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1. Beilage zum Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Ur. 208.

Freitag, den 6. September 1895.

Die Kameel- Inschrift. Was Baurath Schwechten einen Scherz" nennt.

CAMEELE

WAS FOR

DIE VA

GROESTEN.

EINST CEWESEN TERJUNSERER STADT

I.V. 1895

KE NEMAL

RUPPIC!!

HUNDERTAUS SEND MARK

Die Kameel- Inschrift hat nunmehr endlich eine Auslassung von zuständiger" Seite im Gefolge gehabt, eine Auslaffung, die allerdings auch darnach ist. Die bürgerlichen Preßorgane veröffentlichen eine ihnen vom Erbauer der Kirche, dem Baurath Schwechten, zugesandte Erklärung des folgenden Juhalts:

"

Mit der von dem Vorwärts" mit so viel unwahren und tendenziös aufgebauschten Zufäßen versehenen Nachricht über die auf die Stadtverordneten sich beziehende Juschrift an einer Thür der Kaiser Wilhelm­Gedächtniß- Kirche verhält es sich folgendermaßen: Entgegengesetzt den Mittheilungen des Vorwärts" ist die betreffende Thür die von dem Altar am weitesten entlegene. Das betreffende Relief ist als Entwurf nach den Bildern aus der Bibel von Schnorr v. Carolsfeld   nur begonnen, an einer durchaus dunklen Stelle, so daß es den Augen des Kirchenbesuchers ganz entzogen war und noch heute ist. Daß das Relief Porträts enthalte, ist unwahr; die Inschrift ist eine Na ch a hmung eines bei altromanischen und gothischen Bauten fast überall sich findenden Architekten- Scherzes. Die Fertigstellung des Reliefs wurde durch die Ein­weihung der Kirche unterbrochen und nimmt jetzt noch eine längere Zeit in Anspruch. Ter nur skizzirte Entwurf ist von der Baukommission noch nicht einmal besichtigt worden, und es war derselben der darauf befindliche Scherz vollständig unbekannt. Daß der Scherz sich, wie der Vorwärts" erzählt, auch auf den Oberhofmeister Freiherrn   v. Mirba ch bezöge, ist selbstverständlich unwahr."

"

Was Herr Schwechten dem Vorwärts" gegenüber Unwahrheiten nennt, muß der Leser errathen, wir haben es nicht herausgefunden. Im übrigen verlohnt es sich nicht, ernsthaft darauf einzugehen. Selbst die Bossische Zeitung" sieht sich gemüssigt, die merkwürdige Ehrenrettung aus der Feder des Bauleiters mit folgenden bitteren Worten zu begleiten:

12. Jahrg.

Kirche ruppige Kameele" benamfete Stadtväter nicht alles zu gunsten unbeschränkter Ausbeutung!

Wenn der Muth in der Bruft die Spanukraft übt, springt selbst über Kameele ein Stadtvatergemüth. Die liberalen Stadtverordneten beabsichtigten, wegen der bekannten Kameel- Inschrift die Ermächtigung zur Strafverfolgung der In­schriftenveranstalter zu ertheilen. Im legten Augenblick haben sie jedoch aus Rücksichten nach oben ihre Absicht aufgegeben. Es soll hinreichender Grund zu der Annahme vorhanden sein, daß der Kameel- Stein alsbald dem Märkischen Museum   überwiesen wird.

Die Sorge der Polizei, in die an vielen Beispielen von uns nach bürgerlichen Blättern geschilderte Heiligkeit des St. Sedan ja teinen Mißton tommen zu lassen, hat zuweilen zu Handlungen geführt, die auch ernsten Männern wohl oder übel ein Lächeln abringen müssen. Eine in der Gürtelstraße in Friedrichsberg, vier Treppen hoch wohnende Familie hatte am Morgen des 2. September wie sonst die Wohnung gereinigt und dabei die Betten zum Lüften aus dem Fenster gelegt. Die Betten hatten nun das Unglück, von das Unglück, von rother Farbe zu sein, und dieser Umstand war es, der zu polizeilichem Ein­schreiten Veranlassung gab. Ein Gendarm tam und befahl die Entfernung der Betten; außerdem verlangte der Beamte, den weißen Bettel" zu sehen, der nach seiner Meinung unterhalb der Betten befestigt sei. Der Eigenthümer war sowohl wegen der Aufforderung an sich, als auch wegen der Frage nach dem Zettel, für den offenbar in den Augen des Gendarmen die Unterlage gegolten hatte, nicht schlecht erstaunt. Alle Ein­wendungen des Hausherrn, daß er bislang Tag für Tag auf die nunmehr für polizeiwidrig befundene Weise seine Betten ges lüftet habe, halfen nichts; die Demonstrationszeichen" mußten entfernt werden, und nachdem dies geschehen, waren Staat und Sedan   auch in Friedrichsberg gerettet.

