Nr. 28 44. Jahrg. Ausgabe A Nr. 15
Bezugspreis.
öchentlich 70 Pfennig, monatlich B, Reichsmart Doraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Denzia, Saare und Memelaebiet. Desterreich. Litauen . Luxemburg 4,50 Reichsmart, für das übrige Ausland 5.50 Reichsmart pro Monat.
Der Borwäris mit der tuftrier ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit fomie den Beilagen Unterhaltung und Wissen" Aus der Filmwelt", Frauenstimme"„ Der Rinderfreund". Jugend- Borwärts" und Blid in die Bücherwelt" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Anzeigenpreise:
Die einfpaltige Nonpareille. Beile 80 Pfennig. Reklamezeile 6. Reichsmart. Kleine Anzeigen bas fettgedrudte Bort 25 Pfennia ( auläffia zwei fettaedruckte Worte), febes weitere Bort 12 Vfennia. Stellengesuche das erite Wort 15 Bfennig, iebes meitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Reile 60 Biennia. Familienanzeigen für Abonnenten
Seile 40 Biennia.
Anzeigen für die nächste Nummier müssen bis 4½ Uhr nachmittags im Sauptaefchäft, Berlin EW 68, Linden. ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 8% Uhr früh bis 5 Uhr nachm
Dienstag, den 18. Januar 1927
Bessere Aussichten für Marx?
Besprechungen mit Scholz, Koch, Erkelenz und Hermann Müller .
Der gefchäftsführende Reichsfanzler Marg empfing gestern I selber aus dem Reichswehrministerium zurid um 4 1hr nachmittags Herrn Scholz von der Volkspartei, dann ziehen wolle. Darin wurde eine gewiffe Erleichterung der um 5 Uhr die Demokraten och und Ertelenz und schließlich Lage erblickt, und die Aussichten eines neuen Kabinetts der Genossen Hermann Müller . Heute vormittag 11 Uhr will er den Mitte unter Marg wurden günstiger beurteilt. Ob dieser Grafen Weff arp empfangen. Optimismus berechtigt ist, wird von den meiteren Beschlüssen der Volkspartei und der Sozialdemokratie abhängen.
Bei der Empfängen der bürgerlichen Parteiführer sollen nach einem offiziösen Bericht nur sachliche, nicht persönliche Fragen behandelt worden sein. Das ändert nichts an der Tatsache, daß zwischen der demokratischen Reichstagsfraktion und dem Reichswehrminister Dr. Geßler eine scharfe Spannung besteht. Sie ist noch verschärft worden durch einen Brief Geßlers an Koch , morin der Minister befennt, jenen Artikel des Generals Reinhard vorher gekannt zu haben, gegen den Koch wegen seines die Demofratische Partei beleidigenden Inhalts den schärfsten Protest erhoben hat.
t
Genoffe Hermann Müller erinnerte Herrn Mary an Die Beschlüsse, in denen die Sozialdemokratische Partei ihre Bereitschaft zu Berhandlungen über die Große Koalition einzutreten erklärte. Demgegenüber verwies Herr Marg auf einen Beschluß der Volkspartei, der die Große Koalition zurzeit ablehnt. Auf die weitere Frage, ob eine Regierung geplant sei, die nach beiden Seiten die Neutralität wahre, oder ob das geplante Stabinett eine Unterstügung von links erstrebe, animortete Herr Marr, daß das Zentrum bereit fei, eine Regierung mit Unterstüßung von links zu bilden, Daß er aber nicht wife, wie bie Boltspartei zu dieser Frage stehe. Herr Marg midersprach mit großer Entschiedenheit der Behauptung der Rechtspresse, Herr v. Guérard hohe dent Reichspräsidenten erklärt, daß das Zentrum auch zu Berhandlungen üher eine Rechtsregierung, bereit sei.
Der Fraktionsvorstand der Sozialdemokratie tritt heute 4 Uhr nachmittags zufammen, die Fraktion morgen, 12 Uhr mittags.
Der Fraktionsvorstand der Boltspartei befchränkte sich gestern darauf, Herrn Curtius für seine Bemühungen zu danken und ihr Scheitern zu bedauern. Bon weiteren Beschlüssen sah er ab.
Im Reichstag wurde gestern erzählt, daß Dr. Geßler nach seinem scharfen Konflikt mit seiner eigenen Partei sich
Noch immer Gegensatz Briand- Poincaré.
