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Rute statt des im Austrage der Mehrheit handelnden Mini­sters: aber für Italien ist es gerade das Richtig«. Wie vollzieht sich nun aber die Beglückung eines recht- lose» Nolles? Hier haben wir das ewig« Problem der Diktatur und des absoluten Königtums. Geht es dem arbeitenden Volke heute besser, wo es nicht mehr den RückHall seiner Organisation hat? Darüber äußerst Churchill nur sehr leisetretende Vermutungen. Bis jetzt sind wir noch keinen Schritt über die Versprechungen hinaus. Auf der gctnzen Linie beabsichtigen die Unternehmer Lohnver- Minderungen. Man sagt, die staallich- anerkannten Korporationen werden sie verhindern. Sie können aber nicht verhindern, daß die Unternehmer ihren Betrieb einschränken und die vom Gesetz verbotene Aussperrung einfach in der ffarm von Entlassungen oder Halbzeitarbeit. oder Einstellung an zwei oder drei Tagen pro Woche verwirk- lichen. Das Wortgebilde von der Organisation der Produktion auf der Grundlage der nationalen Solidarität der Klasten hat noch nicht die geringste greifbare Verwirklichung gefunden. Der Faschismus hat die Arbeiter durch Aufhebung des Koali- tionsrechtes entwaffnet und hat die Unternehmer nicht entwaffnet. Nun soll er einmal Europa und der ganzen Welt das stunststück zeigen, wie der Staat bei dieser künstlichen Verteilung der Macht eine Hebung der arbeitenden Klasten erreichen will. Bis jetzt hat er es nicht gezeigt, denn die Lage der Arbeiter in Italien ist heute schlechter als im Oktober 1922. Aber etwas anderes hat er gezeigt: daß der Fortfall der demokratischen Kontrolle eine Gefahr für den Staat ist. Es war ein hübscher Gedanke, die Verwaltung Roms in die Hände eines einzelnen zu legen, der so ungehemmt durch Kontrollapparate das Beste vollbringen konnte. Mussolini mag erstaunt gewesen sein, als er dann die Geschichte von Million«» an Schmiergeldern, von vielgestltiger Aussaugung der städtischen Finanzen, von Unterschlnfen, Ungerechtigkeiten in der Besteuerung usw. vernahm, welche Geschichte ihn zwang, die Seite der Verwaltung C r e m o n e s i schnell umzuschlagen. Dergute Diktator" macht heute die Erfahrung mit denbösen Menschen". Er konnte sie sich und Italien ersparen, wenn er sich etwas mehr in die Geschichte vertieft hätte. Und die Rechtlosigkeit des italienischen Volkes, von der Churchill nur die Kehrseite der äußeren Ordnung gesehen zu haben scheint, hat noch ein« ander« Folge: nämlich� die Würdelosigkeit. Roch nie war ein politisches Leben so würdelos, so rückgratlos, so im wahren Sinne pöbelhaft, wie heute das llalienische. Jeden Menschen mit normaler Feinfühligkeit würde der Ekel würgen bei der allgemeinen Speichelleckerei. Im Laufe einer Woche haben wir erfahren, datz Herkulanmn wieder erstehen wirddurch den Willen des Duce, daß die Vulkanologie entscheidende Errungenschaften machen wird, dank derselben Kraftquelle, und schließlich, daß die Malaria durch eine Entdeckung desselben Duce endgültig ihren Schrecken verloren hat. Wird diese schamlose amerika - nische Reklame nur erlaubt, um die, die darüber lachen, wegen Mussolini -Beleidigung ins Gefängnis zu bringen? W i« würde man in E'ngland über eine derartige Prostitution der Wissenschaft denken? Ueber diesen Wettlauf der Schweifwedler und Speichellecker? Es lockt die Italiener nicht, hierin die Meisterschaft der Welt zu erlangen. Europa lerne von Italien ach, möchte die Lehre anschlagen! wie man es n i ch t machen soll. Es lerne, daß es keine nationale Würde gibt für ein rechtloses Volk....

Wiener Gemeinderat machten die Christlich-Sozialen wieder Radau, sie drohten sogar mit Tätlichkeiten. Dem Bürgermeister, Ge- nassen Seitz, gelang es jedoch, die Ruhe wieder herzustellen.(Nach österreichischem Gemeinderecht ist der zum Bürgermeister auf Mandatsdauer gewählte Stadtverordnete zugleich Vorsitzender des Gemoindeparlaments und Chef des Magistrats, d. h. der Gemeinde- Verwaltung.)

