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Deutfth-polnisthe Zrieöensarbeit. Der Gindruck von Lobes Lodzer Rede. Die Lodzer Iubiläumsoersammlung der deutschen Sozial- dcmokratie in der Republik Polen , in der am vergangenen Sonntag nach dem Reichstagspräsidenten Genossen L ö b e die Sejinabgeordneten Genossen Diamond und Cza- p i n s k i für die polnische Sozialdemokratie, K ro n i g und Serbe für die jubilierende Partei sprachen, war eine Kund- gebung, wie sie Lodz kaum je vorher gesehen hat. Ueber ihren Eindruck äußerst sich das polnische sozialistische Haupt- organ, der WarschauerRodotnik" in folgender Weise: Die Rede, die am vergangenen Sonntag Genosse Paul L ö b e, der Präsident des deutschen Parlaments und einer der hervor- ragendsten Führer der deutschen Sozialdemokratie, in Lodz gehalten hat, ist eine Tatsache von großer politischer Bedeutung und bestätigt tressend unsere Ansicht, daß die Behandlung des ganzen Deutschland als eines geschlossenen nationali st i- schenBlocks"«ine bodenlose Dummheit ist, die dem Frieden im Osten Europas schadet. An der Sitze der deutschen Demokratie steht der deutsche Sozia- lismus. Er tritt mit großem persönlichen Mut gegen die nationa- listische Propaganda, gegen Rüstungen auf. nimmt gegenüber der polnisch-deutschen Grenzsrage eine kluge, ehrlich«, weitblickende Stellung«in und stellt a» erste Stelle die Frage der Wirtschaft» l i ch e n und kulturellen Annäherung beider Völker. Die Rede des Genossen Lobe wird vielen Lügen, falschen Mei- mingen, demagogischen Ausfällen ein Ende machen. Die Rede war ein starker Schlag gegen den entfesselten polnischen und deutschen Chauvinismus und zeigte die Möglichkeit der Zusammen- arbeit und die Bereitwilligkeit des deutschen und polnischen So- zialismus zu gemeinsamem Borgehen. Die Deutsch « Sozialistische Arbeitspartei Polens hat de r F r i e- denspolitik einen großen Dienst erwiesen, indem sie gerade in dieser Weise und unter dieser Losung die Feier ihrer Partei veranstaltete. Die Sozialistische JMernationale hat noch einen Beweis dafür erbracht, daß sie die lebende Wahrheit der Ge- schichte ist. Am Tage nach dieser Rede war Genosse Lobe dem die von der polnisch-nationalen Arbeiterpartei beherrschte Lodzer Stadtverwaltung ihr Repräsentationsauto zur Per- fllgung gestellt hatte in Warschau Gast der polnisch-fozia- listischen Sejmfraktion. Cr stattete den Präsidenten beider Häuser des Parlaments Besuche ab, wodurch diese Reise wohl über das rein private hinausgehoben worden ist. Konferenz»er üeutschen, iüöifchen und polnischen Genossen. I» der vorigen Woche tagte im Warschauer Scjmgebäude eine Konferenz der deutschen , jüdischen und polnischen Sozialistenpartei der weitere folgen sollen, um das Zusammenwirken der Parteien immer enger zu gestallen: in Zukunft sollen auch die Sozialdemo- traten der slawischen Minderhettsvölker Polens Weißrussen . Ukrainer . Tschechen hinzugezogen werden. Bon der erwähnten Konferenz seien folgende Ausführungen wiedergegeben, die die Be­urteilung der polnischen Innenpolitik durch unsere Go- nassen zeigen: Abgeordneter Riedzialkowskl(PPS.) unterstrich, daß kleinere und größere Agrar Parteien in der letzten Zeit zusammen- arbesten. um dadurch das Jndustrteproletariat zu beu> gen, ebenso die einzelnen Industriezweige. Dt« PPS. will nicht die gegenwärtige Regierung um jeden Preis stürzen, aus Rücksicht auf den Anmorsch des Faschismus, der sich imLager des großen