Außenpolitische Generaldebatte oder nur Ausschußberatungen?
Paris , 17. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Wenn auch mit bem Beschluß des iezten Kabinettsrats die Debatte über die auswärtige Politik und die Krise Poincaré . Briand vorläufig beigelegt schien, so geht die Polemit in der Presse für oder gegen Briand meiter und scheint in den nächsten Tagen hef tiger als je wieder aufzuleben. Die Kommissionen des Aus wärtigen von Kammer und Senat haben den ausdrücklichen Wunsch geäußert, ein Erposé Briands über seine Politit zu hörer. Briand wird am Mittwoch vor der einen und einige Tage später vor der anderen erscheinen. Man gewinnt aber den Eindruck, daß es schwer sein wird, die Aussprache auf dieses Exposé zu beschränken und dem Wunsche zahlreicher parlamentarischer Kreise nach einer General debatte aus dem Wege zu gehen.
Trozdem geben Poincaré und einige seiner Minister ihren Widerstand nicht auf und wollen nach wie vor von einer Generaldebatte nichts wissen, die die gegenwärtige parlamentarische Mehrheit der Regierung einer starten Belastungsprobe, ja vielleicht vor aller Belt den außenpolitischen, innerhalb des „ Kabinetts der nationalen Einheit" bestehenden Gegensatz, zutage treten ließen. Die Frage der Notwendigkeit einer solchen Generaldebatte wird deshalb am Dienstag noch einmal vom Ministerrat erörtert werden. Man darf gespannt sein, ob es Poincaré tatfächlich gelingen wird, seinem Außenminister zu untersagen, die Debatte vor das Parlament zu tragen und dieses gleichzeitig in seinem ureigensten Recht zu beschneiden.
Westarps aktiver Monarchismus.
In den gestrigen Berhandlungen spielte auch die letzte Sonii tagsrede Be starps eine erhebliche Rolle. Namentlich in der Boltspartei soll es start verschnupft haben, daß sich der deutsch nationale Parteiführer nach den Erklärungen, die er Herrn Cur tius abgegeben hatte, so geäußert hat, wie im Berliner Lokal Anzeiger" und in T. zu lesen stand. Nun will es der Graf aber wieder nicht gewesen sein. Er bezeichnet, wie die Lägliche Rundschau" beruhigend mitteilt, den Tegt der ihm so nahestehenden Drgane als nicht authentisch".
4
Stegerwald.
PP
„ Der Deutsche", das Organ der christlichen Gewerkschaften, hai in den letzten Tagen eine heftige Kampagne gegen Marg für Steger wald geführt, und diesen zum Kanzlerkandidaten des Bürgerblocks ausgerufen. Daß dies nicht in Einklang mit Herrn Stegerwald gefchehen ist, geht aus der Rede hervor, die er am Sonntag in Köln gehalten hat, und wird auch noch von der Germania " ausdrüditch feitgestellt. Stegerwalds Rede und die Haltung des Deutschen zeigen die starte Spannung innerhalb der christlichen Gewerkschaften. Benn übrigens die Germania " und noch gröber der Deutsche es so hinstellt, als hätten wir Herrn, Stegermad dadurch, daß wir ihn als gemesenen Tischler", bezeichneten, herabfchen wollen, so ist. dos. eine Methode der Bolemit, die teine Nachahmung verdient. Bir haben festgestellt und wiederholen es, das Stegermald als gemefenter Tischler überhaupt feine Möglich feit hätte, zu den höchsten Aemiern, emporzusteigen, ohne die Ar beit der Sozialdemokratic, die die, Barrieren des alten Dbrigfeitsstaates zertrümmert hat. Wir nehmen auch nicht an, daß es einem christlichen Arbeiterführer peinlich sein fann, wenn er daran erinnert wird, daß auch er einmal an der Hobelbank oder am Schraubstock gestanden hat. Wäre das der Fall nun dann märe das für uns ein Grund mehr, ihn recht oft daran zu erinnern, woher er kommt und wohin er gehört.
-
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3
Bostichedtonto: Berlin 37 536 Bantonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Wallstr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3.
Indisches Musterländle.
Ein Maharadscha und sein Reich.
Bon Franz J. Furtmängler. Baroda , Mitte Dezember.