Sucharias Offerte an öle Reichswehr . Man dräugelt sich, Sowjetgranate« für die Reichswehr zu fabrizieren. Die Deutschnationalen legen die Richtlinien des Bürgerblocks aus, und die Kommunisten die Reden B u ch a r i n s über die Sowjet- granaten. DieRote Fahne" behauptet dreist und gottes- fürchtiK Bucharin habe nur von der Aufrüstung der Roten Armee gesprochen. Hier ist noch einmal die entscheidende Stelle aus/ Buchanns Rede: .Wir können ganz offen erklären, daß wir nicht daraus ver, zichten werden, irgendeinen kapitalistischen Staat zu oerwerten, falls er uns Instruktoren sendet und gegen eine entsprechende Bezahlung an uns auf unserem Gebiete Flugzeuge baut und andere, für die Landesverteidigung notwendig« Waffen anfertigt." Welcher kapitalistisch« Staat wirb auf russischem Gebiet f ü r di e Rote Armee Flugzeug« und Waffen fabrizieren, und dafür noch Bezahlung an die russische Regierung leisten? Wir möchten den kapstalistischen Staat sehen, der Rußland Waffen schenkt und noch Geld obendrein! Das ist zu dumm gelogen von der .Roten Fahne". Die Worte Bucharins find eindeutig: die Reichswehr darf für s i ch Flugzeuge, Granaten und Giftgas in Rußland fabrizieren, wenn sie für die Konzession bezahlt und Rußland beteiligt, so daß aus derselben Fabrik Reichswehr und Rote Armee beliefert werden können. Bucharin hat also der Reichswehr eine neue offene Offerte gemacht._ Kommunistischer Parteitag im März. Sie habeuS gewagt. Die koemmmistisch« Zentral« hat den kommunistischen Parteitag für die Zeit vom 2. bis 7. März nach Essen einberufen. Seit einem halben Jahr ist dieser Parteitag von Monat zu Monat verschoben worden, weil die Zentrale stürmisch« Auseinandersetzungen mit der Opposition fürchtet«. Jetzt Hot sie es gewagt. Di« Mehrheit scheint sicher besorgt zu sein, und die Opposition hinreichend hinausgedrängt, so daß ein Parteitag zustande kommen wird, mit dem die Zentrale der Sowjetgranatenpartei exerzierm kann nach Belieben.

Die Affäre Lukaschek. Spionageprozeß in Kattowitz. kattowiß. 27. Januar.(MTB.) Bor der ersten Strafkammer -n Kation» tz begann heute der Spionageprozeß gegen den aus Gleiwitz gebürtigen Kurzydyn der dem Mitglied der Gemischter. Kommission für Oberschlesien Landrat a. D. Lukaschek seinerzeit Akten über die Aufstände in Oberschlesien zum Kauf angeboten haben soll. Ferner wird ihm zur Last gelegt, Spionage zu- gunsten Deutschlands getrieben und im besonderen den Versuch gemacht zu haben, Dokumente, die im Interesse des polni- schen Staates geheim zu halten paren, in seinen Besitz zu bringen. Auf Antrag des Staatsanwalts wird die Oeffentlichkeit während der Vernehmung des Angeklagten und der mllitärischen Sachverständigen ausgeschlossen, wahrend Verteidigung und An- geklagte Ausschluß für die Gesamt dauer der Verhandlung bean> tragt hatten. Nach zweistündiger Vernehmung des Angeklagten schilderte der Hauptzeug« Zichen, Leiter der militärischen Nachrichtenstelle Kattowitz , die Borgäuge in der Lukaschek-Angelegenheit. Er gibt an, daß der Angeklagte bereits im Gleiwitzer Gerichtsgefängnis mit Dr. Lukaschek in Verbindung getreten sei und mit ihm verschiedene Konferenzen dort gehabt habe. Lukaschek habe ihm für die Beschaf- surig der Papiere SOODO Dollar geboten und auf die Frage, ob hinter ihm die Regierung stehe, geantwortet, er handele lediglich als Privatmann. Der Zeuge meint aber, daß über die ganze Ange- legenheit der Reichskanzler Dr. Marx unterrichtet ge- wesen sei. Den Konferenzen sollen auch die jetzt als Zeugen ge- ladenen. damals aus dem Gleiwitzer Gerichtsgefängnis a u s g e- brochenen Thomas und Stawinoga beigewohnt haben. Der An- geklagte sei später, nachdem die militärische Nachrichtenstelle in Ak­tion getreten sei, durchs Thomas und Stawivoga nach Kattowitz gelockt worden, wo ihm im Monopolhotel wichtige Dokumente,

