Argosabramams? susu 19
Abendausgabe
Nr. 103 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 51
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10 Pfennig
Mittwoch
2. März 1927
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Der Borstand des Deutschen Städtetages weist erneut darauf hin, daß die endgültige Beseitigung der Wohnungsnot von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten aus heute mehr denn je das dringendste innere Zentralproblem ist. Es gilt, den Neubau von jährlich 250 000 bis 275 000 Klein und Kleinstwohnungen in erschwinglicher Preislage zu ermöglichen, nur so ist es möglich, die Wohnungsnot in längstens fünf Jahren zu beseitigen. Ünd barum
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Ein Protest des Städtetages. Erst Wohnungsbau und Baukostensenkung! Der Borstand des Deutschen Städtetages hat in seiner letzten| heraufsetzung ohne jede Vorbereitung. Tatsächlich sind aber Sigung nachstehenden Beschluß gefaßt: durch den Mangel an Voraussicht bei den zuständigen Dr ganen die Baufosten über das vernünftige Maß hinausgestiegen. Wird die jetzige Politik der Mietenerhöhung fortgesetzt und das ist mit Bestimmtheit zu erwarten, so fließen den Hausbesitzern und den Baustoffproduzenten gewaltige Gewinne zu auf Kosten der gesamten Mieterschaft. Bu diesen Mietern gehören nicht nur die zahlreichen unterentlohnten Arbeiter und die Millionen von notleidenden Erwerbslosen, sondern auch dieselben Sparer, denen man das Recht auf eine angemessene Aufwertung ihrer Forderungen und Bezüge mit dem Hinweis darauf geschmälert hat, daß der Hausbesig angeblich zur Tragung derartiger Lasten nicht imstande sei. Diese Kreise werden die Mietenerhöhung und die jetzt schon vorauszusehende Ueberteuerung der Mieten ganz besonders bitter empfinden.
geht es!
Die Sentung der Baukosten für Neubauwohnungen unter den allgemeinen Lebenshaltungsinder ist von allergrößter volkswirtschaftlicher und sozialer Bedeutung, weil die Mieten der Altwohnungen fich allmählich auf den Preis der Neuwohnungsmieten einstellen müffen. Die Herauffezung der Altmieten darf, bis der Be harrungszustand bei den Neubaufosten und Neubaumieten erreicht ist, nur mit größter Borsicht erfolgen. Alle Maßnahmen, Senkung der Baukosten
die zur
führen, müssen daher im Zusammenwirken von Reich, Ländern, Geführen, müssen daher im Zusammenwirten von Reich, Ländern, Gemeinden und Privatwirtschaft getroffen werden.
Das wichtigste Problem bleibt die Finanzierung. Die Fortführung des Wohnungsbaues ist geradezu aufs schwerste gefährdet, wenn man sich bei den maßgebenden Stellen jetzt anscheinend wieder mit einer nur von Jahr zu Jahr laufenden Zwischenregelung behelfen will.
Da der private Rapitalmarkt in absehbarer Zeit die für den Wohnungsbau erforderlichen Mittel nicht in ausreichendem Umfange und zu entsprechenden Bedingungen zur Verfügung stellen fann, fo müffen öffentliche Mittel auf lange Sicht bereitgestellt werden. Diese können nur aus der Hauszinssteuer genommen werden, die eine sozial gerechte und staatspolitisch notwendige Maßnahme Es ist unbedingt zu fordern, daß jetzt endlich Ernst gemacht wird mit einer endgültigen Regelung der Hauszins steuer, zumal auch der gegenwärtige Bustand für den Grundstücksverkehr und den Realkredit höchst unbefriedigend ist, da er eine feste Grund stückspreisbildung verhindert.
darstellt.
Als ein geeigneter Weg sowohl vom Standpunkt der Gesamtheit als auch des einzelnen erscheinen die vom Deutschen Städtetag bereits im vorigen Jahre gemachten Vorschläge, die im wesentlichen darauf abzielen, eine individuelle Belastung der einzelnen Grundstüce in Form einer öffentlichen ablösbaren, sonst in 25 Jahren zu tilgenden Rente durchzuführen. Der Städtetag richtet an Reichsregierung und Reichstag den dringenden Appell, das Problem der endgültigen Regelung der Hauszinssteuer, fo schwierig es auch fein mag, nunmehr endgültig anzugreifen.
