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Nr. 30 44.Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Ueberschwemmung im Havelgebiet.

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Mittwoch, 19. Januar 1927

Die ungeheure Wasserkalamität hat befanntlich ihre tiefste Ur­sache in dem Umstand, daß gewaltige Waffermengen aus dem med lenburgischen Seengebiet pertragswidrig in die Savel geleitet werden, deren Bett sie nicht aufzunehmen vermag. Hinzu kommt, daß der Staat seiner Verpflichtung, das Havelbett ständig zu räumen, um es für die ungeheuren Wassermengen sowohl aus ben mecklenburgischen Seen als aus den zahllosen kleinen Zuflüssen aufnahmefähig zu machen, nicht nachkommt. Insbesondere zeichnet sich die sogenannte Schnelle Havel" im Kreise Niederbarnim und Templin durch Bildung von Triebsandbänken aus, sie unter­liegt auch seit Jahrzehnten der Verkrautung. Die Regierung glaubte, bei der allgemeinen Finanznot für die Instandhaltung dieses Flusses, der in jenem Teile von der Schiffahrt nur wenig benutzt wird, teine Mittel aufwenden zu müssen. Die Folge mar, daß die Havel , die früher so friedlich durch die norddeutsche Tiefebene floß, für zahllose Anlieger, für Dörfer und Städte zu einem Unglückss strom geworden ist. Bornehmlich in der Zeit der Frühjahrsschmelze oder aber auch wie jetzt, nach großen Niederschlägen, sind weite Gebiete der Havel in einem geradezu unerträglichen Umfange überschwemmt. Das schlimmste aber ist, daß Ackerland, das früher reiche Frucht trug, und Wiesen, die ehedem zahlreichen Vieh­herden als Weideland dienten, in ständiges Ueberschwemmungsgebiet umgewandelt wurden. Die Deffentlichkeit wurde auf diese Zustände aufmerksam durch den Einsturz einer Havelbrüde bei Liebenwalde .

Nunmehr wird sich der Landtag mit dieser Angelegenheit ernsthaft zu beschäftigen haben. Seit langem bildet ja die leber­schwemmung der Havel einen Gegenstand seiner Beratungen, die auch einmal zu einem positiven Ergebnis geführt hatten: der Landtog hatte Mittel zur Regulierung des Havelstromes ausgeworfen, die aber leider infolge Versagens behördlicher Stellen nicht zu dem bewilligten Zwede verausgabt werden konnten. Man darf hoffen, daß diese Aussprache, die über diesen Gegenstand nun­mehr im Landtag in der nächsten Zeit statfinden muß, dazu führen wird, die Havelregulierung großzügig in Angriff zu nehmen, so daß hier ein Werk geschaffen wird, das auf lange Sicht die oben besprochenen Mißstände gründlich beseitigt.

Es entspricht durchaus nicht dem technischen Können und dem Selbstgefühl des Menschen, sich den Naturgewalten zu beugen, menn ihn sein Können befähigt, ihren schädigenden Wirkungen machtvoll entgegenzutreten. Die Tatsache, daß nunmehr die Havel auch vor den Augen der zuständigen Behörden, die Landtagsbeschlüsse aus­zuführen haben, rebellisch wird, wird jedenfalls mit dazu beitragen, die Angelegenheit einem für alle Teile münschenswerten Ende ent­gegenzuführen.

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Neptun in seinem Element.

