wo bleiben öle Runüfunkgebübren? Fragen an die Reichspostvcrwaltung. Bei der soeben abgeschlossenen Houshaltsberatung im Ver. woltungsrat der Deutschen Reichspost wurde von ver- schiedenen Seiten scharfe Kritik an dem Finanzgebaren der Rundfunkgesellschasten geübt. Nach dem Voranschlag der Post für 1927 sind aus den Runitfunkgebühre» 3 6 Millionen Mark Einnahmen zu erwarten, von denen die Post 15,25 Millionen und die Rundfunkgesellschasten 26,75 Millionen er- halten. Allerdings haben die Gesellschaften an die Post noch 4,25 Millionen Sendegebühren zu entrichten. Ihnen verbleibt aber immerhin die riesige Summe von 16 Millionen Mark. Dabei ist der Voranschlag der Post von einem Bestand von 1 5<X> 000 Rundfunkteilnehmern ausgegangen, der jetzt schon überschritten ist. Nimmt man bei vorsichtiger Schätzung an, daß im Lauf des kommenden Rechnungsjahres rund 500 000 Rundfunkteilnehmer hinzukommen. so wird die den Rundfunkgesellschasten zur Verfügung stehende Summe die Höhe von etwa 17,5 Millionen Mark erreichen. Wo bleiben nun diese Gelder? Der Reichspostminister besitzt nicht nur 51 P r o z. oller Anteile der Rundfunkgesellschasten, er ist auch, was die Wirtschaftsführung anbelangt, nicht nur unbestrittener Machthaber, sondern er ist auch das Auffichtsorgan des Reiches für die Wirtschaftsführung. Ihn trifft also die voll« Verantwortung, wenn mit den vielen Millionen Rundfunkgebühren nicht so gewirt- schaftet wird, wie es sich gehört. Das dies der Fall ist, wird unter Hinweis auf die im ?luftrage des Reichspostnnnisters ausgeführte Prüfung der Rund- stinkgesellschaften durch eine Treuhandgesellschaft bestritten. Immer- hin wollen die Gerüchte über allzu große Freigebigkeit in den Gehältern der leitenden Personen nicht verstummen. Ts soll bei den Rundfunkgesellschasten Leute geben, die jährlich das Mehrfache eines Ministergehalts beziehen. Nebenbei sollen sie durch die auf amtlichem Programmaterial basierende Rund- funkzeitung nochmal so viel verdienen. Auch sonst soll man mit Ver» waliungsausgaben durchaus nicht sparsam umgehen und das Geld mit vollen Händen ausgeben. Im Gegensatz hierzu kann die Deutsche Reichspost aus dem Rundfunk keinen Reingewinn buchen, weil die ihr zu- fließenden Einnahmen durch Ausgaben glatt ausgezehrt werden. Es ist nur natürlich, daß unter diesen Umständen die Frage einer anderen, für die Post günstigeren Verteilung der Rundfunk- gebühren und einer schärferen Wirtschaftsführung der Rundfunk- gebühren immer wieder erörtert wird. Der Reichspostminister hat im Verwaltungsrat zugesagt, eine neue Prüfung der Wirt- schaftsprüfung der RunMunkgesellschasten durchzuführen. Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß es angesichts der riesigen Zunahme der Rundfunkteilnehmer auch an der Zeit ist, sich mit der Frage der Herabsetzung der Rundfunk- gebühren zu beschäftigen.
