Ne. 52 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 27
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v. Kendell zum Innenminister, Hergt zum Justizminister ernannt. Der schwarzblaue Block hat schon lange feine Schatten Die gestrige Sigung der deutschnationalen Reichstagsfrat| Rittergutsbefizer im Kreise Königsberg ( Neumark ), wo er vorausgeworfen. Das Gefeß über die Bekämpfung von jotion, die um 5 Uhr nachmittags begonnen hatte, endete nach bis 1920 Landrat war, Borstandsmitglied des Branden genanntem Schmug und Schund und das Gesetz über den 1210 Uhr abends mit der Annahme des folgenden Beschlusses: burgischen Landbunds und Ehrendoktor der Forst- Schuß der Jugend bei Luftbarkeiten stammen im Entwurf Die deutschnationale Reichstagsfratiion nimmt Kenntnis afademie Eberswalde. Im Reichstag, dem er seit Dezember aus der Aera des Deutschnationalen Schiele im Reichsvon der dem Herrn Reichspräsidenten abgegebenen gemein- 1924 angehört, ist er bisher durch Intelligenz nicht auf ministerium des Innern. Beide sind neue Auflagen in an famen Berzichterklärung der Abg. Hergt und gefallen, modurch er sich offenbar zu seinem Vorteil- derer Fassung der Ler Heinze, gegen die wir im Jahre 1900 Graef auf ihre Ministerkandidaturen und von dem drin- von dem unbelievten v. Lindeiner- Bildau unterscheidet. erfolgreich fämpften. Sie zeigen dieselben Parteien und teilgenden Appell des Hern Reichspräsidenten Die früher erfolgte Ablehnung einer Kandidatur durch weise dieselben Männer in enger Verbindung, die schon vor andie Fraktion, die folange fich hinziehende Regierungs- den Abg. v. Lindeiner- Wildau" ist eine ziemlich dunkle An 27 Jahren ihren Haß gegen selbständiges, freies Schaffen in Kunst und Wissenschaft unter der Maste der Bekämpfung bildung nunmehr baldigt zu ermöglichen. Die Fraffion be- gelegenheit. fchloß im Hinblick auf diese Lage und die bereits früher erfolgte Mit der Ernennung Keudells und Hergts ist die Bürsittlicher Berkommenheit verhüllten. Gab damals das ZuAblehnung einer kandidatur durch den ub- gerblodregierung fomplett. Die Deutschnatio- hälter- und Rupplerunwesen das Stichwort her, so diesmal geordneten v. Lindeiner- Wildau die bisherige nalen haben es geschafft und-knirschen mit den Zähnen. eine pornographische Buchfabrikation und Mißstände im Kandidatenliste durch Hinzufügung des Abg. v. Keudell nach Die Bolkspartei ist wütend, weil sie ein Portefeuille verloren Theater und Film. einstimmig angenommenem Vorschlag zu ergänzen. hat und gibt wegen der drohenden fulturpolitischen Gefahr Notzeichen. Das Zentrum bewaffnet sich gegen die drohende politische Reaktion mit dem Badener Köhler. Und die Deutschnationalen verklagen einander vor Gericht.
Eine Stunde später kam dann die folgende amtliche Eine Stunde später kam dann die folgende amtliche
Meldung:
Der Herr Reichspräsident hat auf Vorschlag des Reichsfanzlers Dr. Mary den Staatsminister a. D. Hergt, 2.d... zum Reichsjustizminister und Stellvertreter des Reichskanzlers und den Landrat a. D. Dr. v. Keudell, M.d.R., zum Reichsminister des Innern ernannt.
