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Nr. 126 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 64

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Mittwoch, den 16. März 1927

Alle für Stresemann  !

Das Bürgerblockkabinett stimmt dem Ergebnis von Genf   einmütig zu.

Eine amtliche Meldung von gestern abend feilt mit: In dem heutigen, unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten abgehaltenen Kabinettsrat berichtete Reichsaußenminifter Dr. Stresemann über die außenpolitische Lage und die Ver­handlungen des Bölferbundrates in Genf  . Nach eingehender Aussprache, bei der insbesondere die Rechtsauffaffung geteilt wurde, wie sie der Außenminister in Genf   bei den Deutschland   berührenden Fragen vertreten hatte, stimmte das kabinetidem vorliegenden Ergebnis der Genfer   Tagungeinmütig zu.

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Bären die Deutschnationalen nicht in der Regierung, fo hätten sie es nach einem solchen Vorgang an einem Miß­trauensantrag gegen den Minister sicher nicht fehlen laffen. Sicher wären dann im Reichstag große Löne geredet worden gegen den Mann, der deutsches Recht und deutsche  Ehre" preisgegeben habe man fennt ja diese Redensarten aus allen Reichstagsprotokollen zur Genüge. Go aber hat das Kabinett mit seinen vier deutsch nationalen Ministern- Hergt, Keudell, Schiele und Koch - dem vorliegenden Ergebnis der Genfer   Tagung einmütig zugestimmt, und außerdem sind, wie der Sozialdem. Bresse bienst" zu melden weiß, in der deutschnationalen Pressefon­ferenz am letzten Montag ,, Deutsche Zeitung" und Hugenberg Presse energisch und mit sichtbarem Erfolg zurückgepfiffen worden. Die deutschnationale Provinzpreffe spricht allerdings auch noch am Dienstag von einem faulen Kompro= miß" und von Genfer Mißerfolgen", aber auch sie wird wohl stille werden, nachdem die deutschnationalen Minister das faule Kompromiß" und die Genfer   Miß­erfolge" einmütig gebilligt haben.

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Die Fragen, die diesmal in Genf   zur Entscheidung standen, waren zweifellos nur Fragen zweiten und britten Ranges, und wir haben volles Verständnis dafür, daß Herr Strese mann um ihretwillen nicht mit dem Kopf durch die Wand ging. Angesichts der Verschärfung des englisch  - russischen Gegenfages ist ein gutes Einvernehmen zwischen Deutschland  und feinen Nachbarn nötiger denn jees wegen des Bahn­schutzes an der Saar   oder der Einschulung in Oberschlesien   zu ftören, wäre politisch falsch gewesen. Deswegen bleibt es doch nicht weniger wahr, daß Herr Stresemann in beiden Fragen Bor dem freilich mußten die Leser der deutschnationalen Ratsbeschlüffen zugeftimmt hat, die mit dem wohlbegründeten Breffe glauben, der Eintritt ihrer Parteigrößen in die Regie­deutschen Rechtsstandpunkt nicht vereinbar sind. Was be- rung merde vollauf genügen, um Deutschland   herrlichen Zeiten Was be rung merde vollauf genügen, um Deutschland   herrlichen Beiten fonders die Saarfrage betrifft, so hat die deutsche   Delega  - entgegenzuführen. Jetzt wird der Bürgerblockregierung von tion zunächst eine Haltung eingenommen, die darauf schließen ihrer eigenen deutschnationalen Bresse bescheinigt, daß fie auf ließ, daß fie es auf Biegen oder Brechen ankommen lassen außenpolitischem Gebiet an Mißerfolgen leidet. Ob die wollte, und ihr späteres wohlbegründetes Einlenken fah ähler der Deutschnationalen nun hemerten werden, wohlbegründetes- Einlenken infolgedeffen einem Umfall verdammt ähnlich. melches Spiel mit ihnen gespielt worden ist?

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Völkerbund und Kriegsgefahr.

Flottendemonstrationen zur See und in der Luft.

das Meistbegünstigungsrecht genießt. Eine Kündigung des provisorischen Abkommens, die sich Frankreich   für den 21. März vorbehalten hatte, wird also nicht geschehen.