Jonöspolitik ües Neicksarbeitsm'm'stersums Die Zuwendungen für freie Wohlfahrtspflege. Wir haben in der letzten Zeit wiederholt in die merkwürdige Verwendung des den Ministerien vom Reichstag zur Verfügung gestellten Fonds hineinleuchten muffen. Neber die Fondspolitik des Reichsarbeitsmini st eriums bringt die„Arbeiter- wohlfahrt"«ine Zuschrift aus parlamentarischen Kreisen, in der es unter anderem heißt: Alljährlich kehren in dem Haushaltsplan des Reiches erhebliche Beträge zur Nnterstiitzung de« freien Wohlfahrtspflege wieder. Diese sieden nicht in dem Haushaltsplan des Reichsarbeitsministeriums lZldfchnitt VIl), sondern in Abschnitt XVIl, dem Haushalt« der Allgemeinen Finanzverwaltung. Sie sind ihrer etat- maßigen Einstellung nach also Mittel, die eine Fortsetzung der den Ländern bei der Verabschiedung der drit'en Steuernctverordnung für die Uebergangszeit zugesagten Zuschüffe darstellen. Diese Zu- Wendungen werden aber nicht, wie man nach ihrer«tatmäßigen Ein- stellung annehmen sollte, den Ländern und Gemeinden als den gesetzmäßigen Trägern der Wohlfahrtspflege zur bestimmunqs- gemäßen Verwendung für Anstalten und Einrichtungen der freien Wohlfahrtsvflege überwiesen, sondern ihre Ausschüttung geschieht durch die Spitzenverbände der freien Wohlfahrts- pflege, deren„gleichberechtigte Macht" durch diese Finanzpolitik erst völlig stabilisiert wird. Hinsichtlich des Verwen- dungsnachmeifes dieser Gelder zeigt nun das Reichsarbeitsministerium eine wahrhast sungfräuliche Scheu. Unsere Parteigcnoffen in den Länderparlamenten, in den Landeswohlfahrtsämtcrn, in den Stadt- Verwaltungen und Siadtvertretungen haben bei Unterstützungs- gesuchen der Verbände der freien Liebestätigkeit schon häufig nach der Zuteilung dieser Reichsgclder die örtlichen und Landesstellcn befragt, aber niemals eine ausreichende Auskunst erholten können, weil das Reich selbst die Länder und Gemeinden über die Zuwendungen im Ungewissen gelassen habe. Noch jüngst wurde einem unserer Stadtver- ordneten von einem büigerüchen Reichsratsvertreter mitgeteilt, daß die Reichsregierung dem Reichsrat eine U« b e r s i ch t über die Vor- wendung der ihr zur Verfügung stehenden Fonds vorgelegt habe. Diese Uebersicht erinnere ihn aber stark an das Haushaltungsbuch seiner Frau, die einzuschreiben pflege: Blumenstock 0,60 Mark, Straßenbahn 0,15 Mark, Diverses 40,50 Mark. Während nämlich das Reichsministerium des Innern in einer Aufstellung über die einzelnen Zuwendungen an private Einrichtungen und Anstalten von 1500 Mark biszueinem Höck» st falle von 62 2. 640 Mark im einzelnen unter Benennung der Empfänger in 72 gesonderten Positionen Auskunft gibt und auch das Reichsarbeitsministerium in seinem eigenen Haushaltsplan die sechs Empfänger, die nicht den Spitzenverbänden der Liga angehören, mit 800 Mark bis 18000 Mark einzeln auszählt, weist es die Ausschüttung an die Spitzenoerbänd« ohne die einzelnen Empfänger zu bezeichnen mit der niedlichen Summe von 8220000 Mark(acht Millionen 220 Tausend Mark) aus, wozu noch 800 000 Mark zur Tuber- kulofebetämpfung des Anftaltsperfonals dieser Einrichtungen und ein Ausgleichssonds des Reichsarbeitsministeriums mit 890 000 Mark kommen, der sicher auch nicht ganz den der Liga angeschloffenen Ver- bänden vorentbalten worden ist. Es wird Aufgabe unserer Fraktion sein, bei der Beratung des Abschnittes 17 des neuen Reichshaushalts vom Reichsarbeitsministe- rium«inen genmien Nachweis über die Art und Form der Zu- Wendungen der in früheren Jahren in diesem Abschnitt bewilligten Millionenbeiträge zu fordern, ein Verlangen, zti dem sie nach Z 86 der Reichsversassung berechtigt ist.