Später noch wurde von WTB. offiziös gemeldet: Der Herr Reichspräsident empfing heute nachmittag die Abgg. Graf We ftarp. v. Goldader, Hergt und Graef ( Thüringen ). Die Abgg. Hergi und Graef gaben dem Herrn Reichs präsidenten die Erklärung ab, daß sie, um die bei den übrigen Regierungsparteien erwachsenen Schwierigkeiten wegzuräumen belde solidarisch ihre Fraffion gebeten hatten, von dem Borschlag ihrer Person für die Ministerliste abzusehen. Der Herr Reichspräsident nahm diese Erklärung entgegen. dankte beiden Herren für ihre selbstlose und fachliche Handlungsweise und befonte hierbei, unter Hinweis auf die irreführenden Pressemeldungen der lehten Tage, daß er felbft teinerlei Bedenken gegen die Perfon und Eignung der beiden bisher von der deutschnationalen Frattion für die Polen des Reichsjustizministers und des Reichsfinanzministers vorgeschlagenen Kandidaten vorzubringen gehabt hatte. Der Herr Reichspräsident schloß hieran das Ersuchen an den Grafen Westarp als den Vorsitzenden der deutschnationalen Frattion, nunmehr alsbald eine die endgültige 3usammenstellung der Reichsregierung ermöglichende Ent. foliehung zu fassen; er hoffe, daß, falls hierbei etwa einer der beiden bisher vorgeschlagenen Kandidaten in Frage tommen follte, der eben erklärte Berzicht dann fein Hindernis bedeute und richtete einen entsprechenden Appell an die beiden Herren.
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Die deutschnationale Reichstagsfraktion hat also beschlossen, wie hier vorausgesagt worden ist. Es muß eine hübsche Sigung gewesen sein! Als die deutschnationalen Abgeordneten um 10 Uhr, nach viereinhalbstündigen Verhandlungen, das Fraktionszimmer verließen, verhielten sie sich schweigsam, aber ihre Gesichter sprachen Bände. Schade, daß fein Photograph da war, um die Züge des vor But schäumenden Graef auf der Stelle festzuhalten!
Vor der Sigung hatte der Reichstanzler Dr. Marg noch einen Brief an estarp gerichtet, in dem er auseinander feßte, daß Graef als Justizminister schlechterdings unmöglich sei. Die Deutschnationalen waren dann in ihrer Not noch einmal zu Hindenburg gelaufen, von dem sie, wie aus dem offiziösen Bericht erhellt, audy feinen anderen Rat erhielten als den, mit der Komödie endlich Schluß zu machen. So fam es, wie es fommen mußte. Die Deutschnationalen bleiben fest!" hatte Hugenbergs Nachtausgabe in großen Lettern verkündet. Ein paar Stunden später lagen fie schon.
Die ungeheure Blamage, die sie sich zuzogen, haben sie fich selber zuzuschreiben. Sie hätten es fich zuvor überlegen sollen, daß die Nominierung eines Graef für die anderen Roalitionsparteien eine Herausforderung bedeutete, Nach dem dieser Mann durch den Einspruch der anderen öffentlich disqualifiziert war, fonnte sich das neue Kabinett feinen Augenblick mit ihm sehen lassen. So blieb den Deutschnatio nalen tatsächlich nichts anderes übrig, als entweder auf Graef oder auf alles zu verzichten. Der Macht zuliebe, die sie mit allen Mitteln erstreben, opferten sie den Mann. Nun hatten Hergt und Graef dem Reichspräsidenten ihren Verzicht erflärt, aber diese Kandidatenliste ist nur um einen Namen, dem des Herrn v. Keudell, ergänzt worden Offenbar ist der Berzicht Hergts nur deshalb erfolgt, weil man die Isolierung Graefs nicht von vornherein in Erscheinung treten laffen wollte. Hergt ist nun richtig auf das Justizministerium abgeschoben worden und wird zum Trost Bizetanzier. v. Keuden, den man beim besten Willen nicht zum Justizminister machen fonnte, zieht in das Innen ministerium ein. Der neue Innenminister ist 43 Jahre alt,
Ein schöner, ein vielversprechender Anfang! Wir sind mit ihm zufrieden. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn es der Sozialdemokratie nicht gelänge, mit der Gesellschaft fertig zu werden!
Deutscher Gruß an Hindenburg .
Herr v. Hindenburg läßt erklären, daß er selbst gegen Graef teine Bedenten vorzubringen gehabt hätte, Immerhin hat der verunglückte Justizminister- Randidat bei ihm nicht die Hilfe gefunden, die seine Anhänger erwartet hatten, Dieser Tatbestand gibt der Deutschen Zeitung" Anlaß zur folgenden Kriegserklärung:
Das Schmutz- und Schundgesez war der Anfang; jetzt fommt die Fortsetzung: Das Gefeß zum Schuße der Jugend bei Luftbarkeiten, das geeignet und sichers lich auch bestimmt ist, die Wiedereinführung der durch die. Revolution vom November 1918 beseitigten und durch die Reichsverfassung verbotenen Theaterzenfur vorzubereiten.
