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Abendausgabe
Nr. 11944. Jahrgang Ausgabe B Nr. 59
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Vorwärts
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Berliner Volksblaff
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Freitag
11. März 1927
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Das Lüttwih- Gehalt.
Lüttwit will alles nur ganz legal gemacht haben.
Bor dem 11. Zivilsenat des Rammergerichts unter Borsiz des Senatspräsidenten Rudert fand heute die Berufungsverhandlung in dem Prozeß des Generals v. Lüttwig und des Majors v. Bischoff gegen den Reichsfistus auf Bahlung bzw. Aufwer. tung ihres Gnadengehalts statt.
Rechtsanwalt ille betonte als Bertreter des Reichswehrministeriums, daß der Reichsfistus bei seinen Einwendungen gegen die Klage bleibe. Der Tatbestand der Meuterei liege auch insofern vor, als v. Lüttwiß der Aufforderung des damaligen Reichswehrministers Noske , von seinem Posten abzutreten, zunächst nicht nachgekommen sei. Ausschlaggebend für seine Entlassung sei der Kapp Putsch gewesen. Die Amnestierung habe nur Wir fungen in strafrechtlicher Hinsicht, nicht aber hinsichtlich der zivilrechtlichen Ansprüche. Der Vorwurf der unerlaubten Ent. fernung beziehe sich auf das Berhalten der beiden Offiziere vor ihrer Entlassung. Schließlich mache das Reichswehrminifterium auch Rompenfationsansprüche geltend, weil Ge neral pon Lüttwiß sich durch Berfügung vom 14. März 1920 die Stellung eines Reichswehrminifters angemaßt und in dieser Eigenschaft den Angehörigen der Reichswehr gewiffe Bezüge versprochen hatte, die zum Teil ausgezahlt wurden.
Der Vertreter des Generals v. Lüttwiß und des Majors Bischoff, Rechtsanwalt Dr. Horn, machte zunächst geltend, daß Major Bischoff sich überhaupt nicht am Rapp Butsch beteiligt habe. Er fei nur zufällig zwei Tage vorher nach Berlin gekommen, um nach Auflösung seiner Eisernen Brigade in Mecklenburg vom Reichswehrministerium Auskunft über seine weitere Berwendung zu erhalten, und habe dabei von Lüttwig den Auftrag betommen, wieder nach Mecklenburg zurückzukehren. Durch die Lahmlegung bes Verkehrs fet er dann aber mährend des Rapp Butiches in Berlin festgehalten worden, ohne sich an diesem Unternehmen zu beteiligen.
Was die
Entlaffung des Generals v. Cüffwih betreffe, so set Reichsminister Schiffer damals gar nicht stellver tretender Reichsfangler gewesen, er habe sich dieses Amt nur zu gelegt, weil der Reichstangler Müller Berlin verlassen hatte. Schiffer fei überhaupt nicht berechtigt gewesen, ben General v. Bütt
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wiß zu entlaffen, er habe ihn ja auch nur seines Bostens enthoben. Entlassen sei Lüttwiß erst durch die am 29. März 1920 ergangene Berfügung des Reichspräsidenten , die den General aber erst im April erreicht haben soll. Bei dieser Gelegenheit machte der Anwalt von den bisher faum befannten Umständen des Begganges Lüttmis' pon Berlin Mitteilung.
Der General fei am 17. März 1920 mit Wissen der bürgerlichen Parteien und ausgerüstet mit einem Ausweis, der auf den Namen eines Geheimrats lautete, in Begleitung eines Offiziers der Kommandantur Berlin im Auto auf ein Gut des Fürften Lynar bei Angermünde gefahren, habe sich hier bis zum April der Reichsregierung zur Verfügung gehalten und fich dann ins Ausland begeben.
Demgegenüber bestritt der Bertreter des Reichs. fistus, Rechtsanwalt ifte, daß die Reichsregierung von diesem Aufenthalt des Generals v. Lüttwiz etwas gewußt habe. Es sei darüber nur mit Bertretern der bürgerlichen Barteien ver. handelt worden.
Rechtsanwalt Dr. Horn bemerkte dann weiter, daß, wenn Lüttwig die Verfügung des Reichspräsidenten Ebert erst im April 1920 erhalten habe, seine Gehaltsansprüche auf Grund des Offiziersentschädigungsgesetzes auch berechtigt seien. Im übrigen habe es sich bei seiner Entlassung nicht um eine Einzelverfügung des Reichspräsidenten , sondern um eine Verabschiedung zu fammen mit zahlreichen anderen Offizieren gemäß den Bestimmungen des Offiziersentschädigungsgefeges gehandelt. Der Vorwurf der Meuferei jei gegen den General nicht einmal in dem Hochverratsverfahren erhoben worden, ebensowenig liege un erlaubte Entfernung vor.
