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fe. 22 44. Jahrg. Ausgabe A Nr. 12

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Freitag, den 14. Januar 1927

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedtonto: Berlin   37 536

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Die wichtigste Forderung: Arbeit!

Fiasko des Arbeitsbeschaffungsprogramms durch die Schuld der Behörden. 400000 Erwerbslose könnten Arbeit haben!

,, Die saisonmäßige Berschlechterung des Arbeits­marktes fommt in den jetzt amtlich mitgeteilten neuesten Zahlen der unterstützten Erwerbslosen   voll zum Ausdruck."

Landwirtschaft.

Der neueste Arbeitsmarfibericht des Reichsarbeits- I zur Verfügung stehen. Die Mitteilungen über die Betriebs- Reichszuschüsse zu geben, bevor es selbst seine Pflicht ministeriums beginnt mit den Worten: und Finanzlage der Reichsbahn im Oktober haben gezeigt, gegenüber der Gesamtwirtschaft erfüllt hat. daß die Bahn täglich in diesem Monat einen Reinge= minn von faft 2 millionen Mart zu verzeichnen hatte, und es besteht kein Grund zu der Annahme, daß im November die Entwicklung eine andere war. Auch im De­zember, der wahrscheinlich nicht ganz fo günstig für die Reichsbahn gewesen ist, hat sie sicherlich noch sehr erhebliche lleberschüsse zu verzeichnen gehabt. Es fann feine Rede da von sein, daß die Reichsbahngesellschaft auch nur annähernd die von ihr erzielten Reingewinne der produktiven Wirtschaft zugeleitet hätte. Vielmehr steht, insbesondere nach den Aus­führungen des Reichsbankpräsidenten, fest, daß der größte Teil der Ueberschüsse der Reichsbahn, die sie in den Jahren 1925 und 1926 erzielt hat, noch immer an die Privatbanken ausgeliehen ist, die ihrerseits wesentlich mit diesen Mitteln die ungeheure Börsenspetulation finan zieren, die im neuen Jahre schon wieder zu neuen Kurs refonden geführt hat. Statt jest in der Zeit der Krise zur Erleichterung des Arbeitsmarktes in größtem Ilmfange Auf­träge zu erteilen, die sich im Laufe der kommenden Jahre als dringend notmenbig erweisen werden, treibt die Reichs bahngefellschaft eine unverantwortliche Thefaurierungspolitif, und statt ihre Mittel in den Dienst der produktiven Wirtschaft zu stellen, leitet sie fie auf dem Wege über die Berkehrs- Kreditbank in die Kanäle der Spefulation. Auch hier ist es den Reichsbehörden nicht gelungen, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Drud­mitteln die Reichsbahn zur Aenderung ihrer unsinnigen Bo­litif zu veranlassen. Auf die Dauer ist dieser Zustand un­erträglich, und es wird sich als notwendig erweisen, entweder der Wirtschaft durch eine allgemeine Sentung der Eisenbahnfrachten oder ein großzügiges Investierungsprogramm der Reichsbahn aus ihren eigenen Mitteln zu Hilfe zu tommen. Es liegt tein Grund Dor, einem derart prosperierenden Unternehmen große

Dann folgt die Zahl, die besagt, daß die Zahl der unter stützten Erwerbslosen innerhalb von 14 Tagen fich um 278 000 vermehrt hat, d. h., da mindestens 20 000 Erwerbs lofe alle 14 Tage ausgesteuert werden, daß die Gesamt zahl der Erwerbslosen um 300 000 gestiegen ist. Es ist eine Irreführung der Deffentlichkeit, wenn behauptet wird, daß wir es hier mit einer saisonmäßi­gen Berschlechterung des Arbeitsmarktes zu tun hätten, denn nach der Saisonbewegung des Arbeitsmarktes steigt die Zahl der Erwerbslosen   in den Monaten November und Dezember regelmäßig an. Tatsächlich aber war im November faum ein Anstieg zu verzeichnen, während im Dezember die Pahlen   sprunghaft geftiegen sind, und insgesamt im Dezember über 400 000 rbeiter mehr ar beitslos wurden. Diese Steigerung der Arbeitslosig. keit hat mit der normalen Saisonbewegung nicht das min deste zu tun. Sie zeigt an, daß der Arbeitsmarkt sich von neuem frisen haft verschlechtert; sie bedeutet, daß die Gesamtlage der deutschen   Wirtschaft in einer Berschlechterung begriffen ist, nachdem die großen gesamtwirtschaftlichen Gewinne aus dem eng lischen Bergarbeiterstreif ihr Ende gefunden haben. Diefe Zahlen befagen aber auch mit großer Deutlichkeit, daß die bisherige Besserung des Arbeitsmarktes nicht auf die Maßnahmen der Reichsregierung zurüdziühren ist. Eine Prüfung des Programms, das seinerzeit aufgestellt wurde, und eine Prüfung dessen, was bisher geschehen ist, zeigen auch deu  'lich, daß bei meitem nicht erreicht wurde, was hätte er reicht werden sollen und was erreicht werden könnte.