Genf  . 15. März.( WTB.) Das Ratstomitce unter dem Borsiz| deutschen   Exportwaren, so daß auch hierin Deutschland de facto des deutschen   Delegierten, Gesandten Goeppert, hat die Erörterung des ihm vorliegenden Berichts über die vom Bolterbund im Falle brohender Kriegsgefahr zu ergreifenden Maßnahmen abge schlossen. Besonders umstritten in der Diskussion, die sich über zwei lange Sizungen erstreckte, waren die vorgeschlagenen Maß­nahmen in bezug auf die Zurückziehung der Truppen, Schaffung einer neutralen 3one. Sicherung des Status quo, ferner Entfendung von Sachverständigen und diplomatischen Beob achtern durch den Völkerbund, die Mißbilligungserklärung durch den Rat und 3urüdziehung der diplomatijchen Missions chefs und schließlich die Frage der See- und Luftflotten demonstration. Die Besprechung der zwei letzten Bunfte füllte fast den ganzen, heutigen Vormittag aus.

Dabet wandte sich der deutsche Delegierte, Gesandier Goeppert, gegen den Vorschlag von Luftflottendemonstrationen, weil sie im Gegensatz zur Seeflottendemonstration sofort zur Ver­legung des Hoheitsgebietes führen und im Falle der Notlandung eines Flugzeuges im Hinblick auf das wahrscheinliche Berhalten der erschreckten Bevölkerung erhebliche völferrechtliche Schwierigkeiten hervorrufen fönnte. Der italienische   Delegierte Pilotti, dem sich der japanische   Bertreter anschloß, unterstrich die deutschen   Bedenken mit allem Nachdruck und sprach sich ebenfalls sehr entfchieten gegen jede Luftflottendemonstration aus, weil sie geradezu den Krieg be­deuten könne Urrutia- Columbia lehnte unter Hinweis auf die absolut ungeklärte völkerrechtliche Lage in bezug auf den Begriff ,, Demonstration" jebe See- und Luftdemonstration ab. Der rum ä- nische Vertreter Titulesco dagegen, unterstützt vor allem durch Paul   Boncour und Benesch, setzte sich sehr lebhaft für die Luft­flottendemonstration ein, da sie insbesondere ein vorzügliches Mittel für die Bearbeitung der Bevölkerung mit Flugschriften biete. Schließlich unterbreitete Cecil, der die Seeflottendemonstration, ent sprechend den Erfahrungen der Bergangenheit, als ein brauchbares Druckmittel bezeichnet hatte, einen Bermittlungsvorschlag der einstimmig angenommen wurde und darauf hinausgeht, daß der Rat, wenn er es für nötig und nüglich halten sollte, die Rats: staaten zu einer Luftflottendemonstration ,, in vernünftigen Grenzen foll auffordern fönnen.  

Deutsch- französische Wirtschaftseinigung.

Neues Handelsvertragsprovisorium.  Paris, 15. März( Eigener Drahtbericht.) Am Mittwoch wird ein neues Protokoll zwischen der   französischen und der   deutschen Wirtschaftsdelegation unterzeichnet werden, eine prinzipielle Ein gung über die Grundlagen des fünftigen Handelsvertrages   Deutsch land bewilligt danach   Frankreich das Meistbegünstigungsrecht, Frant reich erweitert dafür die Liste der zu den Minimalfäßen zugelaffenen

Auch für die Restdauer des Provisoriums haben sich die beiden Delegationen Zugeständnisse gemacht.   Deutschland gewährt Frank­  reich gewisse Kontingente für die Einfuhr franzöfifcher eine nach   Deutschland zu den gleichen Tariffäßen wie für spanische und italienische Beine, wogegen   Frankreich sich schon jetzt zu einer teilweisen Erweiterung seiner Einfuhrlifte bereit erklärt hat. zu einer teilweisen Erweiterung feiner Einfuhrlifte bereit erflärt hat. Die franzöfifche Delegation gab die Zusicherung, daß der neue Zoll­tarif nach Möglichkeit beschleunigt von den Kammern erledigt werden wird; da sich aber die Borarbeiten in der Kommission sehr schwierig gestalten, ist faum vor Juni mit der Verabschiedung zu rechnen.