Der Vertreter des Reichsfiskus beantragte demgegenüber, die Aften des Oberreichsanwalts heranzuziehen zum Beweise für eine Beteiligung des Majors Bischoff am Kapp- Butsch. Gegen General v. Büttmiz fel schon am 24. März 1920 ein Saftbefehl erlassen worden. Reichsminister Schiffer sei damals zum Stellvertreter des Reichskanzlers bestellt worden.
Die Entscheidung des Stammergerichts wird in einem besonderen Termin vertündet werden.
Fememordprozeß Wilms.
Die Verteidiger gegen das Schwurgericht.
lution. Eine verfehrte Welt!
Die Befangenheitsanträge abgelehnt. Die Fememörder, finstere Gefellen, sind es, die auf der Auflage-| nationale Berteidiger beruft sich auf die Errungenschaften der Revobant fihen, zusammen mit ihren Helfern und Helfershelfern. Neben den schlanken Fuhrmann und umhofer der breitschultrige RIapproth, der bereits durch das Landsberger Gericht zu 15 Jahren verurteilt ist. Zwischen ihnen glaubt man die flüchtigen Bfahlbusch und Büsching zu sehen. Neben ihnen schaut frant und müde v. Poser brein, als wundere er sich, daß er auf der Anklagebant size. Und vor der Barriere die entschloffenen Gesichter der Stanfien und Budezinfti.
Nur einer von den Angeklagten fühlt sich absolut sicher Seele der Fememorde, der Oberleutnant a. D. Schulz.
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die
Der Oberstaatsanwalt Rombrecht erklärt furz und bündig, das Justizministerium werde mohl triftige Gründe gehabt haben, als es bie Fememorbiache einem besonderen Schwurgericht überwies. Nach Ablehnung des Antrages der Berteidigung auf Bertagung der Gerichtsverhandlung lehnte die Berteidigung die Richter als be fangen ab. Als der Borsigende des Gerichtshofes in neuer Zu sammenfeßung nach Entgegennahme der Erklärung der Berteidigung die Angeklagten fragt, ob sie sich den Ausführungen ihrer Berteibiger anschließen, schlägt der Angeklagte Schulz mit der Fauft auf die Barriere und schreit lachend in den Gerichtssaal hinein: Arrest- los!"
( Siehe auch 2. Seite.)
Die Attacken, die die Berteibigung gegen das Gericht reitet, verfolgt er mit einem Gefichtsausdrud, als wollte er fagen: „ Nur zu, Jungens, fefte druff!" Ungefähr so mag er ausgeschaut Aber das rrreft- los!" nügt den Schulz und Genossen nichts. haben, als er feinen Untergebenen die Befehle erteilte, seine Opfer Auch der Befangenheitsantrag wird abgelehnt, der Gerichtshof er umzulegen. Besonders amüsiert funtein aber feine Augen, als hält feine alte Zusammenfeßung und nun geht den Verteidigern der die Verteidiger zu seinem Schuß die Heiligkeit der Bertem aus. Sie bitten um eine Pause, die ihnen nach einigen faffung heraufbeschwören. Die Berteidiger des Schulz als wahrer ironischen Fragen des Borfizenden auch genehmigt wird, da es und Hüter der Verfassung! Eine Groteste im Gerichtssaal. Dazu ist inzwischen Mittag geworden ist. ihm die Verfassung gut genug, um deren Wohltaten für ihre Klienten in Anspruch zu nehmen, die am liebsten, je eher, je besser, fie ftürzen würden. Die Weimarer Berfassung ist noch das ein zige, was Staat und Reich zusammenhält," beflamiert der Ber teidiger und beschwört die Seele der Verfassung, Preuß, herauf; und hinter ihm siẞt Schulz, die redyte Hand des Rüstriner Butschisten und Berfassungsstürzters Buchruder! Die Verfassung jei verlegt, weil das Justizministerium für die um fangreiche Fememordsache, die einer längeren Borbereitung bedurfte und deren Prozeß von längerer Dauer fein wird, eine besondere „ Schwurgerichtsperiode" einberufen habe. Eine Besorgnis der Be fangenheit fet in die Herzen ber Angeklagten eingezogen, da fie er. fuhren, daß sie ihren ordentlichen Richtern entzogen seien.
