Mr. 3844. Jahrg. Ausgabe A nr. 20
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Sonntag, den 23. Januar 1927
Marx verhandelt.
Erste Fühlungnahme nach rechts. Eine deutschnationale Verhandlungskommission. Montag Beginn der Diskussion.
Herr Dr. Marg hat seine Verhandlungen zur Bildung des Bürgerblods begonnen. Er hatte in den Mittagsstunden zunächst eine Aussprache mit den Reichsministern Dr. Stresemann und Dr. Braun s.
Rachmittags um 4 Uhr empfing er den Vorstand der demo fratischen Reichstasfrattion, bestehend aus den Herren Roch, Ertelenz und Dr. Saas, die ihm in Ausführung eines Traffionsbeschlusses mitteilten, daß die Demofraten es für mün fchenswert hielten, wenn der Inhalt des Manifestes der Ben. trumsfraktion als Mindestprogramm möglichst von allen Parteien angenommen würde, und wenn Herr Marg dieses Manifest auch ben Sozialdemokraten vorlegte, damit allen Parteien die Möglichkeit gegeben werde, sich dazu zu äußern. Reichsfangler Dr. Mart hat, wie verlautet, diese Anregung wohl. mollenb und entgegenkommend aufgenommen und sich in dem Sinne geäußert, daß er selbst schon ähnliche Absichten gehabt habe. Nach der Besprechung des Reichsfanglers mit den Führern der demokratischen Frattion hielt der Reichstanzler eine furze Bespre chung mit dem Borsitzenden der Bayerischen Boltspartei, bg. Reicht, ab, in welcher er diesen befragte, ob die Bayerische Boltspartei fich an der Bildung der Rechtsregierung beteiligen würte. Diese Frage wurde von dem Abgeordneten Leicht bejaht. Gobann, folgte eine Besprechung des Reichskanzlers mit den Migco: dneten Graf Westarp und Wallraf als Vertreter der deutsch . nedionalen Reichstagsfraktion. Die Berhandlungen dienten zunächst wir der persönlichen Fühlungnahme. Die offiziel In Berhandlungen mit den Deutschnationalen werden er fi am Montag vormittag beginnen. Die deutschnationale Reichstagsfraktion wird eine besondere Kommission ernennen, die mit tem Reichskanzler die einzelnen Richtlinien erörtern wird. Nachdem endlich der Reichskanzler die Zentrumsmitglieder P. Guérard und Stegerwald turz über seine bisherigen
Das Pariser Katalonierurteil.
Geringe Strafen und schon verbüßt."
Verhandlungen unterrichtet hatte, schloß er für gestern die Bespre. chungen ab. Heute werden die beiden Herren vom Zentrum einen neuen Besuch in der Reichskanzlei machen, und Dr. Wirth wird sich ihnen anschließen.
Eins Erklärung der Demokraten. Die deutsche demokratische Reichstagsfrattion gibt über ihre Saltung folgendes Rommunique aus:
In der Fraktionssigung wurde die Rundgebung der 3entrumsfrattion begrüßt man jah aber den pollen Wert dieses Dofuments erst dann gegeben, wenn es nicht die Er flärung einer einzelnen Partei ist, sondern als Mindestpro. gramm von allen für die Bildung einer Regierung überhaupt in Frage kommenden Parteien ausdrücklich anerkannt und gebilligt ist. Die Frattion hat deshalb ihren Borsitzenden beauftragt, der Zentrumsfraktion anheimzugeben, daß sie vor den Verhandlungen über die parteipolitische und persönliche Zusammensetzung des Kabinetts allen diesen Parteien einschließlich Sozialdemo traten und Deutschnationalen das Dokument zur Erklärung und Zustimmung unterbreitet.
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Ideologie und Wirklichkeit.
Zum Zentrumsmanifeft.