Der Städtetag stellt sich mit dieser Kundgebung an die Seite der Arbeiterschaft, die durch ihre gewerkschaftlichen und politischen Vertreter die schwersten Bedenten gegen die Mietenerhöhung vorgebracht hat. Dem Besitz bürgerblock scheint es nur darauf anzukommen, die Angleichung der Mieten für Altwohnungen an die Kosten der neuen Wohnungen anzugleichen. Daher erfolgte diese Mieten
Briand kommt nach Genf . Die deutsche Delegation zur Ratatagung. Bis vor kurzem war es noch zweifelhaft, ob Briand an der bevorstehenden Tagung des Völferbundsrates persönlich teilnehmen würde. Nunmehr wird aus Paris gemeldet, daß Briands Reise endgültig beschlossen sei, daß er jedoch nur drei Tage in Genf werde bleiben können, um sodann Paul Boncour den französischen Siz zu überlassen. Ueber Chamberlains Reiseabsichten steht noch nichts Endgültiges fest, da die englisch - russische Spannung unter Umständen sein Verbleiben in London notwendig machen könnte. Dennoch wird angenommen, daß auch er nach der am Donnerstag im Unterhaus stattfindenden Debatte über den englisch - russischen Notenwechsel sich nach Genf begeben werde. Als Vertreter Belgiens wird Außenminister Genosse Bandervelde gleichfalls in Genf erscheinen.
Als deutsche Teilnehmer werden wie im Dezember außer Stresemann Staatsfefretär v. Schubert und Ministerial direktor Dr. Gaus in Genf anwesend sein. Der deutschen Dele gation gehören u. a. noch weitere Herren des Auswärtigen Amtes an, darunter Geheimrat v. Bülow, Gesandter Freytag usw. Es verlautet, daß die fanabische Regierung den Wunsch geäußert hat, daß an Stelle des zurückgetretenen Präsidenten der Regierungstommission des Saargebietes Stephens wieder ein Kanadier
ernannt werden wird.
Pariser Friedenskundgebung. Für Locarno und Völkerbund. Paris , 2. Februar. ( BTB.) Die französischen Bereinigungen für den Frieden veranstalteten gestern eine Rundgebung, um, wie die Ankündigung besagte, das Wert und den Geist von 20. carno und den Frieden von Locarno zu feiern und dadurch auch den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund.
sprach über die Rolle des Bölferbundes; er erflärte: Die März tagung der Kommission zur Borbereitung der brüstungs
Die Mahnung des Städtetages, mit der Erhöhung der Mietpreise äußerst vorsichtig zu Werke zu gehen, ehe eine Senkung der Baufosten für neue Wohnungen erzielt ist und eine gemeinwirtschaftlich finanzierte Bautätigkeit den bestehenden Wohnungsmangel beseitigt hat, ist also volkswirtschaftlich und sozial durchaus begründet. Jede andere Politik bereichert die Hausbesizer und die Baustofferzeuger um milliarden von Mark zum Schaden großer notleidender Boltskreise. Denn auch die Zusage des Arbeitsministers, daß die Löhne und sozialen Unterstützungen angemessen erhöht werden sollten, ändert daran wenig angesichts der Tatsache, daß eine Steigerung der Kauffraft des gesamten arbeitenden Bolkes not wendig ist. Lohnerhöhungen, die nur zu dem 3wed gegeben werden, um die Rente des Hausbesitzers steigern zu können, ändern nichts an dem Mißverhältnis zwischen Löhnen und Breifen, dessen Beseitigung die Borbedingung zur lebermin dung der Absatzschwierigkeiten der Industrie ist.
Wenn die Regierung durch eine Rorrespondenz die Erflärung verbreiten läßt, daß ein bestimmter Prozent ab der Mietenerhöhung für den Wohnungsneubau herangezogen werden soll und daß sie bereit ist, die Landesregierungen durch eine reichsgesetzliche Regelung dabei zu unterstützen, so wird man auch dieser Mitteilung nur mit den schwersten Zweifeln begegnen können. Vorläufig rechnet jedenfalls der Hausbefiz mit der fortgesetzten Mietpreiserhöhung; die Häuserpreise steigen in Erwartung der höheren Rente der Grundbesizer. Bei dem starken Einfluß, den die Wirtschaftspartei auf die Reichsregierung hat und der durch die kapitalfreundliche Haltung der übrigen Rechtsparteien nur noch gestärkt wird, kann man sich von einer späteren Beschlußfassung über eine Kürzung der Hausbesizerrente nur wenig versprechen. So aber, wie sie ist, bedeutet die Mietenerhöhung eine unsoziale und unwirtschaftliche Maßnahme, die den schärfst en Widerstand der Arbeiterschaft herausfordert.