Auch jetzt wieder dienen allerhand tatsächliche Uebel stände als Vormand.
Die Benuzung jugendlicher Personen bei Filmaufnahmen und gewissen Revuen verdient ernste Aufmerksam. teit. Rörperliche und sittliche Gefahren fönnen damit ver bunden sein. Mit unbedingten Berboten fann man natürlich nicht einschreiten, denn die Ausbildung zum Tanz und für die Bühne muß früh beginnen und fann auch öffentlichen Auftretens nicht entbehren. Aber in der Tat ist Aufgabe des Staates, eine noch des Schutzes bedürftige Jugend auch vor Ausbeutung und Verderbnis zu schützen..
" Man fann diesen Borgang nicht erschöpfend würdigen, wenn man das Verfahren des Reichspräsidenten außer acht läßt. Dies ist heute nicht mehr zulässig, nachdem die Dinge so weit gediehen sind, daß der Reichspräsident sich durch die abgelehnte Ernennung des Herrn Graef unbestreifbar in Gegen'ah zu den nationalen Kreisen gefeht hat, deren Vertrauensmann Herr Graef ist. Gera beläuterter Geschmad die heranwachsende Jugend behüfen einen solchen Mann weist der Reichspräsident zu rüd rüd- tut es auf den Einspruch des Herrn Marg, vielleicht auf Beranlassung des Herrn Stresemann, wahrscheinlich beider, entweder nicht oder falsch von seiner nächsten Umgebung unterrichtet. Wir tönnen nicht glauben, daß der Reichspräsident nach der Art, wie feine Unterrichtung über die politischen Vorgänge zustande tommt, sich ein Bild davon macht, was die Ablehnung des Herrn Graef legten Endes in sich schließt: daß das Band zwischen ihm und den Geireuen, die ihm ihr Vertrauen geschenkt, damit zerriffen werden mußte. Denn eine weitere Belastungsprobe scheint uns das Ber. hältnis zwischen dem Reichspräsidenten und feinen Wählern nicht mehr zu vertragen."
Anders liegt es schon mit dem Besuch von Vor führungen. Gemiß gibt es eine Menge Darbietungen auf der Bühne, im Lichtspiel, aber auch bei Sportkämpfen und auf Rummelplägen, vor denen ernste Ueberlegung und ge möchte. Aber die davon drohenden Gefahren werden maßlos übertrieben, und hier schaut schon ganz deutlich aus dem fich pädagogisch und moralisch gebenden Graulichmachen die Abficht hervor, Veranstaltungen abzuwürgen, die man aus ganz anderen Gründen nicht haben möchte, und sich nicht nur gegen den Besuch Jugendlicher bei folchen Darbietungen zu wenden, sondern sie überhaupt zu verhindern. Es ist wirklich nicht sehr mefentlich, ob ein junges Mädel im Theater eine etwas erotisch gefärbte Aufführung sieht; ich glaube nicht daran, daß jemand dadurch sittlich verdorben wird. Leben zeigt viel ärgere Dinge als je die Bühne. Nicht nur der Jugend, sondern auch den Erwachsenen möchte ich Dem Reichspräsidenten wird also von der Deutschen wünschen, daß sie sich von Rohelten und Kitsch abwendeten. Beitung" sozusagen die Stelle gefündigt. Unverblümt Das fann aber feine Polizei erreichen, sondern nur die allwird ihm der Rücktritt nahegelegt, weil er das Bertrauen seiner mähliche Arbeit von Erziehung und Bildung zu höherem GeWähler verloren habe. Man sieht, ber demokratische Gefchmad. Man kann sich bei einem Bolf, das Jahrhunderte dante" macht bei den Deutschnationalen stürmische Fortschritte lang daran gewöhnt worden war, bei höfifchen Festlichkeiten auf Kosten des sonst so laut verkündeten Autoritätsprinzips". und militärischen Aufmärschen die höchsten der Gefühle zu empfinden, nicht wundern, wenn jetzt an Revuen, die Pomp Köhler über sein Programm. und Prunk anderer Art zeigen, oder an rohen SchauStellungen der Kraft seine Augen meidet.