Der Parteitag ües schlechten Gewissens. KPD. gegen„Ueberradikalismus". Esten. 2. März.(Eigener Drahtbericht.) Am Mittwoch begannen im Saalbau in Essen die eigttulichen Verhondlm�en des k o m m u. nistifchen Parteitages. Der Reichstagsabgcordnete Den- gel erstattete den Tätigkeitsbericht der kommunistischen Zentrale. Er wandt« sich scharf gegen die Kritik der Links- und Rechtsgruppicrungcn und kritisierte vor allem die überradikaien Aeußerungen der Oppositionsführer. Die Partei werde dadurch in ihrer systematischen Gewerkschaftsarbeit gestört. Die von Lenin verfolgte Bündnispolitik mit dem gewerblichen Mittelstand
Kampf unö Dipl Englische Truppen vor Schanghai. - London , 2. März.(Eigener Drohtbericht.) Marschall Sun, der im Range zweite General der vereinigten Anti-Kantonarmee, hat den Rücktritt' vollzogen. Seine Abdankung wurde dem Marschall Tschangtsolin, dessen Armeen sich nunmehr durch die Provinz Honan zum Zweck des Angriffes auf Hankau bewegen, übermittelt. Der Gouverneur von Hangtschau, Tschang, ist nun- mehr alleiniger militärischer Herr von Schanghai . Im Gefolge der desertierten Truppen Mengtschangyu wurde nunmehr bie gesamte Armee des Marschalls Sun auf der Ver- tcidigungslim« Smkiang herausgenommen und durch Tschangs Truppen ersetzt. Zurzeit wird im westsichen Distrikt von Schanghai links der sogenannten Edinbourgh-Straße eine zweite Der- teidigungslinie angelegt. In amtlichen Kreisen Londons wird am Mittwoch mitgeteilt, daß die Verhandlungen zwischen dem britischen Delegierten O'Malley und Tscheng wegen der britischen Konzession Kiu-Kiang so weit fortgeschritten sind, daß ein Abkommen über diese Kon- Zession unmittelbar bevorsteht, das denselben Charakter wie das für die britische Konzession Hantau tragen soll. Die Tatsache, daß die britische Verteidigungslinie in Schanghai außerhalb der internationalen Konzessionen auf chinesischem Boden angelegt worden ist, hatte Anlaß zu einer Reihe von An- fragen führender Mitglieder der Arbeiterpartei im Unter- haus an den Außenminister gegeben. In seiner Antwort betonte Chamberlain, die britischen Truppen handelten lediglich zur Ver- teidigung des Lebens britischer Staatsangehöriger und müßten daher auch ermächtigt werden, solche Stellungen zu beziehen, die sie zur Erfüllung Ihrer Aufgabe zum Schutze britischer Staatsbürger benötigen würden. Einigungsvorschläge Tschangtsolins an Kanton. Aus China liegen verschiedene Meldungen vor, die nur mit Vorbehalt aufzunehmen sind. So heißt es. daß Tschangt» s o l i n der Kantonregierung einen Friedensvorschlag auf der
und den Kleinbauern, die in Rußland so große Erfolge gehabt habe, müsse auch in Deutschland ohnejeden radikalen Unterton durch die geschickte Interessenvertretung von der Kommunistischen Parket verwirklicht werden. Parlamentarische Fehler bei der Regierungsbildung in Mecklenburg und andere Fehler bei der Behandlung der Sozialdemokratischen Partei in Thüringe » wurden von dem Berichterstatter ebenfalls scharf gerügt. Einige Delegierte aus Thüringen veranlaßte das zu lebhaften Protestrufen. Im Anschluß an die Debatte erhielt die bisherige Parteiführung eine Mehrheit von 180 gegen 8 Stimmen.
