Einzelbild herunterladen
 

Sonntag

13. Februar 1927

Alus der Film- Welt

Die Filme der Woche.

Mensch unter Menschen."

( Ufa  - Theater am Kurfürstendamm  .)

Die Verfilmung von Bictor Hugos großem Tendenzroman Die Elenden" hält in seinem zweiten Teil leider nicht ganz, was er im ersten versprach. Die Geschichte des ehemaligen Sträf lings Jean Valjean, der sich vor seinem Berfolger, dem allgegen wärtigen Auge des Gesetzes, Javert, immer noch verborgen halten muß, und feines angenommenen Kindes, Cosette, das inzwischen zum jungen Mädchen herangewachsen ist, wird in epischer Breite und in einer schon überlebten Filmtechnik weiter geführt. Das Paris  von 1830 ist der Schauplah. der Handlung, meist in entlegenen und altmodischen Quartieren. Jean Valjean lebt mit seinem Pflegekind in bürgerlicher Wohlhabenheit, aber das Elend und die Not, deren Opfer er einst selber war, wird uns in der Familie Thénardier schrecklich genug vor Augen geführt. Daneben wird eine ganze Apachenbande in Szene gesetzt. Das Hauptinteresse aber wendet sich der Liebe Cosettes und des Marius zu, des jungen, für Freiheit und Fortschritt begeisterten Schriftstellers, der trotz seiner Herkunft aus dem Adel für die Sache des Boltes eintritt. Der Aufstand gegen Louis Philipps Bürgerregterung wird in breitangelegten( etwas matten) Barrikadentämpfen geschildert. Die Freiheitsstreiter unter­liegen; Jean Valjean, der in die Kämpfe eingegriffen hat, vermag den schwerverwundeten Marius zu retten. Es kommt zu jener be­rühmten Wanderung durch die Abflußkanäle von Paris   mit all ihren Schauern. Die Schlußizenen sind sehr rührend, wenn auch allzu ſehr auf die Tränendrüsen spekuliert wird. Marius und Cojette sind ein Paar geworden. Baljean, jetzt ein Greis, fühlt sich vereinsamt und verlassen, aber das junge Baar sucht ihn auf, und in ihren Armen findet er einen friedlichen Tod. Das eigentliche Problem der Handlung, die Verfolgung des ehemaligen Sträflings, tritt mehr in den Hintergrund. Nur einmal treffen sich noch Javert und Baljean während der Revolution. Javert ist als Spigel entlarot worden, Valjcan bittet ihn sich aus, da er in erster Linie berufen ist, Rache für die Verfolgungen eines ganzen Lebens zu nehmen. Aber im legten Augenblid läßt er ihn frei, und Javert scheint in der Tat ein anderer geworden zu sein. Er hilft Baljean bet seiner Flucht mit Marius, sucht aber dann aus Gewissensbissen über be­gangene Pflichtverfäumnis den Tod in der Seine. Die Darsteller find auch im zweiten Teil dieselben wie die ersten, Gabriel Gabrio  ist der treusorgende Biedermann, wie er im Buche steht. Er hat die undanfbare Aufgabe, von Szene zu Szene mehr zu altern. Aber er weiß sich mit Würde aus der Affäre zu ziehen. Jean Toulout  trägt die gleiche starre Maste des Polizisten wie im ersten Teil. Zandra Milowanoff spielt egt die Cosette als braves, nettes, ganz auf ihre Liebe bedachtes Mädchen. Mit jugendlicher Be geisterung charakterisiert Rozet den jungen stürmischen Marius. Wie im ersten Teil entzückt auch im zweiten ein Rino burch seine Leiftung. Der fleine Badiole leiht dem Typus des Bariser Straßenjungen, dem Gavroche, alle Pfiffigkeit, allen Elan und Mut, die diesen auszeichnen.

, Gauner im Frack." ( Emelka- Palast.)

D.

Die fleine Rahmenhandlung, die den Film umgibt, ist ohne be­sondere Bedeutung. Ein deutsches Ehepaar fährt nach Paris  , der Mann geht auf Abenteuer aus. Die Frau, bisher unmodisch und unelegant, beschließt es auf parifierisch zu versuchen, wird comme il faut eingekleidet und frisiert und trifft natürlich ihren Mann in den Folies Bergère  , der befannten Bergnügungsstätte. Erst nach und nach erkennt er sie und wird durch ihren Charme aufs neue erobert. Dazwischen aber spielt fich die endlose Reihe der Revue­izenen ab. Man sieht ungefähr dasselbe, was man auch in Berlin  zu sehen bekommt: im wesentlichen Tänze und Ausstattung. Auf die Dauer ermüdet man und mert sich nur die wirklich außerordent­liche schwarze Tänzerin Josefine Bater, die ein Programm und ein Temperament für fich ist. Daneben noch die Tillergirls, die aber im Film nicht mehr so start wirten wie auf der Bühne. Die Farbigkeit, die dieser Film verwendete, verlieh ihm besonderen Reiz; es gab schöne Farbenharmonien. In der Rahmenhandlung machten sich Claire Rommer   als die Provinzdame, die sich in eine Großstädterin verwandelt, und Margarete Lanner   als schicke Pariserin besonders bemertlich.