Polens ' eine Kampforganisation geschaffen hat. Der PPS. geht es um die A c n d e r u n g der gegenwärtigen Regierungspolstit im Sinne der Berücksichtigung der Interessen der werktätigen Bevölke- rung. Die letzten Beschlüsse des Parteirates sind nicht als eine Ab- kehr vom Standpunkt der Opposition zur Regierung zu werten, son- dern nur als ein« Aenderung der Stellungnahme zu Pilsudski als Person, den viele persönlich« Fäden mit«in- zelnen Mitgliedern der PPS. verbinden. Dies betrifft aber keines- falls den Rcgierungsmann Pilsudski . Gelingt es aber nicht, eine Aenderung der Politik der gegenwärtigen Regierung zu erzielen, so wird die PPS. zur rücksichtslosen Opposition greisen. Stadtverordneter Ehrlich- Warschau(Bund jüdischer Arbeiter): Wir sind gegen die Pilsudski-Regiening. Wenn wir sie chrer Art nach beurteilen sollen, so können wir sie nickt, wie viele Zeiwn- gen. eine faschistische nennen. Denn der Faschismus hat drei Grund- sätze: 1. Berneinung der Forderungen der Arbeiterschast: 2. Begün­stigung der Interessen der Befitzenden und 3. rücksichtslos« De- kämpfung des Gegners. Die ersten beiden Grundsätze hat sich die Pilsudsti-Regierung zu eigen gemacht. Den dritten noch nicht. Wir würden unseren italienischen Genossen Unrecht tun, die unter dem schlimmsten Terror zu leiden haben, wenn wir unser« Zustände mit Foschisnms bezeichnen würden Aufgabe des Augen- blicks ist die Zusammenfassung aller Arbeiterorganisationen zur Bor- bereitung der Abwehr des uns drohenden Faschismus. Ueber die Minderheilsvölkerpolilik führt« der deutsch -sozialdemoklratische Sejm abgeordnete K r o n i g- Lodz aus: Unser Standpunkt ist: Weit-. gehende territoriale Autonomie für die slawischen Minher- heiten, die geschlossen wohnen, für uns eine kulturelle logenannte personelle Autonomie, wie sie grundsätzlich schon vor 25 Jahren Genosse Karl Renner - Wien vorgeschlagen hat. Außer dieser Forderung haben wir noch Einzelsorverungen, u.a.: die Her- stellung der Gleichberechtigung für unsere Volksgenossen bei Anstellung In staatliche», kommunalen und sozialen Acmtern und Betrieben: die Abschaffung des ungeschwächt weiter betrie- denen Polonisierungssystems in allen möglichen Formen, z. B. durch Zuteilung polnischer Lehrer an deutsche Volksschulen: Berücksichtigung der Bedürfnisse der deutschen Volksschulen bei der Durchführung der Zu- sammenlegung: Wledcrzulassung des Erklärungsrechts für deutsche Eltern in denjenigen Schulbezirken, In denen diese Eltern die Ein- reichung der Erklärungen versäumt haben: Abschaffung der politi- schen Gemeindegeometrie bei den Schulen in den Landgemeinden, wodurch viele deutsche Schulen durch künstliche Beschränkun­gen geschlossen werden. Für Oberschlesien fordern wir die vollständige Einhaltung der Genfer Konvention . Außer- dem haben wir noch diverse Forderungen lokalen Charakters. Von den Genossen der PPS. forden, wir. daß sie sich für die Verwirk- lichung unserer Forderungen einsetzen, uns in unseren Jnterven- tionen unterstützen und unsere Forderungen zu den eigenen machen. Man sieht hieraus, wie weit die Behandlung auch der deutschen Minderheit noch von Gerechtigkeit entfernt ist! * Gegen eine polnische Verordnung, wonach die Donziger Eisenbahner, soweit sie nicht seit Danzigs Siaatshcginn im Dienst sind, polnisch können müssen. Hot die Danziger Sisen- bahnergowertschast protestiert, Der Senat will den BMerbunds- kommissor anrufen. Volksparteiiiche Splitterrichter. Der