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Nr. 30 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 16

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Mittwoch, den 19. Januar 1927

Der Konflikt Geßler- Koch verschärft sich

Die Antwort Kochs an Geßler.

Der Borsigende der demokratischen Reichstagsfrattion,| Reinhardt endlich einmal uns vaterlandslofen und pazi Erich Koch , hat an den Reichswehrminister Dr. Geßler heute folgendes Schreiben gerichtet:

Sehr geehrter Herr Geßler! Aus Ihrem gefälligen Schreiben nom 15. Januar 1927 entnehme ich, daß Herrn General Reinhardt eine Berunglim pfung der demokratischen Barteiführer fern gelegen hat. Ich entnehme daraus weiter, daß Sie die grund fägliche Stellung der Deutschen Demokratischen Partei zur Reichswehr als einwandfrei" in dem gleichen Sinne bezeich nen, wie ich es in meinem Schreiben an Sie ausgeführt hatte.

Bei dieser Sachlage bitte ich, mir aber zu gestatten, nunmehr darauf hinzuweisen, daß es mir danach noch unverständlicher ge­worden ist, daß der Artikel des Herrn Generals Reinhardt geschrie­ben werden konnte. Am unverständlichsten ist mir aber nunmehr, daß Sie seine Veröffentlichung gewünscht haben.

billigt.

fistischen Demotraten auf die Finger geklopft habe. Wenn es Ihre Absicht gewesen ist, uns anzuhalten, einen Kampf um die Seele der Reichswehr zu führen, fo ist uns dieser Kampf durch diesen Artikel ganz gewiß nicht er leichtert. Im Gegenteil werden zahlreiche Angehörige der Reichswehr den Artikel des Generals Reinhardt und die kommen tierenden Stimmen der Rechtspresse lesen und glauben, zu irri­gen Meinungen hingeführt und uns entfremdet werden. Es wird mühsamer und großer Anstrengungen bedürfen, um diesen Eindruck wieder zu verwischen.

Mit besten Grüßen

Ihr ergebenster

( gez.) Erich Koch ." Eine Zentrumsstimme zum Konflikt Geßler- Koch. Breffe" schreibt:. Der dem Zentrum nahestehende ,, Reichsdienst der deutschen

Es gibt teine maßgebenden Kreise in der Partei, die der Reichs­mehr feindlich gegenüberständen. Es gibt allerdings Kreise, die Ihrer Tätigkeit in der Reichswehr nicht immer Billigung gezo! lt haben. Auch daß ich in Breslau zur Frage des Pazifismus ausdrücklich Stellung genommen habe, spricht nicht, wie Sie sagen, ,, Man darf davon ausgeben, daß der Gegensatz zwischen für eine Spaltung der Partei in dieser Frage, meine Ausführungen Dr. Geßler und der Demokratischen Partei, anstatt gemildert zu sind vielmehr in erster Linie deswegen gemacht, um ähnliche An- merden, fich praftisch weiter verschärft hat. Daraus ergibt griffe von außen her, wie sie jetzt Herr General Reinhardt erhebt, sich logisch, daß die Stimmen innerhalb der Demokratischen Partei zurückzuweisen. Meine Haltung, gegen die auch Sie nichts einzugegen Dr. Geßler und seine ministerielle Betätigung fich jetzt ver­menden haben, ist auf dem Parteitag ausdrücklich einstimmig ge mutlich der Zahl nach erheblich vermehren werden. Der Wider­fland gegen ein weiteres Berbleiben des gegenwärtigen Reichswehr­ministers innerhalb der Regierung ist in der letzten Zeit wiederholt und sehr deutlich in Erscheinung getreten. In der allerletzten Seit u a. besonders schroff auf der jüngsten Tagung des de motrati fchen Parteiausschusses. Wir werden deshalb wohl alsbalb näheres darüber erfahren, welche Folgerungen sich aus der vorbe halflofen Billigung eines Zeitungsartikels ergeben, der feine Spitze unzweifelhaft in erster Linie gegen die eigene Bartei des dem Berfaffer vorgefeßten demokratischen Reichswehrministers richtete. Jetzt ist der Reichstag wieder beisammen und die Fraktionen ver­fammelt, so daß die Berhandlungen über die Schaffung einer Re­gierung auf möglichst breiter Basis notgedrungen ein schnelleres Tempo gewinnen werden, und, wie schon einmal gesagt, wird dabei ganz Wesentliches von dem Gang der Ausein= anderseßungen abhängen, die dieser Briefwechsel zwischen Reinhardt und Geßler einerseits und Koch und die Demokratische Partei andererseits erforderlich macht. Es ist ja auch sonst wünschens­wert, daß der Krise so bald als möglich ein Ende bereitet, mird".