Karlsruhe , 31. Januar. ( WTB.) Reichsfinanzminister Dr. Röhler verabschiedete sich heute im Staatsministerium von den Ber tretern der Breffe. Er hielt dabei eine Ansprache, worin er nach Betonung seiner Anhänglichkeit an die badische Heimat ausführte: Ich glaube troß allem, mich dem Rufe des Herrn Reichs pra. fidenten nicht versagen zu dürfen. In eingehender Aussprache mit dem Herrn Reichskanzler habe ich dabei betont, daß mir die Möglich feit geboten ist, entsprechend meiner Gesamtauffassung auch in Berlin arbeiten zu können. Ich bin fein unbeschriebenes Blatt. Meine Neujahrsrebe vor wenigen Wochen ist mein politisches, mein soziales und fulturelles Programm, dem ich auch in der Reichsregierung treu bleiben werde. Denn ich bin auch fein weltes Blatt, das fich von jebem politischen Wind hin- und herwerfen läßt. Feststehend auf dem Boden der republikanisch- demokratischen Staatsauffaffung, wie er in der Verfaffung von Weimar grundgelegt ist, werde ich die wirt schaftspolitischen und sozialen Grundsäge, die mir in meiner Amtsführung im Lande Baden maßgebend maren, auch im Reiche zu verführung im Lande Baden maßgebend maren, auch im Reiche zu vermirtlichen fuchen. Das arme notleidende Bott in allen Schichten soll in dem Reichsfinanzm.nifter Köhler auch in Berlin feinen Fürsprecher haben.. Was ich Ihnen in diesen sieben Jahren war und was ich bin, das werde ich auch bleiben. Und niemand, gar niemand hat ein Recht bis zum Erweis des Gegenteils an dieser meiner aufrichtigen Gesinnung zu zweifeln. Ich habe im Lande Baden teine fistalische Finanzpolitit getrieben, sondern fie in den Rahmen unserer Gesamtwirtschaft, unserer jozialen und kulturellen Entwidlung gestellt. Das wird auch in Butunft nicht anders sein. Doch das Gebot der Stunde find nicht Reden, sondern Taten. Ich werde meine Pflicht tun Leben Sie wohl und dienen Sie, die Sie an so hervorragender Stelle stehen, unserer badischen Heimat, wie auch ich in dem größeren Rahmen des Reiches ihr immer treu bleiben werbe
Das
Bei den Rummelplägen ist das Schlimmste, daß ihre an sich findlichen Veranstaltungen auch Rowdies, Bea rufsverbrecher und Dirnen anloden, und die Jugend in ges Aber auch hierbei fährliche Beziehungen bringen können. muß man fich flarmachen, daß Polizei- Reglements erfolglos bleiben müffen, weil diese Berührungen in viel gefahrvollerer Weise täglich durch die Wohnverhältnisse der unbemittelten Volksklassen hervorgerufen werden.
Das Problem ist viel zu tief in die soziale Struktur unserer Zeit verwebt, um seine Fäden mit plumpen Polizeifingern entwirren zu können. Das muß den Gesetzesmachern ganz gut bekannt sein, die doch wohl keine Idioten sind. ganz gut bekannt sein, enn fie trotzdem ein Polizeigefez brutalster Art durchbrücken wollen, so steden andere Absichten dahinter.
Niemand
Das Gesetz will der Behörde äußerst weitgehende Rechte perleihen, über die noch zu sprechen sein wird. Hier wie bei dem Schmutz- und Schundgeseh zeigt sich die partikularistische Tendenz: Das Reichsgefeß bestimmt weder diese Behörde, noch ihre Einrichtung und ihr Verfahren, sondern überläßt die Bestimmung den obersten Landesbehörden. fönnte z. B. Bayern hindern, die Ortsgeistlichkeit oder eine unter ihrem Einfluß stehende Kollegialinstanz damit zu betrauen. Die Jugendämter sollen zwar gehört werden, aber in dringenden Fällen wird auch davon abgesehen. In welchem Fall fann man nicht die Dringlichkeit" begründen?-
Diese Behörde nun foll verpflichtet sein, den Besuch oder die Beschäftigung von Minderjährigen unter 18 Jahren bei öffentlichen oder nichtöffentlichen Lustbarkeiten, Schauiftellungen und Darbietungen aller Art zu verbieten,