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Nr. 124 44. Jahrgang 2� Vieustag, 15. März 1H27

Deutsthlanö und Sie Rationalisierung. WLrtschaftsPolitische Debatte im Reichstag.- Genossin Sender gegen den Reichswirtschafts- minister.- Das Unternehmertum zeigt sein wahres Gesicht.

Der Reichstag nahm gestern zunächst die deutsch - pol. nischen Grenzabtommen sowie den Gesetzentwurf über den Beitritt des Reichs zum imernotionalen Abkommen über den Schutz von Werken der Literatur und Kunst ohne Aussprache in zweiter und dritter Beratung an. Darauf wird die zweite Beratung des Reichshaushalts beim chaushalt des Rei chs w i rts cha f ts m i n ist e rium s fortgesetzt. Reichswirtsihafisminisier Vr. ftirtius gibt einen Ueberblick über die Tätigkeit seines Ministeriums. Nur auf gewissenhaften Erkcnntnisgrundlageu sei das Zusammenwirken der verschiedenen Wirtschaftszweige und der Ausgleich der großen Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit möglich. Deshalb verfolge das Wirtschastsminisierium eingehend die Aufgaben periodischer Untersuchungen und ständiger wissenschaftlicher Durchdringung des ganzen Wirtschastsgescheheiis und suche die Arbeiten der Enquete- Kommission sowie die dauernde Tätigkeit des Statistischen Neichsomts zu fördern. An neuen Aufgaben für 1927 nennt der Redner die R e i ch s w o h n u n g s h l u n g, die Erhebung von Haushaltsrechnungen zum Aufschluß über die Lebens- Haltung der Bevölkerung, die Produktions» und Lohn- st a t i st i k. Die treibhausartige Entwicklung der Berussorganisationen nach dem Zusammenbruch habe einem Beharrungszustand Plag gemacht. Die Zusammenarbeit mit den Behörden erstrecke sich auch auf wirt- schastspolitische Ausgaben. Trotzdem könne man ein Zentrolorgan, den Reichswirtschaftsrat, nicht entbehren. In der Rationalisierung sei nur die erste Etappe er- reicht. Die Bervollkommnung der Technik stehe noch bevor. So. bald der Plan eines Großspannungsnetzes fertiggestellt fei, dürss seine Durchführung nicht durch Schwierigkeiten bei der Ver- leihung des Enteignungsrechtes gestört werden. Endziel der ganzen Rationasisierung müsse die Wiederaufnahme aller brauchbaren Arbeitskräfte und die Hebung der kauskrasl der ganzen Bevölkerung sein. Der Minister verwies dann auf die beiden Denkschriften der Regie- rung über Konzern- und Trustbildung und über die Tätigkeit des Kartcllgerichts. Die Kartellbedingungen ständen unter dauernder Beobachtung einer besonderen Abteilung des Ministeriums. Bei besonders hartnäckigen Gruppen genüge meist die Drohung mit einer KlaAe vor dem Kartellgericht. Bei Besprechung der Zoll- and handelsvertragspolisik betonte der Redner, daß der Anteil Europas an der deutschen Ausfuhr zu- gunsten des außereuropäischen Anteils stark gemindert sei. Die Ausfuhr nach den europäischen Ländern sei im ganzen genommen geringer als vor dem Kriege, wobei den Hauptausschlag die verminderte Ausfuhr nach Rußland und Frankreich gebe. Bei den anderen Ländern zeige sich in manchen Beziehungen eine günstige Auswirkung der mit ihnen obgeschlolse. nen Handelsverträge. Asien und Afrika nähmen wachsende Mengen deutscher Äusfuhrerzeugnisie auf. So sehr Deutschland danach trachte, das Handelsvertragssystem zum Abschluß zu bringen, so sei man noch immer vom Ziel entfernt und habe noch schwer« Aufgaben, wie die Handelsverträge mit Polen , Frankreich und der Tschechoslowakei zu lösen. Mi. nister Dr. Curtius erhofft