Die Mittel der produktiven Erwerbslosenfürsorge sind zwar von 100 Millionen auf 200 millionen der doppelt worden. Gleichzeitig aber ist die Zahl der Notstandsarbeiter stetig zurückgegangen und lag am 15. Dezember v. 3. mit 124 000 um über 25 Broz unter der Höchstzahl von 170 000. die am 15. Mai erreicht wurde, als von dem Arbeitsbeschaffungsprogramm der Reichsregierung noch teine Rede war. Diefe Abnahme der Zahl der Notstandsarbeiter ist nur dann erklärlich, wenn die

Nicht nur die Gemeinden, nicht nur die für den Straßen­bau verantwortlichen Provinzen, nicht nur die Reichsbahn­gesellschaft sind mitschuldig an der schweren Krise des Arbeits­marktes, die erneut hereingebrochen ist. Für die Land­wirtschaft find insgesamt rund 110 Millionen Mark zur Verfügung gestellt worden, und zwar 50 Millionen Mark für die ländliche Siedlung und 60 Millionen Mark vom Reich und Breußen zu gleichen Teilen für den Bau von Landarbeiterwohnungen, um so den polnischen Wander­arbeiter in der deutschen   Landwirtschaft entbehren zu können. Von den Mitteln, die für die Siedlung bereitgestellt sind, sind bisher nur minimale Beträge von den Ländern, insbesondere von Preußen in Anspruch genommen worden. Statt deffen streiten sich die Refforts darüber, ob Preußen oder dem Reich die Führung in der Siedlungspolitik gehört. Aber auch der Bau von Landarbeiterwohnungen geht nicht voran, denn die deutschen   Großagrarier rechnen damit, daß es ihnen gelingen wird, auf dem Wege über das preußische Landwirtschaftsministerium und das Reichsernäh­rungsministerium auch im nächsten Jahre ein under­fürztes Polentontingent zu erhalten. Weder die nationalen Gesichtspunkte, die für den Ersatz der polnischen durch deutsche Landarbeiter sprechen, noch die schwere Krise des Arbeitsmarktes scheint sie bewegen zu können, auf die energische und zielbemußte Wahrnehmung ihrer antis deutschen   Interessen zu verzichten. Der Reichsregie­rung ist es auch hier nicht gelungen, Bresche in den Wider­stand der Instanzen und der Interessenten zu legen.

Wohnungsbau.

Und wie steht es mit dem Wohnungsbau? In der Krise des vorigen Sommers versprach der Reichsarbeitsminister

Curtius, der Hartnäckige.

im Etat theoretisch zur Verfügung gestellten Mittel tatsächlich Er will weiter verhandeln, trotz der innen- und außenpolitischen Bedenken".

bei weitem nicht abgerufen worden sind. Wir sind überzeugt, daß das Reichsarbeitsministerium auf Anfrage diefe unsere Auffassung nur vollauf bestätigen fönnte. Das Arbeitsbeschaffungsprogramm hat auf diesem Gebiet jeden falls versagt, und es ist den Reichsbehörden offenbar nicht ge= Ingen, die Gemeinden nachdrücklich genug auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen. Es ist nicht einmal gelungen, eine ausreichende Zahl von langfristig Er­werbslosen durch die produktive Ermerbslosenfürsorge unter: zubringen, und so das ständiae Wachsen der Zahl der Aus­geftenerten zu vermeiden. Alfwöchentlich gehen mehr als 10 000 Erwerbslose aus der Erwerbslosenfürsorge in die Krisenfürsorge über, und die Zahl dieser Ausgesteuer ten ist seit dem 1. Oktober zweifellos um rund 150 000 ge= wachsen.

Straßenban.

Aber nicht nur bei den Notstandsarbeiten der Gemein­den hapert es mit dem Arbeitsbeschaffungsprogramm. Seiner­zeit wurde viel vom Straßenbau gesprochen. Der Reichsverkehrsminister gab an, daß an 60 000 Kilometer Straßen in Deutschland   zu erneuern seien. Bisher hat man aber nichts davon gehört, daß ernsthaft etwas für die Er neuerung der deutschen   Straßendecken getan morden ist. Es scheint, daß auch hier die Reichsbehörden durch den Behörden­wust der Teile des Reiches nicht haben durchdringen fönnen. Auch jetzt, während die Zahl der Arbeitslosen anschwillt, ge­fchieht nichts für den Straßenbau, während seit fast drei Vierteljahr Berhandlungen über ihn gepflogen werden.

