wn Ländern und Kemeinden geknigenen Lasten für die E rw er b sl a s e n fü r so r g e auf die Reichskasse übergehen. Im allgemeinen hat sich der R e i ch s r a t mit diesen Vorschlägen der Reichsregierung einverstanden erklärt, doch wünschte er die Aufrechterhaltung der besonderen Umsatz- steuergarantie. Die Lorschläge der Reichsregierung aber sind von den Regierungsparteien in langwierigen Vorverhandlungen wesentlich abgeändert worden. Man will vor allen Dingen den provisorischen Finanzausgleich auf zwei Jahre gelten lassen und die Gesaltüberweisungen aus Einkommen- fteuer, Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer auf 2 6 0 0 M i l- l i o n e n heraufsetzen. Im allgemeinen soll dieser Beirag nach dem örtlichen Aufkommen verkeilt werden. Mil- lionen aber sollen verteilt werden nach der Bevölke- r u n g s z a h l. Die Mchrüberweifungen von 200 Millionen sollen die Länder und Gemeinden in erster Linie zur Sen- k u n g der Real st euer n verwenden. Die Getränke- steuern sollen fortfallen, zum Ausgleich für den Ausfall von 75 Millionen sollen steuerschwach; Gemeinden eine Unter- stützung des Reiches erhalten, die im Jahre 1927 auf 29 Mit- � lionen. im Jahre 1928 auf 19 Millionen festgesetzt ist. Außerdem haben die Regierungsparteien einen Antrag gestellt, der die Anteile von Württemberg. D a d'e n u n d V a n e r n, die ihnen aus der B i e r st e u e r g s in e i n- s ch a f t Zustehen, erhöhen will. Es handelt sich dabei um die Abgeltung von Reservatrechten über die Besteuerung des Bieres, die von den süddeutschen Staaten 1919 an das Reich abgetreten wurden. Die Entschädigungssumme soll für Dürt- teniberg erbäht werden von 3,3 Millionen Mark auf 8,63 Millionen Mark, für Bayern von 17,2 Millionen Mark auf 45 Millionen Mark und für Baden von 2,2 Millionen Mark auf 5,75 Millionen Mark, ffür das Jahr 1926 soll eine Rachzahlung von einem Viertel des Erhöhungsbetrages ge- zahlt werden. Insgesamt werden Mchrzahlungen von rund 45 M i lli o Ike n erforderlich. Die Gesetze vom Jakire 1919, auf denen diese Entschädigungsansprüche beruhen, enthalten aber die Bestimmung, daß Abänderungen nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden können. Ob dies« Bestimmung in vollem Umfange auch jetzt angewendet werden muß, ist Gegenstand des Streites. Regie- rung und Regierungsparteien verneinen die Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit, während die Länder— z. B. Preußen und Sachsen — und die Oppositionsparteien sie für erforderlich halten. Die SoZialdemokratie sieht die Vorschläge der Regierungsparteien nicht als glückliche Lösung an. weil sie das Reichsinleresse?u wenig berücksichtigen, die Länder zu» Ungunsten der Gemeinden begünstigen, eine Verschärfung des St euer Unrechts bringen� die Gefahr der Drosselung sozialer Ausgaben hervorrufen und auch außenpolitisch bedenklich sind. Sapern ist immer noch unzufrieöe»! Die Bayerische Dolkspartei hat für ihre Unterstützung des Bürgerblocks bare Bezahlung in Gestalt von einer Sonder- bsrücksichtigung Bayerns beim Finanzausgleich erkauft. Sie erklärt jetzt, daß der Preis nicht hinreichend sei. Die D a y e- rische Volkspartei-Äorrespondenz schreibt: „Die letzten Tage hoben die chnssming, daß der nunmehr im Reichetag zur Beratung stehende provisorische Finanzausgleich den Vedürfmssev Bayerns einigermaßen gerecht werden würde, leider zuschanden gemacht." ,Ab«r bei allem Verständnis für die koalitionspalitssche Lage im Reiche und die Schwierigkeiten, denen sich die Reichsregierung gegen- übsrgestellt sieht, kann man nicht verschweige», daß man in Bayern enttäuscht ist und um der Zukunft des Landes willen enttäuscht sein muß." ..Wenn die Fraktion der Banerischen Volkspartei im Reichstag schließlich den Anträgen ihrer Koalitionsgenossen mit die Zustimmung gegeben hat, so kann man sich denken, daß das eine schwere