Die vielen Niederschläge der letzten Wochen haben in und um Potsdam zahlreiche Ueberschwemmungen verursacht. Schon zwischen Nowawes und Potsdam fann man von der Bahn aus das meite Ueberschwemmungsgebiet der Nuthe beobachten, wo Bauben und Schuppen vom Wasser umspült und eine Unzahl fleiner Inselchen entstanden sind, zum Teil mit Strauchwerk und Bäumen bestanden. In Potsdam selbst hat das Hochwasser der Havel die Dampferanlegestelle überflutet und ein allgemeines Steigen des Grundwasserspiegels verursacht. Die Neptunsgruppe im Lustgarten steht immitten eines fleinen Sees und der meer­beherrschende Gott scheint sich nun erst so recht in seinent Element au befinden; luftig schwenkt er den Dreizack in der Rechten, während feine Roffe und die muschelblafenden Begleiter bis zur Bruft im Wasser schwimmen. Im Park von Sanssouci ist hauptsächlich der jüdliche Teil vom Schloß Charlottenhof bis zum Bahnhof Wildpark an zahlreichen Stellen unter Wasser. In reizvoller Weise spiegeln sich die alten Bäume in den weiten Wasserflächen. Alleen und Bartwege verlieren fich plötzlich im Wasser und sind noch eine Strede durch ihre hellere Färbung auch unter dem Wasser zu er­fennen. Mit einfachen Stangenverschlägen hat man solche ins Wasser mündende Wege bei den Abzweigungen fenntlich gemacht. Stumm amd langweilig stehen längs der Wege hohe, schmale Kästen, in denen barode Steinfiguren ihrer Frühlingsauferstehung harren. Und der Frühlingssonne mird man auch die Sorge überlassen, mit dem leber­fluß an Waffer fertig zu werden.

Die Wunder der Klara van Haag.

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Bon Johannes Buchholh

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Aus dem Dänischen übersezt von Erwin Magnus . ,, Ob die Garnelen jetzt reif sind das weiß ich nicht," fagte der Chauffeur. Sie werden ja gefangen. Aber Hum­mern gibt es selbstverständlich. Die werden ja gekauft. Die sind auch viel besser. Das andere ist nichts Rechtes. Nicht

wahr?"

"

Hedwig knüpfte ihre Schuhbänder und fühlte, wie ihr Herz sich füß wand und gluckste.

,, Und dann wohl Rhabarbergrüße und sonst irgend was Lederes mit Sahne hinterher?" sagte der Chauffeur schließ­lich mit der Miene eines Weltmannes.

,, Ja, Rhabarbergrüße, das wäre etwas!" ,, Ja, das ist etwas!" Der Chauffeur ließ das Auto an= springen und grüßte stolz mit frummen Fingern.

Johan und Hedwig gingen unter die mächtigen Buchen. Sie gingen lange hin und her auf allen Wegen. Reines von ihnen sprach ein Wort, aber sie schienen im voraus einig zu fein, sobald die Richtung verändert werden sollte.' Die Luft war sonnig und stark von dem Dufte des Frühlings. Wenn ein Waldvogel sich hören ließ, beugten sie beide gleichzeitig den Kopf. Johan wußte, daß dies ein Buchfint, das eine Kohl­meise war, pint, pint. Hedwig wußte es auch, warum also feinen frischen Eindrud in einen Käfig von Worten fezzen. Feine fleine Zweige zerbrachen unter ihren Füßen, und von den laubbraunen, runden Hügeln tamen ihnen unzählige Pleine Anemonenmädchen entgegengelaufen. Hier war gut gehen. Das Blut stieg ihnen stärker in die Wangen. Dann bogen fie um ein Dickicht herum und hatten eine grüne Wiese vor sich, wo etwa zwei Dugend Hirsche grasten. Sie blieben stehen und betrachteten die Tiere, dann sette Hedwig fich wieder in Bewegung. Johan entdeckte es erst, als sie schon zwei bis drei Schritte von ihm war, aber gleich war er wieder

neben sie gelaufen, und dies fleine Erlebnis genügte, daß fie beide lachten und sich länger amüsierten als, streng genommen, notwendig war.

,, Sie sind eine gute Fußgängerin, Fräulein Egholm!" ,, Ja, es gibt nicht viele, die mich müde laufen." ,, Sie haben einen Gang, daß ich frant und unglücklich poller Sebensüberdruß dadurch werde."

Hedwig sah ihn unsicher an.

