Abendausgabe
Nr. 91 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 45
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23. Februar 1927
Vorwärts=
Berliner Volksblatt
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Preußen und Groß- Hamburg.
Die Unterelbe- Gesehentwürfe im Landtag.
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gegen Bürgermeister Petersen.
Zu Beginn der Mittwochsigung des Breußischen Landtags hielt Ministerpräsident Braun anläßlich der ersten Lesung des Gefegentwurfes über die Neuregelung der fommunalen Berhältnisse im preußischen Unterelbegebiet eine Rede, in der er ausführte:
Die hier zur Beratung stehenden Vorlagen über die Regelung ber Berhältnisse im preußischen Unterelbegebiet werden die zuständiden Herren Reffortminister, soweit das über die gedruckte Begrünbung hinaus noch erforderlich ist, im einzelnen begründen. Ich sehe mich gezwungen, der Beratung einige allgemein politische Ausführungen vorauszuschicken. Am 9. d. M. hat der regierende Bürgermeister von Hamburg , Dr. Petersen, in einer eingehenden Rede das Groß- Hamburg- Problem und das Verhältnis zwischen Breußen und hamburg besprochen. Die Ham burger Breffe bezeichnet diese Rede als eine Generalabrech nung mit Preußen und hebt hervor, daß der Bürgermeister mit schonungsloser Offenheit völlige Klarheit in dieser die Deffentlichkeit bereits mehrere Jahre beschäftigenden Angelegenheit gebracht habe.
gemeindung von Harburg , Altona , Bandsbet und| Wilhelmsburg nach Hamburg . Obwohl sich dagegen naturgemäß in Holstein sofort der stärkste Widerspruch geltend machte, ist dann der Hamburger Senat den Spuren des Arbeiter und Soldatenrates gefolgt und hat in einer Denkschrift am 7. April 1919 die Unterstellung des ganzen Unterelbegebietes von Hamburg bis Curhaven einschließlich der Ufer der Elbe, soweit sie Ueberschwemmungsgebiet find, unter Hamburg gefordert. Weiter wird in der Denfschrift verlangt die Eingemeindung nach Hamburg , und zwar der Städte Altona , Wandsbek , Harburg und Wilhelmsburg und von 54 Landgemeinden aus dem Kreise Stormaru, 20 aus dem Kreise Pinneberg , 20 aus dem Kreise Herzogtum Cauenburg, 42 aus dem Kreise Harburg , 11 aus dem Kreise Bort, 6 aus dem Kreise Winjen, 4 aus dem Kreife Stade , insgesamt an preußischen Städten und Landgemeindegebiet eine Fläche von 137 238 Heftar mit rund ½ million preußischer Bewohner.
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Das hätte die Bergrößerung Hamburgs Die Hamburger Herren werben mir nicht verübeln, wenn auch bedeutet. Gleichzeitig wurde in größtem Umfange von Hamburg 190 Broz an Fläche und 33 Bros. an Einwohneru aus eine Propaganda für dieses Groß- Hamburg in Beitungen, Beitschriften, Flugblättern, Frühstücken, Besichtigungen, Rundfahrten usw. inszeniert.
ich mit voller Offenheit versuche, die
Haltung Preußens in der Groß- Hamburg- Frage
flar zu legen und vor allem das wieder auf die Beine zu stellen, was in Hamburg auf den Kopf geftellt worden ist.