sich von der im Mai in Genf stattfinden. den Weltwirtschaftskonferenz eine gewiss« Erleichterung der allgemeinen handelspolitischen Lage. So wenig befriedigend im ganzen Deutschlands Handelspolltische Lage zurzeit auch sein möge, so werde die Reichsregierung doch eine Aenderung der Methoden und die Schaffung eines neuen Zolltarifes in nächster Zeit nicht verantworten können. Die Einbringung eines neuen deukscheu Zolllarifs, die vom Reichstag gefordert werde, würde im Augenblick nur ooch größere Verwirrung hervorrufen. Der Minister kündigte eine Vorlage der Reichsregierung über die Gestaltung der Agrarzölle sür die Zeit nach dem Zl. März d. Z. an und verwies auf die neuen Wege, die man zwecks Steigerung der Ausfuhr zu gehen beabsichtige. Dein Auslande müsse klar gemacht werden, daß die Garantie- lcistung für sogenannte Russenkredite, die Exportkredit- Versicherung, die Vergebung von Darlehen an durch den Kriegsausgang geschädigte deutsche Exportfirmen und anderes Maßnahmen seien, die auch andere Staaten, sogar in weit größerem Umfange träfen und daß gerade die besondere Schuldnerlage Deutsch- lands zur Förderung der Ausfuhr zwinge. Auf dem Gebiet der Geld- und kreditpolllik hätten die Geld- sätze der Auslandsanleihen und d6s Inlandskapi- t a l s im vergangenen Jahr eine beträchtliche Verminderung erfahren. Auch die Spannung zwischen Soll- und Haben-Zinsen bei den Banken sei verringert worden. Trotzdem sei ober die Zins- belastung noch immer außerordentlich hoch und bedenklich, wenn man erwäge, daß die mit diesen Sätzen belasteten Unternehmungen auf dem Weltmarkt mit Firmen zu konkurrieren haben, die erheblich geringere Zinsen zahlen. Man müsie jetzt daher ernst überlegen, ob und welche Mahnahmen zur Verbesserung des Geld- und Kredit- fystems ergriffen werden können. Bei den Besprechungen zwischen Dr. Schacht und dem Reichskabinett fei auch von den Rückwirkungen die Rede gewesen, die von den Bewegungen des Geld- und Kredit- Marktes auf die Zahlungen der Reparätions- l e i st u n g e n ausgingen. Die bisherige Erfüllung der Reparations- Verpflichtungen, die im wesentlichen darauf hinauslaufe, Annuitäten durch Aufnahme neuer Schulden zu schaffen, führe zu Substanzver- lust-n und sei daher alles andere, als eine ordnungsmäßige Er- füllung des Dawes�planes. Der Minister betonte weiter, daß sich der Staat mit besonderer Sorgfalt des Handwerkes und des miklelständischen Gewerbes an- nehmen müsie, das zweifellos in gefährdeter Lage sei. Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius betonte zum Schluß seiner Ausführungen, daß mit diesem Ueberblick über wirtschaftpolitische Fragen, die in den eigenen Zuständigkeitsbereich seines Ministeriums fielen, die staatliche Wirtschaftspolitik keinesfalls erschöpft ssi. Erst aus der Gesamtbetrachtung aller großen Ge- biete der Staatsbetätigung, bei denen der Staat in den Verlaus der Wirtschaft eingreife, ergebe sich die Gesamtheit der staatlichen Wirt- schastspolitik. Reben der Zollpolitik stehe die Außen- h a n d e l s o o l i t i t in weitestem Sinn«. Der zweite große Komplex wlrtschaftspolitischer Betätigung liege in der Steuer- p o l i t i>. Einen letzten Zweig bilde die Verkehrs- Politik. Der Minister betonte, er habe sich stets bemüht, durch rege Mitarbeit an allen Fragen auf ein« einheitliche Linie und eine planmäßige Zusammenfassung der staatlichen Betätigung yuf wirt- schastlichem Gebiet hinzuwirken.

