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Nr. 116 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 59

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Donnerstag, den 10. März 1927

Deutsch - polnische Besprechung in Gen)

Die Minister hoffen auf Beilegung der Schwierigkeiten.

V. Sch. Genf , 9. März.( Eigener Drahtbericht.) Die erste Be-| gegnung Stresemanns mit 3alesti fand heute nachmittag im Hotelzimmer des deutschen Außenministers statt. Zunächst lediglich unter vier Augen, dann wurde auch Gesandter Rauscher zuge­zogen. Folgender amtliche Bericht wurde ausgegeben:

Reichsminister Dr. Stresemann empfing heute den polnischen Minister des Aeußern Zalesti und hatte mit ihm eine Unter­redung, in der insbesondere die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Bolen Gegenstand der Besprechungen waren. Auf Grund dieser Unterredung werden die beiden Minister des Aeußern ihren Kabinetten Vorschläge unter­breiten, von denen sie eine Behebung der gegen wärtig bestehenden Schwierigkeiten erhoffen. Dieses Rommuniqué wird dahin ausgelegt, daß zwar gewisse Schwierigkeiten noch immer bestehen, daß jedoch die baldige Wiederaufnahme der Handelsvertragsverhandlungen zu er= warten ist.

Mehr war schon deshalb nicht in Erfahrung zu bringen, weil unmittelbar, nachdem Zalesti das Hotel Metropol verlassen hatte, Briand bei Stresemann erschien und ihm erst furz vor einem offiziellen Festessen verließ, das Stresemann zu Ehren der Völker.

bundsratsmitglieder veranstaltete. Nur Briand nahm daran nicht teil. Aber irgend eine politische Bedeutung fommt seinem Fern­bleiben nicht zu, denn der französische Außenminister nimmt auf ärztliche Anordnung überhaupt niemals eine Einladung zu einem Abendessen an. Er ist 63 Jahre alt, sein Gesundheitszustand hat sich seit einigen Monaten sichtlich verschlechtert und er muß spätestens um 9 Uhr abends zur Ruhe gehen.

Zu diesem Galadiner sei nebenbei bemerkt, daß die deutsche Sprache einen weiteren Sieg auf dem Wege zu ihrer Gleichberechti­gung erfochten hat. Das Menü wurde in deutscher, statt, mie noch allgemein üblich, in französischer Sprache gedruckt! Die staats­bürgerliche" Regierung hat somit in Genf wenigstens einen be­trächtlichen Erfolg in Ermangelung anderer- errungen. Ueber die Unterredung Briands mit Stresemann weiß man, daß sie sich in der Hauptsache um

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die Saarfrage

drehte. Die Schwierigkeiten sind noch immer beträchtlich, nachdem die Franzosen sich aus den bereits dargelegten Gründen weigern, den Belgier Lambert zu ersetzen. Dazu sei noch folgendes bemerkt: das französische Argument, daß das deutsche Ersuchen um Ersetzung Lamberts durch eine Persönlichkeit, die das Vertrauen der Saar­bevölkerung genießt, zu spät mitgeteilt worden sei, trifft nur zum Teil zu. Richtig ist, daß die aardelegation, die bei jeder Tagung des Rates in Genf erschien, ihre Beschwerden und ihr Miß­trauen gegen Lambert schon längst zum Ausdruck gebracht hat. Das hat insbesondere die sa arländische Sozialdemo Pratie getan, die im März 1926 in einer den Ratsmitgliedern ein

Holland gegen Südchina? Scharfer Protest der Sozialdemokratie. Amsterdam , 9. März.( Eigener Drahtbericht.) Das sozialdemo­fratische Zentralorgan Het Bolt" wendet sich entschieden gegen eine Teilnahme Hollands an den Kämpfen um Schanghai . Das Blatt schreibt, daß unter dem Vorwande eines Höflichkeitsbesuches das niederländische Kriegsschiff Sumatra " vor Schanghai erschienen ist und nunmehr die Niederländer mit den Japanern gemeinsam den öftlichen Teil des Stellungsgürtels um die europäische Niederlassung beziehen, also die Besucher auf die Be­suchten schießen sollen. Alle offiziösen Erklärungen, daß die Nieder­lande sich an dem Konflikt nicht beteiligen, seien demnach Irre= führungen gewesen. Man müsse aber auch mit der Rück­wirkung dieses bewaffneten Auftretens auf die Bewohner von Holländisch- Indien rechnen.

