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Nr. 4044.Jahrgang

Abrechnung mit den Verrätern".

Wirtschaftsparteiler untereinander.

1. Beilage des Vorwärts

Die Wirtschaftspartei hatte am Sonntag nachmittag ihre unentwegten Nachläufer in das ehemalige Herrenhaus getrommelt, wo sie den ,, Führern" eine Art Generalabsolution erteilen fellten. Einige hundert Leutchen betam man auf die Beine; der ganze Rummel, auf dem sechs Reichs- und Bandtagsabgeordnete, fomie ein leibhaftiger Minister politisches Kabarett spielten, lief, da man Spektakel befürchtete, als interne Versammlung, nur Mitglieder und Freunde hatten Baffierfreiheit. Aus den Freunden wurden jedoch sehr grimmige Feinde. Zuerst sprach Herr Mollath, der beängstigend viel Don( Hausbefizer?) Idealen redete, lieber ein fleiner Herr als ein großer Knecht sein will und eine Träne der Rühnung darüber weinte, daß das biedere Haus befizertrüppchen nicht unter dem Schuhe von Reichsbanner und Stahlhelm, sondern von Blumen tagte. Mit der Blumendekoration wollten die Wirtschaftsparteiler sicherlich bei ihren einstigen An­hängern wieder in guten Geruch fommen. Im übrigen hetzte der gute Mann gegen den Achtstundentag mit geradezu tindischem Be­weismaterial und sprach von der Erwerbslosenfürsorge als

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Wohltätigkeit aus den Taschen anderer". So sieht das foziale Angesicht der Hausagrarierpartei aus. Herr Dre mi hat jetzt schon Angst, daß die Bürgerblodregierung zuviel Sozialpolitit treibt, um den Roten das Wasser abzugraben", und Herr Weber aus Sachsen , neugebackener Finanzininister der Held- Koalition, sprach sein Bedauern darüber aus, daß die Deutschnationalen Sachſens nicht mit von der Regierungs: partie sind. Er hofft jedoch, daß aus der politischen Situation bald die Konsequenzen gezogen werden". Er und seine Leute wollen nach Kräften darauf hinwirken. Als Herr Müller- Franken sprach und in einem Gemisch trouser Phrasen und Verlegenheiten die schmähliche Politif der Wirtschaftspartei zu verteidigen suchte, wurde es lebendig.( Stürmische Zurufe: Ausnahmegefege! Sind wir Stieftinder?) Das ging schließlich soweit, daß die ent­täuschten Freunde von einst die Totengräber des Mittelsiandes als ,, Berräter" bezeichneten. Herr Müller hatte einen schweren Stand. Man setzt uns auf die Straße, untragbare Mieten, Laden­dorff- Partei" riefen stürmisch die einen, und die anderen, die an­mesenden Hausbefizer, flatschten Herrn Müller Beifall und schrien Bravo .

Die Wirtschaftspartei des deutschen Mittel standes hat sich dadurch, daß sie sich bedingungslos in den Dienst des Grundbesizertapitals gestellt hat, mit meiten Kreisen seiner Mit. glieder übermorfen. Die Herausnahme der gewerblichen Räume aus der Wohnungszwangswirtschaft führte zu gewaltigen Mietsteigerungen, deren Opfer dieselben Mittelständler waren, die der Wirtschaftspartei ihre Stimme gegeben haben. Um diese Angriffe abzumehren, veranstaltete gestern nachmittag der Landesverband Berlin der Mittelstandspartei im Herrenhaus und im Landtagsrestaurants große Mittelstandsfundgebungen. Natürlich wurde dabei wieder die Bedeutung eines gesunden Mittel­standes in allen Tönen gepriesen. Ein Referent verstieg sich zu der Erklärung, daß nur nichtorgarisierte Hausbefizer mit der Herauf setzung der Mieten für gewerbliche Räume zu Aasgeiern am Mittelstand würden. Ihnen gegenüber würde so sagte er hit Wirtschaftspartei zuerst 3 wangsmaßnahmen fordern dem sie vorher selber diese Aasgeier gezüchtet hat.

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die

nach

Dienstag, 25. Januar 1927

Aerztekampf gegen die Krankenkassen.

