Rechtsregierung das größte Hindernis für die Verwirklichung der Pläne non Thoiry fein würde. Er hat es bisher nicht ge- wagt, trotz besierer außenpolitischer Erkenntnis, gegen die von sozialreaktionären Wünschen diktierten Absichten seiner eigenen Parteifreunde Stellung zu nehmen. Wir aber wollen an dieser Jahreswende unsere warnende Stimme erheben. In Rechtstreisen gefällt man sich wieder ein- mal im„Lairdesverratsgeschrei" gegen die Sozialdemokratie. Wir ober sagen: Jawohl, es droht die Gefahr eines Landes- verrats. Der wirh aber objektiv von denen betrieben, die durch ihre Bürgerblockpläne die Rheinlandräumung er- schweren. Eine Rechtsregierung würde sich auf die Deutsch - nationalen stützen müssen, deren ostelbischer Wortführer S ch l a n g e- S ch ö n i n g e n kürzlich von dem„Entschei- dungskamps an der Weichsel " gesprochen hat, der dem„Ent- ichüdungskampf im Westen" vorangehen müßte. Sie würde sich auf die„Vaterländischen Verbünde" stützen müssen, die erst in diesen Tagen schärssten Kampf allen denen angesagt haben, die für eine Verständigungspolitik mit Frankreich eintreten. Diese Kundgebungen bieten einen Vorgeschmack der Außenpolitik, die eine Regierung der„kleinen" oder der ..großen" Rechten treiben müßte, um ihre Getreuen zu be- sriedigen. Es wäre ein sonderbares Schauspiel, wenn der Nobelpreisträger Stresemann der Außenminister einer solchen Regierung wäre. Soll 1927 das Jahr der Räumung sein, dann hat nicht nur Frankreich , sondern auch Deutschland das Wort!
Deutschnationale Siioestersthmerzen. Trübsal bei Westarps.— Claft will Dirigent spielen. Ein sehr amüsantes Kapitel um die Jahreswende bilden die politischen Rück- und Ausblicke in den deutschnationalen Zeitungen. Diesmal blickt die . Kreuzzeitung " äußerst trübselig in die Zukunft. Sie findet, daß die Lage an der Schwelle des Jahres„nichts weniger als erfreulich" ist. Besonders schmerzlich ist sie von dem Vorhandensein und der Wirksamkeit der Sozialdemo- k r a t i e berührt. In den ostelbischen Feudalschlössern, wo die . Kreuzzeitung " des Namens halber noch gehalten zu werden pflegt, wird man mit lebhafter Freude diese Weisheit über die„Marxisten" lesen: Es hat sich immer wieder in der Praxis ergeben, daß ein Hand- inhandgehen mit den Marxisten für die industriellen Kreise unmöglich ist. Namentlich in der nächsten Zeit, wo verschiedene sozialen Gesetze zur Verhandlung stehen, wird es sich von neuem zeigen, daß der Slassenkamps sich nicht durch Portelkompromisse und Koalitionsregierungen aus der West schaffen läßt... Die Sozialdemokratie lebt in der Republik genau wie in der Monarchie von der Aufhetzung der Massen gegen den Privatbesitz ... So hat die deutsche Republik ihren hauptsächlich st en Feind in Wahrheit gerade in jener Partei, die sich scheinheilig als Hüterin der demokratischen Republik aufspielt. Wenn es den Marxisten Ernst ist mit der Durchführung der Lehren ihres Begründers, kann sie mit der heutigen Republik nie und nimmer einverstanden sein... Di« richtige Bedeutung des gesamten Mar xis> mus wird allerdings nur der erkennen, der sich von der bequemen, leider ja oft verbreiteten Meinung frei macht, die Sozialdemokratie sei nicht halb so schlimm, wie sie gemocht werde. Dir<l) jeden- fostä. feilen in ihr einen ebenso gefährlichen Feind der Staat», und Gescllschastzordnung wie im Kommunismus, olesteichl den noch ge- jährlicheren, weil sie beschickter arbeilel. Die Zeiten ändern sich. Jetzt muß sogar das Blatt Westarps„mit Gott für König und Vaterland" die Republik gegen die— Sozialdemokratie verteidigen! Aber da die Sozialdemokratie nun einmal für die Grafenpartei noch gefährlicher ist, als die ihnen in russischem Kleid sonst so sympathischen Kommunisten es sind, so ist die Sorge um den Staat, in dem„der Graf befehlen" möchte, schon verständlich. Was die ,Kreu,zzeitung" durch Schwarzmalerei nur an-
