nr. 12 44. Jahrg Ausgabe A nr. 7
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Sonnabend, den 8. Januar 1927
Fernsprecher: Dönhoff 292–297.
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenste.3
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Die Deutschnationalen demaskieren sich Die Kräftegruppierung in China .
Gegen Republik und Verständigungspolitik. Abschüttelung Loebells.
Der Borsitzende der Deutsch - Ronservativen Partei gibt folgende Erilärung ab:
Ju der Linkspreffe wird die Bermutung verbreitet, als ob es möglich wäre, daß die DNVP. anläßlich der Regierungsbildung durch eine Erklärung die wesentlichsten ihrer Grundfäße, den monarchischen Gedanken und den wider. stand gegen die Erfüllungspolitit- preiszugeben sich bereit finden tönnte. Ich halte einen derartigen Gefinnnngswechsel für unmöglich und darf namens der in
diesem Zusammenhang erwähnten Deutsch - Konservativen Partei er
flären, daß diefe etwas Derartiges feinesfalls mitmachen würde. Dr. h. c. Graf Seidlih- Sandreczki.
Die Deutsch- Konservative Partei ist die führende Gruppe, der Kern der Deutschnationalen Boltspartei. Der Führer der Deutschnationalen, Graf Weft arp, war ihr Vorsitzender, bis er zum Borfigenden der Deutschnationalen Volkspartei ge= mählt wurde. Er hat den Vorsitz in der Deutsch- Konservativen Partei nur deshalb niedergelegt und ist weiter Mitglied der Ronservativen Partei. Diese Erklärung zeigt mit größter Deutlichkeit, welche Politit die Deutschnationalen anstreben.
Die Ausführungen des Herrn von Loebell zur Frage der Regierungsbildung haben die deutschnationale Barteis leitung zu folgender Erklärung veranlaßt:
Im Deutschenspiegel hat sich der frühere Staatsminister von Loebell zur Frage der Regierungsbildung eingehend geäußert und dabei ausgeführt,„ tein Mensch dente gehend geäußert und dabei ausgeführt, tein Mensch dente mehr baran, die Verträge von Locarno umzu ftoßen; und was die innere Politit betrifft, so stellten sich heute fämtliche Parteien mehr oder weniger freudigen Herzens auf den Boden der neuen Verfassung. Diese Erklärung des Mannes, der bei der Bahl des Reichspräsidenten von Hindenburg eine hervorragende Rolle spielte, ist in der Preffe vielfach als eine Runbgebung der Deutschnationalen Volkspartei aufgefaßt worden. Demgegenüber wird von der deutschnationalen Barteileitung betont, daß fie feine Beranlaffung habe, zu dem Artikel des Herrn von Loebell Stellung zu nehmen Herr von Loebell sei zwar Mitglied der Deutschnationalen Bolfs partei, er habe aber feine Artitel zur Regierungskrise lediglich in feiner Eigenschaft als Borsigender des überparteilichen Reichsbürger rats und ohne jede vorherige Fühlungnahme mit der deutsch nationalen Parteifeitung geschrieben." Das ist eine Abschhüttelung in aller Form.
Wäre die Parteileitung der Deutschnationalen mit den Loebellschen Ausführungen einverstanden sie hätte diese Abschüttelung eines prominenten Mitgliedes nicht nötig ge habt. Der Schluß ist: die deutsch nationale Parteileitung will nicht auf den Boden der Berträge von Locarno treten.
Herr von Loebell hat in diesem Falle erfreuliche Klarheit geschaffen. en
Frankreich und die deutsche Regierungskrise Henry de Jouvenel über die Folgen einer Rechts regierung.