Ablehnung des Abrüstungsantrags. Amsterdam , 9. März.( Eigener Drahtbericht.) Da Artikel 1 des sozialdemokratischen Abrüstungsgefeßentwurfes mit 53 gegen 32 Stummen abgelehnt wurde, zog Abg. Laah den Gesetzentwurf zurüd. Der Entwurf sah eine wesentliche Verminderung des Heeres vor.

Fortschritte der Südarmee. Kanton, 9. März.( Chinesische Nachrichtenagentur.) Bor Schanghai liegen gegenwärtig insgesamt 51 Kriegsschiffe englischer, amerikanischer und japanischer Nationalität.

Die Sudarmee befeßte gestern Wuhu am Dangtfefluß, eine wichtige Handelsstadt in der Provinz Anhui , und setzte den Vormarsch in der Richtung auf Ranting fort.

Außland gegen Tichangtsolin.

Weiße" Russen, die bei den Nordtruppen sind, haben ein fowietruffisches Schiff auf dem Jangtfetiang geraubt, auf dem u. a. ein biplomatischer Sowjetturier und Frau Borodin , die Gattin

gereichten Denkschrift den Fall Lambert ausführlich und eindeutig

erörtert hat. Aber die deutsche Regierung soll in der Tat ver­säumt haben, sich diese Forderung offiziell rechtzeitig zu eigen zu machen. Erst vor etwa zwei bis drei Wochen sollen die ersten amt lichen Schritte getan worden sein. Der Formfehler liegt anscheinend in Berlin . Jedenfalls ist infolgedessen die

Einigung über das kompromiß wesentlich erschwert. Dennoch erklärte Briand nach seiner Unterredung mit Stresemann den französischen Pressevertretern, die Einigung habe Fort­schritte gemacht und die endgültige Einigung sei nur eine Frage von Stunden; im übrigen sei die Saarfrage nicht von weltpolitischer Bedeutung.

Das erschwindelte Schubert- Interview.

V. Sch. Genf , 9. März.( Eigener Drahtbericht.) Die sonder baren Aeußerungen, die der Pariser Excelsior" am Dienstag dem Staatssekretär v. Schubert in den Mund gelegt hat, sind heute abend Gegenstand eines deutschen amtlichen Dementis.

Es handelt sich um einen unentschuldbaren groben Bertrauensbruch. Ein nicht mehr ganz junges französisches Fräulein Labcuý. die Richte des einstigen französischen Botschafters in Berlin . Jules ambon, jezigen Vorsitzenden der Botschafter fonferenz, meldete sich am Sonntagnachmittag bei Staatssekretär v. Schubert an, den sie von der Zeit her tennt, als ihr Ontel noch in Berlin wirtte. Herr v. Schubert glaubte aus Gründen der Courtoisie und der Diplomatie diese Dame empfangen zu müssen, die im übrigen sorgfältig verschwieg, daß sie sich nebenbei noch journalistisch betätige. Im Laufe der Unterredung betonte Schubert zweimal ausdrücklich, daß es sich natürlich nur um ein rein pri Dates Gespräch handle. Das hinderte die Dame aber nicht, die Aeußerungen des deutschen Diplomaten, zum Teil wohl auch in Aeußerungen des deutschen Diplomaten, zum Teil wohl auch in entstellter Form, dem Vertreter des Ercelsior" zu ver­taufen. Gegen solche journalistischen Raubrittermanieren müssen die ernsten Presseberichterstatter aller Länder entschieden protestieren, denn dann hört jedes Vertrauensverhältnis zwischen Bressevertretern und Staatsmännern auf, das die Voraussetzung für ein nügliches wirken der Presse bildet. Das alles ändert nichts an der Tatsache, daß Herr v. Schubert in seinen Aeußerungen allerdings unvor. fichtig gewesen ist.

Masaryk besucht den Rat.