Fall Sicbcns vor dem Landtag. Der Landtag nahm gestern zunächst in zweiter Beratung die Ausschußbcschlüsse auf Ermäßigung der Gerichtskostsn und Bereinheitli Huna der Gebührensäge in den einzelnen Ländern rn. Zugestimmt wird auch der Bestimmune, die Gebühren bei wirt- schaftlicken Zusammenschlüssen im Zusammenhang mit Rationalisie- riingsbestrebungen zu ermäßigen. Ein Antrag des Rechtsausschusscs, der die Gebühren für Eintragungen In dos Schisssregister an die Vorkriegegebühren anpassen will, wird angenommen. Sine Zollüebatte. Abg. heesch(Dem.) begründet einen demokratischen Urantrag, der die Verlängerung der Schutzfrist für den ermäßigten Zollsatz von 2 Mark je Doppelzentner Futtergetreide über den 3l. Dezember!Ü26 hinaus verlängern will und in zukünftigen Handelsverträgen und in dem endgültigen Gesetz über die Zoll- vorläge für olle Gerste, niit Ausnahme von Braugerste, sowie für sämtliche Futtermittel Zollsreiheit verlangt. In der Besprechung wendet sich Abg. Zacoby-Rassaus(Z.) da- gegen, daß durch eine bedingungslose Aufhebung der Futtermittel- zolle der Viehgroßmästerei Millionengewinne zugeschanzt werden. Adg Schulze-Stapen(Dnatl.) fordert Ablehnung des demo- kratisthen Antrages. Unter dem Zollschutz Hobe die Gersten- onbau fläche in Deutschland allein im letztm Jahr« um 50 OW Hektar zugenommen und auch der Ertrag des Kartoffelanbaues pro Morgen sei gestiegen. Abg. Delerz-'Hochdonn (Soz.) tritt für den demokratischen Antrag ein und hält den Deutschnationalen vor, daß sie nur die Interessen der Großbesiger vertreten und die der K o n s u m e n t e n außer acht lassen. Abg. Held(D. Vp.) bezeichnet einen niedrigen Futtermittelzoll als Existenznotwendigkeit für die Klein- und mittlere Landwirtschaft. Roch weiteren Ausführungen der Abgg. Skjellerup(Kam.) und vlcster(Wtrtsch. Vg.) wird der erste Teil des Antrages, der die Verlängerung der Schutzsrist für den ermäßigten Zollsatz von 2 M. über den 3l. Dezember 1926 hinaus fordert, mit großer Mehrheit gegen die Deutschnationalen angenommen. Bei der Abstimmung über den zweiten Teil des Antrages, der für sämtliche Futtermittel Zollfreiheit einführen will, ist die Auszählung des Hauses notwendig. Sie ergibt die Ab- l e h n u n g dieser Bestimmung, für die nur die Demotraten, Sozialdemokraten und Kommunisten stimmen. Der§aU Siebens. Es folgt die Beratung des v o l k s p a r t e i l i ch e n Ur- outrages, der das Staatsministerinm ersucht, im Falle des wegen Wahlfälschung rechtskräftig verurteilten Lehrers Siebens in Tannhausen im Kreis Aurich weder die volle Begnadigung ein- treten zu lassen noch Siebens im Schuldienst als Lehrer weiter zu deschä'stigen. Abg. Siendel(D. Bp.) begründet den Antrag. Ministerialdirektor KaestnA: vom Kultusministerium erklärt, die Unterrichtsverwaltung Hobe den Fall sachlich bearbeitet und der Staatsrat habe beschlossen, das Lorgehen der Staats- regierung zu billigen. Dem Redner sei e» nach seiner Beamtenousfassung ein« Freude gewesen, für den Lehrer Slebens einzutreten. Di« Unterrichtsverwaltung habe zu dem Urteil selbst nicht Stellung genommen: es sei das unbestrittene Recht des Unter- richtsministers, einen verurteilten Beamten auf sein« Wiederein- stellung hin zu prüfen. Auch der Landrat habe die Per- sonalakten Sieben» nicht gekannt. Slebens sei van allen Schulräten der allen und der neuen.Zeit alz Cluster hingestellt worden. Sämtliche Herren der Unter- richlsverwaltung selen für dl« Begnadigung