Es ist unrichtig, daß Preußen die Aufsaugung der norddeutschen Klein staaten erstrebt, diefe gat, wie es in Hamburger und von Hamburg inspirierten Presseaus führungen hieß, durch einen„ Drud erzwingen wolle. Ich habe bereits mehrfach hier im Landtage erklärt, daß Preußen gar nicht daran dente, auf irgendwelche Kleinstaaten einen Drud auszuüben, um sie zur Aufgabe ihrer Selbständigkeit zu veranlassen und ihren Anschluß an Preußen zu erzwingen. Indes steht die preußische Regierung auf dem Standpunkt, daß diese Länder, wenn sie sich ihre staatliche Selbständigkeit erhalten wollen, dies auch mit allen daraus sich ergebenden Konsequenzen fun müßten, und in Zukunft nicht mehr darauf rechnen könnten, daß ihnen Preußen diejenigen Einrichtungen zur Verfügung stellt, die sie sich aus eigenen mitteln nicht erhalten können. Breußen ist daher auch nicht bereit, es sei denn, daß ihm gleichwertige Gegenleistungen gewährt werden, preußisches Gebiet an folche Kleinstaaten abzutreten, um sie in ihrem selbständigen staatlichen Eigenleben zu stärken. Kommt die Bevölkerung dieser Staaten unter solchen Umständen schließlich zu der Ueberzeugung, daß es für fie medmäßiger ift, fich Preußen anzuschließen, so wird Breußen sich dem nicht versagen
Ebenso wie Herr Bürgermeister Petersen bin auch ich Uni tarier. Auch mir scheint
Die spätere Dentfchrift des Hamburger Senats Dom 22. September 1921, an die 3entralftelle für die Neugliederung des Reiches gerichtet, steckt ihre Ziele schon erheblich zurüd. Indes auch hier wird noch die Abtretung wirtschaftlich sehr wertvollen preußischen Gebiets als dringend notwendig für die Entwicklung Hamburgs gefordert, und zwar nicht nur Hafengebiet, sondern Gebiet für Wohnsiedlungen und Industrie. Es haben dann später
unmittelbare Verhandlungen zwischen Preußen und Hamburg stattgefunden, auf die hier im einzelnen einzugehen mich zu weit führen würde, die aber auch zu einem Ergebnis führten. Nach einer längeren Bause haben sodann Besprechungen zwischen dem Herrn Bürgermeister Petersen und mir stattgefunden, die dahin führten, daß die Herren Staatsminister Drews aus Berlin und Graf Rödern aus Hamburg beauftragt wurden, ein fodann dazu Stellung nehmen, ob sich dieses Gutachten als GrundGutachten über die Frage zu erstatten. Die beiden Länder sollten lage für neue Verhandlungen eigne. Dieses Gutachten ist Anfang vorigen Jahres erstattet worden und kommt zu dem Vorschlage, Preußen folle an Hamburg abtreten:
Altenwerden, Finkenwärder, Wilhelmsburg einschließlich Ratt myf- Hohe schaar und Neuhof, vom Geeftrüden die Gemeinden Schiff fogenannten Streichhölzer. Hamburg follte als Gegenleistung bet. Dejendorf, Kirch- Steinbet, Boberg, Howigshorst, Sande und die abtreten Moorburg füdlich der Süderelbe und eins der Walddörfer, nämlich Groß- hansdorf. Weiter sollte Hamburg die Landkreise
insbesondere im Hinblick auf unsere Verarmung, ein erftrebens. Sarburg und Stormarn entschädigen für die ausgefallene Steuer
mertes Ziel. Wenn Herr Petersen jedoch meint, dieses Ziel fönne nicht über Groß- Preußen erreicht werden, so erwidere ich ihm: über Groß hamburg erst recht nicht. Ich stehe vielmehr auf dem Standpunkt, daß Preußen, das etwa drei Fünftel des Reiches darstellt und das bereits durch den Friedensver. trag erheblichen Land- und Bevölkerungsverlust gehabt hat, wovon alle deutschen Länder verschont geblieben sind, in seiner Geschlossenheit und Größe unbeeinträchtigt auf rechterhalten werden muß, da es zweifellos den Kern für einen deutschen Einheitsstaat bilden wird, wenn dieser einmal Wirklichkeit werden sollte. Wenn der Hamburger Bürgermeister nun aber gar erklärt, das Ziel Preußens gehe dahin, Hamburg zum Aufgehen in Preußen zu zwingen, so entfpricht auch das feineswegs den Tatsachen, und mir ist unerfindlich, wie ohne Angabe von Beweisen das Staatsoberhaupt dieses benachbarten Landes in aller Deffentlichkeit eine derartige Behauptung aufstellen fann.
In der Groß- Hamburg- Frage handelt es sich nicht, wie Herr Petersen jetzt, den Sachverhalt völlig verschiebend, glauben machen will, darum, Hamburg in Preußen einzuverleiben, sondern es handelt sich darum,
hamburgische Expansionsbestrebungen gegen Preußen zurückzuweifen.
