Vonnerstag A.März 1927
Unterhaltung unfl AVissen
Vellage des vorwärts
Der Eselskauf. Bon B. Tranen, Tamaulipas , Mexiko . (Schluß.) Ich dacht« aber doch, daß es vielleicht bester sei, erst einmal genau festzustellen, ob Rocio nun wirklich der Besitzer sei, damit nicht vielleicht morgen ein anderer Besitzer auftauchte. Dazu aber ließ mir Rocio keine Zeit. Er wollte sofort wisten, ob ich den Esel kauf« oder nicht. Wenn nicht, dann würde er chn hier an Ort und Stelle sofort abladen und mich auch noch bei der Ortsbehörde wegen Vieh» diebstahls anzeigen. Während wir uns noch umherstritten, kam ein anderer Indianer vorbei, den ich ebenfalls kannte. Rocio fiel ihn sofort an und fragte:„Hombre , Mensch, das ist doch mein Esel hier? Ist das nicht mein rechtmäßiger Esel?" „Freilich ist das dein Esel/ sagte der Mann,„das kann ich gut beschwören." Also da waren Zeugen. Rocio war im Recht. Ich handelt«, und als es anfing, dunkel zu werden, waren wir auf drei Pesos und fünfzig Centavos herunter. Er begleitete mich zu meinem Wohnbereich, wo er das Geld in Empfang nahm und dann mit seinem Zeugen abwanderte, immerwährend beteuernd und lamen- tierend, daß ich ihn schmählich bei dem Kauf über das Ohr gehauen hätte, der Esel sei zehnmal mehr wert, aber gegen die schlauen Weißey könne sich so ein armer unwissender Indianer nicht ver- leidigen. Es vergingen wieder mehrere Tage, und als ich an einem Sonntagnachmittag an dem Rathause meines Dorfes, das gleichzeitig als Gefängnis und Wohnung des Bürgermeisters dient, vorüber- kam, saß der Bürgermeister, gleichfalls ein Indianer, vor dem Haupt- eingang des Amtsgebäudes. Er rief mich an und bat mich, einen Augenblick näherzutreten. Er bot mir«inen wackligen Korbstuhl an und erzählte mir einige Sachen aus seiner Familie. Dann als ich endlich gehen wollte, sagte er:„Wie ist das eigentlich mit dem Esel?" „Mit welchem Esel?" fragte ich. „Mit dem Gemeindeesel, den Sie da in Ihrem Hofe haben und den Sie reiten und arbeiten lassen." „Das ist mein Esel. Den habe ich gekauft," sagte ich nun protestierend. Der Bürgermeister lachte und antwortete:„Den Esel kann Ihnen niemand verkaufen. Das ist der Gemeindeesel. Wenn Ihnen jemand den Esel verkaufen kann, so bin das nur ich allein." Ich begann zu erstarren. Aber der Bürgermeister machte sich nichts daraus. Er sagte:„Der Felipe und der Rocio, dos sind die größten und die gemeinsten Spitzbuben und Banditen. Ich warte nur, bis die Soldaten von der Behörde demnächst wieder hier vorbei- kommen. Dann lasse ich die beiden aber gleich verhaften, und da werde ich schon dafür sorgen, daß sie sofort erschossen werden. Solch ein Gesindel habe ich hier im Dorfe." „Aber Rocio brachte einen Zeugen, der beschwören konnte, daß der Esel' dem Rocio gehörte," verteidigte ich mich. „Das war der Eapillo," sagte der Bürgermeister.„Das ist der allergefährlichsts Bandit. Der hat Stacheldraht gestohlen. Den lasse ich auch erschießen. Gleich zuerst. Ich warte nur auf die Soldaten. Wie können denn diese Mörder und Hausanzünder den Gemeindeefel an Sie verkaufen! Ich habe doch gedacht, daß Sie als ein weißer Mann etwas Nüger sein könnten. Gemeindeesel dürfen gar nicht oerkauft werden. Aber ich will Ihnen etwas sagen, Scfivr. Sie haben den Esel gern, das weiß ich. Und wir haben keinen einzigen Centavo in der Gemeindetass«. Und da darf ich Ihnen schon den Esel verkaufen, damit wir etwas