clngelrden; leine Wiedereinstellung sei mit 10 gegen 2 Stimmen bei zwei Eni, Koltungen empfohlen worden. Die Wiedereinstellung sei aber nur cufirogzwesse erfolgt. Abg. Grzlmek(Dem.) weist die Angriff« des Abg. Stendel rntjchiedsn zurück. Die Hetze gegen Siebens geh« auck, jetzt noch meü er. Für solche Splitterrichterci habe Redner kein Verständnis. (Zustimmung links, Gcgenkundgebungen rechts.) Der zur Anklage gestellte Fall habe sich erst ereignet, nachdem das Wahlergebnis bereits telephonisch an den Londrat weitergegeben worden war. Mindesten» die Staatsanwaltschaft sei v o r e> n g« n o m- m c» gewesen. Für die Begnadigung und Wiedereinstellung Sieben» in Tannhausen seien der dortige Gemeinderat. die Schulgemeinde usw. eingetreten. Der volksparteiliche Antrag sei offenbar aus wahttaktifchen und persönlichen Gründen gestellt und wolle SiebcnsindenT od Hetzen. Ein Vertreter des Justizministeriums weist die gegen die StaatsanwaUschost Aurich erhobenen Vorwürfe als unrichtig zurück. Abg. Dr. Hossmann-Münster (Dnatl.) stimmt dem volkspartei- iichen Antrag zu. Abg. knltner(Soz.) erklärt, das Wahlprüfungsgericht habe einen sehr wesentlichen Test des Urteils umgestoßen. Der Angriff der Deutschen Volkspartei habe nicht Siebens, sondern Ministerial- direktor Kaestner gegolten. Die Sozialdemokraten hielten es für nStlger. Urteile wie im Falle llüttwit) zu revidieren. Wenn es Lüllwitz so gut gehe, dann sollt« die Rechte Schamgefühl empfinden, wenn sie gegen einen kloinen Lehrer loszieht.(Beifall links. Lärm und Zurufe bei den Deutschnationalen.) Ministerialdirektor kaestner bedauert die in dieser Sache er- hobeiien persönlichen Angriff« und weist daraus hin, daß unter dem alten Regime sogar Lehrer, die sittliche Verfehlungen begangen haben, wieder das Ohr des Kultusministers gesunden hätten. Der Schulrat in Aurich sei Siebens insofern. nicht gerecht geworden, als er an die Spitze seines Gutachten» für die Staats« onwaltschast die Erwähnung zweier kleiner Rügen stellte, die Siebons während des Krieges mal erhalten hatte. Abg. Stendel(D. Dp.) legt dar, daß Siebens sich selbst schuldig fühlte, weil er den Staatsanwalt selbst gebeten habe, nach dem erst- instonzlichen Urteile keine Berufung einzulegen, da er dann selbst auf die Berufung verzichten werde. Abg. Schwenk-Lerlin(Komm.) spricht den Rechtsparteien die moralisch« Qualifikation ob, angesichts ihres Verhallens beim Volksentscheid sich über Wahlfälschungen zu ereifern. Die Ucberweisung de» volkevartellichen Urantrag« an den Unterrichtsausschuß wird gegen Deutschnationale, Deutsche Volks­ partei und einiae Wirtschastsparteiler abgelehnt. Ablehnung findet auch der Urantrag selbst. Um H6 Uhr vertragt sich das Hau» aus Freitag 12 Uhr: Wahl eines neuen Bizepräsidcnten, Wohlfohrtsetak. Gerichts tollen und Rechts anwaltsgebühren Der Gesetzentwurf vor dem Reichstag. Im Reichstag beantragte gestern vor Eintritt in die Tages- ordnung der Abg. Rosenberg(Komm.) als ersten Punkt der Tages- Ordnung ein von seiner Fraktion eingebrachtes Amnestiegesetz zu beraten, besonders im Hinblick auf die Fälle Lüttwitz und Höltz. Abg kling(Wp.) beantragt Beratung ei,«« Antrags auf weitere Hinauslchiebung bor Erhöhung des Biersteuer. Q C j C t Der Aufsetzung der beiden Anträge aus die Tagesordnung wird widersprochen. Dos Haus tritt sodann in die Beratung eines Gesetz- entwurfes über die Gerichtskosten und die Gebühren der Rechtsanwälte ein... Den Bericht über die Ausschußverhandlungen gibt Abg. wunder­lich. Danach solle» die Gebühren m bürgerlich»» Recht»- sireitigkeiten betrogen bei Gegenständen im Werke bi» zu 20 W. 1 M., von mehr als 20 bis zu 60 M. 2 M.. bis zu 1000 M. 3 Proz., bis zu 2000 M. 2 Proz.