deutet, das bläst der Alldeutsche E l a ß in vollen Brusttönen in die Welt. Er möchte den Dirigenten des deutschen Orchesters spielen und der Reichspräsident soll sein Konzert- meister sein. Der Deutschnationalen Partei weist er die Orchesterpartie der„sachlichen Arbeit" zu. Sie soll sich bei der Lösung der Regierungskrisis„die Führung sichern". Aber die Leitung der Partei kann diese Aufgabe nach dem geltenden Rechte nur dann in Angriff nehmen, wenn sie dazu von der Stelle berufen oder herangezogen wird, die nach der Ler- sossung dazu allein berechtigt ist— vom Reichspräsidenten. Damit ist gesagt, daß dieser vor die wichtigste Entscheidung seit seinem Amisontritt gestellt ist, daß er recht«gentlich am Scheide- weg steht: Bekenntnis zur sachlichen Arbeit und Berufung einer dazu tauglichen Regierung oder Gewährenlassen des bisherigen verderblichen Unwesens. Fällt die Entscheidung des Reichspräsidenten so aus, wie sie für Deutschlands Rettung ersehnt werden muß, dann findet sich sofort die Führung der größten nationalen Parte! an ihrem Scheideweg: sie hat zu wählen, mit welchen Bundesgenosien, mit welchen Hilfs- kräften sie ans ungeheure Werk herangehen will, ob sie landläufige „Koalitionen" sucht— ein entsetzliches Wort für den bisherigen traurigen Dauerzustand— oder ob sie aus unbeeinflußtem eigenen Urteil, gestützt durch den Entschluß des Reichspräsidenten , eine Regierung der besten Männer bildet und dann den Reichstag vor die Frage stellt, ob er einer Stoatskunst der sachlichen Arbeit in die Arme fallen oder sie mitmachen will. Für wirklich sachliche Arbeit kommt ein„Koalition? �Kabinett" nicht in Frage— eine vom Reichstag an sachlicher Arbeit gehinderte Regierung aber kann mit gutem Gewisien und mit Aussicht auf Erfolg die Entscheidung des deutschen Volkes anrufen. Der Oberputschist möchte den Reichspräsidenten in ein« Rolle dirigieren, die so oder so zu eijiem Mißerfolge führen muß. Das politische Konzert, das da gespielt werden soll, müßte in einer schlimmen Kakophonie enden. Das zu erreichen, ist das deutschnationale Sehnen der Claße, wenn sie es auch als„sachliche Arbeit" etikettieren. Aber wenn sie auch noch so laut dem Reichspräsidenten „eine ungeheure Verantwortung" unterstellten: Die Sehn- süchte nach der„Regierung des starken Mannes" müssen die olldeutschen Wotansgläubigen schon noch unerfüllt lassen. Die Zeiten sind vorüber, wo ein Claß als Jazzbanddirigent eine Rolle spielen konnte. Neujahrstoü See Dolchftoßlegenöe. In der„Krenzzeitung" feierlich bestattet. Jeden Freitag Abend bringt die„Kreuzzeitung " eine illu- strierte Militärbeilage„Wehr und Waffen". Wir wissen nicht, ob dieses Erscheinungsdatum eine sinnige Ehrung für den geistigen Vater des preußischen Konservativismus und damit auch der„Kreuzzeitung " ist für Friedrich Stahl, dem als konservativen Juden der Sabbatoorabend, der Erew S ch a b b o s, geuliß besonders heilig gewesen ist. Wie dem auch sei— Militär ist der„Kreuzzeitung " sicherlich hellig und was in ihrer Militärbeilage steht, ist darum besonders hoch zu werten und hat gewiß auch die