Amsterdam , 7. Januar. ( Eigener Bericht.) In der allwöchigen vom- 6. Januar beschäftigt sich dessen Mitarbeiter Henry de Jou Spizenrubrit des Telegraaf":" Der internationale Gedante" venel eingehend mit den Rückwirkungen der deutschen Krife auf die Thoiry- Bolitit und erklärt, daß man auf franzöfifcher Seite die Heftigkeit der deutschen Nationalisten durchaus nicht so ernit nehmen würde, wenn man nicht gleichzeitig davon spräche, daß Deutschland unzweifelhaft noch im Januar eine Rechtsregierung haben würde. Was folle bei folcher Beränderung der Dinge aus der Bolitit von Thoirn werden? Man hätte auch in Frankreich in jüngster Zeit Gelegenheit genug gehabt, um die Leidenschaften zu entfachen, entweder in Berbindung mit dem Bandsberger Broge der einen fo erbärmlichen Ausgang genommen habe, Prozeß so oder im Hinblick auf die Enthüllungen über die Reichswehr und anders Fälle mehr. Richtsdestoweniger hätten die französischen offizielfen Streife Herrn Stresemann das Vertrauen ge henti, um das dieser in seiner lehten Reichstagsrede nachsuchte.
Wenn jedoch dieses Vertrauen dadurch belohnt würde, daß in Deutschland eine Partei ans Ruder fomme, die ihre Neigung bewiesen habe, Schwierigkeiten auszubeulen, zu übertreiben und zu vergiffen, dann würde für die französische Politik die Borsicht zur gebieferischen Notwendigkeit und zur elementaren Pflicht. Das Auftreten eines Rechtsministeriums in Deutschland würde eine unbeftreifbare Erschütterung der Thoiry- Politik bedeuten. Frankreich würde zu äußerst vorsichtigem Borgehen gezwungen sein, und die französischen Parteien, die die jetzige Bolitit belämpften, würden höchstwahrscheinlich verlangen, daß man sie aufgebe und auf jeden Fall davon absehe, die Mainzer 3one vor dem in den Berträgen feffgesetzten Termin zu räumen. Ein Erfolg der Deutschnationalen würde zu einem Inlandserfolg des franzöfifchen Nationalismus führen.
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Massenflucht der Anglo- Sachfen.
London , 7. Januar. ( WIB.) Reufer veröffentlicht heute Wenn auch die von englischer Seite stammenden Nachfolgende verspätet eingegangene Meldung aus Hanfau: Gestern richyten unflar und widerspruchsvoll sind, so ist fein 3weifel nachmittag verhandelte der Minifier des Aeußeren der füdchinesischen daran, daß das englische Prestige neuerdings einen schweren Regierung mit den hauptsächlichen Mitgliedern der amerikani. Schlag erlitten hat. vielleicht sogar den schwersten in der ichen Kolonie von Hantau über die sehr ernste Cage in Han- bisherigen Geschichte des Britischen Reiches Daß England fav. Minister Tschen versicherte, es läge te in Grund für eine die britische Konzeffion den demonstrierenden Chinesen über Panit vor und die Streifräfte der nationalistischen Regierung laffen und die füdchinesischen Truppen um Hilfe ersuchen reichten aus, um Herr der Lage zu bleiben. Nach der Konferenz be- mußte, ist ein nie dagewesener Borgang.( Dabei haben die schloffen die meisten Angehörigen der amerikanischen Kolonien, Han- Engländer die Kanton- Regierung noch gar nicht offiziell tau zuräumen. Eine weitere Konferenz, die zwischen den Mit- anerkannt, sondern bisher lediglich mit ihr Fühlung genommen!) gledern der englischen Kolonie und Tichen flattfinden sollte, tam Die ersten Meldungen besagten fogar, daß das britische Schußnicht zustande, da nur ein einziger Engländer den General- detachement abziehen mußte unter dem Schuhe tantonesischer fonful zu der Konferenz begleitete. Die übrigen Mitglieder der engFlichen Kolonie hatten fein Bertrauen und verzichteten daher auf eine
Teilnahme.