völkische unter sich. . Wer über Hitler schimpft- wird verprügelt. Den Völkischen genügt es offenbar nicht mehr, daß der Krach in ihrem Lager mit gehässigen Briefen, persönlichen Anschuldigungen und ähnlichen Scherzen ausgetragen wird. Daher beriefen sie zum Mittwoch in die Kammersäle eine Versammlung ein, als deren Ver- anstalter zwei feindliche Gruppen, die völkische Arbeits- gemeinschoft und die Nationalsozialistische Frei- heitspartei, auftraten. Unter den uniformierten Gestalten, die an der Versammlung teilnahmen, trugen viele sichtbar die Zeichen ihres„geistigen Kampfes", manche den Arm in der Binde, manche den Kopf umwickelt. Die Anhänger beider Richtungen mußten erst aufgefordert werden, den Redner der jeweils anderen Parteien ruhig anzuhören— sie zeigten nicht übel Lust, über einander herzufallen. In dieser gereizten Stimmung hielt der Völkische K u b e eine ebenso zerfahrene wie geschwollene Rede, die in einem Lobgesang auf Sowjetrußland gipfelle. Seine mit großem Pachos vorgetragenen, aber von den eigenen Anhängern nicht einmal recht verstandenen Ausführungen erhielten eine würzige Pointe durch die Angriffe des zweiten Redners, des Nationalsozialisten Dr. G o e b e l s, gegen Jürgens. Ramin, der bekanntlich die Abhängigkeit Hitlers von seinen kapitalistischen Geldgebern gekennzeichnet hatte. Trotz der Immunität würde Ramin seiner Strafe nicht entgehen. Selbst wenn die Nationalsozialisten sich das Fahrgeld stehlen müßten, würde er keine Versammlung mehr abhallen, ohne sich vor den Nationalsozialisten verantworten zu müsten. Die ganze Vcranstollung zeigte in ihrem Aufzug und ihrem Inhalt den hoffnungslosen Zerfall der völkischen„Bc- freier", die selbst nicht mehr wissen, für oder gegen wen sie kämpfen sollen.
Dochring legt los. Gcgcn das Konkordat— gegen das Papsttum. Die Verhandlungen über das bevorstehende Konkordat werfen ihre Schatten voraus, und die Zentrumsleute werden nicht mehr lang« die zarte RUcksichtnohm« finden, die ihnen ihre Gcnoffen in der Regierung, die Deutschnationalen, in der ersten Freude über das Zustandekommen des Ministersesselgeschäft» entgegen brachten. Der bekannte reaktionäre Pastor D o e r i n g hat seinen„Luther- ring" gegründet, um die evangelischen Belange zu verteidigen. In der ersten Bersanimlung dieses Verbandes, die am Mittwoch im Kriegervereinshaus stattfand, lauschten viele Kirchensteuer zahlende Mitbürger auf die Kampfansage gegen das Papsttum.»Fährt der Papst fort, durch den Nuntius in Berlin Konkordatspolitik zu treiben, dann erklären wir in oller Feierlichkeit, daß dadurch heilloses Ungemach über dos deutsche Volt kommen wird." Das alte starke Kaiserreich Deutschland habe sich kein Konkordat ge- fallen lassen, das neu« von internationalen Phrasen verseuchte und geschwächte Deuischlaiid steht ihm hilflos gegenüber. Es ist abzuwarten, wie weit diese„Verseuchung" auch die Dsutschnationalcn mitgenommen hat. Die tacholische Kirch« als internationale politische Macht versucht,„romanischen G e i st in das Deutschtum zu verpflanzen, gegen den wir uns umer allen Um- ständen wehren müssen. Denn orientalisch« und slawische Einflüffe sind schon stark genug vorhanden". Natürlich gab es auch dazu die üblich« Iudenhetze. Gegen Locarno und Genf wurde natürlich trotz der„Richilinien" gewetten. Politische Sklaverei und moralische Knechtung sind nach den Rednern die Folgen.— Das Zentrum wird an seinen neuen Freunden noch viel Freude erlebenl
Im Befinden des Genossen Löbe bäll die Besserung an. Psychisch wurde es allerdings gestern durch einen Unfall beeinträchtigt, der der greisen M u t l e r de» Patienten zugestoßen war. Diese hatte sich durch einen Sturz den Arm gebrochen und wurde in dieselbe Klinik gebracht, in der sich Genosse Lobe befindet. Leider war es unmöglich, ihm diesen Unfall zu verschweigen.