Grundsätze sind Grundsäge, Erklärungen sind Erklärungen, Manifeste sind Manifefte. Die Grundsätze des Zen= trums find uns nicht erst seit gestern befannt, Erklärungen haben wir schon oft vernommen, und mann sich eine Partei die besondere Feierlichkeit eines manifestes leisten will, ist ihre eigene Sache. Draußen im Lande wird es ja wohl auch piele 3entrumsanhänger geben, die sich mit Eifer in den Text versenken werden und wir wollen hoffen, daß sie dar über nicht ganz den Blid verlieren werden für die Dinge, die sich in der Wirklichkeit abspielen. Wir anderen aber, wir Abgebrühten, Kritischen, Steptischen sagen:„ Manifest hin, Manifest her Hauptsache ist, wohin sich das Bentrum manifestiert, aus dem Bürgerblod heraus oder in den Bürgerblock hinein." Und nach der Feststellung, daß sich das Zentrum, fomeit der Augenschein reicht, in den Bürgerblod hineinmanifestiert, ist für uns unser Interesse an diefem schönen und langen Manifeft beinahe erschöpft.
Andere mögen die gelungenen Formulierungen und die stilistischen Feinheiten des Manifests bewundern, wir sehen in ihm den schön bemalten Bandschirm ,, hinter dem Marr mit Bestarp verhandelt.
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Damit fall beileibe nicht gesagt sein, daß es den Ver faffern des Manifests mit dem, was fie aussprechen, nicht ernst fei. Im Gegenteil, wir glauben, daß das die ehrliche Ueberzeugung nicht nur der Berfasser, sondern auch eines Der Ursprung des Hindenburg - Briefes. großen Teils der Zentrumsfraktion und der überwältigenden Die tölnische Zeitung hat in ihrer Nummer 54 Dom Mehrheit der Zentrumsanhänger im Lande ist. Aber wir 21. Januar die Behauptung aufgestellt, daß der Brief des Reichsfürchten allerdings und geben diefer Besorgnis offen Ausdruck, präsidenten vor feiner Absendung Wort für Wort mit dem daß sich die Herren Wirth und Joos über die praktische Reichskanzler Dr. Marg besprochen worden sei. Wie das Nach Wirkung ihresübrigens auch von Brauns mitverfaßten richtenbureau des Bereins Deutscher Zeitungsverleger auf Anfrage -Manifests getäuscht haben und daß sie in den alten Fehler von zuständiger Stelle erfährt, ist diese Behauptung falsch. Der der bürgerlichen Demokratie verfallen sind, die Bedeutung der Reichstanzler hat von dem Wortlaut und Inhalt. des Briefes vor Ideologie gegenüber den Realitäten des Lebens zu überfeiner Absendung feine Renntnis gehabt. schätzen.
wurde ihm mitgeteilt, daß er sich unter Bolizeiauffiht be findet. Der Ttaczuf erflärte Ehrlich in Anwesenheit des Polizeikommissars folgendes:
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Baris, 22. Januar. ( WTB.) Heute abend wurde in der An Ich warne dich. Falls du nicht willst, daß wir dich erschla gelegenheit des fatalanischen Komplotts das Urteil gefällt. Macia gen, dann darfst du dich in Zukunft mit feiner genossenschaftlichen und Ricciotti Garibaldi erhielten wegen verbotenen Arbeit befassen, es ist dir nicht gestattet, Gewerkschaftssekretär zu Baffenbefizes je zwei Monate Gefängnis und je 100 Franken sein, du mußt aus der jüdischen Schulorganisation austreten, du Geldstrafe zudiktiert, die übrigen Angeklagten wegen gleichen darfst dich nicht mit dem Bund" befassen, du darfst keine AnVergehens, sämtlich Katalanier mit Ausnahme des Italienersstellung in dem Berein„ Drt"( jüdische Innenfolonisation, HandRizzoli, je, einen Monat Gefängnis und je 50 Franken Geld- werksausbildung usw.) annehmen. Merke dir, ich habe schon jtraje, und zwar alle ohne Bewährungsfrist Die piele, wie du einer bist, in die andere Welt ab Strafen gelten als durch die Untersuchungshaft verbüßt. Die An- transportiert. Dich werde ich auch abtransportieren. Ich geklagten merden demnächst in Freiheit gelegt werden. fürchte feine Interpellation, teinen Staatsanwalt, noch In der Urteilsbegründung mird erflärt, daß Garibaldis Teilnahme ben Sejm ; mir machen sie nichts, du aber hüte dich!" an dem katalanischen Stomplott nicht erwiesen und er deshalb in diesem Bunft freizusprechen sei.