die ober g efälf cht waren, ausgehändigt worden feien, damit er sie an Lukaschek verkaufe. Kurz nach der Empfangnahme eines Scheck- über 2000 Mark auf die Deutsch« Bank in Kattowitz sei er da im oerhastet worden._ Di« Beweisaufnahme ergab, daß Thomas nur des- halb im Gleiwitzer Gerichtsgefängnis verweilte, um m, Austrage seiner Hintermänner den Auftakt zu der wobworbereitete» Affäre zu geben.(Mit dem Ausenthast in einem deutschen Gesangrns muß doch wohl die zuständige Gerichtsbehörde einver. standen sein?! Red. d..D."-) Während der Angeklagte, der einen stark pathologischen Eindruck macht, zunächst de- hauptete, er habe schrifilich die Vermittlung des Reichskanzlers Dr. Marx angerufen, und Landrat Dr. Lukaschek habe ihm sur die Beschaffung der Akten auch eine Belohnung von 50 000 M. ver- sprachen, erklärte er im weiteren Verlaus seiner Aussührungen. es sei ihm tatsächlich nur darum zu tun gewesen, die Deutschen als solche, die deutsche Regierung und nicht zuletzt den Land. rat Lukaschek zu schädigen, weil ihm. wie er angab, die Deutschen großes Unrecht zugefügt hätten. Aus der Bewersauf- nähme ergab sich noch, daß das Protokoll, das der Angeklagt« be. der Polizei zu unterschreiben hatte, im wesentlichen n l ch t elg e n e Aussagen enthielt, sondern ganz nach den Wünschen der ver- nehmenden Polizeibeamten abgciaßi war. Allgemeine Bewegung rief es hervor, als der Angeklagt« in feinem Schlußwort erklärte. wenn er auf der Anklagebank sitze, so gehöre eigentlich d,e gesamte Polizei mit auf seinen Platz, denn er habe doch nur das getan, was der Zeuge Thomas als Beauftragter der Polize, ausgeführt habe. Die Polizei glänze heute vor Gericht mit dem. wofür e r die Pionierarbeiten geleistet habe, nämlich Lukaschek blohzustellen. TaS Urteil. Da» Urteil lautete gegen Kurzydqn wegen diplo. matischer Spionage zu IX Iahren Festung uwer Zu- Erkennung mildernder Umstände. Der Staotanrvalt hatte s Jahre Zuchthaus beantragt. In der Urteilsbegründung hob der Vorsitzende hervor, daß dem Angeklagten mildernde Umstände im weitesten Umfang« zuzubilligen waren, da« dem polnischen Staate einen großen Dienst geleistet Hab«._____ Sarmat-Prozeß. Tie Kredite nnd ihre Tecknng. In der heutigen Verhandlung erfolgte die Feststellung, in welchem Berhältnis die bewilligten Kredite und die dafür gegeben« Deckung an 13 Stichtagen gestanden haben. Für diese Aufstellung legte man«ine Berechnung zugrunde, die von der Staatsbank zusammengestellt ist und einen Teil der Anklage bildet. Namens der Derteidigung erklärte Rechtsanwast Schwer» s« n s hierzu, daß man diese Aufstellung bezüglich der festgestellten Kursdeckung für unwesentlich Halle, well es sich um anormale Kredite gehandell habe, und well der Kurs der notierten Werte im Verhältnis zu dem der notierten, der übrigens sehr variabel gewesen sei, jetzt nicht mehr feststellbar sei. Aus diesem Grund« könne dw Verteidigung die Aufstellung der Anklage bezüglich der Gesamtbeantwortung der Deckungen nicht anerkennen. Vom Vorsitzenden wurde sodann die Tabelle der Kredite und ihrer Deckung zur Verlesung gebracht. Die Aufstellung beginnt mit dem 31. Dezember 1923 mit einem Kredit von 1,5 Millionen, dem 1,599 Millionen als Essektendeckung gegenüberstanden. Am 29. Januar 1924 hallen die Kredite 6 Millionen erreicht, denen 905 000 M. Effektendeckung gegenüberstanden. Zlm 31. Juli 1924 betrug der Krebst 10,5 Millionen, während die Efsettendeckung 2 Millionen betrug. Von diesem Datum an nehmen die Kredite dann etwas ab. und am 31- Dezember 1924 hatte die Amexima nur noch 9,5 Millionen geliehen. Außer diesen Essektendeckungen, die zahlenmäßig festgestellt würden, befanden sich aber in den Depots als Zusatzdeckung die Majorität der Aktien der Bernsdorfer Kuilltseidenspinnerei, der Allenburger Sparbank, der Küstentransport A.