Nr. 120 44. Jahrg.
Ausgabe A nr. 61
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Kompromiß oder Mehrheitsentscheid? 1917 – 12. März
Die deutsche Delegation und die Saarfrage.
des Landes gewählt werde. Nach der Unterredung hatte Vander velde eine Zusammenkunft mit Chamberlain, Briand und v. Schu bert, denen er die erwähnten Wünsche mitteilte. dald
Deutschnationale Giftmischerei.
- 1927.
Das zehnjährige Jubiläum der russischen Revolution. Bon Peter Garwy.
Am 12. März jährt sich zum zehntenmal der Tag, an dem der drei Jahrhundert alte Thron der Romanowschen Monarchie wie eine morsche, bis zu den Wurzeln verfaulte Eiche zusammenbrach. In einigen Tagen war jede Spur der früheren Allmacht der zaristischen Selbstherrschaft verweht. Niemand abgesehen von einem Häuflein Polizeibeamten in Petersburg erhob sich zum Schutz des Zarismus. Das dem Umsturz mit Begeisterung auf. Es war im vollen Sinne Land und die Armee an der Front nahmen die Kunde von
V. Sch. Genf , 11. März. 12.45 nachts.( Eigener Drahf-| wechselnd aus den Vertretern der verschiedenen bedeutenden Parteien bericht.) Die deutsche Delegation ist kurz vor 12 Uhr nachts zu einer lehten Sigung zusammengetreten, in der fie fich über ihre Haltung in der morgigen Sitzung des Völkerbundsrats in der Frage des Eisenbahnschuhes im Saargebiet endgültig schlüffig werden muß. Die Alternative lautet: Annahme des Vorschlages der Regierungskommission des Saargebiets mit nur unwesentlichen Abänderungen oder Mehrheitsentscheidung. Das erste bedeutet die Aufgabe des Rechtsstand. punttes hinsichtlich des bedingungslosen Abzuges der französischen Truppen, nachdem die im Versailler Vertrag bestimmte scharfmacherische Aeußerungen Paul Boncours in großer Aufschichtliche Urteil gegenüber dem Regime der Selbstherrschaft.
lokale Gendarmerie schon geschaffen worden ist. Das zweite bedeutet höchstwahrscheinlich Ueberstimmung Deutschlands ohne prat ifche Vorteile und womöglich unter Verzicht auf sonst zu erreichende
fleinere Konzeffionen.
3m ersten Fall wird sich Stresemann deutschnationalen Angriffen aussehen, im zweiten Fall wird er als unferlegener Held in der Rechtspresse gefeiert werden, wenigstens ein paar Tage lang. Das heißt: Im ersten Fall wird die Hugenberg- Preffe auf die Fran30fen und Herrn Strejemann schimpfen, im zweiten Fall wird sie nur auf die Franzosen schimpfen. Das ist inner politisch der ganze Unterschied, außenpolitisch wird eine Mehrheitscniſcheidung die an sich nicht sehr günstige Atmosphäre der deutsch
französischen Beziehungen noch ungünstiger beeinflussen.
Um% 1 Uhr dauert die Sigung der deutschen Delegation
noch fort.:::
Saargewerkschafter bei Vandervelde . Brüffel, 11. März.( WTB.) Die Belgische Telegraphen- Agentur meldet aus Genf unter dem gestrigen Datum: Bandervelde empfing zwei Abgeordnete der sozialistischen Arbeitergewerkschaft des Saargebiets. Sie erklärten, fie münschten feine militärische Be segung, feien aber der Ansicht, daß, wenn ein Schuß für die Berkehrswege notwendig sei, diese aus den gegenwärtig im Eaargebiet stehenden französischen Soldaten ausgewählt werde, an die sie gewöhnt feien, da sie die Einsetzung einer Bolizei befürchteten, die möglicherweise aus unruhigen Elementen gebildet würde, wie diejenigen, welche die Separatisten unruhen im Rheinland hervorgerufen hätten. Die Arbeitervertreter beklagten sich ferner darüber, daß mehrere Mitglieder der Re gierungskommission nicht deutsch sprechen, und äußerten den Wunsch, daß das Saarmitglied der Kommission ab
NO
V. Sch. Genf , 11. März.( Eigener Drahtbericht.) Die deutsch nationale Presse hat sich wieder einmal ein sauberes Stückchen geleistet. Wie hier inzwischen befannt geworden ist, hat sie angebliche machung wiedergegeben. Der französische Bölkerbundsdelegierte follte erflärt haben, und zwar in Gegenwart deutscher Korresponna geben und Deutschland würde sich daran gewöhnen müssen, denten, Frankreich werde aus militärischen Gründen nicht denten, Frankreich werde aus militärischen Gründen nicht
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im Bölferbundsrat über stimmt zu werden.