,, Nein, denn das tann doch nicht gemalt werden. Nicht ginmal von mir, der es doch sehen tann. Tanz kann man

Der

Auch die Spandauer Havel tann jetzt zum Ueber­schwemmungsgebiet gerechnet werden. Hier leiden besonders die Fischer, die bei Tiefwerder und Gatom noch ihr Gewerbe handwerksmäßig betreiben und dann auch die vielen Wassersport­vereine, deren Eigentum oder Pachtgut start gefährdet ist. Stößensee schiebt sein Wasser stellenweise bis an die Chaussee heran, die die Heerstraße mit Schildhorn verbindet. Hier wird man einer etwaigen Unterspülung der Straße vorbeugen müffen. Die Dampferanlegestege sind überflutet, das Wasser hat die sonst reichlich hoch liegenden Gärten der Sommerlofale erreicht. Am schwersten werden die Sportvereine zu leiden haben. Ihre Boots= häuser, die mit großen Mühen und unter großer Opferwilligkeit der Mitgliedschaften errichtet wurden, stehen zum großen Teil unter Waffer, ein Betreten ist fast unmöglich. Dabei fönnen die Schäden erst nach Jahren auftreten, wenn Fäulnis, Rost und Schimmel ihr zerstörendes Werk vollendet haben. Die Schäden an den Booten werden spät im Frühjahr, wenn das Wasser sich wenigstens teilmeise verlaufen hat, auszubessern sein. Tatsächlich liegen viele Segelboote und Angeltähne in ihrem Winterquartier im Waffer, bei einigen Vereinen sogar so, daß die Besitzer augenblicklich nicht einmal heran fönnen Teile der Grundstücke, die noch nie vom Winter- und Frühjahrs­hochwasser betroffen wurden, find jetzt überflutet und die Sportler tönnen selbst auf dem Grundstück Kahn fahren. Die Regulierung der oberen Havel wird allerschnellstens erfolgen müssen, soll nicht der allerorts angerichtete Schaden ins ungemessene steigen.

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Ueberschwemmte Parkwege.

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malen. Aber nie fann man ein junges Weib malen, das ihrer Verwunderung eine Aehnlichkeit zwischen ihm und dem durch den Frühlingswind geschritten tommt."

,, Nicht?" Doch!"

,, Nun sagen Sie wieder doch!"

Ja, wenn jemand wollte." ,, Sind Sie der jemand?" sagte Hedwig und fnöpfte nervös an ihren langen Handschuhen.

,, Nein, Sie, Fräulein Egholm, wenn ich Sie malen dürfte. Denn ich sehe es heute doch zum erstenmal. Ich weiß nicht,

wie ich es erklären soll."

tun, wenn sie eine Schwierigkeit entwirren wollen. Nach Hedwig legte plötzlich die Hand über die Augen, wie Leute

einer Sekunde sagte er:

-

ein

Fräulein Egholm- Sie hießen einmal anders Pleiner Name- Hedwig knöpfte den Handschuh los, wurde aber plötzlich fertig: sah ihm frei in die Augen und sagte: nicht

-

Ich hieß einmal Hedwig und du hieß ich Fräulein. Aber wenn Sie meinen, heiße ich immer noch beides. Das andere ist ja eigentlich dumm, finde ich."

Johan stand vor ihr. Er schüttelte den Kopf und sagte: ,, Sie machen mir alles so schredlich schwer." ,, Nein, das tue ich doch nicht."

,, Doch, jetzt sagen Sie Ja dazu daß ich edwig zu Ihnen sagen darf und du. Aber ich glaubte, Sie würden nein sagen, und wenn Sie nein gesagt hätten, dann wollte ich Sie anbetteln und anflehen, ja zu sagen. Und mich vor Ihnen niederwerfen. Und jetzt stehe ich da und bin unglück lich, daß ich das nicht sagen kann."

Hedwig bekam die Augen voller Tränen.

