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Nr. 60 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 31

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Sonnabend, den 5. Februar 1927

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

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Vor der Abstimmung.

Landsbergs Angriffsrede.- Kendell der Kappist, oder die Schlacht bei Zäckerick  .

Die erste große Redeschlacht um den Bürgerblod neigt sich zum Ende. Heute um 11 Uhr soll nach als zweiter Redner des Zentrums Stegerwald sprechen, der vor drei Wochen in Röln erklärte, er ziehe die Reichstagsauflösung einer Rechts­regierung vor. Es folgen einige Redner der kleineren Fraf­tionen, und dann soll, wie man annimmt, in den frühen Nach­mittagsstunden abgestimmt werden. Zu den mannigfachen Mißtrauensanträgen hat sich ein Antrag der Regierungs­parteien gefellt: ,, Der Reichstag   billigt die Erklärung der Reichsregierung und spricht ihr das Vertrauen aus." Unter­zeichner: Graf West arp, v. Guérard( die Freunde von gestern), Scholz und Leicht.

Die Annahme des Antrags ist gesichert, wenn die Frat­tionen der Regierungsparteien zusammenhalten. Wirth ist bisher der einzige Zentrumsmann, von dem man weiß, daß er entschlossen ist, der Regierung des Besizbürgerblocks das Vertrauen zu verweigern. Sollten außerdem einige Mit glieder des Zentrums oder der Deutschnationalen   Partei sich in die Büsche schlagen, dann könnte allerdings das Ergebnis zweifelhaft werden.

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Die Wirtschaftspartei wird sich mit ihren 21 Simmen bei dem Bertrauensantrag über den zuerst abgestimmt wird und durch dessen Annahme die Miß­travensanträge erledigt sein mürden enthalten. Es bleiben 110 D: utschnationale. 51 Deutsche  , 19 Bayerische   Bolts­parteiler und 68 Bentrumsleute, macht 248 genau eine Simme über die absolute Mehrheit. Zur Opposition stehen 224 Abgeordnete, wobei allerdings zu bedenken ist, daß die Bänke der Kommunisten und der Bölkischen meist schlecht besetzt sind.

geeinigt" habe. Auch diese legte Lügendepesche wurde vom Landrat v. Keudell   treu und bieber weitergegeben. Hier ist sie: 140. Königsberg  / Neumart, 17. März 1920. Telegramm aus Frankfurt   a. d. Oder.

Einigung zwischen alter und neuer Regierung ist erzielt Alte Regierung ist mit den gestellten Bedingungen im wesent. lichen einverstanden. Reichswehrbrigade V. 5. 1. R. Nr. 1024.

Veröffentlicht:

Die Ortsbehörden des Kreises ersuche ich um Weiterverbreitung.

Der Landrat, v. Keudell  .

dieses Landrats im Amte nach solchen Leistungen fein Daß die preußische Regierung auf das Verbleiben Gewicht mehr legte, versteht sich von selbst. Jetzt beruft sich v. Keudell darauf, daß damals gegen ihn kein Verfahren eröffnet worden sei. Ja, leider hat auch er zu den Kappisten gehört, die man ungeschoren laufen ließ!

Und heute ist dieser Mann der noch immer erflärt, unter denselben Umständen würde, er wieder handeln wie damals Reichsminister des Innern und berufen, die Berfoffung der Republit zu schützen!

-G

Eine tommunistische Interpellation will übrigens außer Sommer 1924 eine Abteilung der verbotenen Olympia  " auf dem noch wissen, daß derselbe Herr v. Kudell noch im feinem Gute beherbergt habe, wo sie von einem Reichswehr  offizier ausgebildet worden sei.

erklärung billigen", die der republikanischen Berfassung Heute werden die Deutschnationalen eine Regierungs­Treue gelobt Auf die Minifterbant aber haben sie als Schüßer dieser Verfassung einen alten Rappisten gesetzt! Dort sigt er jegt zwischen Marg und Köhler!

Ueber dem Schicksal des Bürgerblods waltet, wie es scheint, ein grimmiger Humor. Heute wird das Zentrum mit der übrigen Regierung auch dem Kappisten v. Reudell das Bertrauen aussprechen. Das ist der vorläufige Höhepunkt dieser Groteske, aber noch nicht ihr Ende.

Die Rede Landsbergs.

Als der Reichstag   gestern nachmittag nach einer Pause von einer Stunde wieder zusammentrat, erhielt zunächst Genosse 2andsberg das Wort. Seine trefflichen Ausführungen bildeten den Höhepunkt der Debatte, über die wir in der zweiten Beilage berichten.