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Tatsächlich ist der Ausgangspunkt der Groß- Hamburg. Berhandlungen doch das Bestreben Hamburgs , sich preußisches Gebiet einzuverleiben. Daher auch die Bezeichnung Groß Hamburg für den ganzen Kompler der Fragen, die damit zusammenhängen. Lassen Sie mich daher zur Auffrischung des Gedächtnisses der Hamburger Herren, die jetzt gegen ein Groß. Preußen, ausgerechnet an der Unterelbe, Sturm laufen, einmal furz auf den Ursprung der Erörterungen über das Groß- Hamburg- Problem zurüdgreifen: Bercits in einer Dentschrift vom 7. Dezember 1915 hat Hamburg Ansprüche auf erhebliches preußisches Gebiet geltend gemacht. Preußen hat damals im August 1916 reantwortet, daß einer solchen Abtretung feine grundsäglichen Bedenken des Staatsminifteriums entgegenständen, wenn sie zur Förderung der deutschen Schiffahrt und anderer gemeinsamer preußisch- hamburgischer Intereffen unter voller Würdigung aller preußischen Interessen erforderlich erscheint. Die Sache hat dann während des Krieges geruht und ist dann erst im Jahre 1919 wieder durch eine Denkschrift des Hamburger Arbeiter und Soldatenrats vom 8. Januar 1919 zur Erörterung geftellt worden.
fraft der abgetretenen Gemeinden, und weiter follte ein allgemeiner Finanzausgleich im Groß- Hamburg- Gebiet dahin durchgeführt werden, daß der gesamte Staatsanteil an der Reichseinfominen und Umsatzsteuer den beteiligten Gemeinden verbleibe. Soweit der reine Staatsanteil dadurch der Gemeinden zufloß, sollten Hamburg und Preußen zu gleichen Teilen den Schaden tragen. Weiter sollte zur Durchführung der gemeinsamen Aufgaben, insbe sondere des Verwaltungsausgleichs, in dem vornehmlich Verkehrs-, Siedlungs- und Hafenfragen geregelt werden sollten, ein preußisch- hamburgischer Ausschuß eingesetzt werden. In Uebereinstimmung mit dem Groß Hamburg - Ausschuß des Preußischen Landtags war die preußische Regierung der Auffassung, daß in dem Drews- Rödernschen Gutachten die terriforialen Gegenleistungen Hamburgs für die Abtretung preußischen Gebiets nicht entfernt genügten, und daß auch die Borschläge für den
dem
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Castenausgleich mit den preußischen Nachbargemeinden den berechtigten Ansprüchen dieser nicht Rechnung trugen. Ich habe samen Besprechung, die am 11 Mai v. 3 in Berlin stattfand, hervordoher den Hamburger Vertretern gegenüber in der ersten gemeinAbtretung Wilhelmsburgs in gehoben, daß eine würde, eine Abtretung Finkenwärders und Altengrößten Widerstand begegnen werders vielleicht weniger strittig wäre. Borausgesetzt, daß eine Abtretung von Wilhelmsburg überhaupt in Frage fäme, seien die dafür im Drews- Rödernschen Gutachten gebotenen Gegenleistungen weder territorial noch finanziell ausreichend. Ein etwaiger Abschluß auf dieser Basis sei im Preußischen Landtag völlig aussichtslos. Mit Aussicht auf Erfolg könne diese Abtretung nur verfolgt werden, wenn Hamburg bereit wäre, fämtliche hamburgischen Entloven, die in Preußen verstreut liegen, abzutreten, also nicht nur Moorburg und Hansdorf, sondern sämtliche Wolddörfer und dazu noch Cuxhaven . Auch das Nordufer der Süderelbe müsse bei Breußen bleiben. Wenn dadurch auch territorial das von Hamburg abzutretende Gebiet größer sei als das von Preußen abzutretende, so sei doch die Einwohnerzahl, die Breuken verliere, doppelt so groß wie die, die Hamburg verlieren würde( 56 000 Einwohner genen 27 000 Einwohner). Außerdem seien die wirtschaftliche Bedeutung Wilhelms burgs und die Zukunftsaussichten dieses Gebietes unendlich wertvoller als die der Hamburger Entlaven. Es müsse Preußen daher ein voller finanzieller Lastenausgleich zugunsten der preußischen Außengemeinden auf Kosten Hamburgs verlangen mit bem Ziel, diese Gemeinden. die mit Hamburg ein einheitliches Wirtschaftsgebiet bilden, auch in fommunalwirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht mit Hamburg auf die Dauer gleichzu stellen.