Präsident Masaryk hat von Prag aus seine Erholungsreise nach dem Süden angetreten, trifft am heutigen Donnerstagnachmittag in Genf ein, wird einer Ratssitzung beiwohnen und eine Besprechung mit Briand haben, der einst als erster Ententeminister Masaryk gegenüber schon 1915 die Zerschlagung Desterreich- Ungarns und die gegenüber schon 1915 die Berschlagung Defterreich- Ungarns und die Errichtung des Tschechenstaates als eines der Kriegsziele anerkannte.

des bekannten russischen Beraters" der Kantonarmee, waren. Das Schiff wird als Truppentransportschiff gegen die Südarmee be. nußt und den Gefangenen soll Lebensgefahr drohen, wenn sie nicht gar schon hingerichtet sind. Rußland hat von der Befinger Regierung sehr nachdrücklich Rückgabe des Schiffes und der Ge­fangenen gefordert.

Kampf um Wutschau.

Paris , 9. März.( EP.) Wie die Agentur Indo Pacifique meldet, ist die Schlacht um Butschau in vollem Gange. Noch nicht bestätigte Gerüchte wollen wiffen, daß die Rantoner den Einzug in die Stadt erzwungen haben.

Hungerstreik in Bulgarien . Verzweiflungsaktion der politischen Gefangenen. Sofia , 9. März.( Eigener Bericht.) Der im hiesigen 3entral­gefängnis unter den politischen Gefangenen ausgebrochene Hunger­ftreit beginnt sich auch auf die Gefängniffe in der Provinz auszu­dehnen. Wie aus Philippopel, Bafardschik und anderen Städten gemeldet wird, verweigern auch dort die politischen Sträflinge die Annahme jeder Nahrung. Die faschistischen Zeitungen fordern 26­lehnung jeder Amnestie und melden ironisch, daß die von den Streifenden verweigerte Nahrung an die friminellen Berbrecher verabreicht wird, die sich dabei wie nie zuvor wohl fühlen".

Die franzöfifche Wahlreform sieht die Rüctehr zur Kreis. wahl ohne Broporz vor. Se 100 000 Einwohner werden durch einen Abgeordneten vertreten fein. Die neue Rammer wird das nach 587 Mitglieder, alfo drei mehr als gegenwärtig, zählen.

Der unredliche Berwalter des beschlagnahmlen Feindeigentums in Nordamerika , Miller, ist zu 18 Monaten Gefängnis und 5000 Dollar Buße verurteilt worden. Der mitangeklagte Daugherty wurde freigesprochen, da sich das Gericht über seine Schulb nicht einigen tonnte.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Bostichedfonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bant der Arbeiter, Angeftelten und Beamten. Waftr. 65: Diskonto- Gesellschaft. Devofitentaffe Lindenste. 3.

Heerschau der Wirtschaft.

Industrialisierung und Beschäftigung 1907 und 1925.

So viel über Boltswirtschaft geschrieben und gesprochen wird, so gering ist zugleich die Möglichkeit, die großen wich tigen Tatsachen und Zusammenhänge einwandfrei nachzu­prüfen. Schon über den Einzelbetrieb breitet das Geschäfts­geheimnis einen Schleier, der selbst von den Eingeweihten schwer zu durchdringen ist. Die Volkswirtschaft als Ganzes, die Wechselbeziehungen zwischen Kapital und Arbeit, die Ber­teilung der Menschen auf die einzelnen Produktionsgebiete innerhalb eines Landes alle diese wichtigen Tatsachen wer­den ungefähr nur zweimal in jedem Menschenalter zahlen­mäßig gemeffen und geprüft. Eine solche Messung hat am 16. Juni 1925 für das Deutsche Reich stattgefunden. Die ersten Ergebnisse dieser Zählung für das ganze Reich liegen jetzt vor. Die Umschichtungen in der Industrie, im Handel, im Verkehr find so entscheidend für die gesamte Wirtschafts- und Sozial­politik, sind von so grundlegender Bedeutung für die Beurtei­lung politischer und soziologischer Zusammenhänge, daß es notwendig erscheint, die hervorstechendsten Tatsachen festzu­

halten.