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Das Urteil geht offenbar auf die Lockspieltätigkeit Garibaldis nicht ein wohl, um nicht die französischitalienischen Beziehungen aufs neue zu spannen; wenn aber Richtteilnahme des Garibaldi an dem Unternehmen„ festgestellt wird, so schließt das nicht seine Anstifter und Ermunterungstätigkeit aus! In Rom wird man freilich mit der Pariser Urteils feststellung zufrieden sein und daraus den Mut zu und daraus den Mut zu neuen Lockspigeleien bei passendem Anlaß schöpfen. In Madrid dagegen dürfte man recht wenig Freude daran haben, daß die Katalonier für ihren auf franzöfifchem Boden Borbereiteten Einfall- und Aufstandsversuch so glimpflich davongekommen sind.
Ostpolnische Polizeimethoden. Genosse Ehrlich von der Polizei mishandelt! Genosse Ehrlich, Gewerkschaftssekretär des Bundes jüdischer Arbeiter in Warschau , war legthin in seiner Eigenschaft ais Gewerkschaftssekretär in dem polnisch- wolhynischen Wlodzi mierz. Dort wurde er verhaftet. Der Polizeifommissar 3a remba erklärte ihm, daß, obwohl er Monarchist sei, er doch die Ueberzeugung anderer achte". Ehrlich wurde zwei Stunden verhört, wobei man sich bemühte, über die politische Gesinnung anderer Bersonen näheres zu erfahren. Am anderen Morgen wurde Ehrlich neuerdings verhört. Zaremba verließ das Zimmer. Der gleichfalls anwesende Polizeifunktionär Ifa czuk, der ohne Uniferm mar, begann Ehrlich ganz unbarmherzig mit den Fäuft en zu schlagen. Er hörte mit dem Schlagen erst dann auf, als der Kommissar wieder eintrat und das Wort„ genug" aussprach. Wäh rend dieser Untersuchung" trachtete man von Ehrlich zu erfahren. bb er bei irgendeiner Konferenz mit Kommunisten zusammen war. Dann erzpang man von ihm die Unterschrift, daß er ohne Bissen ber Polizei nirgends hinfahren noch seine Adresse ändern werde. Es
Albanische Hängejustiz.
Bisher 30 Menschen gehenkt. Belgrad , 22. Januar. ( WTB.)" Breme" erfährt aus Stutari, rund 1200 Albaner feien wegen Beteiligung am Novemberaufstand verhaftet worden. Das Standgericht habe bisher 30 Beschul digte hinrichten lassen. Weitere Todesurteile würden er wartet, außerdem wurden in vielen Fällen lebensläng liche Rerterstrafen verhängt.
Erledigt!
KPD - Krach auch in Braunschweig . Braunschweig , 22. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Die Rommunisten in der Stadt Braunschweig haben in der letzten Beit vielfach von ihrer Berliner Zentrale Rüffel bekommen wegen ihrer Untätigkeit und Unfähigkeit. Im politischen Leben merkt man tatsächlich nichts, daß, es noch eine tommunistische Gruppe in Braunschweig gibt. Auch die zwei Abgeordneten der Kommunisten im Braunschweigischen Landtag beschränken sich im wesentlichen darauf, ihre Diäten abzufigen. Etwas lebendiger waren bisher die zwei kommunistischen Stadtverord neten. Sie sorgten durch ihr forsches Betragen für die notwendige Belebung, beschränkten sich aber im übrigen darauf, in Arbeiter fragen den Sozialdemokraten zuzustimmen.