Geld in die Gemeinde- lasse bekommen. Ich will Ihnen den Esel, der ganz gut zweimal zwanzig Pesos wert ist, für zehn Pesos verkaufen, weil Sie schon diesen Halunken so viel Geld gegeben haben." Schließlich einigten wir uns auf vier Pesos. Ich bezahlte das Geld und war nun endlich rechtmäßiger Besitzer des Esels. Für das Geld, das ich nun ausgegeben hatte, würde ich auch einen guten und schönen Esel irgendwo bekommen haben. Bon den beiden Halunken war natürlich nichts wiederzukriegen. Dann kam Segora Rodriguez, eine ältere Frau, Halbblut. wieder heim ins Dorf. Sie war mehrere Wochen in Saltillo zum Besuch ihrer verheirateten Tochter gewesen. Im Dorfe besaß sie einen kleinen Gasthof, in dem vorbeiziehende Karawanentreiber zu übernachten pflegten. Sie war keine zwei Stunden anwesend, da kam sie vor meine Hütte gerast wie eine Wahnsinnige. Am Stachel- drahtzaun stand sie und schrie:„Kommen Sie sofort einmal heraus, Seflor, ich habe ernsthaft mit Ihnen zu sprechen." Ich hielt es nach kurzer Ueberlegung für gut, sofort zu erscheinen. Ohne„Guten Tag" zu sagen, schrie sie:„Wo ist mein Esel? Sofort meinen Esel her, oder ich schicke gleich zur Behörde, damit die Soldaten kommen. Sie haben mir meinen Esel gestohlen." „Das ist der Gemeindeesel, den hat mir der Bürgermeister des Dorfes verkauft," sagte Ich. „Der Spitzbube, der infame, wie kann Ihnen denn der Kinder- mörder und Holzräuber meinen Esel verkaufen! Sofort will ich meinen Esel." Was soll man gegen eine halbwahnsinnige Frau machen? Ich gab ihr den Esel. Sie nahm ihn in Empfang, schrie noch einmal: „Eine solche Unverschämtheit!" Und dann gab sie dem Esel einen Tritt und ließ ihn seiner Wege ins Freie ziehen. Sie hatte keine Verwendung für den Esel und gebrauchte ihn nie. Ich wollte wenigstens das retten, was ich schon gezahlt hatte, und fragte zaghaft, ob sie mir den Esel nicht verkaufen wolle: denn sie war der rechtmäßige Besitzer. So konnte nur der auftreten, der zweifelsohne im Recht war. „Einem solchen Viehräuber, wie Sie einer sind, verkauf« ich rn einen Esel nicht einmal für tausend Pesos. Spitzbubengesindel, Ihr!" Und fort war sie. Ich trabte zum Rathause und traf den Bürgermeister auch an. Er wußte schon, was los war. Das geht schneller als mit Telephon. „Das ist. glaube ich, richtig," sagte der Mann,„der Esel gehört der Sefivra Rodriguez. Aber sie war ja nicht hier. Sie war ja verreist. Und dann war das doch der Gemeindeesel, weil sie ja nicht hier war." „So genau kenne ich Ihre Spezialgesetze nicht," erwiderte ich. „Aber ich möchte doch meine vier Pesos wiederhaben, die in der Gemcindekasse sind." „Die stehen Ihnen nun auch rechtmäßig zn," sagte darauf der Bürgermeister.„Aber die vier Pesos sind nicht mehr drin in der Gemsindekasse. Ich habe sie ausgegeben. Für Gemeindezwecke." Gemeindezwecke? Ich hatte nichts davon gesehen, daß«ine Straße geebnet oder«ine Brücke gebaut oder sonst etwas getan worden war, seit ich das Geld in die Gemeindekasse gezahlt hatte.
Der Bürgermeister aber ersparte mir das Raten und sagte un- schuldig:„Ich brauchte ein neues Hemd, sehen Sie, Seflor, und ein Stück Leder für meine Sandalen." Dagegen ließ sich nichts sagen. Da er der Bürgermeister war, so waren das in der Tat Gememdezwecke, für die er das Geld ver- ausgabt hatte, denn ein Bürgermeister muß doch schließlich ein Hemd und ein paar Sandalen haben.
Die Erklärung öer Konservativen.