Die Eupen-   Malmedy- Debatte.

Scharfmacherische Rede Jaspars.

Brüffel, 15. März.( WIB.) Der sozialistische Abgeordnete Somerhausen interpellierte in der Rammer über die Politit der belgischen Regierung gegenüber den einverleibten Streifen  Eupen und   Malmedy. Ministerpräsident Jaspar ant. wortete, er hätte geglaubt, daß der Borredner über die Art und Weise interpellieren wollte, wie   Belgien diese Kreise verwalte. Die Rede Somerhausens entspreche aber nicht dem Wortlaut der An­frage. Die Lage der beiden Kreise sei festgelegt und endgültig geregelt.

Wahlvorspiel in   Deutsch   österreich.

Gin Sozialistenverleumder zu drei Monaten verurteilt  Wien, 15. März.( Eigener Drahtbericht.) Der Verleum dungsfeldzug gegen die Sozialdemokratie ist foeben gericht lich gebrandmarkt worden. Einer dieser Berleumder, der dem niederösterreichischen Landesrat Genoffen Selmer die An­Ane nahme von Provisionen nachgesagt hatte, wurde vom   Wiener Echwurgericht wegen Beleidigung zu drei Monaten haft ver. urteilt. Der Verteidiger dieses Angeklagten mußte zugeben, daß der Wahrheitsbeweis mißlungen und der Kronzeuge ein Lügner ist.

Reglerungsdirektor Dr. Weiß Pollzelvizepräsident von   Berlin. In der gestrigen Sigung des preußischen Staatsministeriums ist an Stelle des als Regierungspräsident nach Raffel verseßten Polizeivize präsidenten Dr. Friebensburg der bisherige Regierungsdirettor im  Berliner Bolizeipräsidium, Dr. Weiß, zum Bolizeivizeprä. fibent en ernannt worben.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H.,   Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Boftichedtonto:   Berlin 87 536 Bankkonto: Bank ber Arbeiter. Angefteltex und Beamten. Wallstr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Devoktenkaffe Lindenstr. 3.

Recht" in   Indien!

Englische Ueberjunker und ihre Richter.

Bon Franz Josef   Furtwängler.  

Nagpur, Mitte Februar. Welchen Grad der Vollkommenheit das System weltweiter Information erreicht hat, ersehe ich aus dem Morgen- ,, Bor­wärts" vom 20. Januar, der uns soeben in   Nagpur, im Herzen   Indiens, erreichte. In der genannten Zeitungsmum­mer steht der Bericht eines Erlebnisses unserer Delegation in  Madras, wo einer der   deutschen Delegierten( der Schreiber dieser Zeilen) Zeuge der Mißhandlung eines alten indischen Dieners durch ein englisches Ehepaar mar und sich zugunsten des alten Mannes einmengte, wobei er von dem Engländer tätlich angegriffen wurde. Der Borfall follte im späteren Berichte in Zusammenhang mit Schlimmerem nebenbei erwähnt werden, doch mögen jetzt, nachdem er bereits in   Europa bekannt geworden ist, die Freunde und Bor­märts"-Leser von diesem und einiges von weit ärgeren Bei­spielen indischer Zustände erfahren.