Weich eine Besorgnis? Es könnte ihnen durch diese Richter nicht Recht widerfahren? Glauben etwa die Berteidiger, daß ihre Klienten bei der Rammer des Bandgerichtsdirektors Bombe besser fahren würden? Jedenfalls hat es der Berteidigung die Rede des Ministerpräsidenten Braun in Magdeburg angetan, in der er sich darüber beflagt hat, daß der Ausschluß der Deffentlichkeit im Fememordprozeß Pannier unter Bombes Borsig den Einbrud habe erwecken müffen, als stelle fich dieses Gericht schügend vor die Hintermänner der Fememörder. Gegenüber dem Ministerpräfi denten Braun, und dem Justizminister erklärte mit Bathos der Rechtsanwalt Hahn: Ich bin deutschnational. Aber wohin sollte das führen, wenn es in unserem Vaterlande gestattet sein sollte, nach Belieben die Gerichte zu besetzen, wenn das Recht des Bürgers, von feinem ordentlichen Richter abgeurteilt zu werden, ein Recht, das eine Errungenschaft der Revolution ist, verlegt würde." Der deutsch
es
Zehnstündiger Achtstundentag.
Hinter den Kulissen des Bürgerblocks.
Die Parteien des Bürgerblods find sich noch nicht einig gemorden über das Notgesetz zur Arbeitszeit. Auch die Regierung des Bürgerblods fann sich der Tatsache nicht verfchließen, daß gegenwärtig in Deutschland 2% Millionen Arbeitslose durchgeschleppt werden müssen, obwohl, wie jetzt wieder die Leipziger Messe gezeigt hat, feinerlei Notlage der Wirtschaft vorliegt, und daß troß der ungeheuren Arbeitslosigkeit, wie die Erhebung der Regierung nachgewiesen hat, mehr als die Hälfte ber Arbeiter Ueberstun ben leisten. Die Regierung hat also einen Entwurf eingebracht, der angeblich diese himmelschreienden Mißstände beseitigen soll, tatsächlich aber unter dem Aushängeschild der Wiederherstellung des Achtstundentages den Zehnstun= dentag als gefeßlich zulässig normale Arbeitszeit verankern will. Der Regierungsentwurf wird an den bisherigen Zuständen fast nichts ändern, ja in mancher Beziehung noch eine Verschlechterung bringen.
Innerhalb der Parteien des Bürgerblods wird jetzt um Die Form gerungen, die diesem zehnstündigen Achtstundentag gegeben werden soll. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß der Ausgang dieser Berhandlungen hinter den Kulissen des Bürgerblocks, daß auch der Ausgang der Verhandlungen im Reichstag nur dann eine Beendigung des Kampfes um die Arbeitszeit bedeuten wird, wenn der Achtstundentag tatfächlich als normaler Arbeitstag wiederhergestellt wird. Jede andere Lösung ist feine Lösung. Die Gewerkschaften find entschlossen, diesen Kampf mit allen Mitteln bis zum Ende durchzuführen. Sie sind sich dabei bewußt, daß sie sich nicht nur auf die Arbeiterschaft stüzen können, sondern daß sie in diesem Kampfe die gesamte Deffentlichkeit auf ihrer Seite haben werden.
Die Unternehmerpertreter im Regierungslager operieren mit den abgebrauchtesten Argumenten, um nachzuweisen, daß die Wiederherstellung des Achtstundentages wirtschaftlich nicht durchführbar fet und zu den größten Schwierigteiten führen würde. In der D23." wird ausgeführt, daß es z. B. nicht möglich sei, im Beitungsgewerbe den Achtstundentag einzuhalten. Der besonders große Umfang der Sonntagsausgabe der Zeitungen zwinge zu einer auf einen furzen Beitpunkt zusammengepreßten Mehrarbeit, die nicht durch Einstellung von Arbeitslosen geleistet werden tönne.