Shanghai , 7. Januar. ( Reuter.) nach den letzten nach richten, die fich auf einen Marinefuntfpruch aus Hantau fügen, hoben die chinesischen Militärbehörden das britische onjeffionsgebiet noch im Befih. Die amerikanischen Frauen und Kinder follen von Hantau weggebracht worden sein.
Shanghal. 7. Januar.( WIB.) Aus Hantau wird gemeldet, daß 258 britische Frauen und Kinder sowie einige Männer gestern nach Shanghai abreisten
Wir bringen an anderer Stelle einen aus der Feber eines guten Renners der oftasiatischen Probleme stammenden Auf jag, der besonders die Gruppierung ber rivalisierenden Kräfte in China behandelt und burch eine beigefügte Karte über fichtlicher gemacht wird. Dieser Artitel war bereits geschrieben nor den Ereignissen, die sich in den letzten drei Tagen in Santau abgespielt haben und durch die sich die Lage im Jangtfettanggebiete mesentlich zugefpist bat
Soldaten! Das wäre die schlimmste Demütigung, die dem Union- Jad je zugefügt wurde. Noch vor wenigen Monaten hätten die Briten sich auf ihre Maschinengewehre und Schiffsgefchüße verlassen. Jegt aber erkennen sie, daß sie mit solchen Mitteln nichts mehr ausrichten fönnen.
Aber auch wenn die von Reuter nachträglich verbreiteten Telegramme etwas optimistischer sind, so dürfte der allgemeine Gang der Entwicklung faum mehr aufzuhalten sein. England hat durch die Schuld feiner tonfervativen Staatsmänner und der imperialistischen Interessenten die Zeichen der Zeit in China zu lange verkannt. Das britische Chinamemorandum und die Aufnahme der Beziehungen zur Kanton- Regierung ist zu fpät erfolgt. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, erleben wir gegenwärtig den Schiffbruch der britischen Bofitit im fernen Often der nur das Präludium zu einem der größten Gefchehniffe der Neuzeit fein dürfte: Das Erwachen einer halben Milliarde von Menschen in Oftafien, die die fremde Bormundschaft abfchütteln wollen, ist auch der Anfang vem Ende des britischen Welt reiches.
( Weitere Nachrichten flebe& Gelte.)
Das Ringen um die Herrschaft.
Mie im antifen Drama, so treten auf der inner- und mweltpolitischen Bühne Chinas aus der ursprünglichen Fülle der handelnden Personen neuerdings immer deutlicher zwei Protagonisten", zwei Hauptpersonen in den Vordergrund: auf der einen Seite Tfchangfolin, auf der anderen Seite die Rantonregierung.
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China zerfiel nach dem Tode Jüanschitais, seit dem Jahre 1917, in eine Reihe von Provinzen in der Hand selbständig auftretender Generale, die unter sich einen erbitterten Kampf führten. Im Laufe der legten anderthalb Jahre jedoch Lonzentrierten sich die chinesischen Kräfte. Tichangfolin gebietet heute über die ganze Mandschurei, fowie über die anliegende Provinz Tschili mit der Hauptstadt Peting; außerdem ist ihm unmittelbar der Gouverneur der Provinz Shantung unterstellt. Auf diese Weise ist er der Machthaber des ganzen Nordostens Chinas mit einer Bevölkerung zweiten chinesischen Generals upeifu blieben zwar auch von 90 bis 100 Millionen Menschen. In der Gewalt des nach der ihm von den Kantonesen zugefügten Niederlage noch Hupei und Honan , Chinas 3entralprovinzen, mit einer Bevölkerung von 60 Millionen Menschen; doch seit der Niederlage Wupeifus können diese Gebiete Tschangsolin zugerechnet werden, der auch die Eisenbahnverbindung zwischen Befing und der Provinz Honan in feinen Händen hat. Ein ähnliches Schicksal hatte auch der General Suntichuanfang. Bon den fünf Provinzen, über die er noch nor einem halben Jahre gebot, find ihm heute nur drei verblieben. Riangfu, Nhanhuei und Tichotiang mit einer Gesamtbevölkerung von etwa 75 Millionen. In seinen Händen befinden fich Sch anghai, der größte Hafen Chinas , sowie Nanting. Doch die ständige Bedrohung durch Kanton läßt; es als natürlich erscheinen, daß auch Suntschuanfang Anschluß an Tschangfolin sucht. Nach den letzten Nachrichten hat er sich bereit erklärt, die Truppen des Marschalls aus der im Norden benachbarten Provinz Schantung auf sein Gebiet übertreten zu lassen.