schnarrende Billigung des Obersten aller Konservativen, des Grafen Westarp, erhalten. Im neuesten„Wehr und Waffen" steht nun ein sehr warm- herzig geschriebener Gcdenkartikel für den nach kurzem Walücrsee-Zwischenspiel zum Nachfolger Hellmut v. Moltkes zum Ehef des kaiserlichen Großen Generalstab.s ernannten Graf Alfred v. Schlieffen , den der Verfasser, Major a. D. Drees, gleichermaßen als Strategen wie als Militärwissen» schaftler und-schriftsteller rühmt. In diesem Nachruf, der das Bildnis des vor vierzehn Iahren Verstorbenen umrahmt, stehen folgende Sätze: Hätte die Einleitung des Weltkrieges auf unserer Seite in den Händen Schliefsens gelegen, so ist wohl anzunehmen, daß sich das Geschick unserers deutschen Baterlandes in gänzlich
anderer Richtung bewegt hätte, ihm dem großen, von Gott begnadeten Strategen, wäre gewißlich der Marnesieg, der für uns schon zum Greisen nahe, letzten Augenblickes nicht ent- glitten. Nach all den rückschauenden Betrachtungen und Forschun- gen, die inzwischen angestellt, ist man wohl berechtigt, die Be- hauptung auszusprechen, daß uns bei Schliefsens Führung der Sieg auf dem westlichen Kriegsschauplatz sicher gewesen wäre. Das Geschick hat es anders gewollt, der Führer war uns ge. nommen, und Deutschland stürzte so tief, so unendlich tief, daß wir tatsächlich den Ereignissen noch immer viel zu nahe stehen, um diesen unsagbaren Sturz voll ermessen zu können. Nach weiteren Ausführungen, die sich auf Schlieffens Laufbahn, nicht auf den Weltkrieg beziehen, sagt Major Drees: Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit, ja, es ist nicht vermessen. zu sagen, wohl mit Bestimmtheit anzunehmen, daß, wenn zu Be- ginn des Feldzuges auf deutscher Seite ein Schlieffen geführt. unserem Volke das Marne -Wunder mit all seinen Folgen, die schließlich zu Versailles führten, er- spart geblieben wäre. Die Behauptung, daß das Verlassen oder die Verwässe» rung des Schlieffenschen Operationsplans die Niederwerfung Frankreichs in den ersten Kriegswochen oerhindert und damit die Niederlage Deutschlands verschuldet habe, wird auch von anderen Militärschriftstellern erhoben. Aber für die Nachkriegszeit und die innerdeutsche Ent» Wicklung seither ist wichtiger, daß hier sozusagen im Zen» trum der Dolchstoßhetze ein gewiß konservativer Offizier auch nicht mit einem Wort irgendwelche Dolchstöße als Ursache der Niederlage Deutschlands im Welt» kriege, nicht einmal noch so entfernt andeutet! Der Schreiber denkt gar nicht daran, etwas anderes als die Nichtdurchfüh- rung des Schlieffenschen Plans für den Zusammenbruch ver» antwortlich zu machen, dessen Anfang er ausdrücklich in die Marneschlacht vom Frühherbst 1914 zurückverlegt, deren Ent» scheidung zum Nachteil der deutschen Kriegführung er wörtlich das Marnewunder nennt— während die OHL. bis zum Ende ihrer Macht nicht duldete, daß die Marneschlacht dem deutschen Volke anders denn als ein deutscher Sieg hingestellt wurde; wer anderes zu behaupten wagte, flog in die Schutzhaft oder in den Schützengraben. Und jene im Generalstabsverlag Mittler u. Sohn bald hernach erschienene offiziöse, zensur- geprüfte Darstellung der Marneschlacht, die für ein« Mark überall käuflich war, verschwand eines Tages spurlos— st« war eingezogen und wurde eingestampft. Ernsthaft haben selbst die Konservativen das Dolchstoß- geschwätz längst aufgegeben. Nur zeitweilig holen sie den alten Ladenhüter wieder hervor, wenn ihre Demagogie einer kleinen Auffrischung bedarf.