Genosse Landsberg   führte aus:

Wir haben schon manche Koalitionsbildung erlebt. Aber daß eine Koalition unter folchen Gewittererscheinungen begonnen hat, wie wir es heute gehört haben, das ist trok Ben Akiba   noch nicht dagewesen.( Buruf rechts: Ein gutes Zeichen für ihre Haltbarkeit!) Ich habe fein großes Interesse an der Haltbarkeit dieser Koalition. wenn die einzelnen Parteien dieser Koalition ihr Mißtrauen oder ihr Vertrauen aegeneinander hier zum Ausdruck bringen würden, dann ist es sicher, daß fie fich ihr Vertrauen gegenseitig nicht ausgesprochen hätten. Nach der Rede des Abg. Guérard hätten ein Bertagungsantrag eingegangen wäre, damit die Zimmermeister wir eigentlich erwartet, daß aus den Reihen der Koalitionsparteien Gebälf noch halte, denn es scheint schon einigermaßen erschüttert der Koalition in eine Prüfung darüber eintreten fönnten, ob das zu sein.( Buruf rechts: Es hat nur gefniſtert!)

Die Deutschnationale Wandlung.

Mit der Rede des Grafen Westarp war im gan wir haben dankbar davon Kenntnis genommen, daß der Abg. zen Hause nur der Abg. Dr. Scholz einverstanden. Dr. Scholz jemanden, der die Außenpolitik betreibt, die die Partei

An die Partei!

Obwohl also für diese erste Abstimmung ein Sieg der Regierung wahrscheinlich ist, sah man gestern in der sozial demokratischen Fraktion nur vergnügte Gesichter. Zunächst war es die Demütigung der Deutsch   nationalen durch den Zentrumsführer v. Guérard und durch die folgende entschuldigende Erklärung des Grafen West arp, die diese behagliche Stimmung hervorrief. Auch die Rede des Demokratenführers Koch wirfte durch ihre oppositionelle Entschiedenheit ausgezeichnet. Dann aber war es die glän­zende Rede unseres Genossen Landsberg  , die das Haus Der Bürgerblod regiert! Einer Weifung des Reichs­in Spannung hielt und zum Schluß den stürmischen Beifall präsidenten folgend, hat sich die Reichstagsfraktion des Zentrums der Linken auslöfte. Sie bedeutete einen moralischen Sieg mit den Fraffionen der Rechten zu einer Regierungsfoalition der der Opposition, errungen durch geistige Ueberlegenheit. Mitbürgerlichen Bartelen vereinigt. Wie im alten Obrigkeits­dieser Rede hat die deutsche Arbeiterschaft den Siegern" auf staat ist auch jetzt wieder die Sozialdemokratie, die Ber­der Rechten ihre ganze Berachtung und ihren ganzen Zorn treterin der Lohn und Gehalt empfangenden Schichten, von jedem ins Gesicht geschleudert und ihnen den allerschärfsten Kampf direkten Einfluß auf die Reichsgeschäfte ausgeschloffen. Die Parteien

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angefagt. der Arbeitgeberverbände, des Großfapitals und des Landsbergs Angriff traf mit besonderer. Wucht e einen Mann der bleich auf der Ministerbank saß, den neuen deutsch  - Großgrundbefizes halten das Heft in der Hand. nationalen Innenminister v. Keudell Man hat wenig von diesem Mann gewußt, der aus der politischen Verborgen­heit auftauchte, als durch den Fall Graefs eine Lücke entstand. Bon Landsberg erfuhr man, wer er ist ein im Jahre 1920 gemaßregelter preußischer Landrat, der sich im März jenes Jahres auf die Seite der Kapp- Regierung geschlagen hatte. Der Erregung, die diese Enthüllung hervorrief, folgten Stürme der Heiterfeit, als Landsberg   die militärische Vorbereitung schilderte, die v. Keudell damals mit feinen 20 Gendarmen und Landjägern getroffen hatte, um bei 3äderid einer nur in der Phantasie existierenden Roten Armee  " ein Treffen anzubieten.

