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Sonntag H. März 1927

Unterhaltung unö ÄAissen

Settage ües vorwärts

?ns Jeuer Sie Zaust. Von Heinrich Lersch . Schmiede waren wir alle» tobende hammerknechte! Urahn» Baker und ich. Seiner von ihnen schlich sich ans dem verfluchten Geschlechte. Tausend Jahr Feuer» Schmiedsfeuer, brennen, verbrennen mich! Brannten die Freiheit zu Schande, zu Schmach die heiligen . Rechte! Schmiede! Mr schmiedeten uns hinein in die Gewalt der höllischen Mächte! Schmied! Alles Schmiedswerk ist Lette für dich! 0 mein Sohn, mein junger, mein lichthelles Sind! Sühlachender Bube auf Mutkers Schoß Sollst du die Letten deine» Geschlechts ins neue Jahrtausend tragen? Den Hammer her! Ich schlag- ans die Letten, bis sie zer- schlagen sind! Der blutenden Lnöchel lach ich, lache der Munden groß, die selbst ich mir schlaget* Ins Feuer die Faust! Ich will e» wagen!

Nur eine Lahe. von Otto Flake .

Wir bekamen st«, als sie eben die Augen geöffnet hatte. Ich fand ste nicht schön, die Augen nicht und das ganze Tier nicht. Gelb auf dem Rücken und weiß am Bauch, konnte ste mit der ge- tigerten, die ich vorher gehabt hatte, stch nicht messen. Und die blaßblauen Augen standen heraus, sie sahen wie die vom Star«nt- arteten ganz alter Leute aus. Aber mit den Tieren, die man adoptiert, geht es wie mit den Kindern, die man bekommt. Man hat gewählt, man hat eine Eni- scheidung getroffen, man sagt ja. Dies« Katze halte ich vor dem Schicksal bewahrt, das die meisten jungen Katzen trifft: ersäuft oder gar an der Stallwand zerschmettert zu werden. Im übrigen war st« auch schon vorher dem Tode entgangen: ihre Mutter pflegte infolge eines Ükckenfehlers, der auch bei den Damen der Tierwelt vor- kommt, nur erstickte Junge zur Wdt zu bringen dies da war ihr erster lebender Wurf gewesen, man soll nie die Hoffnung auf Segen aufgeben. Es waren drei Junge, das ein« wurde getötet, das zweite mir überlass«n, das dritte von der Mutter in die letzte Tiefe eines Holz- schuppens oerschleppt: man hätte«inen Tag gebraucht, um die Wagen und abgestellten Geräte auszuräumen. Der erste Akt, den man auch bei einer Katze vornimmt, ist die Feststellung des Geschlechts, der zweite die Ramengebung. Es war noch zu früh, um die erste Frage zu klären. Ich behauptete, aus dem Bau des Kopfes auf einen Kater schließen zu können, und ich behielt Recht. Aber Recht behalten, mag oft nur ein Zufall sein. Die zweite Frage wurde dadurch gelöst, daß wir acht Tage lang alle möglichen Namen probierten. Dann taufte ich ihn entschlossen Wuschel, well er so wuschlig wie ein Wolltnäuel in der Sofaecke lag. Wenn wir ihn riefen, sagten wir Wuschi-Wuschi, und er lernte darauf hören. Er bekam Milch und Brot. Da ich fand, daß das Fell nicht