»matte in Ehina. Ein neues Abkommen mit Kanton. Grundlage der Teilung Chinas mit dem Dangtse-Fluß als Grenzlinie übermittell habe. Eine einzige Vorbedingung soll dahin gehen, daß sich die Kantonrcgierung vollständig vom B o l s ch e w i s- mus lossage. In offenbarem Zusammenhang mit dieser Nach- richt stehen Meldungen über ernsthafte Meinungsverschieden- Helten auf der Tagung des Zentralkomitees der revolutionären Kuomintang-Partei über die Stellung der nationalen Be- wegung zu Sowjetrußland. Der südchinesisch« Gencrallisstmus Schiangkaishi soll dabei in heftigen Gegensatz zu den russischen Generälen geraten sein. Endlich wird aus Schanghai gemeldet, daß der General Tschang, der in der Verteidigung Schanghais den General Sun völlig oerdrängt zu haben scheint, eine Annäherung an Kanton, ebenfalls auf der Basis der Aus- schaltung jeden bolschewistischen Einflusses in chinesischen Angelegen- heiten, erstreb«. Des weiteren wird aus Schanghai gemeldet, daß ein Unter- führ er von Sun zu Kanton übergetreten sei, und daß ferner zwischen den Truppen der beiden neuen„Bundesgenoffen" Tschang und Sun starkes Mißtrauen herrsche, daß bereits zu Zusammenstößen geführt habe. Im Unterhaus erklärte Chamberlain auf eine Anfrage, daß die Amerikaner in Schanghai ganz unabhängig von den Engländern vorgingen. Dagegen bestätigte er, daß die eng- tischen und italienischen Truppen gemeinsame Verteidi- gungsmaßnahmen getroffen hätten. Englische Arbeiterpartei und Kuomintang. London . 2. März.(MTB.) Die Zeitschrift„New Leader" ver- öffenllicht ein« Unterredung mit dem Iustizmlnister der Nationalist!- schen chinesischen Regierung. Dr. H sü, in der der Dorschlag gemacht wird, daß Vertreter der englischen Arbeiterpartei eine Abordnung nach China entsenden sollen, um in unmittelbare Fühlung mit dem chinesischen Kuomintang zu treten.
Die Kumpels gegen Salüwin. Eine Kundgebung beim Besuch an der Unglücksstätte. London , 2. März.(Eigener Drohtbericht.) Ein beispielloser Vor- gang spielte sich am Mittwoch bei der großen Grubenkatastrophe in Wales ab. In völliger Vertennung der tiefen Verbitterung, die sich gegen den Ministerpräsidenten wegen der parteiischen Hal- tung der Regierung im Kohlenkampfe unter der bergbau- treibenden Bevölkerung angesammelt hat, begab sich am Mittwoch B a l dw i n nach dem Ort des großen Grubenunglücks, um durch feine Anwesenheit seine Sympathie kundzutun. Der Minister- Präsident hatte kaum sein Automobil verlassen, als er Gegenstand feindlicher Demonstrationen von seilen der Bevölkerung des Katastrophengebiets wurde. Die Demonstrationen wurden von den Führern und Lokalführern der Bergarbeiter aufs schärfste verurteilt. Am Ausgang zur Grube, wo Frauen und Kinder die ganze Nacht gewartet hatten, spielten sich herzergreifende Szenen ab, als am Mittwoch morgen um 9 Uhr bekannt wurde, daß nunmehr jede Hoffnung auf Rettung der noch nicht Geborgenen ver- g e b l i ch sei. Die mit den Bergungsarbeiten betrauten Arbeiter haben bei dem Versuch, noch weitere Menschenleben zu retten, in den letzten 24 Stunden unter ständiger eigener Lebensgefahr uner- hörten Heroismus entfaltet.