Darauf gibt Abg. v. Raumer(D. Vp.) den Bericht über die Verhandlungen des Ausschusses. Mg.§rau Senüer(Soz.) stellt fest, daß der Minister zwar alle möglichen Einzelheiten aufgeführt, aber keine.Auskunft darüber gegeben habe, durch welche Maßnahmen die Regierung die Krise über- winden wolle, welche Wirtschaftspolitik sie denn überhaupt treiben wolle. Wenn man die Ursachen dieser Krise prüfen wolle, so müsse man von der Feststellung ausgehen, daß sie im Zusammen- hang steht mit der Krise, unter der Europa soit vielen Jahren zu leiden hat und die noch immer andauert. Anstatt aber gegen die durch den Weltkrieg veursachten Störungen des Wirtschaftslebens anzukämpfen, sehen wir überall das Sireben nach der Absperrung vom Auslände, aus der sich dann wiederum die Zerreißung des Marktes ergibt. In Deutschland ist der wirkliche Zustand der Wirtschaft durch die Inflation lange verschlrierr worden. Die fortschreitende Sen- kung des Reallohnes ermöglichte die Konkurrenz auf dem Weltmarkt zugunsten der Großindustrie und der Spekulation wurden die kleinen Sparer und der Mittelstand enteignet, zugleich aber der Ausbau des Produktionsapparates vernachlässigt. Erst die Stabilisierung der Währung entschleierte die wahre Sachlage. Die Krise, die chr folgte, und die auch heute noch längst nicht überwunden ist, unterscheidet sich wesenllich von den Krisen, die dem normalen Ablauf des kapi- talistischen Produktionsprozesses eigentümlich sind. Diese Krise ergibt sich aus dem Mißverhältnis zwischen Produktion und d.em Derbrauch. Jeder Der- such.zur Lösung dieses Mißverhältnisses mußt« sich zum Ziele setzen die Steigerung des Gesamtwohlstandes, mußte die Volkswirtschaft als ein Ganzes ansehen. Das Reichswirtschafts- Ministerium ließ sich aber nicht von diesem Ziele leiten, sondern über- ließ sich der Leitung der kapitalistischen Interessenten.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wie es dabei gemacht wird, das hat Professor Schmalenbach in der Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung dargestellt: Einige Sachverständige arbeiten den Entwurf aus, im Reichs- fustizministcrium wird diese Arbeit durch Beratungen begleitet, bis die Arbeit zum Referentcnentwurf gediehen ist. Bevor der Entwurf das Parlament erreicht, wird man ihn den großen In- teressenverbänden vorlegen müssen: vermullich werden sie schon von Anfane an an den Beratungen beteiligt sein. In den Parla- menten selbst werden die Inieressentengruppen sich erneut und mit großer Macht Geltung machen." Dieser Vorgang steht nicht vereinzelt da, er wiederholt sich fast bei jeder wirtschaftspolitischen Maßnahme. Für das Reichswirk- fchaftsministerium haben die Wünsche und Forderungen der Unter- nehmer eine weit größere Bedeutung als die Interessen der ge- samten Wirtschast. Wenn wir einen Rückbllck auf das Wirtschaftsjahr 1926 werfen, so sehen wir, wie in der ersten Hälfte die schwerste Krise aus allen Gebieten herrscht. Die zweite Hälfte bringt eine Erleichterung durch den englischen Bcrgarbeiterstreik, die aber auch zugleich die Folge des Bcreinigungsprozesses in der Wirtschaft ist. Mittlere und kleinere Unternehmungen werden in großer Zahl aufgerieben, nicht zuletzt infolge der Beleihungspolitik der Reichsbank, bei der die Großunternehmungen vor den kleinen begünstigt worden sind. Dieselben Kreise, die soviel von der Rettung des Mittelstandes reden, haben diese Entwicklung gefördert.