt hätte, eine so grobe Herausforderung verübte.
polnische Presseknebelung. Raffinierte Unterdrückungsmethoden. Danzig , 31. Dezember.(TU.) Di« polnischen Zeitungen bringen nähere Einzelheiten über den Inhall des neuen polnischen Presse» dekret». Danach dürfen Zeitungen nur von Personen über 17 Iahren oerkauft und nur mit dein bloßen Z e i t u n g s t i t e l auf der Straße ausgerufen werden. Die Verwaltungsbehörde erster Instanz kann sogar dos Feilbieten von Zeitungen an bestimmten öffentlichen Orten ganz untersagen. Als vcrantwort- licher Redakteur darf niemand zeichnen, der auch nur ein einzigesmal wegen Presjevsrgehens verurteill worden ist. Samt- lich« amtlichen Bekanntmachungen müssen die Redak- tionen in ihrem vollen Wortlaut, ohne Einschränkung und ohne abschwächende Kommentare, zum Abdruck bringen. Di« in Zeitungen beleidigten Personen können bei Gericht aus Schadenersatz bi» zur Höhe von 10 000 Zloty klagen. Für Druckoergehen kann neben den gewöhnlichen Gesetzesstrasen vom Gericht eine Geldstrafe bis zu 300«) Zloty ausgesprochen werden. Der D r u ck e r c i b e s i tz e r ist mit dem Verleger des Blattes für alle Geldstrafen, Entschädigungen und Gerichtskosten haftbar, wenn das von ihm gedruckte Blatt bereits dreimal in einem Jahre konfisziert worden ist. Besonders scharf werdcn künftig die Zei- tungsbeleidigungen bestraft, die die Privat- oder Familien- Verhältnisse des Beleidigten angehen, ohne daß zu der straf- baren Zeitungsverösfentlichung allgemeines Interesse vorgelegen hat Das Gericht kann in besonderen Fällen eine Zeitung auf unbe- stimmte Zeit verbieten, ohne daß eine Berufung da» Verbot ausschiebt. Für die wegen Prcssevergchens Verurteilten dürfen keine Geldsammlungen veranstaltet werden. Den Sammlern droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten und«ine Geldstrafe bis zu 3000 Zloty. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der den Verurteilten wegen seiner Tat noch lobt.(!) Unter diesen Umständen gestaltet sich besonders die Lage de» verantwortlichen Redakteurs sehr schwierig, da er, wenn er«In« strafbare Berösfentlichung zugelassen hat. mit Freiheit?- strafen von sechs Monaten bis zu drei Jahren und Gcid- strafen bis zu 10 000 Zloty bedroht wird. Wegen Herausgab« einer gerichtlich verbotenen Zeitung oder wegen Führimg einer gerichtlich geschlossenen Druckerei kann eine Strafe von sechs Mo- naten und 5000 Zloty oerhängt werden, wegen Nichtaufnahme einer behördlichen Bekanntmachung kann eine Ber- urieilung zu drei Monaten und 2000 Zloty imd wegen Nichtaufnahme einer Berichtigung die gleich« Verurteilung erfolgen. Auf Antrag des Staatsanwalts kann das Gericht in einer Zusammensetzung von drei Richtern den Strafbefehl erlassen, andercrseits kann im ver- einfachten Verfahren ein Richter ohne Verhandlung und nur nach Anhörung des Staatsanwalts allein das Urteil fällen. Wenn die verhängten Geldstrafen nicht innerhalb sieben Tagen von dem Bestraften geleistet worden sind, kann das Gericht die Zeitung bis zur Bezahlung verbieten. Eine verbotene Zeitung darf auch nicht mit verändertem Titel wieder erscheinen.
politischer Mord in polen . Ei» Verräter seiner Genossen in Warschau erschossen. Marschau, 31. Dezember. (EP.) Der 27jährige Handelsgehilfe Oppenheim, der vor kurzem unter dem Berdacht, ein Polizei» k o n f i d e n t zu fein, aus der Kommunistischen Partei au»- geschloffen wurde, ist auf offener Straße erschossen worden. Borher war ein regelrechtes Todesurteil der Polizei brieflich mit- geteilt worden. Oppenheim hotte sich daher in der letzten Zeit ver- borgen gehalten. Zwei Männer sind als angebliche Attentäter, ver- haftet worden. Seuoff« Reichetansabgeordneter Zohannes Schlnncr, Freilal. ist an einer schweren Blinddarmentzündung mit Bauch« llverenerirng erkrankt.,:j._.....