Wie es zur Kliniksperre fam.

die gleiche Zahl Ersatzbetten gesichert

Die Sperrung von zehn Privatfliniten durch den 150 Betten die Unterbringung von Grippetranfen erschweren fann. Berliner Krankenkassenverband hat selbstverständlich Die Kaffen haben sich in anderen Anstalten wieder die ganze Meute der Krankenkassenfeinde auf die Beine ge­bracht. In der bürgerlichen Presse hat sofort die übliche Hehe gegen die Krankenkassen eingesetzt, und wie immer findet die Gegenseite dort weitestgehende Unterstügung, wobei man Ursachen und Gründe der Kliniksperre reichlich verdunkelt. Ueber eine Protestversammlung des Berbandes der in Privatkliniken tätigen Aerzte, die begreiflicher weise von der Klinifsperre nicht erbaut sind, brachte die Berliner Nachtausgabe" des Scherl- Verlages einen Artikel mit der gehässigen lleberschrift" Die gesundheitfeindlichen lleberschrift Die gesundheitfeindlichen Kranten tassen". Der Kaffenverband sandte dem Blatt eine Berichtigung, aber bisher haben wir nicht bemerkt, daß sie abgedruckt worden wäre. Aus dem Wortlaut, der uns mitgeteilt wird, wollen wir hier die wichtigsten Tatsachen wiedergeben.

Der Krankenkassenverband betreibt seine eigene Frauen flinit( in Charlottenburg im früheren Cäcilienhaus"), die von Prof. Liepmann, einem der ersten Gynäkologen Berlins , geleitet wird. Als sie vom Wohlfahrtsministerium das Recht erhielt, ärztliche Praktikanten auszubilden, wurde sie

von der Aerzteorganisation gesperrt. Danach und aus diesem Grunde sperrte der Kassen. verband zehn Privatkliniken. Unwahr ist, daß aus den gesperrten Kliniken die Kassenmitglieder entlassen werden müssen, wenn noch eine weitere und durchaus notwendige Operation in Aussicht ge­nommen ist. Diese Kranken bleiben selbstverständlich bis zur völligen Wiederherstellung dort. Eine Ausnahme fann nur eintreten, wenn die gesetzliche Leistungspflicht der Kasse aufhört. Unwahr ist, daß die Sperrung der in Frage kommenden

fagen. Die feine Barteigruppe spielt fich also jetzt schon genau nach dem Muster des Boltsparteilers Scholz als Diktator der. bürgerlichen Parteien auf.

und die gesperrten Betten brauchen nicht unbelegt zu bleiben, sondern sind für andere Kranken verfügbar. Unmahr ist, daß die 3wistigkeiten zwischen Aerzten und Kaffen ihren Grund in der radi­falen Einstellung" einiger Kassenvorstände haben. Schuld trägt das Vorgehen der Aerzte, die am 1. Dezember 1923 ohne Rüd­ficht auf den noch laufenden Bertrag ihre Tätigkeit für die assen einstellten, weil die Regierung eine Verordnung erlassen hatte, die ihnen nicht paßte. Den Kampf gegen die Regie­Für Weiterbehandlung wurde bis zum Fünf- und Sechsfachen des rung führten sie auf dem Rücken der Kassenmitglieder. Ambulatorien einzurichten, um die Kosten der ärztlichen Be Privathonorars gefordert. Daher waren die Kassen gezwungen, handlung in erträglichen Grenzen zu halten. Die Aerzteschaft aber handlung in erträglichen Grenzen zu halten. Die Aerzteschaft aber fehte die Ambulatorien auf die schwarze Liste, und wer trotzdem dort Stellung annahm, wurde geächtet. Später sperrte die Merzte­schaft auch die lasseneigene Frauentlinit, und dasselbe widerfuhr seit einigen Wochen den Kasseninstituten, die Röntgenaufnahmen usw. madjen.

Man kann den Krankenkassen nicht zumuten, diesen fort­gefegten Boykott ihrer zum Wohl der Kranten geschaffenen Einrichtungen ruhig hinzunehmen. Die Aerzteschaft hat es selber in der Hand, die Aufhebung der Klinik­sperre herbeizuführen. Sobald sie die Sperre über die Frauen­flinit des Krankenkassenverbandes aufhebt, wird auch die Sperre über die Privatkliniken aufgehoben.

Beamte einst und jetzt.