Aber darauf tommt es nicht an. In dem Artifel des Generals Reinhardt find die Borwürfe gegen die Demokratische Partei und ihre Wortführung unterschiedslos gerichtet. Es wird aus­drücklich ein Strich gezogen. Sie wissen aber ebenso gut wie wir, mit melcher Treue mir in schwersten Stunden an Ihnen festgehalten und Sie gestügt haben, wie sehr wir uns jederzeit bemüht haben, überlante Stimmen der Kritik einzudämmen, und wie entschieden mir uns in allen amilichen Berhandlungen trog mancher Bedenken gegen Ihre Tätigkeit auf Ihre Seite gestellt haben. Ich bedaure, daß Sie trotzdem diese einseitige und falsche Darstellung über uns alle haben passieren lassen.

Die Wirkung dieses Artikels ist die erwartete gewesen.

Ich könnte Ihnen zahllose Zeitungen der Rechtsparteien, ja auch der Deutschen Bolkspartei, vorlegen, in denen der Artikel Anlaß zu den gehässigsten Angriffen gegen uns gegeben hat und - das ist noch eine der mildeften Ausführungen, die ich gelesen habe der Freude Ausdrud gegeben wird, daß der General

Um die Regierung der Mitte.

Der sozialdemokratische Vorstand läßt der Fraktion die Entscheidung. Das Zentrum für Mitte, gegen rechts.

Der Vorstand der Sozialdemokratischen Reichs. fagsfraktion hat in feiner Aussprache über die politische Lage am geftrigen Nachmittag Beschlüsse nicht gefaßt, fondern die Be­schlußfassung der Fraktionssihung am Mittwoch überlassen.

Der Fraktionsvorstand des 3entrums hat am Dienstag abend nach einer Sihung, an der auch Dr. Marr teilnahm, folgendes kommuniqué ausgegeben:

Das Zentrum feht mit besonderem Nachdrud die bisherigen Bemühungen um das Zustandekommen einer Regierung der Mitte fort. Alle gegenteiligen Ausstreuungen sind durch fichtige Tendenzmeldungen."

Der Reichskanzler Dr. Marg fehle seine Bemühungen um die Löfung der Regierungskrise mit weiteren Besprechungen fort. Um 5 Uhr besprach sich der Reichskanzler mit dem Führer der Bayerischen Volkspartei Abg . Leicht, später mit Gen. Hermann Müller

.

Der Landbund spielt den wilden Mann.

Will er eine Staatsstreichregierung? In Halle a. d. S. hielt gestern der Landbund der Provinz Sachsen eine Versammlung ab, in der Herr Abg. Hepp, Borsitzender des Landbundes und Mitglied der Deutschen Boltspartei, eine Rede für die Rechtsregierung hielt. Hierauf murde einstimmig also offenbar mit Zustimmung auch des Herrn Hepp cine Resolution angenommen, in der es zum Schluß heißt:

In den letzten acht Jahren waren alle politischen Bar-. teien, mit Ausnahme der Bölkischen und der Kommunisten, an der Regierung beteiligt. Wenn alle diese Jahre ohne den deutschen Bauer" regiert worden ist, dann hat feine dieser Parteien, also auch nicht die Bolkspartei, die Partei des Herrn Hepp, und auch nicht die Deutsch nationale Bartei den Bauern vertreten. Wer vertritt nun eigentlich den Bauer? Daß der Landbund das tut, wird in neuerer Zeit besonders lebhaft von den Bauern felbst bestritten.