(Sehr wahr bei den Soz.) Die Großindustrie saugt die kleineren Betriebe auf. aus der von der Regierung vorgelegten Denkschrift ergibt sich ja, daß 65 Proz. des gesamten deutschen Aktienkapitals in Konzernen oder ähnlichen Gebilden vereinigt sind. Die Opfer dieser Zusammcnballung des Kapitals sind der Mittel- stand, sind die Arbeiter und Angcsiellten. Run müßte das Ziel jeder vernünftigen Wirtschaftsführung sein, die volle Verwertung aller Arbeitskräfte und damit das Höchstmaß an Wohlstand zu erreichen. Die Wirtschaft umfaßt ja nicht nur Unter- nehmer. ihren wesentlichsten Teil bilden die Arbeitskräfte, die Pro- duzenten aller Art. die Handwerker. Arbeiter und Angestellten. Woher nehmen die Unternehmer überhaupt die Berechtigung, sich alsWirtschaftsführer" aufzuspielen? Wir brauchen nur einen Rückblick auf die vergangenen Jahre zu werfen, um zu sehen, wie oft sie sich bei der Beurteilung der Lage getäuscht haben.(Sehr wahr bei den Soz.) Herr Stinnes redete in Spa davon, daß wir in der Kohlenfrage infolge der Gebietsverluste unter einem dauernden Siechtum zu leiden haben würden. Bald darauf kam wirtlich eine Kohlcnkrise, aber keine Krise des Mangels, sondern eine Krise d e s U e b er f l u s s e s. In den Iahren 1321 /22 wurde von den Wirtschaftsführern" gesagt, daß ohne eine endgültige Regelung der Reparationsfrage, ohne Beseitigung des Defizits in der Handels- bilanz und ohne die Herstellung des Gleichgewichts im Staatshaus- hall die Stabilisierung der Krise nicht möglich sei. Ende 1323 war keine dieser drei Boraussetzungen erfüllt und die S t a b i l i s i e- rung ist trotzdem durchgeführt worden. Es wurde weiter gesagt, das deutsche Volk müsse länger arbeilen und weniger verbrauchen. Die Unternehmer haben eine Verlängerung der ArbeikszeU und eine Verschlechterung der Lebenshaltung der breiten Massen durchgesetzt. Und was ist die Folge? tzeuke feiern Millionen, weil sie keine Arbeit finden können, die Gesamtwirtschaft befindet sich in einer schweren Krise und nur die Industrie, das Kapital befindet sich im Ausblühen!(Sehr wahr bei den Soz.) Nun sind ja durch die Rationalisierung wesentliche Er- folge erzielt worden. Die Mechanisierung des Bergbaues wurde gewaltig entwickell und dadurch eine erhebliche Pro- duktionssteigerung erreicht. Im Ruhrgebiet stieg der Fördcranteil pro Mann und Schicht von 334 Tonnen im Jahre 1313 auf 114S Tonnen im Jahre 132K.(Hört, hört!) Die Gesamtpro- duktion im Ruhrbergbau ist erheblich gestiegen, trotzdem die Beleg- fchaft um 33 030 Mann niedrigen ist als 1313. Der dadurch er- zielten bedeutenden Senkung der Produktionskosten ist aber keine Senkung der Kohlenpreise gefolgt. Roch deutlicher sehen wir den gleichen Vorgang in der Eisen- und Stahlindustrie. Trotz- dem die im Betrieb befindlichen Hochösen von September 132S bis August 1926 von 96 auf 84, also um 12,5 Proz. zurückgegangen sind. konnte die Gesamterzeugung von 78S 333 auf 850 000 Tonnen, also um 16 Proz. gesteigert werden. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter ging von 21 000 aus 17 000, also um 13 Proz. zurück, aber die Tagesleistung des einzelnen Arbeiters stieg von 1,17 Tonnen auf 1,60 Tonnen.(Hört, hört!) Die Hochofenleistung iv Deutschland hat sich gegen 1913 mehr als verdoppelt, sie ist höber als in irgend- einem anderen europäischen Lande. Trotz der dadurch erzielten erheblichen Senkung der Unkosten sehen wir ein Anziehen der Preise. Die Tonne Roheisen ist jetzt 3,50 M. teurer, als im