pariser Spionage-Mären. Angebliche Ausspähung für Deutschland . Paris . 2. Januar. (TU.) Der frühere englische Fliegerossizier Bioicrn Stranders, der vor wenigen Tagen unter dem Verdacht der Spionage zugunsten Deutschlands verhaftet wurde, hat beim Ver- hör angegeben, er habe an einen Dr. Weber in Berlin Auskünfte über Flugzeugmotoren usw. geliefert, die jedoch keinerlei geheimen Charakter gehabt hätten. Heber die Kampfeinheiten und die De- waffnung der französischen Luftflotte habe er Auskünfte nicht ge- geben. Der Direktor einer großen französischen Flugzeugfabrik be- ftätigte, daß sein« Beziehungen zu Stranders rein gefchäft» l i ch e r Natur gewesen seien, und daß die mit ihm gepflogenen Verhandlungen mit Dingen der nationalen Verteidigung nicht das Geringste zu tun hätten. In der gleichen Affäre ist vor einiger Zeit auch«in Eisenbahnbeamter verhaftet worden, der einen Brief an den deutschen Spionagedien st geschrieben haben soll. Der Brief war angeblich der stanzösischen Polizei in die Hände gefallen. Bei seiner nunmehrigen Bernehmung erklärte der Beamte auf das Entschiedenste, er Hab««inen solchen Brief nie- mal s geschrieben.
glücklichere Projekt wurde an allerhöchster Stelle verworfen; dafür eine Reitersigur mit dem Dreispitz befohlen, der das beste an der Gestalt, den Kopf, verdarb. Und alle Heerführer, Staatsmänner, Gelehrte, Dichter und Künstler am Sockel in kleinerem Format verfammell. Und das ganze freistehend mitten auf einer Straße. Der alte Mann hat seufzend und zähneknirschend nachgegeben und jenes Berkebrshindernis geschaffen, das wie ein vergrößerter Zucker. bäckeraufsatz aussieht. Ein Konglomerat von Figuren und Figürchen, dem das Beste und Notwendigste fehlt: der architektonische Zu- sammenhalt. Kein Mensch weiß, von wo aus man diesen Figuren- salat ansehen soll. So traurig oersackte eine Künstlereristenz, die hoffnungsvoll und oieworsprechend begonnen Halle. Der Hohenzollernkust hat diesen Meister umgebracht. Er ist um dieselbe Zeit gestorben, als Willi, der Schöpfer der Sisgesallee, das Licht der West erblickte. _ Hermann Hiebet.
Der älkefle wein der Welt. Englische Blätter greifen eine Mel» dung aus Bremen auf, nach der kurz vor Wechnachien dort ein 200 Jahre alter Wein als der älteste der Well verkauft wurde, und behaupten, daß es in den Kellereien einer englischen Weinfirma noch viel ältere Jahrgänge gibt. Die Firma von Ehrmann besitzt einen Würzburger Steinwein vom Jahre 1340, einen Leistenwem von 1031 und zwei Jahrgänge Rüdesheimer und Deidesheimer aus derselben Zeit. Ob dieser Wein wirklich der älteste der Well ist, mag dahingestellt sein. Interessant ist jedenfalls die Geschichte, wie diese uralten deutschen Weine in einen englischen Keller kamen. Sie stammen aus dem Besitz des Königs Ludwig ll. von Bayern und lagerten in den bayerischen Hofkellereien mit etwa 100 000 anderen Flaschen desselben Allers. Wie Ehrmann erzählt, probierte der König eines Tages zu Ansang der achtziger Jahre des vorigen Jahr- Hunderts ein paar Flaschen aus diesen alten Beständen, fand sie nicht trinkbar und verordnete, daß das ganze Lager verkauft werde. Der Vater von Ehrmann kaufte es und machte damit ein gutes Geschäft.„Vielleicht war die Flasche, die den Köniq zu der un- günstigen Meinung brachte, wirklich schlecht." erklärt Ehrmann.„Das ist sehr gut möglich, denn manche der Flaschen hatten zu lange ge- lagert und hielten wirtlich nicht, was man von ihnen erwarten tonnte. Aber im ganzen waren es sehr vorzügliche Weine, die mein Vater zu hohem Preise vertaufte. Wir haben nur noch fünf oder sechs Flaschen als„Allertümer" ausgehoben, und sie dürsten den ältesten Wein der Welt darstellen."