Es schmekkerk lauf das Bombardon Sein Kaiserlied im allen Ton: hingegen Keudells Melodei Xut sanft entgleitet der Schalmei. Es kann auch sein, dafj et sich ziert Und gar nicht spielt und nur markiert. weil doch, nicht wahr, im Endeffekt Sich eines mit dem andern deckt!
Der proöitttenhänöler Richard vize. Novelle von Alexander Merly. In seinem Keller herrscht moderndes Dämmer, das nur durch eine kleine, grüne elektrische Lampe freundlicher wird. Der Händler sitzt apathisch in einem verschlissenen Rohrstuhl und starrt unentwegt auf eine Glaskugel, in der um eine tanzende Galatee mechanisch ein Tanz kleiner Wassertröpfchen wirbelt. Die einzige Bewegung, die den Händler nach großen Zeiträumen lebendig erscheinen läßt, ist ein longsames Greisen seiner rechten Hand in die dunkelblonden, fettigen Haare. Wenn er so dasitzt und die Kugel fixiert, hat er, durch den über ihm hängenden flachen Lampenschirm, das Aussehen eines allen, knochigen Chinesen. Die gefährliche Stille unterbricht ein kleines Mädchen mit stockendem Trippelschritt. Hinter der letzten Stufe des Kellers stehen- geblieben, flüstert sie leis ihren„Guten.Tag"-Gruß und hält zitternd das Bündel mit Leinenflicken in beiden Armen. Die Aengstlichkeit des Mädchens hat Grund: denn oftmals hatte R. Vize die Kinder mit einer pjeifenden Rute wieder zur Straße hinausgejagt. Der Händler hörte das Kinderstimmchen nicht...; weiter hing er an seinen dunklen Gedanken. Richard Dize hält man in seinem spärlichen Bekanntenkreis für geistesgestört— oftmals zieht er saubere Kleidung an und ver- schwindet für Wochen: bis er plötzlich wieder im Keller brütet und leinen armen Kunden für vielerlei alte Stoffabfälle und Bodenge- rümpel die feststehenden Preise auszahlt. Auch schließt er sich ein, führt unflätige Reden und wirft mit alten Büchern um sich. So wird geurteilt. Der Händler wird jetzt beweglicher. Mit den Oberschenkeln schiebt er den Stuhl zurück, greift die Glaskugel und wirft sie mit entsetzlichem Fluchen an die Wand. Die junge magere Katze, die in der Ecke vordem schnurrte, stob schnell mit zusammengekniffenen Augen in eine andere. Das Kind, das immer noch wartend an der Treppe steht, eilt jetzt hinauf, steht noch einen Augenblick in dem sonnigen Tag still und geht an spielenden Knaben vorbei in die Nebenstraße. Der Sonne öffnen hier alle Menschen die Fenster. Nur durch die halb mit Pappe geflickten, verblindeten Fenster des Pro- duktenkellers dringt nicht das helle Tageslicht. Bon hier, etwa eine Viertelstunde entfernt, wohnt der Student Remirg. Eine Straße, die in voller Häßlichkeit, mit hohen ver- dunsteten Häusern kein freundliches Bild gibt. Aber Leben flutet hier. Nicht umsonst wird sie die kinderreichste Straße genannt. Schulkinder spielen, kleinere sitzen in der Gasse und die älteren hocken mit ihren Büchern auf Keller und Ladcntreppe. Manchmal fährt ein Auto hindurch; so daß die Kinder im Spiel und Lesen innehalten, um dem davonjagenden Wagen mit großen Augen m folgen. Den Fahrweg beleben viele, emsig pickende Tauben. Zwischen diesen Menschen und Getier wohnt der Student Remirg. Das schlecht möblierte Zimmer, in dem das Fenster zum Hofe hinausführt, kennt er fast vier Jahre. Remirg ist ein fanatisch, schon etwas schmal aussehender Mensch. Ueber die Bücher gebeugt seufzt er zum Fenster hinaus:„Ich will nicht mehr hungern, die kommenden zwei Endwochentage wenigstens nicht! Die ganzen Schwarten werde ich verkaufen. Es ist noch der einzige Nutzen, den mir die Bücher bringen.— Die notwendigsten Schriften nur be- halten.— Bei dieser Misere in Geldangelegenheiten tausche ich—