Schön sind die nächtlichen Bahnfahrten in diesem Lande. Die Wagenabteile, die dem Europäer zur Verfügung stehen und fast ausschließlich von ihm benutzt werden, find geräumig. wie ein gutes Zimmer und ebenso möbliert. Elektrische Bentilatoren machen die Hize, die übrigens in diesen Monaten nicht sehr groß ist, erträglich, und wer sich des allzu reichlichen Staubes entledigen will, findet im Eisenbahnwagen nicht nur ein Waschbecken wie in Amerika und Europa , sondern ein regelrechtes Badezimmer.
Legt man sich des Abends auf sein Lager und öffnet die Fensterluke zwei Handbreiten weit, so genießt man für Stun den das faum unterbrochene Bild von dunkelblauem Himmel, Sternen und Palmen, und nur ab und zu tritt aus diesem Bilde der matte Lichterschein kleiner Hütten und Dörfer her= vor; die ganze Szenerie wirkt wie die Landschaft eines Gemäldes von der Geburt Chrifti...
Baroda , wenige Stunden von Ahmedabad entfernt, ist die 100 000 Einwohner zählende Hauptstadt des gleichnamigen Staates bon zwei Millionen Seelen, eines sogenannten ,, E ingeborenen staates", der von einem indischen Fürsten nach einer Art von Feudalsystem regiert wird. Die Hauptstraße der Stadt zeigt das wimmelnd belebte Bild einer orientalischen Geschäftsstraße mit großen Schattendächern über dem ersten Stockwerf der Häuser. Die drei Baummoffpinnereien und ihre Arbeiter tauchen unter, ohne der Stadt einen besonderen Befenszug einzuprägen, ohne ihr etwas von dem Charakter eines in die Breite gemalaten Bauerndarjes zu nehmen. 3weistödige Häuser mit Holzveranden, Hütten und Ställe stehen zu beiden Seiten der breiten, von Rühen , Ziegen und Hunden belagerten Straßen.,
Hat sich das Auge des dahinfahrenden Fremden mit diesem inumer gleichmäßigen Anblick vertraut gemacht, so sieht er fich plöglich in einen modernen europäischen Bart mit gepflegtem Rasen und Blumenbeeten, marmornen Fontänen und Statuen versetzt. Es ist der ausgedehnte Schloßpart, in dessen Mitte der Bruntbau des Maharadscha steht- gleichfalls in europäischem Stile erbaut.
Ich hätte nie geglaubt, daß der amerikanisch aussehende Gentleman, mit dem ich eines Abends auf dem Schiffe plauderte und der im Laufe der Unterhaltung sich als der Fürst von Baroda vorstellte, ein Gebäude bewohnt, das an äußerer und innerer Bracht den Wettbewerb mit den glänzendsten Fürstenschlössern Europas bestehen könnte.
deutschen Vorschläge wird der deutschen Delegation in aller Kürze meisten der zahlreichen Innenräume. Kaum eine antife
übermittelt werden.
Arbeitslosendemonstration in Paris .
Baris, 17. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Am Montag fand auf den großen Boulepards eine Demonstration von elma 2000 durch die Wirtschaftstrife arbeitslos gewordener Hotel- und Gasthausangestellten statt, die zu Zusammenstoßen mit der Bolizei führte. Die Manifestanten begaben sich, von der Bolizei zersprengt, darauf in kleineren Gruppen nach der Arbeitsbörse, mo eine Bersammlung stattfand, nor welcher der Sekretär der Nahrungs die Hilfe für mittelgemerfschaft schnelle Arbeitslosen der Nahrungsmittelbranche verlangte, die allein in Paris und Umgebung 20 000 Arbeitslose zählt. Am Montag abend übermittelte eine Delegation dem Polizeipräfekten die Wünsche der Gewerkschaften.
Belgiens neuer Vertrag mit China . Verhandlungen auf der Basis der Gleichberechtigung
So europäisch wie die Außenarchitektur sind auch die Statue unserer Museen, welche hier nicht in eherner oder steinerner Nachbildung vertreten ist. Auch hat der Maharodscha im Laufe seiner vielen Reisen eine umfassende euro päische Gemäldesammlung der verschiedensten Schulen zu fammengebracht, besitzt aber daneben auch viele indische Malerund Bildhauerwerke, die sich in der abendländischen Umgebung um so wirksamer geltend machen.