Ueberwindung kostete. Gäbe es keine Rücksichten auf die ge- jamle innerpolitische Lage in Deutschland , dann hätte die Bayerische Bo'ksportei im Reichstag sich wohl nicht den gefaßten Koalttions- bcschlüssen unterwerfen können." Das Kompromiß der Regierungsparteien ist noch nicht endgültig gesichert. Für den Fall, daß die Sonderzuschüsse an Bayern heruntergehandelt werden sollen, winkt die Baye- rische Volkspartei mit ihrer ausschlaggebenden Stellung in der Koalition.__ Die Republik markiert. Erfreuliches für den Kanzler des Deutsche » Nciches. Die Reichsbonnerkameraden des Herrn Dr. Wilhelm Marx in Bayern hatten die außerordentliche Kühnheit, Bersamm- lungsplakate drucken zu lassen, in denen folgendes zu lesen steht: .�kameradcn, Kriegsteilnehmer, Republikaner! Ohne - Unterschied der Partei nehmen wir alle Voltsgenossen in unserem Bunde auf, die zum Wohle des Vaterlandes an der Erhal- tungund dem Ausbau der Republik mitwirken wollen. Die Republik soll der Staat des Volkes sein für Einigkeit und Recht und Freiheit!" Die Reichobannerkameroden des Herrn Reichskanzlers Dr. Wil» Helm Marx in Bayern halten ober nicht nur die Kühnheit, diese Plakate drucken zu lassen, sie waren obendrein auch noch so dreist, sie dem Bezirksamt München zur Genehmigung vorzulegen. Die Antwort ist denn auch sehr eindeutig ausgefallen: Genehmigung zum Anschlag wird nur erteilt, wenn, der zitierte Passus über- klebt wird. Man sieht, Reichsbannerkamerad Dr. Wilhelm Marx ist nicht umsonst Bürgerblocktanzlcr und betreibt die Wiedervereinigung von Zentrum und bayerischer Lolkspartei. Volksgemeinschaft, groß« Volksgemeinschaft! Die Republikanisierung macht reißende Fort- schritte! Vicht nur in der Reichswehr .
Nationale Opposition! Die VVB. haben die Lage erkannt. Li« vereinigten vaterländischen verbände, jene Führergarnitur ohne Anhang, die via Reichswehr von der Reichsregierung durch- gepäppelt werden möchte, hat es wieder einmal für nötig befunden, Entschließungen zu tätigen. In Opposiilon natürlich.„Nationaler" Opposition— ebenso natürlich. Aber wie macht man das, wenn dte Deukschnationalen in der Regierung sitzen'? Sehr einfach: In dem traurigen Ergebnis der letzten VerHand- lungen Ws Völkerbundsrates erblicken wir»in Versagen der von uns bekämpften Locornc-Politlk. Trotz unseres unbeltvittenen Rcchrsswndpunktes hat diesen der deutsche Außenminister oer- lassen. Wir oerlangen von der Regierung, daß sie endlich unberechtigten Forderungen ein energisches Nein entgegensetzt. So Absatz drei der„nationalen" Entschließung. Die Regierung hat nun an die Stelle des energischen Nein inzwischen, wie auch den Vaterländischen bekannt ist, ein ebenso energisches I a gesetzt. Konse» quenz? Absatz eins und zwei der„nationalen" Entschließung: Durch den Eintritt der Deutschnotlonalen v o l k s p a r t e i in die Reaierungskoalitlon ist die nationale Opposition im Reichstage nahezu unwirksam ge- worden. Aus dieser Lag« erwöcksst für die octerläildische Berne. qung da» unbedingt« Gebot, die nationale Opposition im Land« aufrecht zu erhalten und sie zu stärken mit dem Ziel, im Lolke iinmer größer« nationale Machtgruppen zu sammeln. wir sehen diese vpposllion aichk ta einem Bekämpfe« der �jetzigen Regierung, sondern wir müssen den uns nabestehendeu Parteien den Rücken stärken, In der Erwartung, daß sie sich der Bedeuttma einer parteipolitisch unabhängigen nationalen Vewe- xung im Lande bewußt sind. Man sieht förmlich die hohle Hand hinter dem Rücken. DDB.- Opposition! Nationale Opposition!