genug glänzte, verordnete ich ihm Butter aufs Brot. Fortan bestand meine erste Handlung beim Frühstück darin, für den Kater Wuschel ein Butterbrötchen zu streichen. Das gefiel ihm gut, er setzte sich von 6 Uhr an vor mein Schlaf- zimmer und wartet«, bis ich zum Dorschein kam. Wenn er gefrüh- stückt hatte, kletterte er mir auf den Schoß, dann aus die Brust, dann auf den Hals, und hier entdeckte er den Hemdenstoff, der«ine merk- würdige Anziehung auf ihn ausübte. Er begann daran zu saugen und zu suckeln, auch mtt den Leintüchern der Letten wt er das, wenn es ihm gelang, unbemerkt in die Schlafzimmer zu huschen. Er konnte sich diesem Genuß unbefristet lange hingeben. Bor Behagen dehnte und zog er die Pfoten zusammen, die eine frappant« Aehnlichkett mtt einer alpinen, von den Bauern Katzenpfötchen ge- nannten Pflanze hatten. Aber eigentlich müßte ich umgekehrt sagen, daß die Pflanze aufs trefflichste der Katzenpfote gleicht: sie ist weiß wie das Edelweiß und zeigt die rosa Knöllchen der Katzensohle. Wenn er so saugte, schnurrte er, preßte die Augen zusammen und arbettete stch in eine förmliche Extase hinein. Störte man ihn, so wurde sein Ausdruck uralt und vergrämt ich Hab« diese Ber- wandlung an allen Katzen beobachtet. Ich nehme an, daß jenes Saugen am Leinen ein Ersatz für das an der Mutterbrust ist, aber das mag nur«ine Vermutung fein, und sie erklärt nicht im geringsten das Geheimnisvoll« de» Borgangs, das ich immer wieder spüre: es ist etwas von einer Umkonzentrierung von der Außenwelt auf die Innenwelt darin. Auch beim Menschen hat das Küssen einen metaphysischen Sinn. Oft, wenn ich in den Wald ging und am Nachbarhof vorbeikam, sah ich seine Mutter auf einem Pfahl sitzen und das Gelände unter ihr beobachten: sie fing Mäuse für das verschleppte Junge, das im Gegensatz zu dem unserigen von Anfang an Fleischkost erhielt. Sic ging mit der größten Logik vor: zuerst tötete sie die Mäuse(sie nahm dazu nur kleinere) dreiviertel, dann halb, zuletzt nur ein Viertel. Eines Tages kroch ihr dos Junge nach und wurde abgefangen. Ich staunte. Geschwister, war das mit Mäusen ernährt« ein wahrer Mörder an Gestalt, Kraft und Sehnigkeit, das mit Milch und Butter- brot aufgezogene daneben einfach ein zurückgebliebene» Individuum. Unverzüglich oerordnete ich ihm nun Fleischkost. Der Erfolg stellte sich ein, Wuschel wurde schwer, und sein Lebensmut nahm so zu, daß er auf die Bäume zu klettern begann. Bald hatte er gelernt, selber der Fleischkost nachzuhelfen, er sorgt« für die Delikatesse, indem er sich an den Fensterscheiben aus- richtet« und Fliegen fing. Es war ein heißer Sommer. Fliegen gab es ohne Zahl, eines Tages, als es nicht mehr zum Aushallen war, tötete ich mit dem abgeknöpften Kragen innerhalb einer Minute