In der jetzigen Zeit des Kriegserinnerungsrunimels feiert die Rohheit natürlich wahre Orgien, die sich bis in die witzige" Ecke der bürgerlich- staatserhaltenden Blätter hinein er­ftrecken. Gegenwärtig werden in der der Ordnung, Religion und Sitte zugethanen Berliner   Presse Perlen erfrischenden Humors der Berliner   im Feldzuge" aufgetischt. Was in diesen Scherzen an bestialischer Gesinnung geleistet wird, möge ein Exempel lehren, das wir aus dem Bündel gleichroerthiger Erzeugnisse herausziehen wollen.

" Zwei Soldaten standen nachts auf Posten. Der eine sette fich nieder und war bald vor Müdigkeit eingeschlafen, als eine Kanonenkugel ihm den Kopf wegriß. Na," rief der andere aus, der wird sich wundern, wenn er aufwacht und ihm der Kopf fehlt!"

Zur Ehre der deutschen Soldaten nehmen wir an, daß keiner von ihnen selbst 1870 so roh war, über ein vernichtetes Menschena leben sich derart gemein zu äußern. Wir halten diese und ähn liche Rohheiten für ein Erzeugniß der für Ordnung, Religion und Sitte delirirenden Preßphantasie, und würden uns kaum darüber aufhalten, wenn sie sich nur in Junker, Börsen- und An der Beurtheilung der Sache wird durch diese Erklärung nichts geändert. Es kommt nicht auf Pastorenblättern fänden. Was soll man aber dazu sagen, wenn das Relief, sondern auf die Inschrift an und diese enthält nicht einen Scherz, sondern eine felbst ein Blatt wie die demokratische" Bolts- Beitung" grobe Beschimpfung der Berliner   Stadtverordneten Bersammlung, und es wäre sich in dem alle edlen Gefühle untergrabenden Mordkultur nicht ohne Interesse, den Berüber dieses Scherzes und seine etwaigen Theilnehmer met so weit vergißt, eine Gemeinheit, wie die zitirte, als Scherz" zu bringen? kennen zu lernen."

Tokales.

Für Agnes Wabuit, unfere vor Jahresfrist auf tragische Weise aus dem Leben geschiedene Mitkämpferin, haben engere Freunde und Freundinnen der Verstorbenen mit Hilfe von Parteigenoffen und Genoffinnen ein Denkmal geftiftet, deffen Enthüllung an der Grabstätte auf dem Freireligiösen Friedhof an der Pappel Allee am kommenden Sonntag stattfindet.

Die Arbeiterschaft und die Ordnung. Am Mittwoch Abend herrschte bis in die zwölfte Stunde hinein in der Beuth­straße ein lebhaftes Treiben. Uniformirte und nichtuniformirte Beamte gingen auf und ab, und selbst in Hausfluren waren Berliner   Ordnungshüter postirt. Ganz besonders fiel denen, die das Schauspiel faben, eine provisorische Polizeiwache auf, die im Flur der Buchdruckerei von H. S. Hermann, Beuthstr. 8, am Treppenaufgang zum Berliner Fremdenblatt" etablirt war.

die mit Erlaubniß der Gebrüder Hermann im Hause Beuthstr. 8 errichtet war, spielten die Beamten gemüthlich ihren Stat, der erst sein Ende erreicht hatte, als die Versammlung, unter der auch eine Rotte von Menschen war, die nicht werth ist, den Namen Deutscher   zu tragen, in gewohnter Ruhe nach Hause ging, um im Schlummer auf furze Zeit Kräfte sammeln zu lassen zum neuen Ringen.

Auch an diesem klassischen Fall zeigt sich wiederum, wie wenig man an leitender Stelle doch die Berliner   Arbeiterschaft kennt, die sich gerade in Tagen, wie den gegenwärtigen, der hohen Aufgabe bewußt ist, im friedlichen Wirken ihre Be freiung von wirthschaftlichen und politischen Fesseln anzustreben!

rummel

"