Kulturfragen im Lanütag. Kultusminister Dr. Becker über Konkordat»n8 Reichsschulgesetz. Im Landtag gab gestern Gen. heilmann die Erklärung, ab. daß er entgegen den Behauptungen des Abg. Pieck den Landgerichts- direktor Jürgens niemals in seinem Leben gesehen und niemals empfohlen hätte, auch nicht an das Justiz- oder an das Jnnenminssterium.. Gegen den kommunistischen Antrag einer Iurgens-Debatte wurde Widerspruch erhoben, so daß er nicht zur Beratung kam. Im Mittelpunkt der weiteren S'tzung stand die Rede des Kultusministers Dr. Lecker zum Kultusecat. Er führte aus, die F r a n k- furter Arbeiterakodemie sei endlich ordnungsgemäß etatisiert. In der K o n k o r d a t s f r a g e stehe man noch immer im ersten Stadium der Prüfung der Einzelsragen. Da» Fehlen eine» R s! ch s s ch u l g e s e tz« s sei'ür die Derwaltung unerträglich. Es bedürfe der größten Lerwaltungskunst, um»in Umsichgreifen der Schnlstreiks zu oerhüten Die Bewegung für di« welllich- Schule sei durchaus wieder Im Austrieb. Sm neuen Reichsschulgesetz werde voraussichtlich die konfessionelle Schule Regellchuls werden. Damit könne sich auch der überzeugte Anhänger der Simultanschule schließlich abfinden, wenn keine andere Schulart dabei vergewaltigt werde. Unbedingt sicherzustellen sei die Vorherrschast der Staats- schule. Der sozial sonschrittliche Gedanke der allgemeinen Grund. schule dürfe in seiner Durchfuhrung nicht länger durch die Entschädi. gungsfrag« für die privaten Vorschulen aufgehalten werden. Am 1. Ottober trete die neu« Stoatsministeriolverord. nung in Kraft. Wenn die studentische S« l b st v e r w a l- tung erhalten bleiben solle, mühten sich die Studentenschaften im Sommer daraus einstellen. Jedenfalls könne sich der demokratische Staat di« Grundlagen seiner Existen., und Verfassung nicht von einer verschwindenden völkischen Minderheit antasten lassen.(Lebhast» Beifall links.).,.—...,, Für die sozialdemokratische Fraktion sprach Gen. meimpehn. Er bemängelt« die unverantwortlich hohen Zuschüsse des Staates an die Kirchen. Für die eoanaelische Kirche allein seien 79 Millionen für da? Jahr oergütet. Schulen und Hoch. schulen seien Sache de« Staates und auch dann noch keine Kuchen» einrichtiiirgcn, wenn sie mir von Angehörigen einer Konfession be. sucht würden. Rationasistische und monarchistische Ermesse der G-uit. lichkett seien auch im verganoencn Jahre zu verzeichnen gewesen. Begrüßenswert sei es. wenn Superintendent D I b« l i u s den Geyt. sieden geraten habe, sich auf die Ideal« des Völkerbundes umzu. stellen..,,__. Roch Ausführungen der Vertreter der anderen Parteien vertagt sich da» Haus auf Donnerstag 10 Uhr.