Jetzt ist von den zwei kommunistischen Stadtverordneten einer namens Siemann aus der Kommunistischen Partei Deutschlands ausgetreten, wahrscheinlich weil er wegen nicht genügender Attivität im Radaumachen bei seinen Genossen heftige Kritik erfuhr. Siemann war bisher auch tätiges Mitglied der Opposition im Holzarbeiterverband. Jm politischen Leben Braunschweigs ift die fom munistische Bartel bamit erledigt, im gemertschaftlichen Leben liegt sie im Sterben.
Nichts tann uns in unserer Auffassung mehr bestärken als der offenkundige 3ynismus, mit dem die Deutsch nationale Volkspartei die programmatische Erklärung des Rentrums behandeln zu dürfen glaubt. Alle Kommentare ihrer Bresse sind auf einen Ton gestimmt: Na ja, wir wissen ja, daß das eure Auffassungen find, aber das geniert uns nicht im mindesten. Laßt uns erst mal praktisch zusammen arbeiten, dann wollen wir sehen, wie weit mir miteinander kommen."
,, So ist es nicht gemeint," erwidern die Ueberzeugten vom Zentrum ,,, dieses Manifest soll ein Prüfftein sein, ihr sollt euch zu unserem Bekenntnis bekennen. Doch da winft die Rechtspreffe deutlich ab, und so ungern wir es tun, müſſen wir ihr in diesem Falle recht geben. Von den Deutsch : nationalen zu verlangen, daß sie sich zur Republik, zur Berfassung von Weimar , zur Bölferverständigung befennen sollen, das ist die Aufforderung zu einer unsittlichen HandIung.
Wir alle tennen z. B. die Rede, die der Graf Westarp vor acht Tagen für die Monarchie gehalten hat, und die wenigsten von uns werden sich der Hoffnung hingeben, er habe sich seitdem durch die Lektüre des Rentrumsmanifests zu einem begeisterten Republikaner verwandelt. Mag sein, daß er sich dazu bringen läßt, niederzufnien und der Republik die Treue zu schwören- alle Republikaner werden sich dann von einem infchen unappetitlichen Anblick abwenden. Es hat doch feinen Sinn, Leute, die wir genau kennen, au Bekenntnissen bewegen zu wollen, die ihrem Herzen fremd find. Mag sein, daß sie der Macht zuliebe heute bereit sind, jeden gewünschten Eid zu leisten, desto stärker wird dann ihr Ehrgeiz sein, ihn auf keinen Fall zu halten.
Die Linte des Zentrums hat ja auch noch vor drei Tagen auf dem Standpunkt geftanden, der hier entwickelt wird. Wenn sie ihn nicht aufrecht erhalten fonnte, so deshalb, weil seitdem aus dem Palais des Reichspräsidenten und vielleicht auch noch aus anderen Balais - bischöflichen, wenn man der Täglichen Rundschau" glauben darf- Preffionen erfolgt sind, denen die Zentrumspartei nicht standhielt.
Und daß sie das nicht konnte, daß sie zu wanfen begann, als der Hindenburg - Brief fam, das wundert keinen, der die Geschichte des deutschen Parteiwesens fennt. Man braucht nur das hier schon oft zitierte Buch des weit rechtsstehenden Profesors Bredt über den Reichstag im Kriege zu lesen, um einen tiefen Einblid in die Seele der deutschen bürgerlichen Mitte zu tun. Wie oft hat sich da die bessere Einsicht, die Deutschland hätte retten tönnen, gegebenen Machtverhältnissen und höheren" Einflüssen gebeugt! Wäre die bürgerliche Mitte von Anfang an mit der Sozialdemokratie fest und entschlossen den Weg zum Verständigungsfrieden gegangen, so märe uns unendlich vieles erspart geblieben. Aber da war der nationalistische Terror, die Verfemung der Sozialdemokraten, der Kampf um die Gunft des Staats