Die sozialreaktionäre Einstellung der Mittelstandspartei aber sollte vielen Gewerbetreibenden zu denken geben. Der ge­werbliche Mittelstand, ob er Kaufmann, Handwerker oder Hausbesonderen Schwierigkeiten des Problems eines deutschen Beamten fizer ist, lebt doch ausschließlich von der Kauftraft seines Kunden. Wenn nun die Mittelstardspartei die Barole ausgibt, daß man den größten Kunden des Mittelstandes, die Arbeiter­schaft, in dieser Zeit der Krise seinem Schicksal überlassen soll, so fchädigt sie damit die Interessen seiner Anhänger aufs schwerste. Die Arbeiterschaft wird dafür sorgen, daß diese Erfenntnis entgegen den hochtönenden Phraser der politisierenden Mittelstandsführer Berbreitung findet.

Sie raufen sich um ein Referat!

Interessant war an der Kundgebung, daß man wieder nach dem beliebten Motto Haltet den Dieb!" einen Prügelknaben für die eigenen Fehler suchte. Selbstverständlich ist das die deutsche Arbeiterschaft, die die Wirtschaftspartei im Berein mit den anderen bürgerlichen Rechtsparteien aus der Mitwirkung am Staat gern ausschalten möchte. Mit beforderer Schärfe wandte man sich gegen die Sozialpolitik. Der Vorsitzende der Partei, Abg. Dre wit, sprach sogar die Befürchtung aus, daß ein Rechts blod noch mehr Sozialpolitik treiben würde als eine Regierung, an der Die Sozialdemokratie beteiligt sei. Denn man würde bemüht sein, den Sozialdemokraten das Wasser abzugraben! In diesem Falle würde, so führte Drewitz aus, die Wirtschaftspartei dem jetzt von ihr begünstigten Rechtsblods wieder die Freundschaft ab- Schädigung des Mittelstandes nennt, wurde angenommen.

Der Schuhmacher- Innungsverband veranstaltete am Sonntag in der Handwerkskammer eine Tagung, in der auch über den Abbau des Mieterichuzes für gemerliche Räume leb haft diskutiert wurde. Herr Drewiß von der Wirtschafts­partei sollte ein Referat über Wirtschaftsfragen halten und war Unter stürmischer ohne Entschuldigung ausgeblieben. Erregung der Versammlung stellte der Obermeister Eckerlein fest und ta delte in schärfster Weise das Berhalten der famosen Führer der Wirtschaftspartei, Drewiß und Holz. ammer, die sich beide um das Referat gestritten hätten(!!) mit dem Endeffeft, daß niemand erschienen fei. Eine Resolution, die die Freigabe der gewerblichen Räume eine starke, nielfach vernichtend wirkende

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Gerichtstag.

Von Fred Bérence.

Copyright 1925 by Paul Zsolnay , Wien 1

. Meine Kindheit.

Kindheitserinnerungen.

So weit meine Erinnerung zurückreicht, sehe ich das ernste, gütige Geficht meiner Mutter, das nur selten von einem traurigen Lächeln verklärt wurde. Frühzeitig schon

ließ mich ihr schmerzlicher Ausdruck ein Geheimnis ahnen,

das ich zu ergründen suchte.

Ich saß oft regungslos auf meinem Sesselchen und blickte die Mutter aufmerksam an. Die Englein, von denen sie mir zu erzählen pflegte, waren gewiß nicht schöner und nicht beffer als fie. Manchmal floffen Tränen über ihre Wangen. da stürzte ich zu ihr, fetzte mich auf ihren Schoß, schlang meine Arme um ihren Hals und füßte sie schluchzend. Dann tröstete sie mich und gab mir tausend Kosenamen.

Ich hatte überraschend schnell Lesen gelernt, um ein Lächeln in ihren schönen Augen hervorzurufen. Mein Ge­schmack unterschied sich ganz und gar von dem meiner Alters­genossen. Die anderen Jungen lafen am liebsten in den Büchern Gustave Aimards oder Jules Vernes . Die Aben­teuer der Weißen bei den Indianern ließen mich ganz falt; viel lieber waren mir die Erzählungen von Dickens , und ich vergoß Tränen über die Leiden David Copperfields oder Nicolas Nicklebys. Dann setzte mich auch der Kleine Dingsda" von Daudet in Entzücken. Deutlich standen die Schicksale meiner Helden vor mir, und ich nahm an ihrem Ungemach teil. Dieses lebendige Fühlen nahm mit den Jahren noch zu, und artete in eine frankhafte Empfindsamkeit aus, unter der ich später noch so viel leiden sollte.