tonferenz wird über das Schicksal der geplanten Konferenz entscheiden. Kommt sie zustande, fo fann das Versprechen der all. gemeinen Abrüstung, das in den Friedensverträgen den besiegten Nationen gegeben wurde, gehalten werden. Jede Nation muß Opfer bringen. Frankreich ist dazu bereit, aber die anderen müssen ihm folgen. Wenn das Schicksal der Konferenz das Schicksal des Genfer Protokolls erleben sollte, dann wird Frankreich teine des Genfer Protokolls erleben sollte, dann wird Frankreich keine Verantwortung tragen, wenn aber die Konferenz, wie ich hoffe, zu einem Ergebnis gelangt, dann wird die Entwaffnungsfrage aus dem nationalen Rahmen herausgehoben in den internationalen, denn von dann an fann fein Staat mehr durch sein Parlament die internationalen Abmachungen abändern, fondern bedarf dazu der Genehmigung aller im Völlerbund vertretenen Nationen.
Großen Eindrud machte auch die Rede des Vertreters des britischen Nationalrats zur Berhinderung von Kriegen, des Mitgliedes des Unterhauses Smith, der zum Ausdruck brachte, welche ungeheure Bedeutung die Politit von Locarno , vor allem aber der Eintritt Deutschland's in den Bölkerbund für die Befriedung Europas habe. Er erklärte, die von ihm vertretene Organisation werde alles tun, was in ihrer Kraft stehe, damit die Entwaffnung allgemein werde und somit England die Verpflichtung des obligatorischen Schiedsspruches für alle Stonflitte unter den Bölkern annehme. Es sprachen außerdem Profeffor Richet und der jugoslawische Gefandte in Paris , Spalaitowitsch, und im Namen der anwesenden Barlamentarier der Abgeordnete de Moro- Giafferri, der in temperaraentvollen Ausführungen für die Schaffung eines europäischen Parla ments eintrat, das das Wert von Genf frönen fönne, endlich der ehemalige portugiesische Gesandte in Paris , Costa, der sich in seiner Rede mit der jetzigen portugiesischen Regierung beschäftigte und im Namen der fonftitutionellen Partei Brotest erhob gegen die Absicht dieser Regierung, ohne die verfassungsmäßigen Rechte des Boltes zu wahren, eine Anleihe von 12 Millionen Pfund Sterling in England aufzunehmen, um dafür Kriegsmaterial zu kaufen.
Maffenverhaffungen in Budapest haben wieder Hunderte radikal fozialistischer und kommunistischer Arbeiter den Folterknechten in die Gewalt gegeben
Der Parteitag des schlechten Gewissens. Der Parteitag der Kommunisten ist gestern in Essen zu
fammengetreten. Es hat lange gebauert, bis fich die Zentrale zu feiner Einberufung entschloß. Es war nicht leicht, durch Ausschlüsse aus der Partei und Maßnahmen der Einschüchterung die Opposition soweit zurückzudrängen, daß der Sieg über sie in das Programm des Parteitags aufgenommen werden konnte. Es war nicht leicht, die Risse so zu leimen und zu übertünchen, daß der Berfall der Partei nicht auch auf ihrem Kongreß in Erscheinung trat.
Die Gärungserscheinungen in der Kommunistischen Partei Deutschlands sind eine Folge des Widerspruchs zur tatsäch lichen Entwicklung, in den die Partei durch ihre grundsätzliche Einstellung geraten ist. Diese grundsätzliche Einstellung beruht auf einer falschen Deutung der marristischen Lehre, wonach der Weltkrieg als die Katastrophe des Kapita lismus betrachtet wurde, die in einer Reihe von Bürgertriegen zur Diktatur des Proletariats und zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in der ganzen Welt führen würde. In Konsequenz dieser Auffassung wurde auch die russische Revolution, die mit dem Sieg der Bols schewifi schloß, als das erste Glied einer stürmischen Entwid lung angesehen, die in einer raschen Folge von Gewaltfämpfen im Siege der Weltrevolution ihre Krönung finden sollte. Ruß land erschien danach als das Musterland der sozialen Revolution, als ihr Kern und ihr Hort, die Parteinahme des internationalen Proletariats für das revolutionäre" Rußland in allen Welthändeln schien das selbstverständlich gegebene.