Kommunisten für öie StreikverhinAerunn! Li« stimmen mit dem Biirgerblock siegen Verbesserung der Arbeitslosenversicherung. Im Sozialen Ausschuß des Reichstages wandt« sich zunächst Abg. A u f h ä u s e r(Soz.) nochmals ausführlich g« g« n die neu« Fassung de» A n t i st r« i k p a r a g r a p b e n in der Arbeitslosenversicherung. Er wies vor allem daraus hin. daß Aussperrungen und Streik, nicht gleich behandelt werden rönnen und erklärte auch die neue Fassung für die Sozialdemokratie als unannehmbar. Schneider(Dem.) lehnte den Vorschlag gleichfalls ab. Die Regierungsparteien tonnten es sich wiederum leisten, zur Vertretung dieses Antistreikparagraphe« ihresArbeitnehmervertreter Andre(Ztr.), Thiel(D. Dp.) vor« zuschicken. Sie brachten«e fertig, die ohnehin unerhörten Bestim- mungen noch weiter zu verschärfen. Der angebliche Derbesserungs» antrag der Regierungsparteien sieht nämlich vor, daß auch bei solchen Aussperrungen, die aus Tarifbruch des Unternehmer» zurückzusühren sind, keine Arbelt-losenunter stutzung gezahlt wird. Die Beschlußfassung über den Aniissreikvaragravhen wurde den Regierungsparteien erleichtert, indem auch die Kommunisten sowohl die sozialdemokrokischen als auch die demokratischen Der- besserungeanlräge ln Gemeinschaft mit den Parteien de« Besihblocke» ablehnten.______ Die Beisetzung Dr. Paul Nakhan» erfolgt am Sonntag, 2«. März, nachmmag» 2 Uhr, aus dem Jüdischen Friedhof in Weißensee. Fue die nächsten Verwandten und Freunde des Verstorbenen findet um l2 Uhr eine Trauerseier im Hause Dr. Nathans, AUonaer Straße 25, statt.
Sport unS Kunst. Eugen Spiro , der beweglich« Leiter der Berliner Sezession , hat mit dem Obekregierungsrat Dr. Mallwitz, Dezernent für Leibesübungen, einen Bund geschlossen, dem Spori die Kunst zu c-odern. Erstes provisorisches Resultat: Di« Früh- j a h r o a u s st e I l u n g der Berliner Rezession mit dem Motto: Sport. In der Zeit der echten olympischen Spiele, in dem Hellas der Persercriege, wäre der versuch unmöglich, weil überflüssig gewesen. Das Leben des antiken Ariechen ging in Sport auf, die Kunst diente gleichermaßen der Darstellung von Göttern wie von Sportheroen. Heute haben sich beide— nach anderthalb Jahrtausenden ziem- sicher Gleichgültigkeit gegenüber dem Sportwesen— in awei heftig unterschiedene Feldlager geleilt. Es gibt zwar genügend wirklich- Künstler, welche Sportdinge darstellen, aber der allmächtige Drang zum Banausenti-m hat dein Sport. Lebensziel von Millionen Mitbürgern, durchaus die Pflege des Kitsche« g-wiesen, sosern er Raumanlagen, Sportpreise und dergleichen mit sich brachte. Doch wird man, allen Widersprüchen zum Trotz, die Frühjahre- schau der Sezession als einen ersten Schritt der Annäherung seind- sicher Brüder begrüßen können. Nicht, weil allerlei gute Sportdar- stellungen lebender Künstler von Rang dort die Vermirtlichung der Idee beweisen Auch nicht, well endlich einmal der unleidliche Haupt- saol der Sezession architektonisch gebündigt und mit acht monumen- talen Epartbildern in der oberen Hälfte würdig ausgestattet ist(von denen I ä ck e l s„B o x k a m p s"»nzweiselhast die suggestivst» Lösung darstellt), sondern weil hier einmal in Zusammenarbeit künstlerischer und staatlicher Organisationen der Anfang gemacht ist zu einer Verständigung von Sport und Kunst auf neutraler Basis. Das Ziel der V-ranstoltunz ist. kurz gesagt: Erziehung der Sport- welt zur Kunst. Daß es daran gewollig hapert, wissen wir alle. Die Aus- fchmückung von Sportplätzen, die Vergebung von Sportpreisen müssen sich gehörig ändern, bevor die