Mr. 86+44. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts Finanzpolitik und Einheitsstaat.
Nede des Genossen Keil im Reichstag.
In der Fortsetzung der Etatsbebatte im Reichstag ergriff nach ber Rede des Finanzministers& öbler gegen feinen Amtsvor gänger Reinhold, über die wir bereits im Abendblatt berichteten, Genoffe Reil das Wort.
Abg. Keil( Goz.):
In den Augen vieler Menschen, auch mancher Abgeordneten, find Finanz- und Steuerfragen etwas Trodenes und Langweiliges. Aber auch schon vor der Rede des Reichsfinanzministers, der etwas Ton und Farbe in unsere Auseinandersetzungen gebracht hat, boten diese für den aufmerksamen Zuhörer manches Interessante, zuweilen auch einige leberraschungen Der Grund dafür lag nicht lediglich darin, daß ein neuer Reichsfinanzminister als Bertreter einer neuen Regierungsfoalition vor uns ftand, sondern auch darin, daß mit der neuen Parteigruppierung sich rasch neue Anschauungen und Ueberzeugungen bel einzelnen Bartelen gebildet haben. Man farm es dem neuen Reichsfinanzminister nicht übelnehmen, daß er den von seinem Amtsvorgänger dem Reichstag vorgelegten Etat entwurf mit feinen eigenen Augen betrachtet. Wenn nun aber die. felben Barteten, die Herrn Dr. Reinhold gefolgt sind, nach seinem von ihm selbst nicht gewollten und nicht verschuldeten Rücktritt Idarle kritit an ihm üben, so will das nicht ganz gerecht erscheinen.( Lebhafte Zuftinuming fints.)
Sonntag, 20. Februar 1927
Hat der Finanzminister eine Mehrheit für seine Pläne?
Ich verstehe auch die gereizte Tonart, in der Herr Mert Herrn| wohl zumute fein. Er tönnte mit ruhiger Zuversicht den kommen. Reinath erwiderte und die fich fast bis zur Ründigung der Roali- den Entscheidungen entgegensehen, wenn es mit dem Segen getan tionsbrüderschaft steigerte.( Heiterfeit Imts.) In einem Puntte wäre, den ihm Herr Brüning so reichlich gespendet hat; aber tann ich dem Redner der Deutschen Volkspartei zustimmen. der schwäbische Bauer sagt: Da hilft fei Bete nig, da muß Mischt na!"( Heiterfeit.) Nun braucht der Herr Reichsfinanzminister zwar zur Erfüllung feiner Aufgaben feinen Mist, aber er braucht eine Mehrheitsbildung, die Regierungsfoalition muß ge schloffen zusammenstehen und von dieser Geschlossenheit in den Finanz- und Steuerfragen habe ich während der letzten Tage herzlich wenig bemerkt.
Das Deutsche Retch if in der Tat ein schwerfälliges fiaatsrechtliches Gebilde mit einer fehr teuren Berwaltung. Aber was nügen alle Bereinfachungsredereien, wenn man um den Kern der Dinge herumschleicht wie die Kaze um den heißen Brei. In der Bresse, in der das parlamentarische Regierungssystem verbaßt ist, spazieren alle paar Tage einmal die 2600 Parlamentarier auf, die wir in Deutschland haben, die Diäten werden ihnen vor. gerechnet und alles, was damit zufammenhängt. Dabei aber greift diefelbe Bresse ebenso oft die Weimarer Verfassung wegen ihrer unitarisen Tendenzen an( Sehr richtig, b. d. Soz.) und läßt heute noch Bech und Schwefel über die Grabergeriche Steuergefeßgebung und Reichsteuerverwaltung regnen. Mit der Aufhebung selbständiger Berwaltungen in Bal ded und in Lippe, an die Herr Mert wohl gedacht haben mag, wird dieses Problem nicht gelöst. Da nun Herr Körner meint, auch ein württembergisches Gemüt babe für die tege: rischen Bemertungen des Herrn Reinath fein Berständnis, so barf ich baran erinnern, daß ich felbst einmal die Ehre gehabt habe, Bir Sozialdemokraten haben nicht Hosianna gefungen, ais während eines Zeitraumes von 20 Monaten der Regierung eines Dr. Reinhold fein Amt übernahm, und wir schreien nicht: Kreu- dieser Zeit habe ich tagtäglich sehen können, in welch ungeheuerdeutschen Mittelstaates, Württembergs, anzugehören. Während ziget ihn! nachdem er sein Amt verlassen hat. Wir haben ihm dom ersten Tage feiner Amtsführung an( teptif gegenübergeftanden lichem Maße Zeit, Gelb und Kräfte durch die selbständigen Regie und haben dieser Stepfis, die sich zuweilen zu heftiger Rrititungsapparate von Ländern vergeudet werden, deren Gebietsumfang und Einwohnerzahl weit hinter den größeren preußischen verschärfen mußte, Ausdrud gegeben, auch wenn die Kriti. Brovinzen zurückbleibt.