Unter Ausschluß der Oeffentlichkeit?" ( Picadilly.)

1

T.

und die

Bon Mädchenhändlern und ihrem dunklen Treiben scheinen sich zweite Film in diesem Winter, der sich mit diesem Stoffe befaßt. die Filmunternehmer allerlei zu versprechen. Dies ist bereits der ihn in wiederholten Verfahren zu starken Veränderungen veranlaßt. Freilich hat er sich nicht voll entfalten können, denn die Zenfur hat Jetzt ist der Mädchenhandel in den Hintergrund gerückt Jetzt ist der Mädchenhandel in den Hintergrund gerückt- tatsächlich soll er in Wirklichkeit auch faum mehr eine Rolle spielen Hauptfache ist ein Sittenbild mit friminellem Ausgang geworden. lings vor Gericht; die Deffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, aber Eine ganz furze Rahmenhandlung bringt die Ermordung eines Wüst der Richter selbst tritt für ihre Beibehaltung ein, damit die Berhand­Ibrahim Hulam, ein ausgesprochener Orientale, der in Berlin   große fung aufklärend wirken fönne. Im Mittelpunkt der Handlung steht Geschäfte macht und des Mädchenhandels verdächtig ist. Er weiß durch geschickte Manöver die bildhübsche Tochter des Herrn v. Schlent, ihn nicht eine Spur, aber bringt das Opfer ihrem Vater, um ihn aus Anita, eine hervorragende Tänzerin, zur Ehe zu zwingen. Sie liebt leichtsinnig übernommenen Wechselverpflichtungen zu retten. Ibrahim jucht vergeblich, die Liebe der Frau, der er sklavisch ergeben ist, zu erringen. Durch einen Zwischenfall kommt die ganze Affäre Ibrahim frische Menschenware liefert, wird ein alter Lüftling ermordet. Der Hulams ins Rollen. In einem zweifelhaften Salon, deren Inhaberin Berdacht fällt auf Herrn v. Schlent, der vorher einen Streit mit diesem Herrn hatte. Aber der wirkliche Täter meldet sich, es ist der Bruder der jungen Eva, der in Notwehr tötete, als er feine Schwester vor den Nachstellungen des alten Lebemannes bewahren wollte. Gleichzeitig wird die verschiedenen Handlungen gehen ziemlich durcheinander das Verfahren gegen Ibrahim aufgenommen; er entzieht sich ihm, da er keinen anderen Ausweg sieht, durch Selbst mord. Nun ist der Weg frei für Anita zu ihrem Jugendgeliebten, der zu ihren und ihrer Familie Gunsten wiederholt in die Handlung eingreifen fonnte,

Robert Wiene   hat aus dem Manuskript träftige Filmwirtungen herausgearbeitet; er wurde dabei unterstützt von einer Reihe glänzender Darsteller. Werner Krauß   gab den Ibrahim mit einer höchst interessanten Maske und charakteristischer Erscheinung. Er war ein levantinischer Othello mit wulstigen Regerlippen und Kraushaar eine Brachtleistung. Er suchte sogar die Rolle etwas zu vertiefen; das Halbtier, das bei all seiner Gerissenheit einer Frau hörig wurde, hat das dunkle Berlangen, durch sie aus seiner Sphäre emporgeführt zu werden. Jakob Tiedtke   gibt den merkwürdig duffeligen und gut