Kunst, mittelmäßiges Departe- mcnt, sich halbwegs einverstanden erklären kann. Die Sezessions- ousstellung wendet sich nun nicht etwa an Künstler und Kunstoer. ständige, sondern zuvörderst an die Herren von den Sportorgani- sationen. Und weil Herr Dr. Mallmitz den Spiritus rector macht und die Gelegenheit hat, seine großen Vereinigungen herbeizuholen und dem Staat nebst Kommunen ein Wörtchen ins Ohr zu flüstern: darum ist di« Hoffnung auf eine Beeinslussung sportsreudiger Kreis« nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn diesen Herrschaften, deren Kunstinstinkt bisher(mit würdigen aber leider geringen Ausnahmen) lediglich auf die aller- ältesten Jahrgänge lieblichen Kitsches reagiert«, aus der Frühlings- darbietung der Sezession ein wenig Respekt vor der Ueberlegenheit echter Kunst anflogt, wem, der Boden für praktische Kunstbetätlgung innerhalb der Sportverbände etwas geackert werden sollte, so wollen wir ein Hosianna anstimmen und aus«eitere kräftige Bearbeitung der Materie vertrauen. Mögen sie auch mit Nutzen die Vorwörter zum Katalog lesen, von denen Erich Büttner « �historisch« Entwicklung" uns(privatim) besonderen Nutzen und Vergnügen gewährt hat. Und mögen sie mit öhnsichein Nutzen die Hebens- würdige Verulkung von allerlei Sportarten betrachten, die W a l t e r
Trier in acht Aquarellen dort aufgehängt hat. Wer die humoristische Form dieser unvergleichlich anmutigen Blätter tn ihrer Sachlichkeit zst schätzen weiß, auch da, wo er sich selber durch den Kakao gezogen fühlt: der ist reif für die Kunst, die souverän über der Wirklichkeit steht. Der sture Sportfer, der nichts weiter ist als ein Banause und Muskelprotz, mag sich mit dem Brustton sittlicher Emphase abwenden: für ihn existiert freilich die Kunst überhaupt nicht. Dr. Paul F. Schmidt.
Sprechende platten. Drahtlos eilt heute das gesprochene Wort über den Erdball. Was Eoolidge in Nordamerika spricht, können die Radio-Begeilterten bald an allen Teilen der Welt hören. Das tclegrnvhierte uns tele- vhanierte Bild ist auch keine Neuheit mehr. Der Raum, der früher Menschen und Völker trennte, scheint völlig vor dein Ansturm oer Technik zu verschwinden. Nur das vergangene ist nicht mehr hervorzuzaubern. Stein- denkmäler freilich, Inschriften und Papyrusrollen liefern Zeugnisse auch von untergegangenen Kulturen, Aber der Mensch, die Persönlichkeit, di« Sprache der einzelnen und ganzer Völker der Vergangenheit— sie sind verschwunden, ausgelöscht, unwiederbringlich. Selbst jene Völker, deren Luchstabenschrift er- halten blieb. Denn die Schrift und die Aussprache sind zumeist sehr voneinander verschiedzn. Heute gibt es freilich der technischen Mittel außerordentlich viel«, den lebenden Menschen im Bilde zu fixieren. Photographien, Kurbelkasten, Zeitlupe— alle dies« kleinen technischen Erfindungen können di« G-gcnwortsmenschen in ihrer Arbeit, in ihren Lewe- gungen. in ihrer Umgebung sesthalten. Und die Entwicklung dieser Fertigkeiten ist noch nicht abgeschlossen. Ein ganz besondere» Gebiet, das bisher nur wenig gepflegt war, ist das, die Sprache, die Mundarten und die Stimmen der Sprechenden festzuhalten und nach Belieben wiederklingcn zu machen. Und gerade Berlin birgt«in bis jetzt einzigartiges Institut, das diesem Zweige der Wissenschaft dient. Es ist die der Staat»- bibliothet angegliedert» L a u t b i b l i o t h e k des Professors Wilhelm Doegen . Dieser Gelehrt« vollendet am heutigen Tage sein SO. Lebensjahr. Er kann also i» der Blüte der Jahre schon auf ein Werk schauen, dos seiner Anregung entsvrossen, unter seiner