�lus üer Deportiertenhölle. Der Brief eines Gefangenen. Aus Mailand berichtet man uns: Von der Insel Lampedusa ist soeben hier ein Brief ein- getroffen, den wir lediglich unter Ausmerzung einiger Sätze, die den Autor den Peinigern verraten könnten, wiedergeben: „Auf der Insel Lampedusa sind wir ungefähr 350 gemeine und politische Verbrecher. Der griechische Name der Insel bedeutet „Insel der Schmerze n". Wir politischen Verbannten sind unserer 130 von allen Parteien, darunter auch zwei abtrünnige Faschisten. Wir haben zwei Abgeordnete unter uns, den Republikaner M o r« a und den Kommunisten P i c e l l i. Wir schlafen alle in einem einzigen Raum auf strohbedeckten Pritschen und einer auf dem anderen. 4 Uhr 30 nachmittags werden wir hereingerufen und um 6 Uhr nach dem Appell eingeschloffen. Morgens um 7 Uhr werden wir hinausgelassen und haben dann die Freiheit, uns auf der ganzen Insel zu ergehen, dabei aber nicht über 200 Meter hin- weg uns von dem Schlafsaal zu entfernen. Wer einen Schrill dar- über wagt, wird festgenommen und auf mindestens fünf Tage in eine Zelle gesperrt. Die Ueberwachung besorgen faschistische Milizen. Der sie befehligende Leutnant beliebt täglich folgende Anreden:„Ihr seid hier als unsere Geiseln. Ihr seid das Brot für unsere Zähne. Man mühte der Madonna eine Wachskerze weihen, wenn ein neues Attentat auf den Duce geschieht, denn dann werden wir Euch alle niederknallen... Man denke, eine kleine Bombe genügt, euch allen den Garaus zu machen... Je mehr wir's Euch geben, desto größere Anerkennung finden wir... Ihr sollt noch die Eisenstangen und, wenn Ihr wollt, die Dolche meiner Leute schmecken lcrnenl" Vor kurzem erst, in der Abenddämmerung. waren wir das Opfer einer Provokation, die üble Folgen hätte haben können: unser Schlafsaal wurde plötzlich von Milizen und Carabinieri mit aufgepflanztem Bajonett gestürmt. Verschiedene von uns wurden angerempelt und verwundet, ungefähr 20 für 20 Tage in die Einzelhaft gesteckt. Einige von uns wurden sogar zur Absonderung in Einzelhaft nach Civitavecchia für sechs Monate gebracht. Und alles das wegen irgendeines Grundes."
„Kraft und Schönheit in Selgien unsittlich! Brüssel, 2. März.(Eigener Drahtbericht.) In den letzten Tagen veranstalteten Studenten der katholischen Universität Löwen wiederholt Radauszenen vor einem Kino, wo der deutsche Film „Wege zu Kraft und Schönheil" dargeboten wurde, weil dieser Film angeblich unsittlich sei. Das Publikum wurde gewaltsam von einem Zutritt zu dem Kino zurückgehalten. Mehrere Profefforen der Universität beteiligten sich an diesen Szenen. Polizei und Gen. darmerie mußten einschreiten. Obwohl sonst die Studierenden der Löwener Universität und die flämischen Studenten In scharfem Kampfe gegeneinander stehen, waren sie diesmal auf klerikalen Einfluß hin in holder Eintracht vereint. Di« Demonstrationen wirkten um so grotesker, ol« die belgische Filmbehörde diesen Film sogar für Jugendliche unter 16 Jahren freigegeben hatte. Das Vorgehen der Studenten wird von der Presse aufs schärfste verurteilt.