�bis zu 10 000 M. 1 Proz.. von dem Mehrbetioge H' Proz. Im Strafprozeß sollen im Falle einer Freiheitsstrafe bis zu eiirsr Woche 5 M., bis zu 2 Wochen 10 M., bis zu 1 Monat 20 M., bis zu 6 Monaten 50 M. usw. erhoben werden. Ist auf eine G e l d st r a s e erkannt, so werden 10 Proz. des Betrages der erkannten Strafe, mindestens 5 M. er­hoben. In einer Entschließung wird zum Ausdruck gebracht, daß die Bestimmungen über die Vorwegerhebung der Gerichtskosten eine Erschwerung der Rechtsversolg ung für die Rechtsuchenden sei, deren Aufhebung anzustreben sei. In Erkenntnis der Auswirkungen, die der sofortige Wegfall dieser Vorschüsse auf die Gerichtskosten auf die Finanzen der Länder haben würde, soll der Reichstag davon absehe», die Bestimmunacn darüber schon jetzt aufzuheben, die Regierung soll ober eine entsprechend« Borlage so rechtzeitig einbringen, daß die Aushebung am 1. Januar 1 9 2 9 in Kraft treten kann, inzwischen soll die Möglichkeit von Mildeningen geprüft werde». In einer anderen Entschließung wird die Regierung ersucht, auf ein« angemessene Vermehrung der Zahl der beim Rcichsgerichl zugelassenen Rechtsanwälte hinzu- wirken. Abg. Rosenfeld(Soz.) stimmt der Vorlage Im allgemeinen zu, weil sie eine Verbilllgung der Gerichtskosten bring«. Leider sei aber noch nichl die Vorschußzahlung von Gerichtskosten beseitigt. Diese Borwegerhebungen sind in der Inflationszeit cnt- stände», als bei der schnellen Entwertung des Geldes die Justiz- Verwaltung sich vor Verlusten schützen mußte. Im Rechtsausschuß haben wir einen Antrag auf Aufhebung der Vorschuß- Zahlungen eingebracht, er ist auch zuerst angenommen worden. Spater aber wurde die Entschließung angenommen, wonach die Aus- Hebung der Vorwegerhebung van Gerichtskosten erst anzustreben sei. Wir wiederholen heute unseren Antrag und stellen eine F r i st bis zum 1. April 1 928. Bis dahin müßte es möglich sein, die Vorschuh zohtungen wieder zu beseitigen. Es Ist«in unwürdiger Zustand für di« Rechtsprechung, wenn Berufungen nur deshalb zurückgewiesen werden, weil der Vorschuß nicht gezahlt worden ist. Da es sich hier weniger um die Finanzen al» um da» Ansehen der deutschen Rechtspflege handelt, bitten wir um Annahme unseres Antrages. Staatssekretär Zoel widerspricht dem sozialdemo- kratischen Antrage, weil aus finanziellen Gründe» die Auf­hebung der Vorschußzahlungen noch nicht möglich sei. Die Regierung walle aber prüfen, zu welchem Zeitpunkte die Borschußzahlungen beseitigt werden könnten. Der Gesetzentwurf wird darauf In der Ausschuhfaflung unter Ablehnung des sozialdemokratischen Antrages angenommen. Nach 4 Uhr vertagt sich da, Haus auf FreUog nachmittag 3 Uhr mit der Tagesordnung: 2. Beratung des Gescßentwurfs zur B e- kämpfung der Geschlechtskrankheiten. Stingls Zopfgalerie. Sogar derLokal-Anzeiger" gegen die FriderienSmarke? Wenn ein Minister der deutschen Republik Pech hat, so ist«» der Rcichspostminister Stingl. Urbayer, der er ist, hat er di« gebräuchlichste Bricfmarke der deutschen Republik mit dem Kopf des Fridericus geschmückt, zu einer Zeit, wo der Fridericus-Kult Inhalt und Wahrzeichen monarchistischer Propaganda geworden war. Daß er damit die Republikaner vor den Kopf stieß, mochte