Nöte des Vielvölkerstaates. Gestern Oesterreich — heute der Tschechoslowakei . Prag , 31. Dezember. (Eigener Drahtbericht.) Die monatelang.m Verhandlungen der Regierung mit den slowakifchen Kleri- kalen haben noch immer nicht zu einer festen Koalition der tschechischen und deutschen Bürgerparteien mit den Slowaken mc- führt. Diese verfolgen die sehr geschickte Taktik, sich bei scher kritischen Abstimmung mit neuen Zugeständnissen kaufen zu lassen und ihr« Forderungen von einem zum andernmal zu steigern. Nun bliebe der Regierung, um zu einer festen Mehrheit zu kommen, wohl der Ausweg übrig, die tschechischen Nationalsozialen in die Koalition aufzunehmen. Die Parteien der äußersten Rechten wehren sich ober gegen diese Schwächung der bürgerlichen Macht- Position und vor allem die N a t i o n a.l h e m o k r a t e n, die durch. aus Dr. B e n e s ch aus der Regierung drängen wollen, setzen sich gegen die Ausnahme der Nationalsozialisten und für die Slowaken ein. Die Slowaken selbst sind inzwischen in ihren Forderungen schon bei dem Berlangen nach vollständiger Autonomie der Slowakei angelangt. Di« Ausrollung des nationalen Problems und die Schassung der nationalen Autonomie für die Slowakei müht« aber die tschechisch-deutsche Bürgerkooiition sprengen und die deutsche Frage wieder auf die Tagesordnung setzen. Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, hat Dr. K r a m a r s ch schon vor Jahresfrist die Rückkehr zur alten Kronlands- Verfassung, wie sie Altösterrcich hatte, vorgeschlagen. In den letzten Tagen verlautet aus offiziösen Quellen, daß man tatsächlich zu diesem Projekt zurückgekehrt und mit den Slowaken auf der von Kramarsch vorgeschlagenen Basis verhandelt. Das Parlament soll auf Mitte Januar«inberufen werden und die Landesverfassung an Stelle der aufzuhebenden und großenteils noch gor nicht durch- geführten Gauverfosfung beschließen. Die Republik würde dann vier Länder, und zwar Böhmen , das oereinigte Mähren - Schlesien , die Slowakei und Karpathenrußland um- fassen. Die Länder würden von Landtogen autonom verwaltet. Es sollen jedoch nur zwei Drittel der Landtagsabgeordneten gewählt werden; das restliche Drittel will man ernennen! Die Slowakei würde so den slowakischen Bischöfen ausgeliefert und zur Domäne des schwärzesten Klerikalismus gemacht, die Deutschen wären in allen Ländern eine Minderheit, während sie nach dem Gaugefetz vom Jahre 1020, das noch von der rein tschechischen Revoluttons, Konstituante beschlossen wurde, wenigstens in zwei Gauen(Karlsbad und Böhmisch-Leipa ) eine große Mehrheit gebildet hätten. Die Landesverfassung bedeutet im übrigen keinen Schritt zur nationalen Autonomie, sondern ein Mittel, die nationale Selbst- Verwaltung zu begraben. Sie ist auch verwaltungstechnisch ein Rückschritt, da sich die Kronlanbsverfassung schon im allen Oesterreich als schwerfällig und die Landtage als arbeitsunfähig er- wiesen haben. Die Sozialdemokratie forderte schon damals die Kreisverfassung mit nationaler Abgrenzung der Derwaltungsgcbielc. Die deutschen Regierungsparteien wie auch die deutschen Minister werden anscheinend um ihre Meinung nicht gefragt. Es sst aber sehr wahrscheinlich, daß sie trotzdem klass-negoistisch genug sein werden, um sich gegen die Beseitigung des letzten Restes nationaler Selbstverwaltung nicht zur Wehr zu setzen.
Amnestie für dsäfllfche �ntonomiften. Nach Abgabe einer Loyalitätserklärung. Paris , 31. Dezember. (Eigener Drahtbericht.) Der„Temp-' laßt sich aus Straßburg melden, Poincarö Hab« den wegen Teilnahme an der A u t onomistenbewegung mit Difziplinarstrasen belegten Beamten mitteilen lassen, er werde sie begnadigen, wenn sie ein« Loyalitätsertlärung gegenüber Frankreich unter.zeich- neten. Sämtliche bctrossenen Beamten haben ihm nach der Meldung des Blatte»«in« jolche Erklärung zugehen lassen.