Meinen Bater sah ich faum, außer bei den Mahlzeiten. Seine Geschäfte nahmen ihn vollständig in Anspruch. Er hatte die vielverheißende diplomatische Laufbahn aufgegeben und fich dem juristischen Beruf zugewendet; aber schließlich befaßte er sich nur noch mit Geschäften. Während der Mahlzeiten sprach er mit großer Lebhaftigkeit von seinen Plänen. Er hatte ein internationales Reflamebureau gegründet, das ihm nach ein paar Jahren Millionen einbringen mußte; sein Name und der verschiedener einflußreicher Persönlichkeiten vom Verwaltungsrat waren schon allein eine unbezahlbare Re­flame und sicherten dem Unternehmen eine wunderbare Zu­tunft. Die Mutter hörte lächelnd zu, und der Vater, ganz

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glücklich über dieses beifällige Lächeln, entwickelte ihr alle Gründe, die für das sichere Gelingen der Sache sprachen. Das Lächeln der Mutter war voll Trauer, und ich fühlte mich beunruhigt, da ich nicht begreifen tonnie, warum sie sich nicht über unseren fünftigen Wohlstand freute. Wenn ich das ge­mußt hätte, was ich erst viel später verstanden habe, daß mit jeder neuen Sache ein Teil ihres Vermögens verschwand, hätte ich erraten, daß ihr Lächeln nur ein zurüdgehaltenes Weinen war. Ich wußte das nicht, ich wußte auch nicht, daß die Mutter den Bater angefleht hatte, bei der Advokatur zu bleiben; wenn wir dann auch nicht zu Reichtum fämen, wäre

uns wenigstens ein gewisser Wohlstand gesichert gewesen. Er mollte aber nichts davon hören und feste ihr immer wieder auseinander, wie gewiß der Erfolg wäre und bat sie, seine Pläne nicht zu durchkreuzen. Zweifellos würden fie Früchte tragen und den Kindern zu Reichtum verhelfen. Die Mutter hielt ihm vor, daß ein bescheidenes Auskommen besser wäre als die beständige Gefahr, durch gewagte Spekulationen auch noch das Letzte zu verlieren. Mit seinem fieghaften Optimismus widerlegte er ihre Einwände. Als alle ihre Bitten nichts fruchteten, ging sie in ihr Zimmer und betere zu Gott, daß er mit ihren Kindern Erbarmen habe.

Eines Abends kam der Vater später als gewöhnlich nach Hause. Als er ins Zimmer trat, fonnte ich sehen, daß er ganz blaß war, feine gerunzelten Augenbrauen und sein ganzes Benehmen verrieten eine heftige Erregung. Bei seinem Anblick begann die Mutter am ganzen Körper zu zittern. Sie schickte die Dienstleute und meine beiden Brüder aus dem Zimmer; ich saß in einer Ede auf meinem niedrigen Stühlchen, und sie beachtete mich nicht. Stühlchen, und sie beachtete mich nicht.

Als die Dienstmädchen draußen waren, ging sie zu meinem Vater, der auf den Diwan gesunken war und neigte sich zärtlich über ihn. Mit zitternder Stimme, aus der man die mühsam unterdrückte Angst heraushärte, fragte fie: Jacques, was ist geschehen?"

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Einen Augenblick blich der Bater stumm, dann ant­mortete er mit dumpfer Stimme: Der Bucker ist plötzlich folossal gefallen, wir sind zugrunde gerichtet."

Die Mutter fuhr mit der Hand zum Herzen und flüsterte: Du lieber Gott !"

Der Bater schien vernichtet und sagte kein Wort. Meine Mutter war über seine Verzweiflung ganz erschreckt und ver­gaß ihr eigenes Leid.

Mut," flüsterte fie, und neigte sich über den Bater. mit Gottes Hilfe werden wir wieder hinaufkommen."