Tragifther Liebesroman.

Gemäß der Lehre Luther« mar 3n Lieb verbundeu diese» paar.

Doch ist'» die Eigenschaft der Ehen, Daß man Verführung motz bestehen. wohl dem, der keine Irene bricht. hier siegte nun die lugend nicht.

3« Gegenteil, man sprach verschwiegen Schon von katholischen Siuderwiege«.

Doch jählings ward da» Glück zerrissen. E» kam zu herben Bitternissen.

Die Legitimität, empört, hat rauh den zarten Bund gestört. herrjeh, wie wurde er behend, Der herre Superintendent!

Run soll der Sünder sich entscheiden! Ein fühlend herz begreift sein Leiden!

hundert und mehr auf einmal Wuschel fraß sie alle. Seither stupst er mich mit der Rase und drängt zum Fenster, so oft er mein Zimmer betritt. Eines Morgens lief er meiner Kleinen und mir, als wir zum Wald gingen, nach, und seither konnte man keinen Schritt aus dem Haufe tun, ohne daß er mitwollte. Nicht alle Katzen tun das, aber es gibt welche, die wie ein Hündchen folgen. Es kam vor, daß nachmittags, wenn ich auf der Hotellerrasse beim Tee saß, Übereins der Kater auftauchte. Ich hatte bei den Damen großen Ersolg damit. Die Bäuerin warnte: die Katze gewöhnt sich das Bagabondieren an, und. ste hatte Recht. Die Katze stützt sich weder auf das Auge noch auf den Geruch, sie stützt stch aufs Gehör. Ging jemand am Hause vorüber, so konnte sie nicht unterscheiden, wer es war, sie lief einfach nach, neugierig wie sie war Katzen sind erstaunlich neugierig. Wuschel wuchs auf dem Hofe mit einem Hunde auf. So hübsch das ist, hat es doch seine Gefahren. Der Kater mochte annehmen, daß Hunde reizende Geschöpfe sind. Eines Abends entwischte er wieder und war nicht zurückgekommen, als das Haus geschlossen wurde. Ich war ehrlich betrübt um so größer meine Freude, als er am nächsten Morgen vor der Schlafzimmertür sah. Er sah mich so sprechend an, als wollte er mir etwas erzählen. Ich nahm ihn auf, da schrie meine Kleine: der ganze Hals ist bluttg. Ich schaute nach und fuhr zurück: ich sah ein fürchterliches Loch und darin die Röhren und Adern der Kehl «. Ich wollte ihn zum Tierarzt bringen, dann fand ich ihn so leb- Haft, so verspielt, so ohne Klage, daß ich mich der legendären Zähig- kell der Katze erinnerte und abwartete, was er tat. Er legt« sich bis zum Abend in die pralle Sonne und leckte sich die Wunde. Aber am nächsten Tage stellte ich Eiter fest und ließ ihm zum Doktor bringen. Es war höchste Zeit. Einen Tag Verband, zwei Tage Jod, und die Wunde begann sich zu schließen. Beim Doktor erfuhr ich auch, wie alles gekommen war. Der Kater war ihm und seinem Wolfshund begegnet, halte im Vertrauen auf fein« guten Erfahrungen mit Hunden ein Spiel angeboten und kletterte im nächsten Augenblick mit geöffneter Kehle auf einen Baum. Der Doktor war nicht nobel genug, den Patienten umsonst zu be- handeln, er schrieb ihm ein« Rechnung, er gehörte zur Spielart der zynischen Mediziner. Die Schönheit des Katers ist durch die Narbe vermindert. Aber fein Fell glänzt, das Weiß ist reiner als irgend eine Wolle, das Gelb hat Gliederung durch Streifen bekommen, und die Augen, die so apoplektisch aussahen, sind hell und jung geworden und gleichen gelben Johannisbeeren. Er ist nicht so kräftig wie sein Bruder, der won Mäusen lebt und im übrigen schon längst von seiner Mutter jene verblüffende Ohrfeige bekommen hat, durch dl« die Kätzinnen ihrer Brut eines Tages zu verstehen geben, daß sie sich fortan nicht mehr im Gering­sten um sie kümmern werden, weil schon eine neue Generation unterwegs ist nein, Wuschel ist nicht so kräftig, aber er ist trotz seiner gemischten Kost mutiger und erinnert mich an einen schwarzen Kater, den ich in Brüssel kannte: er gehörte zu einer Likörstube, saß bei den Tischet auf dem Trottoir, und wenn der größte Hund den Fahrdamm überschritt, ging er ihm entgegen und zwang ihn, be- troffen abzuziehen. So ist auch Wuschel, ein Kater und ein Held. Ein Stoiker, wenn es Schmerzen zu ertragen gilt, karg in Aeußerungen des Gefühls, halb ein Kind, halb Sphinx mit undurchdringlichen Augen. Der Hund hat vom Menschen die Empfindung, die Moralität und... das Deprimiert« angenommen, er löst abwechselnd Freundschaft und Widerwillen aus, ganz wie die Menschen, zu deren Welt er zu gehören wünscht. Die Katze nimmt e» hin, daß man töricht genug auch von ihr die menschenähnliche Treue verlangt, und bleibt sich treu. Deshalb ist sie da» Tier für Männer, deren höchst« Wertschätzung doch dem gilt, der geschlossenen Charatter hat. E» gehört ein be- stimmtos Naturell, fast möchte ich sagen ein« bestimmte Weltanschau- ung dazu. Mitgeschöpse um sich zu dulden, die man läßt, wie sie sind, die man nicht zur problematischen menschlichen Ersinduntz, der Auseinandersetzung, zwingt. Neurastheniker wissen nichts mit Kotzen anzufangen. In der Tierwahl drückt stch der Eharakter aus.