In seiner Antwort gab v. Keudell   zu, daß er als Landrat wegen seines Verhaltens im Kapp- Butsch gegangen worden ist. Er will nur nicht in direkter Fühlung mit Kapp gestanden und von seinem vorgesezten Regierungspräsidenten die Weifung erhalten haben, für die amtliche Weiterverbreitung. der ihm von der Kapp- Regierung durch die örtliche Reichs mehrbrigade zugesandten Rundgebungen zu sorgen. Da­zu ist zu bemerken, daß v. Keudell   derartige Weisungen von feinem Regierungspräsidenten nicht erhalten hat. Höchstens kann sie der Oberregierungsrat Keller in Frankfurt   a. d. D. gegeben haben, dessen Rolle im Kapp- Putsch   ziemlich dunkel ist. Uns liegen die Kundmachungen der Kapp- Regierung, die auf dem Wege über die Reichswehr   nach Königsberg ( Neumark) gelangt sind, vor. Sie sind alle mit der Weisung des Landrats versehen, sie weiterzuverbreiten. Eines dieser Dokumente sei hier wiedergegeben. Als die Putschregierung in ihren legten Zügen lag, verbreitete fie befanntlich die Schwindelnachricht, daß sich die rechtmäßige Regierung mit ihr

Die Sozialdemokratische Partei   war in der Republit, deren Grundlagen fie geschaffen und gesichert hat, bereit, ihren Anteil an der Berantwortung zu übernehmen und mit anderen Parteien gemeinsam pojitive Arbeit zu leisten. Die Deutsche   Bollspartei jedoch - nach dem Ausspruch des Zentrumsführers Stegerwald das Real­tionärste was es gibt" hat alle Verfuche, eine Regierung des Ausgleichs und der Verständigung zu schaffen, zielbewußt zerschlagen. Die Errichtung einer klassen herrschaft in schärft er Form war ihr Ziel. Schließlich hat der Wille Hindenburgs für die Schaffung des Bürgerblocks den Ausschlag gegeben.

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Gegen diese Regierung rufen wir zum& ampf. Wir werden uns durch ihre Erklärungen nicht blenden lassen. Worte vermögen nicht darüber hinwegzuläuschen, daß durch die Schaffung des Bürgerblocks die Kluft der Klaffengegenfäße vertieft worden ist und daß das Befihbürgertum regiert.

Die Deutsch nationale Partei hat über ihr Berhalten zur Republik, zur Außenpolitik und zur Sozialpolitik Versprechungen abgegeben, die sie selber nicht ernst ni mt und die sie nicht halten wird. Die Politik der Berständigung mit unseren ehe­maligen Kriegsgegnern, der Herstellung eines wirklichen Friedens. zustandes in Europa  , der die Sozialdemokratie den Weg gewiesen hat, ist bedroht. Die Schule soll in den Machtbereich der Kirche gestellt werden. Fragen der Arbeitszeit, des Arbeiter. ichuzes, der Arbeitslosenversicherung follen von einer

Nieder mit dem Bürgerblock!

| Koalition entschieden werden, in der die Arbeitgeber dominieren, der Einfluß der Arbeitnehmer aber gleich null ist. Mitregieren soll die Bertretung des Großgrundbefizes, der Landbund, dessen Wirken auf eine ftändige Verfeuerung des Lebensbedarfs der Massen gerichtet ist.

unvermeidliche Folge dieses Systems.

Politische und soziale Kämpfe von größtem Umfang sind die

Soll sich das arbeitende Volf in diesen kämpfen siegreich be­Es stünde heute schon um feine Sache besser, wenn seine Kraft nicht haupten, dann muß es einig und geschlossen in sie eintreten. durch die kommunistische Spaltungsarbeit geschwächt worden wäre. Hindenburg   hat die Regierung des Bürgerblocks geschaffen. Hindenburg   verdankt aber den Kommunisten seinen Sieg. nicht gegen die bürgerlichen Klaffengegner des Proletariats, sondern Und wie stets führen die Kommunisten auch heute noch ihren Kampf gegen die Sozialdemokratie. Sie machen sich damit zu Bundes­genossen der schlimmsten Arbeiterfeinde.

Die Sozialdemokratische Partei   wird allen Berwirrungsversuchen zum Trotz ihren Kampf gegen den Bürgerblock führen nach den Regeln, die sie als die richtigen erkannt hat. Um ihre Fahnen werden sich alle scharen, die eins mit ihr sind in der Ueber­zeugung, daß in der deutschen Republik für eine politische klassen­herrschaft des Befihes tein Raum mehr fein darf. Nicht zum ersten Male erlebt sie, daß unter der Parole der bürgerlichen Sammlung zum Kampf gegen sie aufgerufen wird. Stets aber ftand noch am Ende jeder bürgerlichen Sammlung der Zerfall für

die Sozialdemokratie aber ein neuer Sieg.

Vor dem Sieg steht der Kampf. Genoffinnen und Genoffen, Ihr werdet ihn mit dem Aufgebot aller Kräfte führen. Jetzt, Ihr fühlt es alle, muß es vorwärts gehen! Jetzt erst recht!

Sorgt für politische Aufklärung! Stärkt Eure Partei! Werht für Eure Preffe!

Hoch die Sozialdemokratie!

Der Parteivorstand.