In der Bezirksarbeitsgemeinschaft der Beamtenzentrale der SPD. hielt Genosse Bürgermeister a. D. Ernst Fald einen Bortrag über die Geschichte des deutschen Beamtentumis. Die be­tums liegen in der Entwicklung des deutschen Staatswesens bzm. in der Entwicklung der deutschen Staaten selbst begründet, im deut­fchen Bartikularismus, in der furchtbaren Zersplitterung Deutsc;- lands in viele Hunderte von kleinen und fleinsten Staaten. tommt es, daß in früheren Jahrhunderten cin gemeindeutsches Beamtentum, so auch ein gemeines deutsches Beamtenrecht sich nicht fräftig entwickelt hat, daß vielmehr nur die Einzelstaaten, heute Länder genannt, wirklich beamtenbildende Kräfte aufweisen konnten, an erster Stelle Breußen. Erst in greßen Abschnitten der Staats­entwidlung wird automatisch etwas neues, etwas anderes, ein anders gestaltetes Dienstrecht der Beamten erzeugt. Der Referent unterscheidet fünf 3eitabschnitte, in denen das Beaniten­tum grundsäglichen Wandlungen unterworfen ist. Es lassen sich abgrenzen die Zeit des mittelalterlichen Feudalstaats, die Zeit des Ständestaats als Uebergang zum absoluten Staat, die Zeit des absoluten Fürstenstaates, die Zeit des altpreußischen Verfassungs staates( Obrigkeitsstaates), endlich die Zeit des parlamentarisch regierten Staates, des Boltsstaates, der Republik . Der Feudal­staat verfällt der Auflösung, weil ihm die Organisation eines Be­amtentums nicht gelingt; der Beamte ist damals hauptsächlich Ehren­beamter, staatszerjegend. Der landständische Staat entwickelt aus den Ministerialen ein geeignetes Beamtentum in der Hand des Fürsten , das fürstliche Ratsfollegium übernimmt zugleich die Rolle des Vermittlers zwischen Fürst und Ständen. Im ubic­luten Staate ist der Beamte Fürstendiener, ohne Rechts­sicherung, widerruflich angestellt; erst das allgemeine Landrecht entwickelt die ersten Ansätze einer Berselbständigung der Beamten­

Und da er keine Antwort gab, verstand sie plötzlich, in melch fürchterlicher Lage wir uns befanden. Sie wurde totenblaß, und wie ein Hauch fam es von ihren Lippen: Ist alles verloren?"

,, Alles," antwortete er mit ebenso leiser Stimme. In drei Tagen muß ich der Bank Clarmont eine Zahlung von fünfzigtausend Franken leisten. Das bedeutet unseren voll­ständigen Zusammenbruch, es es wäre denn, daß deine Mutter..." Er sprach nicht weiter.

Da neigte sie sich zu ihm und sagte mit fester Stimme:

Berlier den Mut nicht, ich werde das tun, was fein muß."

Ich hatte mich während dieses furzen Gespräches nicht gerührt und die Eltern hatten mich auch nicht bemerkt. Blöglich, von einer augenblicklichen Eingebung erfaßt, stand ich auf, stürzte zur Mutter und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Sie umarmte mich zärtlich, dann wies sie auf den Bater. Ich lief zu ihm hin und fiel ihm um den Hals. Er fuhr zu flüchtig auf die Stirne und winkte mir, ihn mit der Mutter sammen, blickte mich voller Ergriffenheit an, füßte mich allein zu lassen.

3weifellos hat meine Großmutter das nötige Geld gegeben, denn nach ein paar Tagen war der Vater wieder voll froher Hoffnungen. Aber von da an schien es mir, als wäre die Mutter noch sorgenvoller und manchmal verriet fie die Angst, die sie verzehnte. Sie, die immer so sanft und so geduldig war, wurde nun heftig. Bohl tat sie alles, um sich zu beherrschen, aber meiner Aufmerksamkeit entging nichts. wurden von jetzt an häufiger und nachher pflegte die Mutter Die geheimen Besprechungen zwischen Vater und Mutter

zu meinen.

Bald darauf verließen wir die Hauptstadt und zogen nach Genf . Ich war nur ganz betroffen, wie sich unser Heim verwandelt hatte. Statt der prächtigen Villa, wo ich meine Kindheit verbracht hatte, bewohnten wir nun ein bescheidenes Häuschen. Wir hielten nur noch ein Dienstmädchen und die Mutter half in der Wirtschaft mit.

Als wir etwa ein Jahr in Genf lebten, fiel mir auf, daß häufig Lieferanten in unser Haus tamen. Ich wollte den Grund wissen, aber die Mutter antwortete nur mit einem Seufzer. Einige Tage nachher tam ein Mann, der das ganze Haus besichtigte und jedes Möbelstüd auf einent großen Blatt Papier notierte, das er der Mutter übergab; dann entfernte er sich ohne viel Worte. Am selben Abend erfuhr ich, daß es der Gerichtsvollzieher gewesen war.

( Fortsetzung folgt.)