geistige Nahrung mit leiblicher." Seine Worte zum Fenster hinaus- gesprochen, lassen ein leises Echo wahrnehmen, dem ein« fühlbare Stille folgt. Herz und Gemüt hält dieser Druck unheimlicher Leere gefangen. Da hilft ein kleiner Vogel Irgendwo singt das Tier. Das Fenster steht weit offen. Remirq dehnt seine enge Brust mit ausgebreiteten Armen... Vom Nagel holt er die Kops- bcdeckung, nimmt aus der einen Kiste viele Bücher und legt diele zu den anderen auf den Tisch.„So!" Mit dem Ausruf schnürt er die Bücher und geht. Richard Vize muß unruhig oder freudig erregt sein. Mit Schaukelschritt läuft er immer zur Treppe und zurück zum Tisch. Die zerbrochene Glaskugel ist durch eine neue ersetzt. Dasselbe mechanische Spiel zeigt sie im Innern. Um eine tanzende Meer- jungfrau wirbeln kleine Wassertropfen. Der Händler lacht sogar: zynisches Lachen, mit den, er den Studenten begrüßt.— R. Vize bezahlt die ihm dargebotenen Bücher mit der Miene eines Sünders, der Geld zu schade findet, um solche Werte zu erwerben. Die Bücher fliegen darauf in die Kiste neben dem Lumpenhaufen.— Der Händler schüttelt sein Geld in der Tasche, wonach er seinen Gang durch den Keller wieder beginnt. An der Tischlampe macht er halt und stößt sie durch die Luft. Die ivan- dernden Lichtreflexe werfen ihren Blick auf oll die Dinge, ver- zittern an den Wänden und fallen auf die alte Stelle. Nun geht der Händler zur Bücherkiste. Nach kurzem Suchen hält er in der Hand ein dünnes Buch: auf seinem schwarzen Leinenband sseht in blutender Farbe:„Gedichte" Der Produktenhändler scheint sich an etwas zu erinnern. In der dunklen Ecke schlägt er das Buch auf: geht aber doch zum Licht und setzt sich unter die Lampe ... Als alter, knochiger Chinese erscheint er wieder. Die fleischlosen Hände halten die Seite der ersten wenigen Worte: „Die Zähne und die Faust gezeigt! Für diese Welt ist kaum genug"— Da fällt er mit Schluchzen aus den Tisch... Müde geht er hinaus-- Kurze Zeit darauf tritt er mit einer Flasche Wein vor den Tisch und spricht zur Katze:„Katerchen, das ist selten, die Eni- deckung des Buches wie das Trinken von Wein!" Dabei fiel sein Blick aus die an der oberen Tischkante stehende Branntwein- flasche... Einige Brotkrumen knipsten seine Finger vom Tisch, wonach er sich setzt und in dem Buch liest.— Draußen oerschwimmt in der Wolkenwatte rote Abendsonne. — Der letzte Ausklang der Macht, die das Licht am Tage ausübt. Sieht man genau hin, dann blinkert am Himmel ein Sternchen. Während im Westen, hinter der Stadt, der letzte Lichtschein verlischt, erlebt in einem stickigen, nässenden Keller der Produkten- Händler R. Vize seine Jugend: Träume, Taten, Enttäuschungen. Der Verfasser des Buches ist er selbst. Der Zufall hat ihm, dem Altwarenaufkäufer, sein mit dem frischen Mut der Jugend geschriebenes Werk in die Hand gegeben.... Die letzte Seite schlägt er um und füllt zugleich das Glas mit dem Rest südlän- bischen Rotweines.... Völlig nüchtern, ohne Geistesaffektlonen, spricht er zur Glaskugel, die die wirbelnden Wossertröpfchen zeigt: „So war ich! Jetzt bin ich vom jugendlichen Stürmer zum alten, stechen und verlassenen„Verlierer" geworden I" Seine Augen kosen schnippisch die kleine tanzende Meerjungfrau.... „Die Krankheit! Rur diese Krankheit— die Seuche aller Völker hat mich vergiftet! Hat alle Kraft zum Kampf frühzeitig in mir gebrochen.„SyphllisI" Nach diesen Worten wird alles still. Der Produktenhändler Richard Vize liegt mit seinem Ober- körper auf dem Tisch....