-

NEUESTE AUSZEICHNUNG

Der Regisseur Manfred No a hat stets eine flare Stellung nahme zum Sujet und eine eigene Note. Dieses Mal reichte beides nur zu einem guten Durchschnittsfilm. In recht luftiger Art wird von zwei Gaunern erzählt, die man zuerst in Sträflingskleidern kennenlernt und die sich ihre Frackanzüge erst so nach und nach ergaunern. Der eine ist ein Bauberfünstler, der Beruf und Privat­leben nicht genau genug unterschied und zu unangebrachter Zeit fremde Sachen in seine Tasche zauberte. Der andere ist ein Bant­beamter, der Unterschlagungen machte. Gerne möchte er ein neues Leben beginnen, aber jeder sieht in ihm nur den entlassenen Sträf ling. Kein Wunder, daß er fich an den Freund, den er im Ge fängnis tennenlernte, erinnert und dank dessen Lehren auch Ge legenheitstünstler wird. Die Aufmachung macht's. Sobald der Hochstapler im Frack steckt, macht er Karriere; bald sigt er im Justizministerium, bewohnt im Hotel eine Flucht von Zimmern und verlobt sich mit einer Gräfin. Schließlich wird er ertappt; doch auch das ist für ihn gut, denn nun bekommt er das Mädel, das ihn liebt. Das gönnen ihm die Zuschauer von Herzen, denn fie haben diesen Hochstapler im Frad gern, er hat so nette Manieren, er ist ein wirklich guter Freund, er läßt die Glückssonne auf mensch liche Schattenpflanzen scheinen, und die Betrogenen gehören gerade nicht zu den auserlesenen Vertretern der Menschheit. Die Manu ffriptverfasser arbeiteten nur mit Zufälligkeiten und nach Scha­blonen, so daß selbst Manfred Noa   topieren mußte, als er die Einfälle" ausmußte. Nils A st her hat so das richtige Photo­graphiergesicht und seine ganze Art sich zu geben ist so, daß er unter dem Filmpublikum schnell Freunde gewinnt. Paul Heide. mann hatte als Bauberfünstler piele interessante Möglichkeiten in feiner Rolle; er nugte fie bei starter Uebertreibung ulfig aus. Die Damen Susy Vernon. Mary Kid  , Asta Gundt sahen schön TEIS  aus und waren fesch gekleidet. Die Aufnahme dieser befracten Gauner war sehr freundlich; hoffentlich bekommen sie nicht gar zu viele Nachfolger. e. b.

Die Frauen vou Folies Bergère  ."

( Primus Palaft.)

4

Jeht, ba bie Revuen im Abflauen begriffen sind, nimmt sich Der Film ihrer an, offenbar um sie überall dahin zu tragen, wo feine Revuen zu sehen sind. Wenn dies der Sinn des Unter­nehmens ist, so mag man ihn gutheißen. Aber mit der Revue ver­glichen, die doch auch zu einem großen Teil ihre Effekte durch Bild­wirtungen erzielt, verblaßt der Film und wird zum bloßen Erfazz.

KRZ

GOLDENE MEDAILLE

BRÜSSEL $ 1926

BRUXELLES

1926

SPECTROL

DAS FLECKENWASSER

Gebrüder Kraner, EOS- Werke, Berlin  - Danzig  - Sofia  .

Beilage des Vorwärts

mütigen Herrn v. Schlent mit allen Allüren des Bonvivants. Ganz starr und Maste ist Vivian Gibson   als Anita, die durch ihre schöne Erscheinung gefangen nimmt. Ida Büft weiß der Saloninhaberin pridelnde Züge abzugewinnen. Maly Delschaft   ist das einfache Mädchen aus dem Bolke, Wilhelm Dieterle   ihr sympathischer Bruder und Beschüßer. Auch die kleineren Rollen find sämtlich gut befeßt, so daß eine vorzügliche Ensemblewirkung dem Reißer Niveau gibt. D.

-

Die Tragödie eines Verlorenen." ( Marmorhaus.)

Borzüge der Darstellung verdeden wenigstens zeitweilig die Mängel der von Max Glaß   sozusagen erdachten Handlung. Ins besondere Ralph Artur Roberts als meschant schmunzelnder Hochstapler und Pseudograf mit spöttischem Schnurrbärtchen im niederträchtig glatten Gesicht ist bis in die Seitenblicke und bei­läufigen Handbewegungen hinein kostbar. Famos, wie er sich mit felbstgefällig abgefeimtem Lächeln an sein Opfer heranpirscht. Das Opfer, das ist ein Bantbeamter, den die Not liebeleerer Einsamkeit verstört ein vom unbefriedigten Geschlechtsdurft gemarterter, leicht zu mißbrauchender Mensch. Sein bleiches, fahriges Wesen charakterisiert Alfred Abel   leise und eindringlich, um weiterhin gewinnen. Die völlig unvermittelte Verwandlung jedoch dieses der Berzweiflung eines haltlos Abgeirrten starken Ausdruck abzu­mit der fäffigen Sicherheit des geborenen Lords auftretenden schwer deprimierten und äußerlich höchst kläglichen Mannes in einen Unmöglichkeiten ist in diesem Film fein Mangel. Den ungenügenden Elegant vermag auch er nicht glaubhaft zu machen. An solchen Borausfegungen der Handlung entspricht die abfurde Schwerfällig­verhalt überblidt, wächst langsam aus, wenn er die Untersuchung feit des kriminellen Abschlusses. Der Zuschauer, der den Sach­des Kommissarus Tenholt denkbar wären. Die Tragit des feruell in Fehlschlüsse abirren sieht, die nicht einmal in Magdeburg  Entbehrenden ist nur obenhin gestreift. Kurt Gerrons un­ders fommen dem unter Hans Steinhoffs Berantwortung appetitlicher Komplice, die schöne Erscheinung Helga Molan. geschickt aufgenommenen Film recht zugute. Albbrud sind ein paarmal neuartig gestaltet. Wolluftvision und Aber das Ganze erschöpft sich doch in abgespielten Entwicklungen und Situationen.