Unaushaltsam schreitet Deutschlands Entwicklung um Industrieland vorwärts. Seit 1907, dem Zeit­punkt der letzten Berufs- und Betriebszählung, hat sich die Bahl der Gewerbebetriebe mobet 1925 das Saargebiet nicht einmal berücksichtigt ist in dem Deutschen Reich heutigen Umfanges um nicht weniger als 429 000 nämlich von 2983 000 auf 3 412 000 erhöht. Das sind 14,4 Proz­

Gering aber ist diese Steigerung im Verhältnis zur Zahl der Arbeitskräfte, die Industrie, Handel und Ber­tehr angefogen haben. Fast vier Millionen Menschen, genau 3,78 millionen Arbeitskräfte mehr als vor 18 Jahren, arbeiten in der Industrie. Die Steigerung beträgt 28,5 Proz., ist also doppelt so groß wie sie nach der Zu­nahme der Betriebe sein müßte, wenn die durchschnittliche Größe des einzelnen Betriebes sich in den 18 Jahren nicht geändert hätte.

Der Einzelbetrieb hat sich jedoch wesentlich vergrößert. Die Statistik bestätigt nur die Erfahrung des Alltags, wenn sie feststellt, daß heute bei gleichen Zahlmethoden auf 100 Be­triebe im Durchschnitt 500 Arbeitskräfte kommen, wo 1907 mur 445 Röpfe je 100 Betriebe gezählt wurden. Die Ent­wicklung deutet die Konzentration des Rapitals an, soweit sie sich in der Größe der Fabrikationsstätten, Niederlassungen, Agenturen usw. ausdrückt. Sie deutet an Worüber sie jedoch nichts sagt, das ist die kapital­mäßige 3usammenfassung der Einzelbe­wissen aus der fürzlich veröffentlichten und im Vorwärts" triebe in den Händen weniger Besizer. Wir gewürdigten Konzerndenfschrift der Reichsregierung, daß heute zwei Drittel der Aktiengesellschaften, von denen viele bereits mehrere Produktionsstätten umfassen, in wechsel­seitiger Abhängigkeit voneinander oder von einer ihr übergeordneten Finanzgruppe find. Das war 1895 nicht einmal in spärlichen Anfängen der Fall. Hätte die Betriebs­zählung eraft festgestellt, wieviel Arbeitsfräfte vor 18 Jahren und heute auf denselben Arbeitgeber entfallen, fo würde das Bild von der Konzentration des Kapitals unend­lich viel deutlicher sein. Aber auch in den genannten Zahlen kommt bereits zum Ausdruck, wie der gewerbliche Mittelstand von dem Mühlrab der Kapitalaffumulation, der wachsenden Mechanisierung der Produktion erdrückt wird. Und es wirkt faft lächerlich, mit welchem unverwüst­lichen Optimismus fich die Mittelständler politisch an die Frackihöße derjenigen Parteien flammern, deren Träger zu­gleich die Nutznießer der Kapitalhäufung und des Fortschritts zumi Großbetrieb sind.

Tatsächlich ist das, was die Betriebszählung über die fort­gesetzte Ausdehnung der Großunternehmungen sagen fann, nur ein schwacher Abglanz der wirklichen Entwicklung. Da­von gibt eine andere Erhebung Auskunft, die gleichzeitig durchgeführt wurde und die den steigenden Einsat mechanischer Arbeitstraft an Stelle der mensch­lichen fennzeichnet. Die deutsche Industrie verbrauchte 1925, also noch längst vor dem Beginn der großen Rationalisierung, dreimal fopiel Kraftmaschinenleistung wie 18 Jahre früher! In einer Zeit, mo man den Verbrauch menschlicher Arbeitsfraft nur um ein gutes Viertel steigern fonnte, hat man die dem Menfchen dienstbaren Naturkräfte unter gewaltigem Kapitalaufwand verdreifacht. Da die mecha­nische Kraft in weit stärkerem Maße dem Groß- als dem Kleinbetrieb zugute fommt, zeigt sich in diesen Zahlen mit großer Deutlichkeit die Wirkung des großen Umschichtungs­prozesses vom kleinen Werkstatthandwert zur großen Fabrit, wie ihn die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten seit dem Jahrhundertende erlebt hat.

Und doch wurde troz steigender Zahl und Leistung der Maschinen menigstens bis zum Zeitpunkt der Betriebs­zählung der Bedarf an Arbeitstraft nicht geringer, er stieg vielmehr um 28,5 Broz, wie bereits erwähnt wurde.