-G., der Chromo-G. m. b. H. usw., die sämtlich dem Barmal. Konzern angehörten, sowie Blankoakzept« der Barmat-Firmen und ein Blankoakzept der Amexima. das von der Amsterdamer Zentrale giriert worden war. Die Anklage steht auf dem Standpunkt, daß dies« D« ck u n- gen nicht ausreichten, während von der Verteidigung Varmats behauptet wird, daß die Deckungen damals sicher gewesen seien. Im Anschluß daran wurden die beiden Beamten der Staatsbank als Zeugen vernommen, von denen diese Ausstellung des Deckungsverhältnisses ausgearbeitet worden ist.

Literarischer Mikro-Humor. (Mit der Lupe eben noch zu erkennen.) Julius Berstl behauptet, daß sein Stück Dover- Calais" ein Lustspiel ist. Mst Lustspielen ist das so«ine Sache. Do gibt es erstens die sogenannten klassischen Lustspiele, di« die Literaturgeschichte für lustig ausgibt, vor denen es aber den Theater- direktoren bangt, weil sie fürchten, daß die heutigen Zeitgenossen mit dem klassischen Humor nicht mitkommen, zweitens Stücke, die von einem originellen Einfall, etwa spleenigen Testamenten, leben, was dann nach allerhand Seiten ausgemünzt wird, drittens die bewährten lsterarisch anspruchslosen Verwechslungskomödien, in denen gewöhn- lich infolge einer Notlüge alles drüber und drunter geht, viertens Zeitsatiren, die augenblickliche Zustände unter die Lupe nehmen und uns beweisen, wo» für Trottel wir im Grunde sind, und fünftens achtunggebietende literarische Lustspiele. Julius BerstlsDooer- Calais" ist ein typisches Beispiel für die letzte Kategorie. Die Komödie spielt vom ersten bis zum letzten Austritt an Bord eines Dampfers. Der Beginn der Vorstellung wird daher im Komödien­haus nicht durch Gongschläge angezeigt, sondern durch dos groß- mächtige Tuten einer Sirene. Dies ist ein Symbol für die Qualität des gebotenen Humors. Man appelliert an den Verstand des Zu- fchauers; er wird sozusagen an seiner Ehre gepackt: Achtung, hier hast du zu lachen!" Um nunmehr endlich das Handlungsgerüst anzudeuten: es handell sich um einen spleenigen Engländer, der sich aus gekränkter Lieb« auf eine pikfeine Dampfjacht zurückzieht, die um keinen Preis eine Weibsperson betreten darf. Natürlich kommt doch eine an Bord, ein quicklebendige und höchst moderne Journalistin, ein weiblicher Allerweltskerl. Sie ist eine smarte Person, schmeißt sämtliche männ. lichen Prinzipien über den Haufen und macht sogar aus dem eng- tischen Frauenoerächter einen verliebten, girrenden allen Hahn. Der Verfasser sucht uns einzureden, daß die moderne Frau den Sieg über die Männer davontragen und daß die nächste Revolution von den Weibern ausgehen wird. Die Idee ist alt und daher schon gut bewährt. Der Humor wird mühsam aus. angestrengtem Gehirn gepumpt. Man hört überoll das Papier de ? esprithungrigen Litera­ten rascheln. Die Schauspieler schleudern unentwegt geistvolle Apercus ins Publikum, und es ist rührend zu Teobachien, wie sie sich wundern, daß der Witz wieder mal nicht eingeschlagen hat. Was den dramatischen Aufbau anbelangt, so ist es Herrn Berstl gelungen, immer eine Person gerade in dem Augenbllck