Als auf diese Nachricht hin Genosse Paul Boncour von mir befragt wurde, was daran wahres sei, war er zunächst äußerst erstaunt über die Behauptung, bezeichnete sie als erlogen und sagte weiter: Ich habe bisher überhaupt mit feinem deutschen Journalisten, außer mit Ihnen, gesprochen. Einem französischen Journalisten, der sich bei dem Gedanken besorgt zeigte, daß der Rat schließlich in Ermangelung einer vorherigen Einigung durch eine Abstimmung entscheiden müßte, habe ich erwidert: Was wäre denn dabei? 3ft der Böllerbund nicht dazu da, um im Falle von zwischen ftaatlichen Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden? Er ist jogar eigentlich zu diesem Zwed geschaffen morden. Ich finde, daß der Bölkerbund schon früher viel öfter burch offene Abftimmungen zwischen zwei Thesen hätte entscheiden sollen, anstatt wie bisher allzu häufig durch Kuhhandel hinter den Kulissen Rompromiffe herauszuschinden, die niemanden befriedigen. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, daß sich der Völkerbund immer mehr wird daran gewöhnen müssen, Konflikte durch Abst im mungen zu entscheiden.
Das und nichts anderes habe ich dem Berichterstatter der Havas . Agentur im Vorraum des Völkerbundssaales gesagt. Es scheint, daß dieses Gespräch von einem deutsch nationalen Journalisten belauscht worden ist, der dann meine Worte in unglaublicher Weise dahin verdreht hat, Deutschland müßte sich daran gewöhnen, im Rat über stimmt zu werden.
Ich bitte Sie nochmals dringend, in der deutschen sozialdemotratischen Presse dieser unwahrheit entgegenzutreten." ( Siehe auch dritte Seite.)
Stillstand der Arbeitslosigkeit.
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Rückgang der Unterstützungsempfänger um 3,7 Prozent.
Wie amtlich mitgeteilt wird, zeigt die Zahl der Hauptunterstügungsempfänger in der Erwerbslosenfürsorge in der zweiten Februarhälfte einen weiteren Rüdgang um rund 65 000= 3,7 Proz. Die Zahl der männlichen Hauptunter ftügungsempfänger ist in der Zeit vom 15. Februar 1927 bis zum 1. März 1927 von 1509 000 auf 1 458 000 zurückgegangen, die der weiblichen Hauptunterstüßungsempfänger von 252 000 auf 238 000, die Gesamtzahl von 1761 000 auf 1696 000. Die Zahl der zu= schlagsempfänger hat sich von 2 034 000 auf 1983.000 verringert.
Diese Zahlen besagen, daß die Arbeitslosigkeit gegen Ende Februar zum Stillstand gekommen oder vielleicht sogar in winzigem Umfange zurückgegangen ist. So start, wie es nach der amtlichen Erwerbslosenstatistit scheinen tönnte, ist jedenfalls die Befferung am Arbeitsmarkt nicht. Von den langfristig arbeitslosen Unterſtüßungsempfängern ist nämlich wahrscheinlich auch im Laufe des Februar ein erheblicher Teil ausgesteuert" und der Unterſtützung durch die Gemeinden überlassen worden. Die Zahl dieser Ausgesteuerten ist für die zweite Februarhälfte nicht bekannt, da sie in der Regel nur einmal, und zwar um Monatsmitte festgestellt
wird.