September 1925, der Preis für Stabeisen stieg von 122 M. auf 133,25 M. Der Röhrenoerband erhöhte seine Preise durch die Senkung der Rabatte für Deutschland um 1)4 bis 5 Proz. Im Auslande kommt diese Perteuerung allerdings nicht zur Auswirkung. Nachdem der Verband die Händler zusammengesaßt hatte, nahm er sofort eine Erhöhung der Preise vor, in Süddeutschland wurde das Eisen um 10 M. die Tonne verteuert.(Hört, hört!) Die Ratio. naliflerung hat sich also bisher nur für die Unternehmer ausgewirkt. Auch wir wollen die Rationalisierung, ober wlr verlangen, daß sie sich auf die gesamte WirtschasI auswirkt. Zede Rationalisie­rung ist sinnlos, wenn ihr nicht eine Senkung der Wareu- preise folgt. Bleibt der Nominallohn unverändert, so muß durch Senkung der Preise erhöhte Kauskrast für Konsumgüter hervorgerufen werden. so daß die Gesamtkaufkraft des Volkes mehr wächst, als die Per- ringerung der Kaufkraft bei den durch die Rationalisierung frei- gesetzten Arbeitern. Erst diese Erhöhung der Gesamtkauf» kraft führt zu verstärkter Nachfrage, zwingt zur M e h r e i n- st e l l u n g von Arbeitern, sie belebt nicht nur die Konsum» i n du st r i e n sondern auch die Produktionsmittel» industrie. Diesen Weg, der allein das gewaltige Heer der Er» werbslosen einzuschränken und die Lebenshaltung der breiten Massen zu steigern geeignet ist, ist man bisher in Deutschland nicht gegangen, man will ihn auch jetzt noch nicht gehen. Die Regierung folgt m ihren Maßnahmen den Forderungeu der llulernehmerver. bände, die keine Lohnerhöhung zugestehen wollen, dagegen aber THehrarbeit verlangen.(Sehr richtig bei den Soz.) Die Produktion in Deutschland hat bereits die Vorkriegshöhe erreicht, zum Teil ist sie schon darüber hinausgegangen. Trotz dieses Aufschwungs der Konjunktur sehen wir in der Zahl der Er» werbslosen keine wesentliche Erleichterung. Januar 1927 wurden einschließlich der Notstandsarbeiter und der unterstützten Ausgesteuerten 2 050 000 Erwerbslose gezählt. Unter ihnen befinden sich 612000 Personen, die über 26 Wochen, 263 000, die über 39 Wochen und 135 000, die über ein Jahr arbeits» los sind. Nach den neuesten Feststellungen ist die Zahl der Aus» gesteuerten auf über 200 000 gestiegen. Die von der Regierung und den Unternehmern betrieben« Wirtschaftspolitik hat sich also nicht zum Ziel gesetzt, diese freigewordenen Arbeitskräfte wieder in den Produktionsprozeß einzureihen, sondern die sich aus dem Ans» schwung der Konjunktur ergebende ZNehrarbeft soll durch lleber- stunden erledigt werden. Nach der amtlichen Statistik des Reichsarbeitsministeriums, die nach den Angaben der Unternehmer aufgebaut worden ist, haben im April 1326 von 743 686 erfaßten Arbeitern 213 045 Arbeiter über 48 Stunden in'�tzer Woche gearbeitet, im Juli 1926 waren es 260 082 Arbeiter von 721 413 erfaßten Arbettern, im Oktober 1926 sogar 394 996 von 745 621. Im April haben 28,6 Proz., im Oito- ber 52,37 Proz. der erfaßten Arbeiter mehr als 48 Stunden ge- arbeitet. Trotz dieser Tatsachen arbeitet nicht die Regierung an der Beseitigung des Ueberstundenunwesens und damit an der Einschrän- kung der Erwerbslosigkeit, sie tut das Gegenteil: durch die von thr eingebrachte Vorlage soll der Zehnstund enlag jetzt sogar legalisiert werden. Diese; Ueberstundenunwesen sst nur ermöglicht worden durch die von den Unternehmern betriebene Lohnpolitik. Die Unternehmer wollen die riesige industrielle Reservearmee er- halten, um auf diese Weise jede wirksame Lohnsteigerung zu ver­hindern. Während der Lebenshaltunosindex vom Januar 1926 bis Ende Februar 