abtreten zu lassen, wo er eine neue Szene konstruieren will. Es ist höchst amüsant, gewissermaßen in die Werkstatt des dramatischen Dichters auf diese Weise Einblick zu nehmen. Man sieht, zum Unterschied gegen die übrigen Arten von Lust- spielen hat Berstls literarisches Stück von jeder Sorte etwgs aufzu- weisen, bloß geistreicher, anspruchsvoller, verfeinerter, und zwar so verfeinert, daß einem vor lauter Geist entgeht/ wie lustig die Stelle iii Der weniger gebildeic und literarisch unbefangene Zuschauer hat schließlich den Eindruck, daß die ganze Sache eigentlich lang- «Kilig ist,

Ralph Arthur Robert» hat die Liebenswürdigkeit, die Komödie im Komödlenhaus so aufzuzäumen, daß man wenig- stens ab und zu lachen kann. Hilfreiche Hand hat ihm dabei die Hamburg-Amerika-Linie geleistet, die die fchiffsgerechte Bühnenaus- stattung bereitwilligst zur Verfügung gestellt hat. Er selbst, sowie Hans Brousewetter und die fabelhaft forsche, stürmische, knackfrische Erika v. Thellmann erreichten, daß man wenig- stens ab und zu lachen konnte. Ernst Degner.

«.Die Entartung See Pspchoana.'pse." In einer Zell wie der gegenwärtigen, in der weite Schichten der Zug noch Mystizismus erfaßt bat, findet Seelenheilkunde und jede Heilkunde, die sich in erster Linie an die Seele wendet, willige Aufnahme, sobald sie mst schlagwortartigen Begriffen arbeitet, die zur Popularisierung geeignet sind. Alles das ist bei der Freudschen Psychoanalyse gegeben, und sie ist denn auch in einer Form populär geworden, die von ihrer Wissenschaftlichkeit wenig übrig läßt. Wenn dadurch aber anerkannte und erfahrene Wissenschaftler dazu ver- führt werden, die Psychoanalyse grundsätzlich zu verwerfen, so heiß« das doch wohl, das Kind mit dem Bade ausschütten. Gewiß ist die Psychoanalyse nicht das Heilmittel der Medizin, wie die modernsten Freudianer es sehen, aber sie ist ein Heilmittel, das mindestens in her Psychiatrie sich als werwoll erwiesen hat. In einem Vortrage im Institut für praktische Psychologie sprach Dr. A. Herzberg ausführlich überD i t Entartung der Psychoanalyse". Er betonte, daß im letzten Jahrzehnt di« Psychoanalyse sich in Regionen oerirrt habe. in denen sich wohl phantasieren, aber nicht wissenschaftlich arbeiten loste. Freud-Schüler wollen die Anwendung der Psychoanalyse auch auf körperllche Erkrankungen, die sie analog den seelischen als auf- lösbare Komplexe ansehen. Groddek, der von Freud geschätzt und von Timmel sogar zu den Großen apf dem Gebiet der Psycho- analys« gerechnet wird, definiert tatsächlich Kropf, Tuberkulose, Krebs und all« anderen Krankhellen als seelische Komplexe, die er mit Hilf« der Psychoanalyse heilen will. Welches Unheil daraus entstehen könnte, kann man sich mismalen. Diese Verfallsmomeute der Psychoanalyse finden sich bereits bei Freud. Schon die Freudsche Angsttheoric etwa, die er von der Empfindung des Kindes beim Geburtsakt herlellet, steht auf rein spekulativer Basis, und es ist eine immerhin logische Folgerung, wenn«ine englische Hebamme in der FachzeitschriftDer Psychoanalytiker" die fürcherlichen Qualen des Kindes bei normaler Geburt ausmalt, und ein englischer Arzt zu dem humoristisch anmutenden Schluß kommt, man solle daher alle Kinder durch den Kaiserschnitt dos Licht der Welt erblicken lasten. Alle diese Trugschlüsse und Irrwege dürfen aber nicht verkennen lasten, daß Freud als erster die Erkenntnis des Unbewußten und Unterbewußten als Heilfaktor systematisch in Anwendung gebracht hat. Dabei kommt es nicht darauf an, daß er nicht der Entdecker des Unbewußten ist; wesentlich ist schließlich nur, daß. er sein Wissen davon als erster in praktische Anwendung bracht«. Kam er dabei zu einer Ueberschätzung der sexuellen Momente, die im Unterbewußt- sein eine Rolle spielen, und die die Anwendung der Psychoanalyse auf Kinder und Jugendliche mindesten» als recht gewogt erscheine»