Nun will der Landbund der Provinz Sachsen das Wohl des Volkes" in die eigene Hand nehmen und über die Köpfe der Parteien, das heißt über den Reichstag und die Berfassung hinweg, dem Reichspräsidenten die Männer in Borschlag bringen, die er für die richtigen hält. Und der volksparteilicher Reichstagsabgeordnete e p p macht da mit! Er selbst ist für eine Rechtsregierung, d. h. für eine Regierung, in der der Landbund verstärkten Einfluß hat. Wie so eine Regierung aussieht, davon kann man sich nach der Probe seiner politischen Reife, die der Landbund der Provinz Sachsen eben abgelegt hat, eine ungefähre Vorstellung machen.

Die Krankenfürsorge für Beamte.

In der Sitzung des 14. Reichstagsausschusses vom 18. Januar fam es zu einer Aussprache über Schaffung einer gefeßlichen Kranten fürsorge für Reichsbeamte. Aus dem Reichs­finanzministerium wurde mitgeteilt, daß die Vorarbeiten hierzu im Gange feien. Der Deutsche Beamtenbund, der Bund höherer Reichs­beamten und der Verband der Kommunalbeamten Breußens haben aber gegen die Schaffung einer Krantenfürsorge durch das Reich Einspruch erhaben und verlangen, daß die Krankenkaffen der ein­unterstützt werden. Diesem Wünsche wurde von sämtlichen Parteien des Reichstages auf das Nachdrücklichste widersprochen. Folgende Entschließung des Abg. Steintopf( 503) murde nach eingehender Plussprache einstimmig angenommen: Die Reichsregie rung zu ersuchen, die Arbeiten zur Schaffung einer einheitlichen gefeßlichen Krantenfürsorge für Reichsbeamte mit 41ler Beschleunigung zum Abschluß zu bringen.

Acht Jahre lang ist ohne den deutschen Bauern re- zelnen Beamtenverbände bestehen bleiben und aus Reichsmitteln giert worden. Bon nun ab darf eine Regierung ohne ihn gebildet werden. Wird dieses wiederum durch das parlamentarische Getriebe verhindert, fo erwarten wir von den Führern der Witt schaft, daß fie nötigenfalls über die Röpfe der Par teien hinweg dem Herrn Reichspräsidenten Männer namhaft machen, merden, die geeignet und willens find, diese Fragen fo zu Lofen, wie es das Wohl des deutschen Bolles erfordert.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H. , Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedtonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bant her Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Devontentaffe Lindenstr. 3.

Der Feldzug gegen Briand .

Durch die deutschen Rechtsblockpläne gefördert. ( Von unserem Pariser Korrespondenten.)

Paris , 18. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) In Frankreich ist selten eine deutsche Regie­rungstrife mit so großem Intereffe verfolgt worden mie die jetzige. Die Ursache dafür liegt nicht nur in dem Verlauf der Berhandlungen zur Lösung dieser Krise, sondern vor allem in ihrem Zusammenhang mit der Offensive, die von den französischen Rechtsparteien gegen Briand und seine Außenpolitik mit dem Beginn des neuen Jahres eingeleitet morden ist.