Noch ein Mordswih. Die Fülle von Erbärmlichkeit und Rohheit, mit der sich die bürgerliche Preffe in diesen Tagen des Sedaufchwindels besudelt hat, stroßte natürlich nicht bis zum Ueberlaufen, wenn die fog. Wigblätter nicht ihr wohlgemessen Theil hinzulieferten. Als eine Probe deffen, was sich das aller dings selbst in der bürgerlichen Welt nicht mehr zu den Organen satirischen Inhalts gerechnete älteste Blatt der gedachten Art, der Kladderadatsch" an lächerlicher Erbärmlichkeit heraus. nimmt, sei eine Briefkasten- Notiz", die sich in der Sedannummer dieses troftlosen Organs befindet, der Nichtbeachtung entrissen. Sie lautet:

"

"

R. W.: Sie machen zu einer Vorfeier des Sedantages folgenden Vorschlag:" Freiwillige, an denen es gewiß nicht fehlen wird, thun sich am 1.September zusammen, führen den greulichen Dank für die Kameelerziehung votirten gestern die Liebknecht und sämmtliche Redakteure des Vorwärts" vor das Rath liberalen Stadtväter durch Bewilligung einer Summe bis 3000 m. baus, legen die frechen Burschen dort über und lassen ihnen jährlich als Gegenleistung für einen besonderen Gottesdienst, der mit derben Ruthen eine so gründliche Büchtigung angedeihen, am Sonntag abgehalten werden soll, damit der Sonntags: daß fie vier Wochen lang nicht auf ihren Redaktionsstühlen Was war los, daß die Polizei in solchem Aufgebot aus Fortbildungsschul- Unterricht in der bisherigen rückständigen Art fizen tönnen. Die Polizei wird sich gewiß nicht einmischen, rücken mußte? Ja, was war los? Vernimm denn, deutsches weiter ertheilt und der obligatorische Fortbildungsschul. Unter wenn ihr gleich flar gemacht wird, um was es sich handelt." Publikum, das Bedeutsame! Rottenführer Ignaz Auer   richt, der in der Woche werttäglich zu ertheilen wäre, in Die Polizei würde Ihr Vertrauen schwerlich rechtfertigen, und hielt am Mittwoch Abend vor einer zum theil wohl hoch weitere Ferne gerückt werde. Die kirchliche Behörde hatte noch daran scheitert die Sache. Schade, der Vorschlag hat sonst sehr, verrätherischen Schaar einen Vortrag über das Thema: Warum im Jahre 1894 erklärt, sie wolle in teiner Weise die Hand dazu fehr viel für sich." die Sozialdemokratie das Sedanfest nicht mit bieten, daß überhaupt am Sonntag noch unterrichtet werde. Im Was sollte eine künftige Generation von der Rohheit unserer Interesse der Fortsetzung einer ungehinderten Ausbeutung der Tage denken, wenn nicht die Arbeiterpresse die einzige allen Ber Die Polizei follte erforderlichen Falles der Schaar Lehrlinge an den Wochentagen, troch der Magistrat unter das wäre, die aller solcher Erbärmlichkeit und wehren. Es ging selbstverständlich ohne Stampf ab, was von der firchlichen Behörde ihm auferlegte Joch, die Kosten eines folgungen zum Troß den Muth befäße, auch heute das Banner sich die Polizeibeamten verständigerweise wohl von vornherein Sonder- Gottesdienstes zu zahlen. Die Stadtverordneten Mehr- der Menschheit hochzuhalten und den Molochsdienern die Larve Was thun in einer von der scheußlichen Frage zu reißen. gefagt haben mochten. Denn in der provisorischen Polizeiwache, heit kroch durch ihr gestriges Votum nach.

macht."

aus dem füdamerikanischen.

Skizzen Hinterlande.

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Rein angenehmes Hinunterkommen," meinte Herr Ra­mirez, den Weg mit den Augen messend, den sie zu machen hatten, um in die Thalsohle zu gelangen.