ließen, so ist dieser Fehler schon von Adler korrigiert worden. Leider zeigte die an dem Vortrag Dr. Herzbergs anschließende Diskussion, daß die Psychoanalyse heut noch weit weniger kritische Befürworter als begeisterte Anhänger oder ebenso begeisterte Gegner besitzt. Ts! .Die junge Szene", die sich die Aufgib« gestellt hat, talentvolle junge Schauspieler in die Oesfentlichkest zu führen und dabei mo- derne Dichtung zu pflegen, veranstaltete im Grotrian-Stein- weg. Saal einen Rezitationsabend zugunsten des not- leidenden Dichters Jakob H a r i n g e r. Es liegt im Wesen solcher Abende, die einen Einblick in die Kämpfe und das Ringen der Jugend geben wollen, daß sie sich nicht auf einheitlicher Höhe be- wegen können und daß sie einen anderen kritischen Maßstab als den allgemein üblichen ersordern. Drei talentvolle junge Schau- spieler halten sich in di« Rezitation geteilt di« Dichtungen von Haringer. Zuckmeier. Klabund, Werfet, Hasenclever u. a. brachte. Viel Sehnsucht und Weichheit, viel Schmerz und Resignation klang aus den von Lotte Loeb'Nger mit sympathischer warmer Stimme gesprochenen kleinen Gedichten. Höhepunkte des Abends waren An meine alle Zimmerfrau" undDeutschland " von Jakob Hann- ger(gesprochen von Richard Weimar) sowieSalome" von Georg Drilling, die Max Kononski sprach. Nicht vergessen seien die ein- leitenden Wort« von Kurt Möhring, der das Wesen de» mit dem Gerhart- Hauptmann- Preis ausgezeichneten Dichters Haringer charakterisierte. Dr. L. M. Verichligung. Der Reichskommissar für Ueber» wachung der öffentlichen Ordnung schreibt uns: Unter Bezugnahm« auf unsere gestrige Besprechung teile ich Ihnen mit bezug auf den Artikel d«sVorwärts" vom 23. Januar 1927 Von einem der auszog, das Spitzeln zu lernen" mit, daß nach der von mir getroffenen Feststellung, Herr Oberregierungsrat Mühleisen niemals mit falschem Bart oder falschem Paß nach Boyern gefahren ist und niemals mll Herrn Regierungsrat Bernreuther bei der Polizei- direktion in München oder irgend einer anderen Persönlichkeit die im Artikel geschilderte Begegnung gehabt hat. Daraus ergibt sich, daß auch alle Behauptungen über die Tätigkeit des Herrn Regicrungs- rat» von Lengriester uruvahr sind."

ssolllit«ad Tdeoker.» Der 4. Vortrag, den Julius Vab aul Einladung der Volksbühne am 30., abends 8 Ubr. im Bürgerlaal des RathanjeS über dieses Thema bält. wird mit einer Aussprache verbunden sei». Einlaßkarten zu« Preise von SS Ps. am Saaleingang. Zw kalser-Zrledrich-INa'eom hält Dr. B. Daun. Dezernent für Kunst im Pvlizeipräfidium. am 30. vorm. 10 II'/, Uhr, Vortrag über die Bildhauerwerte der ilaitenischen Frührenaissance. ver Zageadprel» veulscher Er.ähler, der dem Verbände Dentscher Erzähler von der Deullchen Buch-Gemeinschast-Berlin als jährlich wieder. kehrender Preis von 10 000 2fi gestlitet worden ist. wird für da» Jabr 19!7 neu ausgeschrieben. Die näheren Bedingungen sind zu criabren beim Bureau deS Verbandes Deutscher Erzähler, Berlin D. 50, Nürnberger Str. S/10. Mchard-Serauh-Feflsplele in Jrankfnrf o AI . In Berbindung mit der Internationalen AuSsiellungMusik im Leben der Böller'«Juni. August 1927) veranstaltet daS Franksurter Opernhaus in der Zeit vom LS. bis 23. August Ruhmd-StrlUtß-Fesijpiei«. Richard Strauß hat sitae