( Sehr richtig, b. d. Soz.) Ich habe schon ter von heute porgezogen haben zu schweigen. in meiner damaligen Stellung nicht verfäumt, meine Auffaffung auf Grund der gesammelten Beobachtungen, gewonnenen Einblice und Erfahrungen zum Ausdrud zu bringen.
Die Rede des neuen Reichsfinanzministers enthielt neben manchem, dem wir widersprechen müssen, auch Bemerkungen, die vermutlich den Herren Oberfobren, Reinath und Mert weniger angenehm in den Ohren geflungen haben als uns. Su ben Bemerkungen, denen wir widersprechen müssen, gehören u. a. diejenigen, die sich auf die Aufwertung bezogen. Ich weiß
Es ist eine ungeheuerliche Geldverschwendung, von 18 Länderzentralftellen diefelben Dinge bearbeiten zn laffen, die von einer Reichsstelle ebensogut bearbeitet werden können.( Lebhafte Zu stimmung bei den Sozialdemokraten.)
nicht, wie bie Bemertung zu verstehen ist, daß an den Grundzügen Das gilt nicht bloß für Walded und Lippe, das gilt auch für
des Aufwertungsrechts nichts geändert werden dürfe.
Will man etwa behaupten, es fei geredyt und unvermeidlich, die Banten, die in den letzten Jahren ungeheure Erfräge erzielt haben, von jeder Aufwertung langfriffiger Einlagen za befreien?( Sehr richtig, fints.)
Bill man behaupten, daß an den ummöglichen Südwirtungsterminen, an der unzulänglichen Berzinsung des Aufwertungsbetrages, an der unzulänglichen Regelung der Spartassenaufwer tung der Brivatpenfionsfallenaufwertung und an der Regelung der Aufwertung der öffentlichen Anleiben festgehalten werden muß? Ueber diese Fragen werden wir uns bemnächst in einem Ausschuß unterhalten müssen, und ich hoffe, daß das Ergebnis nicht mit der Erklärung des Reichsfinanzministers übereinstimmen wird.
Zu den Bemerkungen des Finanzministers, die der anderen Seite des Hauses wenig angenehm in den Ohren geflungen haben mögen, gehört die, daß mit der Subventionierung privater Unternehmungen aus Reichsmitteln ein Ende gemacht werden müsse. Sier war nicht ein einziger auftimmender Laut von rechts zu ver nehmen.( Heiterfeit linfs.) Auch die Bemertimng des Herrn Dr. Köhler, daß die Erzbergeriche Redhsfinanzverwaltung bei behalten werden müffe, fanb teinen Beifall bei der Bayerischen Bolkspartel, beren Rebner, Herr Mert, den Beifall durch die Mahmung an Herrn Dr. Röbler erfekte, er möge in der Mäßigung feiner föderalistischen Neigungen nicht zu rasch vorwärts schreiten. ( Helterfeit fints.) Etwas schärfer wurde Herr Mert gegenüber feinem Roalitionsfollegen Reinath, der allerdings alle Ridicht auf die bayerische Boltsfeele außer Acht gelaffen hat. Herr Reinath sprach von dem Schwerfälligen staatsrechtlichen Gebilde des Deut schen Reiches, das eine große Verteuerung der öffentlichen Verwaltung bedinge; er lehnte den§ 35 des Finanzausgleichsgefeßes ab; er beanstandete die Einnahmegarantie, die das Reich den Län bern bietet, und die der Reichsfinanzminister erhöhen will; er for berte eine reichsrechtliche Regelung der Ertragssteuern, wenigftens eine Begrenzung nach oben. Das war ein bißchen viel auf einmal, jedenfalls viel mehr, als ein urbanerische sGenrüt ertragen fann. ( Hefterfeit Hints. Abg. Körner: Auch ein württembergisches Gemüt.) Darauf tomme ich noch.