Cm Srief Sebels an Johann �acobp. Zum Heuligen 50. Todestage Jacobys. Mitgeteill von Gustav Mayer. Der hier zum erstenmal abgedruckte Brief bedarf kaum einer näheren Erklärung. Jacoby hatte am 19. September 1870 in einer Versammlung in Königsberg gegen eine Annexion Elsaß -Lothringens . die ohne Volksabstimmung erfolgen würde, Protest erhoben und war daraufhin auf Befehl des den Belagerungszustand handhabenden Generalgouoerneurs der Küstenlandc, des Generals Vogel von Falckenstcin, auf die Festung Lotzen alsKriegsgefangener gesteckt worden. Obgleich dieser brutale Akt des Militärs gegenüber dem alten Mann die Entrüstung aller, auch der rechtsstehendsten liberalen Kreise Hervorries, so wurde diesem die Freiheit, die man ihm ohne Verfahren genommen hatte, erst Ende Oktoberin gleicher �Weise durch königliches Machtgebot", wie Jacoby danach einer Freundin schrieb, zurückgegeben. Als preußischer Landtagsabgeordneter hatte er sich zwar sofort nach seiner Inhaftierung bei Bismarck beschwert. Aber der Ministerpräsident hatte ihm erwidert, daß der Wirkung?- kreis des königlichen Generalgouoerneurs der Küstenlande außerhalb seiner amtlichen Kompetenz liege, und ihm nur in Aussicht gestellt, daß er für die Erfüllung seines Wunsches tätig sein wolle, wenn er die llcberzeugung erlange, daß es ihm sachlich möglich wäre. Bebels Vertrauen auf Jacobys Berliner Wähler erfüllte sich übrigens nicht, der aufrechte Alte unterlag bei den Landtagswahlen im November 187l> den Nationalliberalen. Bebels Verhältnis zurFrankfurter Zeitung ", besonders aber zu ihrem Begründer Leopold Sonnemann , mll dem er sich duzte, war im allgemeinen ein recht freundschaftliches. Nameilllich im Kampf gegen die Gründung des Norddeutschen Bundes und die Festsetzung der preußischen Hegemonie über Deutschland hatten sie Seite an Seite gekämpft. Sonncmann war im bürgerlichen Lager auch derjenige gewesen, der bis zur letzten Stunde zu verhindern gesucht halte, daß die kleinbürgerliche Deutsche Volkspartei und die in Eisenach 1869 gegründete Sozialdemokralische Arbeiterpartei sich organisatorisch völlig voneinander trennten. Wie und weshalb diese Trennung erfolgte und auch die Rolle, die der frühere fortschrittliche preußische Abgeordnete, mmmehrige.. großdeutschc" Partikularist Heinrich Frese dabei spiette, habe ich in meiner kleinen Schrift: Die Trennung der proletarischen von der bürgerlichen Demokratie in Deutschland (Leipzig , Verlag von C. L. Hirschseld, 1911) ausführlich dargestellt Bebel an Jacoby. Leipzig . 1. vkovembek 1879. Bonhorst, der am Sonnabend nachmittag hier eintraf, teilte mir mit, daß Sie denVolksstaat" geschickt haben wünschten. Ich komme diesem Wunsche hiermit nach, indem ich Ihnen die seit dem 29. September erschienenen Nummern hiermit übersende. Die nach- folgenden Nummern werde ich Ihnen auf dem gleichen Wege bis ,zur Aufhebung des Verbots des Volksstaates zukommen lassen. Ihre Freilassung hat uns alle sehr gefreut, eine komische Wir» kung aber übte die Art und Weise, wie Se. Majestät die Frei- lasiung begründete. Kein Zweifel, daß die konstitutionelle Gewissen- haftigkeit des Königs denNationalliberalen" Gelegenheit gibt, und den Konservativen erst recht, Kapital bei den Wahlen draus zu schlagen: dann aber hoffte man wohl auch vor allen Dingen Ihre Wahl dadurch unterdrücken zu können. Ich hoffe, daß man sich in letztcrem verrechnet hat und die Mehrzahl Ihrer Berliner Wähler noch so viel richtigen politischen Instinkt hat. zu begreifen, daß ein ordentlicher Staatsbürger allemal das tun muh. was eine monarchische Regierung nicht wünscht. Das offizielle Kaiserreich in Frankreich ist jetzt bis aus den letzten Rest glücklich bescttigt, die Kapitulation von Metz war hofsent» lich die letzte Schandtat der Kreaturen des Empire.') Mir ist es um begreiflich, wie z. B. dieFrankfurter Zeitung " dies nicht ein- sehen will und gegen den Vorwurf des Verrats eifert. Die letzt- genannte Zeitung trägt überhaupt neuerdings stark zwei Gesichter zur Schau. Einmol ist die politische Uebcrsicht großprcußisch, ein a»d«r° mal demokratisch, die Wiener Korrespondenz trägt sogar stark offiziösen preußischen Anstrich, C. Blind in der Londoner Korre- spondenz arbei'et in demselben Fahrwasser, wenn auch aus Ueber. zeugung. Im ganzen hat sich dieVolkspartei " in Süddeutschlond sehr erbärmlich benommen, das Gros derselben sind antipreußisch« Fortschrittsmänner, haben keine Spur von wirklicher Demokratie und in bezug auf olles, was nach Sozialismus aussieht, haben sie eine fanatische Antipathie ') E» wurde damals vielfach geglaubt, daß Marschall Bajjain». der Kommandant von Metz , ein Verräter gewesen sei und tatsächlich hat ihn ja im ei« franzäsifd)«» K.iegsge-icht zum Tod« voeurteill.