1927 von 139,8 auf 144,6 gestiegen ist, er. höht« sich der Durchschnittslohn der gillernten Arbeiter nur von 44,98 auf 46,36 M. DerArbeitslohn hat sich durch den Abbau der über. tariflichen Löhne und die Berschlechterung der Akkorde tatsächlich aber noch verringert. Hätten die Regierung und die Unternehmer eme vorausschauende Wirtschaftspolitik getrieben und die für die Ueberwindung der Krise erforderliche Entfaltung des inneren Massenabsatzes richtig eingeschätzt, so wäre die Steigerung der Real- löhne gefördert worden. Es sst aber weder eine Senkung der zum großen Teil überhöhten Warenpreise noch eine Steigerung der Arbeitslöhne durchgeführt worden.(Sehr richtig! bei den Soz.) Die durch die Rakonalisierung erzielken Mehrgewinne find rest- los in die Taschen der kapiialbesshcr geflossen. wie sich das aus der Steigerung der Dividenden, der Erhöhung'der offenen und versteckten Reserven und der Investierungen, sowie aus der außerordentlichen Steigerung der Aktienkurse ergibt.(Sehr wahr! bei den Soz.) Am deutlichsten zeigt sich der Sieg der Interessenten in der Handelspolitik. Wirtschaftsminifterium und Auswärtiges Amt stehen beim Abschluß von Handelsverträgen ganz unter dem Druck der starken Wirtschaftsv er bände,. Die B e r h a n d- lungen niit Frankreich sind über dos europäische Cisenkartell geführt worden, für wesentliche Teile der Verhandlungen mit Japan bildeten die privaten Vereinbarungen der chemischen In- dustrie die Grundlage. Die Handelspolitik der Regierung läßt jede Führung vermissen, es wird stets denjenigen Kräften nachgegeben, die es verstehen, ihre starke Wirtschastsmacht in politischen Druck umzusetzen. Die Zölle, die unsprünglich zum Schutze der In- dustrie geschaffen worden sind, dienen heute zum größten Teile der Festigung der Bor Herrschaft der Kartelle. Entgetz«,, den Warnungen der Wissenschaft sind zum Schutze der getreide - bauenden Großagrarier auch die Getrcidezölle wesentlich er- höht worden. Die Schwierigkelten in der Landwirkschaft, wo sie noch vor. Händen sind, können nicht durch Zölle beseitigt werden, sondern nur durch Verbesserung der Böden und der Broduktionsmethoden, durch die der Ertrag bedeutend gesteigert werden kann. Auch jetzt noch sollen die erhöhten Roggenzölle aufrecht erhalten bleiben, obwohl die Versorgung der letzten vier Monate dieses Wirtschaftsjahres durch Einfuhr vom Auslände gesichert werden muß, weil die inländische Ernte schon vollständig ausverkauft ist. Nach der Schaffung des Zolltarifs mußlc der van der Regierung angekündigte Kampf gegen das Kartellunwesen ein Kampf"gegen Windmühlen bleiben, wir können diesen Kampf mir führen, wenn in die deutsche Wirtschaft ein frischer Luftzug durch den Abbau der Zollmauern hineinfährt, der den Wettbewerb mit der Kartelldiktatur ermöglicht.(Sehr richftg! bei den Soz.) Wie wenig ernst�cs der Regierung mit dem Kainpf gegen die Kartell« ist, zeigt die Tatsache, daß das Reichs ernrtschafts- Ministerium die ihm gegebenen Vollmachten nicht einmal im Sinne der Preissenkung ausgenutzt hat, wie das besonders deutlich das Beispiel der Kaliindustrie zeigt, wo trotz verbesserter Lage die Preise wesentlich erhöht worden sind. Währet» die Regierung auf jede Einwirkung auf die private Wirtschtiftssübruna verzichtete, hat sie den Zugang zu den öffeitt» lichen Mitteln� denjenigen Großinteressenten freigemacht. die in der Krü-*> Sc�vierigkeiten geraten waren. In Form ver- bllligter Reichskredjt» x�er aao Garantien stob 732 Mllloueu Mark