Ich spazierte damals vor meinem Barterrezimmer des Landhaus- Hotels im Freien auf und ab und wurde durch das Schreien des Kulis auf den Vorgang der Mißhandlung auf­merksam, der sich unter der offenen Tür meiner Zimmernach barn vollzog. Da mir die ausgemergelte Gestalt des Alten leib tat, sprang ich dazwischen, schob das Kulturträgerpaar ein wenig zurück und zog den Mißhandelten aus ihren Händen, wobei der wütende Engländer mir mit der Faust vor die Nase stieß. Indem ich diese Höflichkeit erwidern und ihm gleichfalls eine unters Gedankenfach schwingen wollte, ge­wahrte ich, daß der Angreifer fein gebrochenes oder beschädig tes Bein in Schienen und Wickelbinden trug, hielt inne und erklärte, daß ich auf die billige Genugtuung, einen Krüppet zu Boden zu hauen, verzichten müffe. Als ich mich darauf in mein Zimmer begeben hatte, erschien bei dem Ehepaar der Hotelbefizer offenbar mit der unerfreulichen Aufklärung, daß der Streit und seine Konsequenzen über den trauten Familienkreis der sechzigtausend englischen Regierungsbeamten dieses Landes hinausreiche, da der Widersacher Mitglied einer internationalen Kommission sei; und dazu einer Proletarierkommission. Nun erschien das Baar, einzeln und zu zweien, wiederholt auf meinem Zimmer mit der flehent­lichen Bitte, zu verzeihen und von einer Meldung Abstand zu nehmen. Die schlotternde Hasenangst des hohen Regierungs­beamten, der sonst wie eine gürnende Gottheit über einige Hunderttausend Inder gebietet, erfüllte mich mit einent Gemisch von Mitleid und Berachtung, so daß ich schließlich in den Verzicht einwilligte und ebenfalls Shaw davon abhielt, den Fall dem Gouverneur der Madrasprovinz vorzutragen. Letzteres erschien mir auch verkehrt, weil die Regierung wahr­Scheinlich zum Zwed einer großen Geste vor der Delegation den kläglichen Beamten allzu exemplarisch bestraft haben mürde, während jahraus, jahrein viel schlimmere lebeltäter von den Gerichten freigesprochen werden. Denn was hier geschah, war in der Tat harmlos im Vergleich zu den, was uns seither zur Kenntnis tam.

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In der Madraffer Textilfabrik ,, Buckingham und Carnatie Miels" wurde furz zuvor ein indischer Arbeiter von einem englischen Aufseher halb erwürgt. Die tlageführenden Gewerkschaftsleiter erhielten von dem lachenden Richter die Antwort das sei ein Temperamentsausbruch, der ihm auch) passiere, deshalb sei eine Verurteilung nicht möglich. Und da der salomonische Urteilspender seine indischen Hausdiener ver­mutlich ähnlich behandelt, so wäre er obendrein ein Heuchler gewesen, hätte er gegen feinen Klubfreund aus der B. u. C.­Fabrit anders geurteilt. Nicht an der Person des Richters liegt die Scheußlichfelt solcher Urteile, sondern die Ursache ist in dem Umstand zu suchen, daß ein paar Whisthklubs land­fremder Menschen dies alte Kulturland wirtschaftlich, politisch und juristisch dirigieren: flüngelhaft einig und vertraut unter fich sind sie ohne Berständnis, ja, ohne jegliche Berührung mit dem Volk dieses Landes und reden vor diesem mit der aus. Unfenntnis und Selbstgefälligkeit geborenen Verachtung als Don Schwarzen und Negern.

erfahren( denn die Arbeiter und ihre Führer sind, wie uns Sicherlich hätten wir von diesem Fabritfalle niemals öfters auffiel, auch gegen Delegationen mißtrauisch), menn nicht die national indischen Blätter in so schmeichelhafter Weise in ihren Leitartikeln von dem Gentle­men- German" und dem ritterlichen   Deutschen" gesprochen hätten, der durch sein Eintreten für den Eingeborenen ein Erempel gesezt habe. Seitdem haben sich uns die Archive der Beitungen und Sekretariate geöffnet und in   Kalkutta war das Bertrauen so groß, daß ich als Gast sogar zu intimften Aus­Sprachen erscheinen durfte.

Dort, in Kaltutta, in der Jutefpinnerei Gouripur Jute Mills" wurde im September ein indischer Weber, der zum Aerger feines englischen Aufsehers, Mister Spence, um Urlaub fragte, pon biefem zu Boden geworfen und mit den Füßen getrampelt, daß er zwei Stunden darauf verschieb. Der Freifpruch des Scheufals führte zu einem Aufstand der Arbeiter ber Fabrit, der mit Polizeiaufgebot unterdrückt