Die Geliebte." ( Tauenhien- Palast.)

Wdt.

Der Fall liegt hier tompliziert. Anna v. 3izka ist überhaupt nicht die Geliebte des Prinzen August, sie tut nur so, sonst denkt sie nicht daran. Bei ihr gilt nur der Ring am Finger. Aber trog­dem überhäuft die prinzliche Hoheit sie mit Geschenken und dafür fauft das herzige Kind feinen Eltern das versteigerte Stammschloß zurüd. So gut, so zudrig nett, fo echt wienerisch ist es, ein Pracht­mädel, das am Schluß doch noch den Brinzen heiratet ,, troß der wütenden Proteste der regierenden Großmutter. Und auch eine Revolution stellt sich zur rechten Zeit ein, entthront den Prinzen und gibt ihm Gelegenheit, Gewichtiges über die bürgerliche Welt­ordnung zu sagen. Wien   ist bereits überlebt, Militärfilme sind ebenfalls als Reißer abgefekt, es muß also ein neues Schema ge­funden werden. Da Revolutionen unbedingt über gewisse Reize verfügen, hat man sie jetzt seit einiger Zeit für den Film entdeckt. Und eine Kombination von Wien  , Revolution und mehr oder minder hochherzigen Fürsten   ergibt ungeahnte Möglichkeiten. Hier geht es aber recht humoristisch zu. Am Anfang fürchtet man Rührungstränen. Es ist auch zu schlimm, wenn die verarmten Croy hat das Herz auf dem rechten Fleck. Wie diese zarten Komtessenhändchen waschen können: man lächelt schon leise unter Tränen, und vor Harry Liedttes liebenswürdiger und dabei prinzlicher Eleganz wird jeber Kummer im Keim erstickt. Selbst ber gedrückte Papa, Eugen Burg  , findet wieder Freude an reich­haltigen Frühstücken. Ja, und wenn dann erst der alte, vertrottelt Fürst, Hans Juntermann, auftritt, der mit Bleisoldaten napoleonische Schlachten gewinnt, und mit ihm der Adjutant Pau Heidemann, dann lacht sogar das fentimentalfte Jungmädchen. Aber die Fürstin, Adele Sandrot, ist von einer so herrscherlichen Würde, daß sie waschechte Hohenzollernfprößlinge darum beneiden fönnten. Das alles ist so nett von dem Regisseur Robert Wiene  arrangiert, daß felbft Sentimentoiitälen, die hin und wieder ver­schüchtert auftauchen, tein welteres Unheil anrichten. f. S.

Zirkus Renz." ( Primus- Palast.)

Oft fopiert und nie erreicht," so lautet zuweilen die Artisten reklame; doch viel kopiert und nichts erreicht," tönnte man als Motto diesem Film vorausschicken. Das Manuftript ist nicht von Courts- Mahler, aber es könnte von ihr sein. Handelnde Personen: ein alter Birtusdirektor, der zusammenbricht, eine Enfelin, die eine fefche Stehendreiterin ist, ein Jockei, der sich verliebt, und ein Ba­ron, der non Edelmut trieft. Und Knallefefkt: Kinder der Manege gehören zusammen, der Baron   verzichtet. Das ist besonders wirtungsvoll, erstens weil Angelo Ferrari   ihn mit überlegenem Schneid und feiner Zurückhaltung spielt, und zweitens, weil diese Tat am eigenen Polterabend geschieht. Der Regisseur Wolfgang Reff hatte durch die Berwendung des Namens Renz sich selbst erhebliche Berpflichtungen auferlegt, benen er nicht gerecht wurde. Bon sauberer Pferdearbeit, die mit dem Namen Renz unauslösch­lich verknüpft ist, erblickte man nicht viel. Mary Kid  , die wirklich gut aussieht, befam man mitunter und die anderen Darstellerinnen sehr oft in Berzerrungen zu sehen. Waren sie schlecht geschminkt? Lag es an der Photographie, an der Beleuchtung oder an dem ausgesucht schlechten Plaz, den man der Kritik einräumte? e. b.

DER KENNER SCHWÖRT

AUF

PREUSSENGOLD

58

Hochwertige Edel- Cigarette 5S PHÄNOMEN