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Nr. 28 44. Jahrg. Ausgabe A Nr. 15

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Dienstag, den 18. Januar 1927

Bessere Aussichten für Marx?

Besprechungen mit Scholz, Koch, Erkelenz   und Hermann Müller  .

Der gefchäftsführende Reichsfanzler Marg empfing gestern I selber aus dem Reichswehrministerium zurid um 4 1hr nachmittags Herrn Scholz von der Volkspartei, dann ziehen wolle. Darin wurde eine gewiffe Erleichterung der um 5 Uhr die Demokraten och und Ertelenz und schließlich Lage erblickt, und die Aussichten eines neuen Kabinetts der Genossen Hermann Müller  . Heute vormittag 11 Uhr will er den Mitte unter Marg wurden günstiger beurteilt. Ob dieser Grafen Weff arp empfangen. Optimismus berechtigt ist, wird von den meiteren Beschlüssen der Volkspartei und der Sozialdemokratie abhängen.

Bei der Empfängen der bürgerlichen Parteiführer sollen nach einem offiziösen Bericht nur sachliche, nicht persönliche Fragen behandelt worden sein. Das ändert nichts an der Tatsache, daß zwischen der demokratischen Reichstagsfraktion und dem Reichswehrminister Dr. Geßler eine scharfe Spannung besteht. Sie ist noch verschärft worden durch einen Brief Geßlers an Koch  , morin der Minister befennt, jenen Artikel des Generals Reinhard vorher gekannt zu haben, gegen den Koch wegen seines die Demo­fratische Partei beleidigenden Inhalts den schärfsten Protest erhoben hat.

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Genoffe Hermann Müller   erinnerte Herrn Mary an Die Beschlüsse, in denen die Sozialdemokratische Partei   ihre Bereitschaft zu Berhandlungen über die Große Koalition ein­zutreten erklärte. Demgegenüber verwies Herr Marg auf einen Beschluß der Volkspartei, der die Große Koalition zurzeit ablehnt. Auf die weitere Frage, ob eine Regierung geplant sei, die nach beiden Seiten die Neutralität wahre, oder ob das geplante Stabinett eine Unterstügung von links erstrebe, animortete Herr Marr, daß das Zentrum bereit fei, eine Regierung mit Unterstüßung von links zu bilden, Daß er aber nicht wife, wie bie Boltspartei zu dieser Frage stehe. Herr Marg midersprach mit großer Entschieden­heit der Behauptung der Rechtspresse, Herr v. Guérard hohe dent Reichspräsidenten erklärt, daß das Zentrum auch zu Berhandlungen üher eine Rechtsregierung, bereit sei.

Der Fraktionsvorstand der Sozialdemokratie tritt heute 4 Uhr nachmittags zufammen, die Fraktion morgen, 12 Uhr mittags.

Der Fraktionsvorstand der Boltspartei befchränkte sich gestern darauf, Herrn Curtius für seine Bemühungen zu danken und ihr Scheitern zu bedauern. Bon weiteren Beschlüssen sah er ab.

Im Reichstag   wurde gestern erzählt, daß Dr. Geßler nach seinem scharfen Konflikt mit seiner eigenen Partei sich

Noch immer Gegensatz Briand- Poincaré.

Außenpolitische Generaldebatte oder nur Ausschuß­beratungen?

Paris  , 17. Januar.  ( Eigener Drahtbericht.) Wenn auch mit bem Beschluß des iezten Kabinettsrats die Debatte über die aus­wärtige Politik und die Krise Poincaré  . Briand   vorläufig beigelegt schien, so geht die Polemit in der Presse für oder gegen Briand   meiter und scheint in den nächsten Tagen hef tiger als je wieder aufzuleben. Die Kommissionen des Aus wärtigen von Kammer und Senat haben den ausdrücklichen Wunsch geäußert, ein Erposé Briands über seine Politit zu hörer. Briand   wird am Mittwoch vor der einen und einige Tage später vor der anderen erscheinen. Man gewinnt aber den Eindruck, daß es schwer sein wird, die Aussprache auf dieses Exposé zu beschränken und dem Wunsche zahlreicher parlamentarischer Kreise nach einer General debatte aus dem Wege zu gehen.