Aus der Gesellschaft für Zeituugswiffenschast. Ter preußische Kultu«- minister bat dem RerchSminnter des Innern namens der am 6 November 1928 gegründeten Deutschen Gesellschast für Zeitungswiflenschast in Berlin gebeten, der Gesellschaft sür da« RelchSminislerium det Innern bei- zutreten und sich durch«wen Kommissar im DerwalungSrat der Gesellichast vertreten zu lassen. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst milteilt, b-ab. fichtigt der ReichSinnenminifler der Bitte zu entsprechen und zum Bertreler seines Ministerium» im Verwaltungsrat der Kesellschaft den Ministerialrat Dr. tu o. Toimevert zu ernennen. kelchsznschllß für da» VLrer.ZnbiUwm? Di« Stadtverwaltung von Nürnberg bat bei der Reichsregierung den Antrag gestellt, ihr sür die Deckung der Kosten der sür 1927 geplanten Dürer -JubüäumSjeftllchkeiien einen Zuschuß zu gewähre».
Das gibt es noch! Von Erich Gottgetreu (Paris ). Irr der Ecke steht, sehr schick angezogen, eine hübsche Pariserin und nestelt am Strumpf. Ganz recht, da wo Sie denken: oben, sehr weit oben sogar. Die Männer sehen alle ganz genau hin--- Nach fünf Minuten nestell die Dame immer noch. Daneben, natürlich in vollerem Licht, hat Mussolini den Arm zum Faschistengruß erhoben. Nun wird bald ein Sicherheitsdienst eingerichtet werden. Es könnte sin Kind kommen mit einer kleinen Bombe in der Tasche, und wer ist da zum Lynchen? Schwarz- Hemden sind not. Schwarzhemden und Damenkostüme. Poiret, der Modekönig der Franzosen , ist auch gekommen. Kostbar wird vor ihm eine Dame eingekleidet. In Seid« und Brokat und Silberglanz. Ein kleines und nicht eben schönes Mädchen steht hinter ihr und darf Stecknadeln halten. Wirtlich, sie ist bleich, die Kleine. Aber wollen wir denn auch von der anderen Seite reden? Unglück, Elend, Verkennung. Ver- folgung, Mord— das gibt es heute nicht mehr, das gab es ja nur in der Geschichte. Jesus wurde gekreitzigt(kostet extra), das Christen- voll im römischen Zirkus den Löwen zum Dessert serviert, Jeanne d'Arc verbrannt. Dann kommen ein paar Mordszenen aus der französischen Revolution, sehr grausig.— Herr Pachmck« aus Pankow geht wieder in die Ecke, die junge Dame nestelt immer noch an ihrem Strumpf. Nur für diese Pachnickes aus Pankow und für diese Browns aus London ist das sellfome Haus auf dem Montmartre berechnet. Kastans Panoptikum in Berlin ist längst dem Geist der Zeit zum Opfer gefallen, Paris bleibt gern der Jahrmarkt der Welt. Und was ist das für eine seltsame Well, die da in Wachs konserviert wird? Jesus und Louis XVI . und Mussolini und Jacki« Eoogan und Poincar«? In einem Schrank liegen alle möglichen Erinnerungsstücke an die Marneschlacht aufgebahrt. Das Liederbuch eines deutschen Sol- baten ist aufgeschlagen. Unter dem Bild des früheren Kaisers liest man den Text:„Parole für immer: es lebe sein« Majestät, unser allerhöchster Kriegsherr Kaiser Wilhelm II. " Und dann gibt es im selben Fach Granatsplitter, Stacheldrahtfetzen und Brotmarken der Stadtgemelnde Stuttgart ... Lehen wir schnell über den Montmartre? Irgendwo verwesen hier Leichen-----
Rußland aus der Zvternatlonalen Ruchkunsiaueflellung Leipzig 1927. Die an der Buchtuvst inleresfterten Kreise der Sowjetunion haben ein be- jondereK Organisationskomite« zur Teilnahme der Künstler der G.d.G.SR. an der Internationalen Buchkunstausfiellunq Leipzig 1927 ins Leben ge- rulen. Bertrauensmanv de« Komitee» ist Prof. Slerenberg. Mitglied de» Dnettorium» des Staatsverlages. Der vollikornmissar für das Aus« därungSwesen, Lunatscharski , ist dem Chrenausschuß beigetreten.