Die Tatsachen widerlegen aber diese Behauptung. In Borbereitung der nunmehr abgeschlossenen Tarifverhandlungen im Buchdruck gewerbe hatte der Buchdruckerverband die Weifung ausgegeben, Ueberstunden über die tariflichen Pflichtüberstunden hinaus zu verweigern und auch diese nach Möglichkeit einzuschränken. Diese Weisung wurde von den Mitgliedern des Buchdruckerverbandes eingehalten. Was war nun die Folge? In Berlin allein wurden dadurch 600 arbeitslose Buchdrucker eingestellt. Die Unternehmer haben ganz einfach sich umstellen müssen, indem sie die Inserate für die Sonntagsnummer früher hereinholten und Bordrude im Laufe der Woche machen ließen. Es ging also sehr gut. Es ging um so beffer, weil burch diese Umorganisierung der Arbeitsmarkt nicht unerheblich entlastet wurde.
Arbeitszeit ist in erster Linie eine Frage der DurchSo wie hier liegt es auch anderswärts. Die Frage der organisierung der Betriebe. Den Unternehmern ist es höchst unbequem, diese Umorganisierung vorzunehmen. Die Arbeiter sollen für die Schlamperei der Unternehmer durch Leistung von lleberstunden büßen.
Deshalb wehren sich die Unternehmer auch jetzt bei den Berhandlungen innerhalb des Bürgerblocks gegen die in Borschlag gebrachte Bestimmung Ueberstunden ganz allgemein mit einem Zuschlag von 25 Pro3. zu bezahlen. Der Regierungsentwurf schlägt vor, daß nur für die aus wirtschaftlichen Gründen von den Behörden zugelassene Mehrarbeit ein Lohnzuschlag von 25 Broz. gezahlt werden soll. Für die Mehrarbeit, die auf Grund des§ 3 der Arbeitszeitverordnung der Unternehmer von sich aus anordnen fann, für die aus sogenannten betriebstechnischen Gründen und für die durch Tarifvertrag, somit also auch durch 3wangsschiedssprüche zugelassene Mehr arbeit, soll dieser Zuschlag nicht gezahlt werden. Damit würde es mit dem Zuschlag von 25 Broz. bei Leistung von Ueberstunden ungefähr so aussehen wie mit dem Achtstundentag nach dem Regierungsentwurf. Braktisch würde dieser Buschlag nur in Ausnahmefällen gezahlt werden müssen.
Die entscheidende Frage, vor die der Reichstag gestellt ist, und um die unsere Gefezgebung jo oder so nicht mehr herumfommen wird, ist folgende: Soll es dem Unternehmer gestattet sein, durch die Rationalisierung der Betriebe Millionen von Arbeitern und Angestellten brotlos zu machen, und den Rest der noch Arbeitenden zu unmenschlicher Arbeitszeit zu verdammen?
Genoffe Blum für sofortige Abstimmung. Paris , 11. März.( Eigener Drahtbericht.) Unter der Ueber: fchrift: Wir müssen die Saar räumen!" betont heute Blum im Populaire", daß Frankreich politisch klug und dem Bertrag von Bocarno entsprechend handeln würde, wenn es sobald mie möglich das Saargebiet völlig räumen würde, Deutsch land habe, so betont Blum, den Dames- Plan erfüllt, ist in den Bälterbund eingetreten und hat seit Locarno die nach Anficht Blums für die Folge schwierigste Kraftanstrengung geleistet, indem freiwillig ben durch seine Niederlage geschaffenen internationalen Bustand anerkannt hat. Es habe deshalb ein Recht, zu verlangen, daß Frankreich ihm in der Frage der Besetzung feiner Gebiete entgegentommt, um so mehr, als die Räumung der Rhein . Wie rückständig unsere Unternehmer in wirtschaftlicher lande, die nach den Besprechungen von Thoiry für die nächste Beit Beziehung sind, dafür zeugt nicht nur das jetzt vorliegende in Aussicht gestellt war, wieder auf unbestimmte Zeit verschoben Ergebnis der Rationalisierung. In einem Lande, dessen ist Es wäre also von Frankreich klug, Deutschland jetzt eine Geerwerbstätige Bevölkerung zu 75 Proz. sich zusammensetzt nugtuung durch Räumung des Saargebiets zu geben oder min. aus Gehalts- und Lohnempfängern, haben die Unternehmer destens der Saarbevölkerung jezt schon Gelegenheit zu geben, in noch nicht begriffen, daß diese Gehalts- und Lohnempfänger einer freten Abstimmung zu erflären, worüber auch in der nicht nur ein Faktor im Produktionsprozeß, sondern daß sie Folge tein Zweifel bestehe, daß fie deutsch ist und deutsch die Grundlage des Absages sind. Nach der Wirtbleiben will, schaftsweisheit, die heute noch im Unternehmerlager regiert,