Mit wirklichem Marrismus ließ sich diese Lehre freilich nicht in Einklang bringen. Denn daß das Land, das in seiner wirtschaftlichen Entwidlung am weitesten zurüdgeblieben war, eben Rußland , berufen sein sollte, die Führung aller übrigen Länder auf dem Weg zum Sozialismus zu übernehmen, war eine Meinung, die der marristischen Entwidlungslehre gerade ins Gesicht schlug. Abgesehen davon gehörte die sogenannte Katastrophentheorie" zu den am wenigften entwickelten und daher meist umstrittenen Rapiteln der Marrschen Lehre. Sicherlich aber war sie nicht so aufzufung eines Krieges in das Stadium der. Auflösung gebracht faffen, daß der Kapitalismus durch die mechanische Einwirfung eines Krieges in das Stadium der Auflösung gebracht vielmehr sollte er durch die innere Gesetzmäßigkeit der ökonomischen Entwicklung dahin gelangen. Beginn der russischen Revoultion, und seit mehr als neun In den nächsten Tagen vollenden sich zehn Jahre seit dem Jahren haben die Bolschewiti in Rußland das Heft in der Hand. Aber weder von einem vorbildlichen Aufbau des Sozialismus in Rußland , noch von einem stürmischen Fortschritt der sozialen Weltrevolution auf dem Wege von Gewalträmpfen ist etwas zu bemerken.
werden könnte
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zialismus vollzogen, so wäre das eine Tatsache, vor der nieHätte sich in Rußland ein vorbildlicher Aufbau des Soder Sozialismus in den vorgeschrittenen Kulturländern einen mand die Augen verschließen könnte. Und am wenigsten hätte Grund, sich einem solchen Beispiel zu entziehen. Denn der alte
Augenblic ſeine Bedeutung verlieren, in dem mit Recht be
Streit um Demokratie oder Dittatur würde in dem
hauptet werden könnte, daß der russische Aufbau des Sozialismus" im Interesse der arbeitenden Massen Nachahmung verdiene. Wäre es den Bolschewifi in ihrer jetzt schon recht langen Herrschaft gelungen, das arbeitende Bolt freier und glücklicher zu machen, als es in den kapitaistischen Ländern iſt, fo hätten wir längst eine Bolts- und Reichstags= mehrheit, die die Nachahmung russischer Methoden ach in Deutschland durchsetzen würde. In Wirklichkeit hat der russische Bolschemismus aber derartig versagt, daß der euro päische Sozialismus zwischen sich und ihm einen dicken Trennungsstrich ziehen mußte, um sich nicht durch ihn zu tompromittieren.
Heute wird das Märchen vom Sowjetparadies nur noch von Kindern geglaubt. Auch die Opposition in der KPD. hat den Glauben daran verloren. Es bedurfte nicht erst des Sowjetgranatenstandals, um die Arbeiter davon zu überzeugen, daß die russische Regierung nicht besser als andere ist, daß sie nicht um des Sozialismus, fondern um Ruß lands willen eine rücksichtslose Machtpolitik treibt und daß fie im Intereffe diefer Machtpolitik den Glauben in die befreiende Mission Rußlands aufrechtzuerhalten sucht. Für diesen Glauben fämpft auch heute noch die KPD. - gegen ihre eigene Opposition. Sie ist von Moskau zu abhängig, als daß fie irgendeinen Zweifel an seinen Heilslehren aufkommen laffen dürfte.
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Geändert hat sich dagegen offensichtlich ihre Stellung zur Weltrevolution. Die Auffaffung, als ob wir uns seit dem Kriege in einer stürmischen gewaltsamen Entwicklung befänden, die binnen furzem zum Sturz des Kapitalismus führen müßte, ist aufgegeben. Man hat die Theorie von den revolutionären Situationen" erfunden, die manchmal da sind und manchmal nicht da sind. Man hat von Wellentälern" der Revolution gesprochen und von der relativen Stabilisierung" des Kapitalismus . Die Stunde des Siegs der Weltrevolution schien nach der früheren Auffassung bei jedem Glockenschlag da. Jezt ist sie in eine unbestimmte Ferne gerückt. Man denkt nicht mehr daran, heute, morgen oder übermorgen den bewaffneten Aufstand zu proflamieren, fintemal man weiß, daß die aufständischen Arbeiter dann das Blei und Eisen in den Leib gejagt betommen würden, das die russische Regierung für