Doch erst der Elefantenstall ruft einem wieder deutlich in die Erinnerung, daß man sich im Bereiche eines indischen Fürsten befindet. Da stehen zwei Duzend Brachteremplare von Dickhäutern, die eine Hälfte frisch gefangen, wild und bösartig, die andere zu fabelhaften Kunststücken abgerichtet. Wir sahen einen, der nicht nur Wasser pumpte, den Fächer schwang und allerlei Arbeiten verrichtete, sondern auch auf einer Mundharmonika schlecht und recht die englische Nationalhymne„ God save the king " ſpielte. Der Maharadscha wird an dieser musikalischen sein. Wahrscheinlich geht die Initiative dazu auf den schlauen Leistung des imperialistischen Trampeltieres wohl unschuldig Märter zurück, der mit dieser Melodie das Herz und die trintgeldspendende Hand englischer Besucher öffnet. Wir trennten die Belehrung empfangen hatten, daß seine Künstlergage in uns von dem genialen Rüffelträger, nachdem wir zuvor noch einer Lagesration von dreißig Pfund Gebäck und einer noch größeren Menge Grünfutter besteht.
Brüffel, 17. Januar. ( Eig. Drahtbericht.) In Belgiens Haltung gegenüber China ist eine sensationelle Wendung eingetreten. handlungen über einen neuen belgisch- chinesischen Vertrag auf Auf Verlangen der Pekinger Regierung wurden am Montag Ber der Grundlage völliger Gleichberechtigung in Beting aufgenommen. Gleichzeitig erklärte die belgische Regierung, ihr beim Haager Schiedsgericht gegen die durch China erfolgte Nichtigkeitserklärung des bestehenden Vertrages eingeleiteten Verdes Maharadschareiches zu. fahren einstellen zu lassen. Damit fügt sich Belgien so ziemlich allen Forderungen Chinas .
Die deutschen Vorschläge zwar ,, ungenügend", aber Außerdem erfährt der Vertreter des Soz. Pressedienst" in Brüssel , daß bei der Eröffnung der Berhandlungen in Beling ein der gute Wille anerkannt. weiteres recht sensationelles Zugeständnis von Belgien angekündigt Paris , 17. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Das Inter Das Inter worden ist. Offenbar liegt der belgischen Regierung fehr daran, alliierte Militärtomitee hat am Montag nachmittag jezt, wo die Beziehungen der Mächte zu China wegen Schanghai eine neue Sigung hinsichtlich der deutschen Entwaffnung abgehalten. zu ernsten Berwicklungen führen tönnen, durch gütliche Rege Daran anschließend wurde an franzöfifcher zuständiger Stelle in den lung der Berhältnisse im Fall einer Berschlimmerung der allge Abendstunden erklärt, daß noch Ansicht des Militärkomitees die neuen meinen Lage unbeteiligt zu sein. Brüssel legt Wert auf die Erklärung. deutschen Borschläge zwar unzulänglich" feien, daß aber das daß die Berhandlungen mit Beting feineswegs eine Bartei Komitee mit Genugtuung von den ernsten Benahme gegen Ranton bedeuten. Ini Gegenteil ist mit Sicherheit mühungen Deutschlands , zu einer Einigung zu gelangen, anzunehmen, daß Kanion sowohl von der Befinger Regierung wie Renntnis genommen hat. Die Antwort des Militärtomitees auf die von Belgien über den Berlauf der Berhandlungen unterrichtet wird.
Darauf wandten wir uns wieder der europäischen Seite des Maharadschareiches zu. Sie hat ihre Grenze nicht am Rande des Schloßpartes, sondern reicht ein ganzes Stüd meit ins Bolf hinein. Unter allen Ländern Indiens , den indisch wie den englisch regierten, hat bisher allein der Staat Baroda und zwar seit 20 Jahren Die allgemeine Schulpflicht für alle Kinder zwischen 6 und 13 Jahren durchgeführt.
Gegenwärtig erhalten im ganzen Lande 200 000 Kinder fostenlosen Unterricht. Dieser erstreckt sich zunächst auf das Lesen und Schreiben ihrer Muttersprache: Mahratti, Gudfchratti oder Urdu. Die Bücher sind im Stile der Elementargrammatifen französischer Volksschulen gehalten. Hieran reihen sich die üblichen weiteren Volksschulfächer, somte Turnen und Handarbeit. Auch für die unberührbaren" ( die niedrigsten Kasten) bestehen Schulklassen, und da diese