Seit Ende Februar ist jedoch der im Frühjahr übliche Umschwung eingetreten, der durch die größere Wiederaufnahme von Außenarbeiten im Baugewerbe und in der Landwirtschaft bedingt ist. Nach den übereinstimmenden Berichten von der Leipziger Meise und aus einer Reihe von Industriezweigen scheint diese saisonmäßige Belebung durch eine Befferung der Gefamtkonjunktur noch verstärkt worden zu sein. Infolgedeffen ist seitdem mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit überhaupt zu rech nen. Fraglich bleibt nach wie sor, ab der Konjunkturaufschwung so wirksam ist, daß er größere Arbeitermaffen wieder für längere Zeit in den Produktionsprozeß zurüdführt. Borläufig liegt jeben falls zu besonderem Optimismus fein Anlaß vor. Deshalb
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bleibt es die Pflicht der Reichsregierung, mit einer raschen Durchführung des Arbeitsbeschaffungs. programms dem Arbeitsmarkt den notwendigen Rückhalt zu verleihen und die verheerenden sozialen Folgen der Erwerbslosigkeit mit größerem Nachdruck als bisher zu bekämpfen.
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eine Volksrevolution.
In dieser Volkstümlichkeit der Revolution liegt das ge=
Die Märzrevolution, in gleicher Weise wie die Revolution ron 1905, wurde vom Kriege, der die innere Zersehung des sondern nur beschleunigt und entfesselt. Haben doch die GroßBarenregimes offen vor Augen führte, nicht hervorgerufen, fürsten und die Oberste Heeresleitung, der Hofadel und die Vertreter der Großbourgeoisie selbst eine Palastrevolution und schen Zusammenbruch zu verhüten und die monarchistische die Entthronung Nikolaus II. vorbereitet, um den militäriIdee zu retten.
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Aber nicht die Balastrevolution von oben, sondern die Volksrevolution von unten entschied das Schicksal des russiichen Volfes. Der Zarismus stolperte nicht über die Achselrinde. Die vorübergehende Stodung in der Brotzustücke der Hofleute, sondern über eine ganz gewöhnliche Brotfuhr Ende Februar 1917 trieb die Petersburger Arbeitermassen auf die Straße. Die Soldaten lehnten es ab, auf die Arbeiter zu schießen und das entschied das Schicksal der Monarchie. Der Revolution, die von den Arbeitern und Soldaten, die sich aus der Bauernschaft rekrutierten, hervorgerufen wurde, schlossen sich in der ersten Zeit auch die höheren Gesellschaftsklassen an. Unter dem Druck der Arbeiter- und Soldatenmassen war die Reichsduma gezwungen, in den entscheidenden Tagen des Umsturzes sich an die Spitze der Bemegung zu stellen und die Revolution zu sanktionieren. Aber die Führung entfiel sehr bald den schwachen Händen dieser VerSoldatenrat über, an dessen Spize seine Schöpfer, die Sozialtreter der bemittelten Klassen und ging zum Arbeiter- und demokraten- Menschewisten, standen. Nicht die Bolschewisten, sondern die Menschemisten waren es, die überall an der Spitze der revolutionären Organisationen des Proletariats, in den entscheidenden Tagen der Liquidation des Zarenregimes, standen.
Die treibende Kraft der Revolution war das immer wachsende Mißverhältnis zwischen den Bedürfnissen der kapi talistischen Entwicklung des Landes und dem Regime der Selbstherrschaft, das die Ueberlieferungen der Leibeigenschaft und die Ständeordnung aufrechterhielt. Die Revolution von 1917 mar berufen, die Aufgaben zu lösen, die die Revolution von 1905 infolge ihrer Niederlage nicht lösen fonnte: die Befeitigung des Barismus, die demokratische Umgestaltung des staatlichen Apparats, die Aufhebung der Ständeordnung, die Uebergabe des Gutslandes an die Bauernschaft, die Schaffung einer weitestgehenden Arbeitergesetzgebung usw. Dieses Programm wurde zum größten Teil bereits in den ersten acht Monaten nach der Revolution- bis zur Novemberumwälzungverwirklicht. Kann man denn den sozialistischen Parteien, die in der ersten entscheidenden Periode an der Spize der. Revolution standen, den Vorwurf machen, daß es ihnen, in der
Atmosphäre des Weltkrieges und der beginnenden Anarchie, nicht gelungen ist, dieses Programm in seinem ganzen Ulmfange durchzuführen?