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Bagern. Die innerftaatliche Gliederung, die unter rein dynasti fchen Gesichtspunkten erfolgt ist, ist nicht ewig unabänderlich, fie muß mit der Entwicklung fortschreiten und sich den Bedürfnissen der Menschen anpassen. Beweglicher als der Redner der Bayerischen Bollspartei in dieser Frage zeigte sich in einigen Fragen der Red ner der deutschnationalen Fraktion Herr Dr. Dberfohren. Er hat in manchen Puntten rascher umgelernt als die Bresse feiner Bartei und hervorragende Parteigenossen von ihm Der württembergische Finanzminifter 3. B., sein Parteigenosse, läßt feine Gelegenheit vor übergehen, ohne die heftigsten Angriffe gegen die Erzbergersche Reichssteuerverwaltung zu richten, und in der deutschnationalen Bresse tonnte man noch vor wenigen Tagen lefen, daß nicht etwa der Krieg und seine Folgen das Finanzelend verschuldet haben, fondern allein die Umgestaltung der Steuerverwaltung nach den Borschlägen Erzbergers. Herr Oberfohren aber spricht schon jept, 14 Tage nach der Bildung der Rechtsregierung, dem Reichs finanzminister sein Vertrauen aus, nachdem dieser erklärt hat, daß an der Erzbergersen Steuergeleggebung und Reichssteuerverwaltung nicht gerüttelt werden dürfe.( hört! hört! bei den Soz) Herr Dr. Oberfohren erflärt sich auch mit der Berlängerung des provisorischen Finanzausgleichs auf 2 Jahre einverstanden, während draußen feine Bresse und seine Freunde noch heftige Oppofition machen, weil nicht schon jetzt bie endgültige Regelung des Finanzausgleichs getroffen wire. Herr Oberfohren tnüpft allerdings jeine Suftimmung zu der Berlängerung auf zwei Jahre an eine Bedingung, allerdings nicht föderalistischer, sondern zentralistischer Tendenz Er verlangt noch in diefem Sommer ein Reichsgefeß zur Begrenzung der Realsteuern, worauf wiederum der Redner der Bayerischen Boltspartet in scharfem Tone antwortet: Was bleibt denn dann den Ländern von ihrer Steuerhoheit noch übrig, wenn auch noch dieser Eingriff unternommen wird? Bir Sozialdemokraten sehen den Versuch einer Rahmenregelung der Ertragssteuern mit Interesse entgegen und sind bereit, daran mitzumirten. Aber wir wollen zunächst einmal abwarten, wie die Regierungsparteien unter fich in dieser Form einig werden. Das wird nicht so ganz einfach sein. Dem Reichsfinanzminister mag angesichts diefes Durcheinanders der Meinungen innerhalb der Regierungsfoalition nicht immer ganz
Ob der Reichsfinanzminister eine solche Mehrheit für eine foziale Finanz- und Stenerpolifit, von der er und Herr Brüning fprachen, innerhalb seiner Koalition zustande bringen wird,
erscheint nach dem Berlauf dieser Debatte sehr zweifelhaft. Wenn ich von einigen Bemerkungen des Herrn Dr. Brüning absehe, so hat sich fein Redner des Bürgerblocks mit der Lage der Ar. Bon einer Berbesserung der Steuergesetzbeiter beschäftigt. gebung im Sinne dieser notleidenden Volksschicht war nicht die Rede. Defto mehr sprachen die Herren Keinath und andere Redner, auch Herr Dr. Fischer, von der Notwendigkeit, den Eintommeneuertarif auseinanderzuziehen, also die größeren, bie großen und die Riefeneinkommen zu entlasten. Zum Ausgleich dafür will Herr Dr. Bredt
die Lohnsteuer auf 12 Prog. oder gar auf einen höheren Sah hinauffchrauben.