Trozdem geben Poincaré   und einige seiner Minister ihren Widerstand nicht auf und wollen nach wie vor von einer Gene­raldebatte nichts wissen, die die gegenwärtige parlamentarische Mehrheit der Regierung einer starten Belastungsprobe, ja vielleicht vor aller Belt den außenpolitischen, innerhalb des Kabinetts der nationalen Einheit" bestehenden Gegensatz, zutage treten ließen. Die Frage der Notwendigkeit einer solchen General­debatte wird deshalb am Dienstag noch einmal vom Minister­rat erörtert werden. Man darf gespannt sein, ob es Poincaré   tat­fächlich gelingen wird, seinem Außenminister zu untersagen, die Debatte vor das Parlament zu tragen und dieses gleichzeitig in seinem ureigensten Recht zu beschneiden.

Westarps aktiver Monarchismus.

In den gestrigen Berhandlungen spielte auch die letzte Sonii tagsrede Be starps eine erhebliche Rolle. Namentlich in der Boltspartei soll es start verschnupft haben, daß sich der deutsch nationale Parteiführer nach den Erklärungen, die er Herrn Cur tius abgegeben hatte, so geäußert hat, wie im Berliner Lokal Anzeiger" und in T. zu lesen stand. Nun will es der Graf aber wieder nicht gewesen sein. Er bezeichnet, wie die Lägliche Rund­schau" beruhigend mitteilt, den Tegt der ihm so nahestehenden Dr­gane als nicht authentisch".

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Stegerwald.

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Der Deutsche", das Organ der christlichen Gewerkschaften, hai  in den letzten Tagen eine heftige Kampagne gegen Marg für Steger wald geführt, und diesen zum Kanzlerkandidaten des Bürgerblocks ausgerufen. Daß dies nicht in Einklang mit Herrn Stegerwald ge­fchehen ist, geht aus der Rede hervor, die er am Sonntag in Köln  gehalten hat, und wird auch noch von der Germania  " ausdrüditch feitgestellt. Stegerwalds Rede und die Haltung des Deutschen  zeigen die starte Spannung innerhalb der christlichen Gewerkschaften. Benn übrigens die Germania  " und noch gröber der Deutsche   es so hinstellt, als hätten wir Herrn, Stegermad dadurch, daß wir ihn als gemesenen Tischler", bezeichneten, herabfchen wollen, so ist. dos. eine Methode der Bolemit, die teine Nachahmung verdient. Bir haben festgestellt und wiederholen es, das Stegermald als gemefenter Tischler überhaupt feine Möglich feit hätte, zu den höchsten Aemiern, emporzusteigen, ohne die Ar beit der Sozialdemokratic, die die, Barrieren des alten Dbrigfeitsstaates zertrümmert hat. Wir nehmen auch nicht an, daß es einem christlichen Arbeiterführer peinlich sein fann, wenn er daran erinnert wird, daß auch er einmal an der Hobelbank oder am Schraubstock gestanden hat. Wäre das der Fall nun dann märe das für uns ein Grund mehr, ihn recht oft daran zu erinnern, woher er kommt und wohin er gehört.

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Indisches Musterländle.

Ein Maharadscha und sein Reich.

Bon Franz J. Furtmängler. Baroda  , Mitte Dezember.

Schön sind die nächtlichen Bahnfahrten in diesem Lande. Die Wagenabteile, die dem Europäer zur Verfügung stehen und fast ausschließlich von ihm benutzt werden, find geräumig. wie ein gutes Zimmer und ebenso möbliert. Elektrische Ben­tilatoren machen die Hize, die übrigens in diesen Monaten nicht sehr groß ist, erträglich, und wer sich des allzu reichlichen Staubes entledigen will, findet im Eisenbahnwagen nicht nur ein Waschbecken wie in Amerika   und Europa  , sondern ein regelrechtes Badezimmer.