Monatelang hatten sich die Organe des Nationalen Blocks auf eine verhältnismäßig zurückhaltende Kritik gegenüber der Politik Briands beschränkt. So fonnte man z. B. nach Locarno auch in Rechtsblättern Stimmen vernehmen, die ein prinzipielles Einverständnis mit den Grundlinien der an den Ufern des Lagio Maggiore besiegelten Politik zum Ausdruck brachten. In der Kammer sah sich die nationalistische Oppo­fition ebenfalls gezwungen, ihre Borbehalte in stark bejahende Argumente zu hüllen. Als Deutschland dann schließlich in den Völkerbund eintrat, blieb der Rechten wieder nichts übrig, als sich im, Gewand einer diskreten Trauer zu zeigen. Aller­dings erlaubten sich schon damals einige ihrer Blätter die finstersten Prophezeiungen in bezug auf die Folgen der Zu­gehörigkeit Deutschlands zur Genfer Organisation. Immerhin schienen die politisch einflußreichsten Elemente der Rechten weiterhin entschlossen zu sein, sich mit der neuen Außenpolitik abzufinden, ja sie sogar zu fördern, wie es die großen tapi­talistischen Wirtschaftsorganisationen für notwendig erklärten. Jedenfalls war in den letzten Monaten des vergangenen Jahres Briands Stellung lo start, daß kein Ver­treter des Nationalen Blocks ernithaft daran denken durfte, mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg gegen fie anrennen zu können. Deffen war sich der französische Außenminister auch selbst bemußt, als er im Dezember von Genf aus seine Regie­rung missen ließ, daß er nicht nach Paris zurückzukehren gedente, ohne die Aufhebung der Internationalen Militär­fontrollkommission einer Lösung entgegengeführt zu haben und er eher seine D'emission geben werde, wenn man ihn hindern würde, das zu tun, was er für notwendig halte.

Jezt liegen die Verhältnisse anders, und es wäre verfehlt, sie besser darzustellen als sie sind oder gar vor den ein­schließen. Briands Stellung erscheint im Augenblick nicht getretenen Veränderungen die Augen zu ver­mehr so unerschütterlich, wie das etwa noch vor einem Monat der Fall war. Der Feldzug, den gewisse hohe Militärs, unterstützt von der Presse des Nationalen Blocks, gegen die ewigen Konzessionen" des Außenministers unter­nommen haben, war nicht ganz ohne Erfolg und hat selbst in die bürgerlichen Links freise Beunruhigung hineingetragen. Es gibt dafür zwei wesentliche Gründe: der eine besteht darin, daß es gelungen ist, einem großen Teil der öffentlichen Meinung, der ursprünglich für die sogenannte Königs= berger Festungsaffäre" nur ein sehr geringes Inter­effe zeigte, die. Ueberzeugung beizubringen, daß Deutschland eine Aktion gegen Bolen vorbereite und sich nicht auf eine friedliche Lösung der deutsch - polnischen Streitfragen zu beschränken gedenke. Da Polen auch in den französischen Linkskreisen auf Grund alter Tradition und trotz des real­tionären Gesichts, das seine Regierungen und seine Bolitik seit feiner Wiedergeburt oft zeigen, in Frankreich viel Freunde hat, ist eine Atmosphäre entstanden, die das Vertrauen, ohne das Briand seine Politik nicht durchführen kann, unter­gräbt.

Wichtiger ist der zweite Grund, und zwar liegt er in der Entwidlung der deutschen Regierungstrife. Man kann die verheerende Wirkung des Versuchs, ein Kabinett mit Einschluß der deutschen Monarchisten zu bilden, in allen Kreisen Frankreichs ohne Unterschied der Tendenz gar nicht mehr tief genug einschäßen. Ja, daß trotz der Enthüllungen über gewisse Zustände in der Reichswehr die Möglichkeit einer Rechtsregierung ernsthaft in Er­wägung gezogen wurde, hat vor allem in den französischen Linksfreisen eine viel stärkere Verblüffung hervor gerufen, wie es in deren Organen zum Ausdruck kommt. Der gegenwärtigen Außenpolitik Briands ist zweifellos eine Schranke gesetzt, wenn in Deutschland in diesen Tagen eine Rechtsregierung das Licht der Welt erblicken würde.

Was viel schlimmer ist als die demagogischen Hezkom­mentore der Rechtspresse oder von der Linkspresse formu­lierten Bedenken und Proteste, das ist das tatsächliche Mißtrauen, auf das man gegenwärtig in Unterhaltungen selbst bei Persönlichkeiten stößt, die bisher begeisterte An­hänger der französisch- deutschen Freundschaft waren. Die Rechte fühlt das und versucht natürlich, die neue Atmosphäre möglichst start auszunuzen. Es ist z. B. tein Zufall, daß das flerital- nationalistische E cho de Paris" gerade die jetzige Zeitspanne auswählte, um eine große Enquete über die Rheinlandräumung" zu veranstalten,