( hört! hört! bei den Soz.) Darauf antworte ich, daß jeder Versuch einer Mehrbelastung des Einkommens der Lohn- und Gehaltsempfänger nicht nur hier im Reichstage, sondern auch draußen in der großen Masse der Steuerpflichtigen den allererbittertſten Widerstand zur Folge haben würde.( Sehr wahr! bei den Goz.) Nicht Erhöhung der Sohnsteuer, sondern Herabjegung und ihre weitere foziale Ausgestaltung ist ein Gebot der Notwendigkeit, denn bie prozentuale Steigerung der gesamten Abgabenbelastung ist jetzt bei feiner Boltsf hicht höher als bei der Arbeiterschaft.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.
Parteipolitisch gefehen, fann es uns Sozialbemofraten mir recht sein, wenn in einer solchen Debatte mit aller Schärfe zum Ausdruc fommt, wie wenig die Maffe der Lohn- und Gehaltsempfänger vom Bürgerblock zu erwarten hat. Ich habe hier die Zeitschrift Deutsche Arbeit, ein Organ der christlich nationalen Arbeiter Schaft zur Hand. Sie enthält einen Auffah von Hans Jakob , überschrieben: hebt die Rauftraft! Darin wird all das beftätigt, mas mein Freund Dr. Herh in seiner Rede am Mittwoch über das Sinten der Rohstoffpreise, das Sinten der Produktionstoften überhaupt und das gleichzeitige Steigen des Lebenshaltungsinbeges, also über das Sinfen des Reallohnes, über die Verschlech terung der Lage der Arbeiterschaft gefact hat. Da heißt es wörtlich):
Wo find die Ersparniffe geblieben, die der Produktion durch die Gentung der Produktionskosten und Beibehaltung, teils sogar Erhöhung der Preise erzielt worden find?"
Die Antwort wird in demselben Artikel auch gegeben, indem es heißt:
Bas baben alle Härten, die unsere Bevölkerung, unsere Arbeitnehmerschaft in Verfolg der Rationalisierungsmaßnahmen und dergleichen auf sich genommen haben, was die Steuerfentung für die Produktion, die doch zu Lasten der Einkommensteuer ging, indem diefe, die vor allem den kleinen und Kleinsten trifft, unverändert hoch blieb, für einen Zwed, wenn die alleinigen Ruznießer die Unternehmer find, wenn alle Ersparniffe, die zwangsweise erzielt merden, lediglich einen Mehrgewinn für das Rapital bedeuten."
Wo ist nun in den letzten drei Tagen der Rebner aus dem Lager des Bürgerblocks gewesen, der diesen Stimmungen der chriftlichnationalen Arbeiterschaft Ausdruck gegeben hätte? Die Parteien der Rechten berufen sich auf die Millionen Wähler aus dem Lager der Kopf- und Handarbeiter, die ihnen die Stimme gegeben haben.
Was aber fun die Parteien der Rechten, was fut der Bürgerblod für diefe felben millionen deutscher Wähler? Sie ignorieren fie, und es bleibt allein die Aufgabe der Sozialdemo fratie, die Interessen der Lohn- und Gehaltsempfänger, auch aus ihrem Lager zu vertreten. Wir werden dieser Aufgabe treu bleiben und wei die Beriode des Bürgerblocs dazu dient, die nicht ifozialdemokratischen Ropf- und Handarbeiter
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