Legt man sich des Abends auf sein Lager und öffnet die Fensterluke zwei Handbreiten weit, so genießt man für Stun den das faum unterbrochene Bild von dunkelblauem Himmel, Sternen und Palmen, und nur ab und zu tritt aus diesem Bilde der matte Lichterschein kleiner Hütten und Dörfer her= vor; die ganze Szenerie wirkt wie die Landschaft eines Ge­mäldes von der Geburt Chrifti...

Baroda  , wenige Stunden von Ahmedabad   entfernt, ist die 100 000 Einwohner zählende Hauptstadt des gleichnamigen Staates bon zwei Millionen Seelen, eines sogenannten ,, E in­geborenen staates", der von einem indischen Fürsten  nach einer Art von Feudalsystem regiert wird. Die Haupt­straße der Stadt zeigt das wimmelnd belebte Bild einer orientalischen Geschäftsstraße mit großen Schattendächern über dem ersten Stockwerf der Häuser. Die drei Baum­moffpinnereien und ihre Arbeiter tauchen unter, ohne der Stadt einen besonderen Befenszug einzuprägen, ohne ihr etwas von dem Charakter eines in die Breite gemalaten Bauerndarjes zu nehmen. 3weistödige Häuser mit Holz­veranden, Hütten und Ställe stehen zu beiden Seiten der breiten, von Rühen  , Ziegen und Hunden belagerten Straßen.,

Hat sich das Auge des dahinfahrenden Fremden mit diesem inumer gleichmäßigen Anblick vertraut gemacht, so sieht er fich plöglich in einen modernen europäischen   Bart mit gepflegtem Rasen und Blumenbeeten, marmornen Fontänen und Statuen versetzt. Es ist der ausgedehnte Schloßpart, in dessen Mitte der Bruntbau des Maharadscha   steht- gleichfalls in europäischem Stile erbaut.

Ich hätte nie geglaubt, daß der amerikanisch aussehende Gentleman, mit dem ich eines Abends auf dem Schiffe plau­derte und der im Laufe der Unterhaltung sich als der Fürst von Baroda   vorstellte, ein Gebäude bewohnt, das an äußerer und innerer Bracht den Wettbewerb mit den glän­zendsten Fürstenschlössern Europas   bestehen könnte.

deutschen   Vorschläge wird der deutschen   Delegation in aller Kürze meisten der zahlreichen Innenräume. Kaum eine antife

übermittelt werden.

Arbeitslosendemonstration in Paris  .

Baris, 17. Januar.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Montag fand auf den großen Boulepards eine Demonstration von elma 2000 durch die Wirtschaftstrife arbeitslos gewordener Hotel- und Gasthausangestellten statt, die zu Zusammenstoßen mit der Bo­lizei führte. Die Manifestanten begaben sich, von der Bolizei zer­sprengt, darauf in kleineren Gruppen nach der Arbeitsbörse, mo eine Bersammlung stattfand, nor welcher der Sekretär der Nahrungs die Hilfe für mittelgemerfschaft schnelle Arbeitslosen der Nahrungsmittelbranche verlangte, die allein in Paris   und Umgebung 20 000 Arbeitslose zählt. Am Montag abend übermittelte eine Delegation dem Polizeipräfekten die Wünsche der Gewerkschaften.

Belgiens   neuer Vertrag mit China  . Verhandlungen auf der Basis der Gleichberechtigung

So europäisch wie die Außenarchitektur sind auch die Statue unserer Museen, welche hier nicht in eherner oder steinerner Nachbildung vertreten ist. Auch hat der Maha­rodscha im Laufe seiner vielen Reisen eine umfassende euro­ päische   Gemäldesammlung der verschiedensten Schulen zu fammengebracht, besitzt aber daneben auch viele indische Maler­und Bildhauerwerke, die sich in der abendländischen Umgebung um so wirksamer geltend machen.