[ Nachbruck verboten. von San Fernando, Herr Matias Patino. Ueber sein kommt und das Wasser von den Abhängen zusammen­Gesicht zog eine Art verächtlichen Lächelns und er sagte vor strömt, dürfte der kleine Bach ein reißender Strom werden sich hin, während er mit seinem langen Messer in der Erde für viele Tage... Bergabwärts vierzig Cuadras," herumstocherte: memorirte er vor sich hin, wo an der linken Seite cin Dacht' ich es doch sofort vom Anfang an; ein Gringo tleiner Nebenbach in den Arroyo Tainaras mündet, ist bleibt ein Gringo. Das ist also der Grund des Prozesses eine ziemlich große Ausbuchtung gebildet, auf deren Boden um den Campo Cerro Desgracias, Don German." geht ein riesiger Stein liegt, den auch das größte Hochwasser Gold suchen... es ist schwer, Matias Patino zu hinter nicht von der Stelle rührt. Rund um diesen Stein liegen Ja, aber um etwas zu verbergen, ein ungemein passender gehen... ein Gringo thut eben alles um Geldin drei Varas Tiefe fünfhundert eiserne Riftchen jede vier Ort. Man ist damals bis hierher gefahren mit den paciencia Arroben schwer... Der Schah von Francisco Solano  ..." Karreten, wie Elisa Lynch   schreibt, und hat dann die Er schaute noch einen Augenblick vor sich hin; dann Beim Weitergehen traten die Ufer des Baches ein einzelnen eisernen Kistchen mit vieler Mühe auf den wandte er sich zum Gehen. Bei den Pferden blieb er eine wenig mehr auseinander. Schultern hinuntergeschleppt. Auf den Pferden oder mit andere Weile. " Da seht Ihr, wo das Wasser gestanden hat beim ihnen hinunterzukommen, ist natürlich unmöglich, wir müssen und er Will mir ein Andenken mitnehmen an die Goldfucher legten Regen, wies auf die Wipfel der uns schon entschließen, den Rest des Weges zu Fuß zu... will's auch der Sennora zeigen, wenn sie es sehen Bambusse hin, wo sich oben einige Büschel abgestorbenen machen und unterdessen die Thiere hier anzubinden, bis wir will." grauen Pflanzenzeugs befanden, das hat das Wasser dort wieder zurückkommen. Dann beugte er sich zu dem leise wiehernden Pferde zusammengetrieben, und dort haben wir auch die Bucht, Sie stiegen ab, banden die Pferde an Bäume unweit des Herrn Winterfeld, löste seine Fußfessel und steckte sie da wo der Bach nach rechts abbiegt..." des Abhanges und fesselten zum Ueberfluß noch ihre Vorder- in seine Hosentasche. füße mit ledernen Fesseln, wie sie zu dem Zweck in Süd- Ein schönes Pferd englisch   Blut... doch Lopez amerika gebräuchlich sind; und dann stiegen die beiden hielt schönere... ha, für englische Pfunde kann man vorsichtig in schräger Linie hinunter. Das Geröll und schöne Dinge haben... auch Pferde... alles... ver­die Erde lösten sich häufig unter ihren Füßen und stürzten fluchtes Gold."

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nach dem Bach ab; ab und zu erhob sich vor ihnen auch Im nächsten Augenblick war er lautlos zwischen den eine große grüne Eidechse und buschte davon. Sie waren Aesten verschwunden. Unsere beiden Abenteurer hatten also eben unten an dem Bambusdickicht angelangt, das der unten einen Durchgang zwischen den dichten Lakuaren ge­Bach begrenzte, als obet in der Nähe der Pferde aus dem funden und schritten in dem seichten Wasser des Baches, selben Wege, den die beiden früher gekommen waren, ein das ihnen nur bis an die Knöchel ging, vorwärts, dem Lauf Mann auftauchte in leinenen Hosen und mit einem Poncho desselben nach.

Links, ein großes Dreieck bildend, lag eine ruhige Wasserfläche da, deren Ufer senkrecht in die Höhe stiegen, nicht weit davon schoß rechts der Bach um eine Ecke und verschwand vor den Augen. Ueber das steile Ufer der Bucht fiel von oben her aus einer Rinne ein dünner träger Wasserfaden hinab.

Hier solls sein, da liegt auch der Stein.." Ein großer Basaltblock, der vielleicht einmal vor langer Zeit aus der Höhe hinuntergestürzt war, lag mitten in dem Wasserdreieck. Er hatte sich tief in den Kies des Bodens gebohrt, und sein Haupt zeigte eine schleimig feuchte, gelb­grüne Decke einer niedrigen pflanzlichen Vegetation. Auch dieser Stein lag beim Hochwasser unter dem Spiegel des dem Buschwerk verbergend, aufmerksam hinunter, bis die beiden Eine tnappe halbe Stunde noch... war übrigens Wassers. Keine größere Pflanze hatte auf seiner Oberflä.ge hinter den Bambusreihen verschwunden waren. Tann trat eine gute Idee von Francisco Solano, das Geld im Bache   Wurzel zu schlagen vermocht.

und einem Filzhut und in der Hand ein langes Buschmesser Wir haben nicht lange mehr von hier, Don German... tragend. Er schritt zum Abhang und schaute, sich vorsichtig in nicht wahr?"

er wieder zurück. Es war niemand anders als der Richter selber zu vergraben. Wenn einer der häufigen Regen| Tief anfathmend machte German Winterfeld Halt und