Sei Hirten in öer Herzegowina. Von Volkmar Jro. Bon Ljubinje, einem armen Dorf tief in der Herzegowina, auf die Sitnica planina. Vier Stunden mühsamer Aufstieg bei glühendster Hitze, keine Quell«, kein Haus, kein Mensch, kein Baum, nur rings die endlose, weiße Steinwüste des Karsts, darüber die klarst«, zitternde Luft. Zwischen Felswänden, trockenen Wasserrinnen, Geröll und gigantischen Zteinblöcken windet sich der schmale Pfad empor. Unser Führer, der schlanke, schwarzbraune Dusan, klettert mit seinem Sack voll Maiskolben wie eine Gemse voran und schlägt lachend mit dem Stocke nach den Vipern, die träge auf den heißen Steinen liegen. Der Blick weitet sich— wir sind jetzt vierzehnhundert Meter über dem Meer«. Bis zum Horizont ragen die rosigen Felszacken der herzegowinischen Alpen über den dürftigen Almmatten, im Osten wild zerfurcht die schwarzen Berge Montenegros , dahinter die hellen, schneebedeckten Grate der albanischen Alpen: Soweit das Auge reich, schimmern kahl« Steinplateaus und weiße Felsen, keine Wälder, tief in den Tälern winzige.grüne Matten. Nur der strahlend blaue Himmel verklärt diese Oede zur Schönheit. Lanzsam tauchen die Gipfel in tiefes Rot und versinken in sanftem Lila. Ein mariner Wind weht vom Meere herüber, das wie ein schmaler Silberstreif glänzt. Die jauchzend« Farbensinfonie des Himmels verklingt in einem zarten Mollakkord in Grau. Dann wandern wir in der blauesten Nach hen letzten Hang hinauf, der Mond hängt wie ein gelber Ball über den Bergen, ferne blöken Schafe. Oben schimmert Lich aus der Tür« einer kleinen Steinhütte, die sich vor den winterlichen Borastürmen an die Felsen duckt. Ein alter, hagerer Hirte tritt heraus und ruft uns entgegen, die Arm« schräg zum Gruße hochgehoben. Dann weist er uns mit der Geste eines Herrn in die schwarzverräucherte Hütte. Einige Töpfe, ein Kupfer- kessel für die Schafmilch, Kafteeschälchn, ein« Pfanne und zwei grobe Mäntel an der Wand bilden das ganz« Inventar. Diese Armut hat in ihrer köstlichen, durch Jahrhunderte geweihten Selbstverständlich- keit etwas Homerisches. Und während jetzt in Abbazia und Loorana bei Jazz zum Charleston tobt, sitzen wir hier auf Steinen um das kleine Feuer, das aus trockenen Maiskolben und wenigen Holz- stücken flackert: DuZan dreht die alte, türkische Kafseemühle, sein Bruder bringt einen mit Schnee gefüllten Topf— Wasser gibt es stundeklweii keinen Tropfen, nur harten Schnee in den tiefen Karst- löchern— der alte Hirte kniet vor der Feuergrube und bläst in die Flammen. Bald ist der enge Raum von dem Duft des starken Kaffees erfüllt, der hier herrlicher mundet als der beste„Türkische" in der vornehmsten Bar. Wir werden mit Schafmilch und Schaf- käse bewirtet, nach dem Mahl wird noch ein Schluck des starken Zwetschkenschnapses angeboten, dann drehen wir aus dem bosnischen Tabak Zigaretten und sehen zu, wie das Feuer langsam verglimmt. Dusan und sein Bruder beginnen zu singen. Es ist eines jener ur- alten, schwermütigen Lieder, das in dieser Stil!« beim sterbenden Feuer noch trauriger und sehnsüchtiger wirkt. Sie singen langsam mit schönen, dunkel verschleierten Stimmen.-- Ich taste mich nach der Türe, trete fast geblendet in die zauber- hafte Helligkeit der Mondnacht. Lichtüberflutct schimmern die end- losen weißen Hochflächen, die Felszacken der herzegowinischen Alpen ragen leuchtend in die weiße Nacht. Weit draußen der Silberstreif der Adria. Di« Herde liegt dichtgedrängt auf den Felsen um die Hütt«. Einig« Lämmer stehen unruhig und blöken. In der Hütte verstummt der Gesang. Dann ruft Dusan zum Nachtlager, wir wickeln uns in Decken und vergraben uns in dem frischen Bergheu. Durch die breiten Fugen der Hütte singt der Nachtwind sein Schlummerlied.