Breußens gegenüber, insbesondere was die territorialen Gegenforde Der Bürgermeister Petersen hat damals sich diesen Wünschen rung Preußens anlangte, entschieden ablehnenb geäußert. Auch ( Fortseßung siehe 2. Seite.)
Tschangtfolin läßt hinrichten.
Haltung fortfahren werde, sie aber aufgeben müßte, wenn irgendwie französischer Besiz oder französische Staatsangehörige angegriffen werden sollten. Die Tatsache, daß die französische Konzession ta Schanghai gestern bombardiert worden ist, scheint eine neue Lage geschaffen zu haben.
London , 23. Februar. ( WTB.)" Daily Mail" meldet aus| wärtigen Senatskommission betont, daß Frankreich vorläufig in dieser Charbin: Der chinesische Bizepräsident der chinesischen Ostbahn, General Bang Tscho, wurde unter der Anschuldigung, Geld von Mostau empfangen und eine Revolution in Charbin geplant zu haben, von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und erichoffen, nachdem Tschangtfolin das Urteil telegraphisch beftätigt haffe.
London , 23. Februar.( EP.) Nach Meldungen der„ Daily News" ist es zu heftigen Kämpfen in der Provinz Honan gekommen. 6000 Weißrussen , die die Avantgarde der Nordarmee bilden, haben die Truppen Wupeifus angegriffen. Lettere sollen cine starke Niederlage erlitten haben. Die Zahl der Gefangenen wird auf 3000 angegeben.( Gemeint sind hier natürlich russische Weiße", d. h. Antisowjetruppen. Red. d.„ V.".)
Britische Drohnote an Sowjetrußland? London , 23. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die englische Note an Sowjetrußland soll nach übereinstimmenden Meldungen der Morgenblätter schärfer sein, als bisher angenommen wurde und den Charakter eines Ultimatums tragen.
Paris , 23. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Außenminister Briand empfing gestern den englischen Botschafter zu einer Aus sprache über das Verrüden der Kantontruppen auf Schanghai . Die Besetzung dieser Stadt durch die Kantontruppen würde, so sagt die Piesse, ganz neue Probleme aufwerfen, die außerordentlich sorgfältig und möglichst gemeinsam mit dem Londoner Kabinett geprüft werden müssen. Bisher waren den französischen Konsuln in China Diese an das Reichsministerium des Innern gerichtete Denkschrift Instruktionen nicht zugegangen außer derjenigen, fich vöilig fordert preußisches Gelände zur Hafenerweiterung sowie die Ein- neutral zu verhalten. Briand hat auch gestern vor der Aus
London , 23. Februar. ( WTB.) Der Pefinger Korrespondent der Daily News" will wissen, daß Dr. Wellington Ku( englische Schreibweise Koo. Red. d. B.") seinen Bosten als Premier- und Finanzminister endgültig niedergelegt habe und daß sein Rücktritt angenommen worden set. Liang Schi Ji sei von der mandschurischen Partei zum Premierminister ernannt worden.
Schanghaier Polizeiftation angegriffen.
London , 23. Februar. ( WTB.) Dem Sonderberichterstatter ber Chicago Tribune" in Shanghai zufclge foll gleichzeitig mit dem Angriff des chinesischen Kanonenbootes ein mit Pistolen bewaffneter Haufe von 600 Chinesen die Polizeiftation in der Eingeborenenstadt angegriffen haben. Bier Polizisten sollen getötet und mehrere schwer verwundet worden sein, bevor der Angriff abgeschlagen war.
Suntschuanfang zurückgetreten.
London , 23. Februar. ( WTB) Der Sonderberichterstatter der Times" in Nanting meldet: Es verlautet, daß Suntschuanfangsein Amt niedergelegt und den Befehl über den Rest Jeiner Streitkräfte in die Hände des Generals Lintfiangting gelegt habe. Die Schantungstreitkräfte haben den Vormarsch nach Südfiangsu begonnen, es ist jedoch noch nicht bekannt, ob auf Grund einer Vereinbarung mit den Kantonesen, oder um ihnen Widerstan zu leisten,