Reichsbahn  .

Auch auf den großen eisernen Straßen der deutschen Reichsbahn wird lange nicht das getan. was getan mer Den fönnte. Die Berhandlungen des Enqueteausschuffes haben gezeigt, daß der Reichsbahngesellschaft riesige Geldmittel von meit über einer halben Milliarde Mart

leber die Besprechung des Betrauten Curtius mit den 3 entrums belegierten wird folgende offiziöse Mit teilung ausgegeben:

Gestern nachmittag fanden die angekündigten Besprechungen 3mischen den Beauftragten der Zentrumsfrattion, den Abgeordneten von Guérard und Stegerwald mit Dr. Curtius und Reichsaußenminister Dr. Stresemann im Die Vertreter der Zentrums­Reichswirtschaftsministerium statt. ftattion trugen die schweren innen und außenpoli tischen Bedenten vor, die die Zentrumsfraktion gegen die Bildung der ven Dr. Curtius in Aussicht genommenen Regierung Daran schloß sich eine eingehende Aussprache. Herr Dr. Curtius hat in Aussicht genommen, heute vormittag über die Er gebnisse dieser Besprechung mit den Vertretern der Deutsch  nationalen Boitspartei zu verhandeln. Die Bertreter der Bentrumsfraktion nahmen in Aussicht, am heutigen Nachmittag eine endgültige Stellungnahme der Fraktion der Zentrumspartei   herbei. zuführen.

habe.

Die Unterhaltungen zwischen Curtius- Stresemann auf der einen und Guérard- Stegerwald auf der anderen Seite dauerten nicht weniger als zweieinhalb Stunden. Wie der Soz. Pressedienst noch zu melden weiß, ist der Zentrums fraktion von den Einzelheiten der Unterredung bisher feine Kenntnis gegeben worden. Ihr wurde nur mitgeteilt, daß die Bedenten des Zentrums ausführlich vorgetragen worden feien. Die Fraktion vertagte sich darauf fofort auf Freitag abend. Doch trat der Fraktionsvorstand noch zu einer be fonderen Beratung zusammen.

bürgerblod Interessen, daß daneben der Blick für die gegebenen Tatsachen verschwindet.

Die Bedenken, die das Zentrum hegt, unterstreicht die Germania  " in ihrer Abendausgabe noch einmal sehr fräftig. Sie zeigt auch, warum dem Zentrum gerade jetzt sehr viel an der Mitarbeit der Sozialdemokratie liegt: Für die Bedenken des Zentrums find auch noch andere triftige realpolitische Erwägungen maßgebend. So gut es im Jahre 1925 untunlich schien, den Zolltarif, der die Grundlage der abzu­schließenden Handelsverträge bildet, ohne Mitwirkung der Deutſc nationalen Partei als wichtiger Bertreterin landwirtschaftlicher Interessen durchzubringen, ebenso dringend erwünscht erscheint es im gegenwärtigen Augenblid, da wichtige fozialpolitische Gesetze, wie die Erwerbslosenversicherung und das Arbeitsschuhgesetz, durch­zuberaten find, die parlamentarische Behandlung dieser Gesetze nicht ohne Mitwirkung der Sozialdemokratie vor sich gehen zu laſſen, d. h. jener Partei, in der mun einmal ein sehr großer Teil der deutschen   Arbeiterschaft seine Vertretung hat. Diese Erwägungen erscheinen um so dringender, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Zahl der Arbeitslosen allein im Dezember um 400 000 Mann zugenommen hat und daß fie zurzeit insgesamt 1 million 745 000 beträgt, und daß die Arbeiter der ländlichen Gegenden, so 3. B. Ostpreußens   und Bayerns  , noch schwerer von diejer furchtbaren Plage heimgesucht find als die städtischen Bezirke.

Daraus ist sehr deutlich zu ersehen, warum den christ­lichen Arbeitern im 3entrum mehr an der Unter­stügung der Sozialdemokratie liegt, als an den Herren­manieren der Deutschnationalen.

Daß Herr Curtius froß der doch sehr eindeutigen Auf- Der Aeltestenrat des Reichstags ist zu Freitag faffung des 3entrums nicht von selbst dem Reichspräsidenten   nachmittag 4 Uhr einberufen worden, um die politische Lage den Auftrag als unausführbar zurücgibt, zeugt entweder von au besprechen und darüber zu entscheiden, ob die nächste Plenar einem unbefiegbaren Optimismus oder, was das Wahrschein- fizung, wie in Aussicht genommen war, schon am nächsten Mitts lichere ist, von einer so ftarten Bindung an die Beligwoch, den 19. Januar, stattfinden tann.