Chr. Daniel Rauch . Gestern waren es 150 Jahr«, daß Christian Daniel Rauch in Arolsen geboren wurde. Wir stehen diesem Bildhauer, der in einem achtzigjährigen Leben für die Berliner Denkmalskunst mehr getan hat, als irgend ein anderer, nicht mehr ganz so enthu- siastisch gegenüber, wie der Volkswitz, der das Wort geprägt Hot: Schadows Ruhm sei in„Rauch" aufgegangen. Gottfried Schadow , der nur um 13 Jahre ältere Lehrer, bedeutet uns in seiner stilistischen Gcschlojscnhell weit mehr als fein Schüler, dem der Reallsmus nicht gut bekommen ist. Realist war Schadow auch in einem gewissen Sinne. Er hat sich vom Klassizismus, von der Nachahmung der griechischen Plastik, nicht so unbedingt ins Schlepptau nehmen lassen wie seine berühmten Zeitgenossen Canova und Thorwaldsen. Aber daran war wohl mehr die Barocküberlieferung schuld, die ihm von seinem Lehrer, dem Vlamen Friedrich T a s s a e rt, her im Blute steckte. Dieser Tassaert hat es gewogt, die friderizianischen Generale auf dem Wilhelmsplatz. deren Originals ins Kaiser-Friedrich-Museum gelangt und durch Bronzekopien am Standort selber ersetzt worden sind, im historischen Kostüm darzustellen, und Schadow ist seinem Beispiel mit seiner Zietcnstatue gefolgt. Damit war jene historische Mode angebahnt, die den Realismus mehr und mehr seiner formal- plastischen Aufgaben entfremdet hat. Gerade an Rauch, der ohne den starken Rückhalt der barocken Ueberlicfcrung aufgewachsen ist, kann man die allmähliche Ent- a r t ü n g der Plastik ausgezeichnet studieren. Ein unbemittelter Kleinbürgersohn, früh des Vaters beraubt, ist er in die preußische Residenz gekommen und bei Friedrich Wilhelm II. , später bei der Königin Luise , Kammerdiener geworden. Sieben Jahre hat er den Lakaien spielen müssen, ober auch später noch, ja bis an sein Lebens- ende, ist er von den Dilettanten auf dem Königsthron abhängig geblieben. Der unausstehliche Pedant, dessen Verständnis bei den Gomaschsnknöpfen aufhörte, Friedrich Wilhely, III., derselbe„kex Inlinhivus", der Schinkel den Plan seiner Potsdamer Nikolrnkirche verpfuscht hat, schulmeisterte auch an Rauch herum und hat ihm mehr als einmal das Konzept verdorben. Die Frucht von sechs italienischen Studienjahren ist die Grab- figur der Königin Luise im Mausoleum in Charlctten- bürg gewesen. Das klassische Ideal, dem er mit diesem Werk am nächsten gekommen ist— näher jedenfalls als die Thorwaldsen und Canooa—, hat er auch später noch, als er die Feld- Herren der Freiheitskriege zu modellieren hatte, festzuhalten versucht. Es ist rührend zu sehen, wie er sich bemüht hat, die Glieder des menschlichen Leibes unter den widerstrebenden Falten der modernen Umform zur Gellung zu bringen, wie er namentlich den Marmorfiguren der Bülow und Scharnhorst neben der Schinkelschen Hauptwache-die abscheuliche lange Röhrenhose wie nasse Tücher um das Bein schmiegt. Diese beiden Marmor- figuren sind vollendeter als die Bronzegestallen der Blücher, Porck und Gneisenau gegenüber. Rauch hat zweifellos'den Marmor besser beherrscht als die Z�onze. Zuletzt kam die große Katastrophe seines Künstlerlebens: das Denkmal Friedrichs II. Von Schadro» halle er die Idee übernommen, den König in antiker Tracht an eine klassische Säulenarch-itektur anzulehnen. Aber dieses künstlerisch well