noch hingehen. Den» auch das gehört zur gut bayerifchen Uebung. Und es war daher auch kein Wunder, daß er sich um di« rspu- blikanifchen Proteste nicht kümmerte. Was aber wird Herr Stingl sagen, wenn ihn feine nächsten Gesinnungsfreunde im Stich lassen? Der römische Korrespondent desLokal-Anzeigors" bringt nun eine Kritik der neudeutschen Bricfmarkenbildsr vom Standpunkt der im Ausland lebende» Deutschen . Er bezeichnet es als außerordentlich geschickte Propaganda, daß Frankreich einen seiner größten Wissenschafter, Forscher und Erfinder der Neuzeit, P a st« u r, auf seiner Propagandabriefmarke dargestellt hat. Die Auslandsdeutschen sind stellt Hugenbcrg» Korrespondent inst Jubel fest- durch und durch reaktionär, aber st« sind demokratisch bi« auf die Knochen, wenn sie Vorrechte der Geburt wittern. Und was sagen dies» reaktionären Ausländsdeutschen zum Stlnglschen Briefmarkenrummel? Hier ist es wörtlich: Fridericus. gut. Wie nun aber, wenn di« Fron- zosen jetzt hergehen und Napoleon aus ihre Marken setzen? Gewiß, der Große schniste neben dem Korsen nickst schlecht ab. er braucht wahrlich keinen Vergleich zu scheuen, jedoch wir gerieten auf diese Weise mit einer Aktualität, wie sie nun ein- mal die Briefmarke sein soll und ist, in zurückliegende Zeiten, die uns spöttisch anschauen: Ihr Heutigen licckl wohl keine fiäpse auszuweisen? Und wenn man sich unter diesem Gesichts- winket die Markenreihe unseres nüchternen, aber auch kühn vor- stürmenden Maschinenzeitalters betrachtet, dann fällt st» unon- genehm onochronistisch auf: nichts als Zöpfe und Perücken? W o ist dagegen der Genius, vor dem sich der ärgste Deutschen - sresser beugt, wo ist Richard Wagner ? Wo R ö n ta e n? Es gast doch, dos wollen wir nicht leugnen, der Pafteur-Propagonda etwas Ebenbürtige, entgegenzustellen. Röntgen kennt im Ausland jedosKind, seinNameist invieleSprachen sprichwörtlich übergegangen, die X-Strahlen spielen bei der Bewertung deutschen Können» sicher eine größere Nolle als Lessings Lehrweisheit. Wamst weder gegen den philosophischen Erfinder der Differentialrechnung noch gegen den tiefsinnigen Natbondichter etwas gesagt sein soll. Di« Losung mußte einfach lauten: die für den Zweck geeigneten Großen auswählen! Eine Briesmorkenreihe der Revräfen- lationsgottung darf weder zwecklos noch zweck- widrig sein. Zwecklos und zweckwidrig, weil sie die Gefühle der Auslands- deutschen verletzon, sind die Marken. Stingls Zopfkultur wird selbst den Hugenbcrgern zuviel. Ein armer Postmimster, der mit soviel Mannhaftigkeit gegenüber den Wünschen der Mehrheit seines Volkes sich noch bei feinen besten Freunden lächer- l> ch macht! Akussollnis Diplomaten. Zum italienischen Generalkonsul in Hamburg ist der frühere Korrespondent desPopow d'Italia' in Wien , Attilia Tamopo, ernannt worden. Er ist«in ehe­maliger Anarchist. Der italienische Botschafter in Paris , Aoczzana, wird demnächst durch den Botschafter in Moskau , M o n z o n i, ersetzt. Zw belgischen Senat leistete d« neu« klerikal« Senator von Eupcn. Esser, den Derfassungseid. und zwar in französischer und dann in deutscher Sprache. C? war das erstemal, daß im bel- gifchen Senat deutsch gesprochen wurde. Die slowakischen Minister in der Prager Regierung sind nun ernannt, und zwar Abg. Dr. G a z t k zum Minister für Unifizierung und Abg. Dr. T i j o zum Minister für Gesundheitswesen. Dr. Gazik ist Rechtsanwalt. Dr. Tiso katholischer Priester und Theowgic. Professor.