Doch erst der Elefantenstall ruft einem wieder deutlich in die Erinnerung, daß man sich im Bereiche eines indischen Fürsten   befindet. Da stehen zwei Duzend Brachteremplare von Dickhäutern, die eine Hälfte frisch ge­fangen, wild und bösartig, die andere zu fabelhaften Kunst­stücken abgerichtet. Wir sahen einen, der nicht nur Wasser pumpte, den Fächer schwang und allerlei Arbeiten verrichtete, sondern auch auf einer Mundharmonika schlecht und recht die englische Nationalhymne God save the king  " ſpielte. Der Maharadscha wird an dieser musikalischen sein. Wahrscheinlich geht die Initiative dazu auf den schlauen Leistung des imperialistischen Trampeltieres wohl unschuldig Märter zurück, der mit dieser Melodie das Herz und die trint­geldspendende Hand englischer Besucher öffnet. Wir trennten die Belehrung empfangen hatten, daß seine Künstlergage in uns von dem genialen Rüffelträger, nachdem wir zuvor noch einer Lagesration von dreißig Pfund Gebäck und einer noch größeren Menge Grünfutter besteht.

Brüffel, 17. Januar.  ( Eig. Drahtbericht.) In Belgiens   Haltung gegenüber China   ist eine sensationelle Wendung eingetreten. handlungen über einen neuen belgisch- chinesischen Vertrag auf Auf Verlangen der Pekinger   Regierung wurden am Montag Ber der Grundlage völliger Gleichberechtigung in Beting aufgenommen. Gleichzeitig erklärte die belgische Regierung, ihr beim Haager Schiedsgericht gegen die durch China   erfolgte Nichtigkeitserklärung des bestehenden Vertrages eingeleiteten Verdes Maharadschareiches zu. fahren einstellen zu lassen. Damit fügt sich Belgien   so ziemlich allen Forderungen Chinas  .

Die deutschen   Vorschläge zwar ,, ungenügend", aber Außerdem erfährt der Vertreter des Soz. Pressedienst" in Brüssel  , daß bei der Eröffnung der Berhandlungen in Beling ein der gute Wille anerkannt. weiteres recht sensationelles Zugeständnis von Belgien   angekündigt Paris  , 17. Januar.  ( Eigener Drahtbericht.) Das Inter Das Inter worden ist. Offenbar liegt der belgischen Regierung fehr daran, alliierte Militärtomitee hat am Montag nachmittag jezt, wo die Beziehungen der Mächte zu China   wegen Schanghai  eine neue Sigung hinsichtlich der deutschen   Entwaffnung abgehalten. zu ernsten Berwicklungen führen tönnen, durch gütliche Rege Daran anschließend wurde an franzöfifcher zuständiger Stelle in den lung der Berhältnisse im Fall einer Berschlimmerung der allge Abendstunden erklärt, daß noch Ansicht des Militärkomitees die neuen meinen Lage unbeteiligt zu sein. Brüssel   legt Wert auf die Erklärung. deutschen   Borschläge zwar unzulänglich" feien, daß aber das daß die Berhandlungen mit Beting feineswegs eine Bartei Komitee mit Genugtuung von den ernsten Benahme gegen Ranton bedeuten. Ini Gegenteil ist mit Sicherheit mühungen Deutschlands  , zu einer Einigung zu gelangen, anzunehmen, daß Kanion sowohl von der Befinger Regierung wie Renntnis genommen hat. Die Antwort des Militärtomitees auf die von Belgien   über den Berlauf der Berhandlungen unterrichtet wird.

Darauf wandten wir uns wieder der europäischen   Seite des Maharadschareiches zu. Sie hat ihre Grenze nicht am Rande des Schloßpartes, sondern reicht ein ganzes Stüd meit ins Bolf hinein. Unter allen Ländern Indiens  , den indisch wie den englisch regierten, hat bisher allein der Staat Baroda   und zwar seit 20 Jahren Die allgemeine Schulpflicht für alle Kinder zwischen 6 und 13 Jahren durchgeführt.

Gegenwärtig erhalten im ganzen Lande 200 000 Kinder fostenlosen Unterricht. Dieser erstreckt sich zunächst auf das Lesen und Schreiben ihrer Muttersprache: Mahratti, Gudfchratti oder Urdu. Die Bücher sind im Stile der Ele­mentargrammatifen französischer Volksschulen gehalten. Hieran reihen sich die üblichen weiteren Volksschulfächer, somte Turnen und Handarbeit. Auch für die unberührbaren" ( die niedrigsten Kasten) bestehen Schulklassen, und da diese