Die Aussichten des Arbeitsmarkts. Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit veranstaltete am Donnerstag in den Räumen des Reichswirtschaftsrates eine Tagung über das Broblem der gegenwärtigen Arbeitslosentrise in DeutschZum größten Unglück für die Revolution hat der Krieg land". Unter anderem sprach über Bevölkerungsentwid. der im marristischen Geiste geschulten Arbeiteravantgarde der lung und Arbeitsmarkt" Dr. Plager, Direktor im Möglichkeit beraubt, die von der Revolution entfesselten EleStatistischen Reichsamt. Der Hauptgrund der Massenarbeitslosigkeit mente planmäßig zu organisieren und die Errungenschaften liegt nach seiner Auffassung in einer Zeit, in der die Wirtschaft nicht der Arbeiterklasse und der Bauernschaft zu sichern. Nicht die mit gleichem Tempo vorwärts schritt. Die Gesamtbevölkerung Deutsch - Arbeiterklasse, sondern die Bauern in Soldatenuniform unterlands hat ſeit 1914 auf dem Reichsgebiet nur um zwei Millionen stüßten hauptsächlich die Bolschewisten bei der Durchführung zugenommen, im gleichen Zeitraum aber ist die erwerbstätige Bevölkerung von 15 bis 65 Jahren von 37,5 auf 42,5 Millionen çe= Des Novemberumsturzes. Die Bolschewisten, die in ihrer Jagd stiegen. Die deutsche Wirtschaft muß also 7,4 millionen Er- nach der Macht die bewaffnete Bauernschaft mit dem Verwerbstätige mehr aufnehmen als 1907 und über sprechen eines sofortigen, wenn auch ,, hundsgemeinen" Frie5 Millionen mehr als vor dem Kriege. Dabei ist eine dens auf ihre Seite heranlockten, erwiesen sich, am nächsten fortschreitende Proletarisierung zu beobachten. Da Tage nach dem Umsturz, in den Bärentagen der bäuerlichen zu kommt, daß das Eindringen der Frauen in das Er: Elementargewalt... werbsleben start zugenommen hat und noch stärker werden Auf diese Weise sicherte der Weltkrieg den Sieg der Elewird. Bis zum Jahre 1930 wird noch eine weitere Million Erwerbs. fähiger die Armee der Arbeitnehmer vergrößern. Die Auswirkung mentarkräfte über den Geist der Organisation, des anarchides Geburtenausfalles während des Krieges wird zwar von 1930 ab ftischen Blanquismus über den Margismus, des kleinbürgermildernd auf den Arbeitsmarkt einmirfen, aber diese Wirkung wird lichen Revolutionismus über die schwachen Keime der prolefeinen Rüdgang der Erwerbslosen zur Folge haben. Die Betarischen Selbständigkeit. Wenn der Krieg nicht gewesen fämpfung der Arbeitslosigkeit darf daher nicht hin. wäre, so würde das russische Proletariat sich nie mit einer ausgeschoben werden in der Hoffnung, daß das Arbeitslosen solchen Leichtigkeit in ein Opfer und ein passives Werkzeug problem sich unter dem Einfluß der Wirkungen des Geburtenausfalls einmal von selbst lösen werde. Es müssen vielmehr Mittel und der kleinbürgerlichen, revolutionären Elementargewalt,.die Wege gesucht und gefunden werden, die es der deutschen Wirtschaft ihre Berförperung im Bolschewismus gefunden hat, verwanermöglichen, auch der vergrößerten Bahl seiner erwerbsfähigen Be. belt haben. Um fo größer ist die geschichtliche Berantwortung, pölferung Arbeit und Beschäftigung zu geben. die auf der Partei, die sich die kommunistische nennt, laftet,