,, Nein- Sie dürfen nicht unglüdlich sein," sagte sie. Ja, aber ich habe Ihnen ja soviel zu sagen. Ich liebe Sie ja, aber mie soll ich um Sie freien. Hören Sie-" Er umschloß ihre Hand und wog fie gleichsam. Ich sehe schon, liebe fleine hedmig, daß du mir nicht fortläufft und mich nicht fortstößt, aber ich wage gar nicht, meinen eigenen Sinnen zu trauen. Ich habe einen Drang, das Knie por dir zu beugen. Es gibt etwas aus uralter Zeit, für das ich Verzeihung haben muß."

alten schmerzbeschwerten Mann auf dem Bilde. ,, Was ist merkwürdig, Johan?"

,, Daß etwas, das tausenmal durchdacht ist, doch als etwas Neues und Wunderbares gefühlt werden kann. Denn ich habe ja dich und immer nur dich geliebt, und ich habe mir ausgemalt, daß du einmal mit mir in einem Walde gingest

dort mein wardst. Und jetzt ist es geschehen. Aber ich habe nie geglaubt, daß du so herrlich wärest, wie du bist, dann hätte ich nicht gewartet, bis ich erwachsen war. Denn du hattest ganz recht vorhin: wir mußten uns erst groß Du bist ja doch eine Königin unter allen Frauen der Welt, wachsen. Und dank, daß wir so miteinander gegangen sind. und ich ja ich bin ja nichts gegen dich aber als Maler! Ja, jeßt, da ich dich habe, werde ich jedenfalls die ganze Welt in Grund und Boden malen. Ich muß groß werden, du! Hedwig, du elektrisierst mich. Nein, jetzt will ich richtig sagen, wie du bist; hör jetzt zu: Weißt du, wie es ist, an einem Sommertage am Meer entlang zu gehen? Du bist müde und warm, und dort liegt also das Meer. Es ist blau und durch­sichtig. Du kannst den weißen, kalten, sonnenglizernden Sandboden sehen, kennst du das?"

,, Ja, das fenne ich," sagte Hedwig ernst und aufmerksam. Sie und Johan Fors waren dabei, meiter den großen Hügel hinauf zu gehen. Johan hielt ihre Hand in der seinen, aber sein Blick war aufwärts und weit in die Ferne gerichtet. Er runzelte die Stirn und gab sich offenbar Mühe, das Bild zu malen, gerade wie er es vor sich fa h.

,, Schön, aber weißt du auch, daß man völlig wild und toll danach werden fann, in das fühle flare Wasser zu springen, daß man gleichsam Durst in allen Nerven danach bekommen fann, einen Durst, der gelöscht werden muß."

,, Ja, das kann ich," sagte Hedwig und beugte den Kopf. ,, Hedwig du bist das Meer! Nicht mur deine blauen Augen oder sonst etwas bestimmtes, sondern dein ganzes Du! Dein Name und alles. Und ich bin warm und müde, weil ich jahrelang herumgelaufen bin, darauf versessen, mich in dich zu eine Glaswand zwischen dir und mir. Du antwortetest nicht stürzen. Aber das Meer wich vor mir. Nein, es erhob sich auf meine Briefe. Ich befam Atemnot , wenn du nicht ein ,, Nein, nein, das gibt es nicht," sagte Hedwig. Wir mußten doch erwachsene Menschen werden. Etmas anderesort antworteteft. Ach ich verstehe nicht, daß ich auch nur einen Pinselstrich malen fonnte." war es ja nicht."

Da umfaßte Johan sie start. Er hob sie auf und ging eine Weile mit ihr hin und her, als habe er völlig vergessen, sie wieder zu Boden zu setzen.

,, Das ist merkwürdig, merkwürdig," sagte er mehrmals. Sein Geficht war ernst geworden; ja, Hedwig fand zu

Hedwig schlang ihren Arm um ihn und preßte ihren Kopf an seine Bruſt.

,, Ich bitte dich tausenmal um Verzeihung. Sag, daß du jetzt froh, daß du nicht mehr böse auf mich bist."

Fortfegung folgt.)