Noch zwei andere Bundesgenossen des Marschalls sind zu erwähnen. Der eine von ihnen, ein alter Gegner der Kanton regierung, der Gouverneur der an der südwestlichen Grenze Chinas liegenden Provinz Junan, General Tschang fijao, hat bereits früher ein Bündnis mit dem Marschaft geschlossen; er bedroht das Hinterland der Kantonregierung. ftellt jedoch keine ernste Gefahr für sie dar. Wichtiger ist der andere Bundesgenoffe, General Jenfisch an, der Gouver neur der Provinz Schansi, die mit der Tschangfolin unter stehenden Provinz Tschili im Westen benachbart ist General Jen, der seine Provinz bereits feit der chinesischen Revolution von 1911 inne hat, hat sich während der ganzen Jahre im chinesischen Kampfe neutral gehalten. Aber der im Frühling 1926 erfolgte Einfall des Generals Feng in fein Gebiet bewog auch ihn, fich an Tschangfolin anzuschließen.
Die Gruppe um Tichangfolin verfügt also über acht Provinzen nebst der Mandschurei , über ein Gesamtgebiet
mit 240 Millionen Menschen. Diese Provinzen sind miteinander durch Eisenbahnen verbunden. Namentlich in der Mandschurei sind ihre industriellen Reservekräfte nicht unentwickelt.
Die gegnerische, sich militärisch und politisch um Kanton gruppierende Koalition besteht aus folgenden militärischen Kräften: Im Norden, und zwar in der Mongolei sowie in einem beträchtlichen Teil der Provinz Schansi stehen die Kräfte des Generals Fengjufiang. Diese Gegenden sind menschenarm.( Die Gesamtbevölkerung wird nicht über zehn Millionen betragen.) Für größere Truppenbewegungen find fie ein ungünstiges Gelände. Dennoch ist die Mongolei für Feng eine Operationsbasis von großem Werte, da er dadurch eine ständige Verbindung mit der Sowjetunion hat, die ihn mit Waffen beliefert. Anderseits hat Feng keine unmittelbare Fühlung mit feinem Bundesgenoffen, der Kantonregierung. Diese beherrscht heute fünf Provinzen: Kuangtong mit der Hauptstadt Kanton, Kuangsi, Chunan, die Wupeifu entriffen wurden. sowie Kiangsi und Fukien, die dem General Suntschunfang neuerdings fast ganz abgenommen wurden. Die Gesamtbevölkerung dieser fünf Provinzen zählt etwa 115 Millionen Menschen. Außerdem hat sich aber in allerletzter Zeit an Kanton auch der General Jangsen, der Gouverneur der westlichsten Brovina Chinas Setschuan mit einer Bevölkerung von 60 Millionen Menschen angeschlossen. Die ,, Roten " haben also fast das ganze Gebiet füdlich vom Jangtsefluffe inne, mit dem großen Hafen von Kanton, dem mittleren Lauf des genannten Fluffes und neuerdings auch mit dem großen Industriezentrum Hantau( Wutschang) insgesamt sechs Brovinzen mit einer Gesamtbevölkerung von 175 Millionen Menschen.
In einer Beziehung ist Tschangfolin der Rantonregie rung überlegen: in der Waffenlieferung. Während Feng auf die fange Berbindung mit der Sowjetunion angewiesen ist, während Kanton feine Waffen offenbar nur auf geheimen Bege durch russische Schiffe aus Bladiwoftof bezieht, befindet