Arbeit gewachsen und das bestimmt ist, über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausend« hinweg zu wirken. Er hat«in eigenes System erdacht und angewandt, den Laul auf die Platte zu bannen. Mehr als 61100 unvergängliche Platten umfaßt bereits di« Sommluna: Musik, Sprache, Gesang, Vogel- und andere Tierstimmcn aller Gattungen und Arten. Di« Platten, auf denen die Stimmen festgehalten werden, sind ori Kupfer gefertigt und stark vernickelt. Sie sind also unter normalen Verhältnissen unver» gänglich und von unabsehbarer Dauer. Don diesen Metallplatten werden mitiels Pressung die zu Lehr- und Anschauungszwecken be- nutzten Platten abgenommen, die es ermöglichen, daß die festge- hallenen„Laute" imnker wieder vorgeführt werden können. Schon heute hat das Lautmuseuni einen ganz außerordentlichen Wirkungskreis. In Tausenden von deutschen Schulen werden di«
sprachlichen Lontplatten heuie schon benutzt, um dem Schüler au« dem Apparat heraus die richtige Aussprache der fremden Sprache beizubringen. Die lautliche Wiedergabe eines Textes wird in der Regel durch ein Lichtbild unterstützt, das den Originaltext in pho- netlfcher Schrewart, dos heißt mit getreuer Allssprachenbezeichnung widerspiegelt. Wie umfangreich dies kulturwissenschaftllche UiiZ'r« nehme» heute schon ist, mag die Tatsache zeigen, daß von nwit weniger als 250 Lolksstämmen der Erde die wprache in Schrift und Laut festgehalten wurde, vielfach auch noch in mehrfachen Mund- arten. Zu dieser Ausdehnung gab der Weltkrieg besondere Gelegenheck. War doch in den deutschen Gefangenenlagern das bunteste Völker- gemisch versammelt, das man nur denken kann. Von den Sikhs und den Gurkhas über Tataren. Tscherkesien, Arabern. Marokkanern, Zigeunern, Negern, Amerikanern zu den Europäern aller Länder. Von fast allen hat Pros. Doegen unter Mitwirkung der bekanntesten Sprachforscher Sprach- und Musikproben ausnehmen lassen, so daß schon heute die Studierenden der Sprachenwissenschast in ganz anderem Maße als früher Gelegenheit haben, gewissermaßen an der Quelle zu studieren. Aber auch in anderer Hinsicht bietet das Lautmuseum besonder« Reize. Eine sehr große Zahl von bedeutenden Persönlichkeiten der jüngsten Zeit Ist veranlaßt worden, ihre Stimme„fangen" und fest» halten zu lassen. Friedrich Eberts Erklärung nach seiner ersten Wahl zum Reichspräsidenten ist ein geschichtliches Dokument, das noch nach langen Jahren feine Bedeutung haben wird. Di« Rede Bethmonn Hollweg» nicht minder, in der er die Not- wendigkest der.Neilorientierung" nach dem Kriegserlebnis betonte. Wer'einmal von der Doegen�Platte diese Reden der bekannte« Staatsmänner gehört hat. bedauert um so lebhafter, daß die Er- sindung so spät gekommen ist. Wie wertvoll wäre es zum Beispiel für Mit- und Nachwelt, wenn Reden L a s s a l l e s oder Bebel» durch die Doegen-Platt« unmittelbar wieder auf die Hörer wirken könnten! Oder etwa die eines Ludwig Frank , der aus einer neueren Epoche stammt« und dem der Krieg den beredten Mund verschloß!___ FranzKlüh». Außenpolitische Schulung der Provinz. Ilm auch Provinz- städten die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbett zugänglich zn machen, hat die Deutsche Hochschule für Politik be» gönnen, außerhalb Berlins Schulungswocken abzuhalten. Di« erste dieser Wochen fand vom 5.— 13. März in Breslau statt. Politiker verschiedener Richtungen, wie der sozialdemokratische Redakteur der „Volkswacht", Birnbaum, Prof. Bonn , der Ehefredakteur der „Germania " Ouenzer, Pros. Hoetzsch wirkten zusammen, um„in dem Augenblick, wo die unmittelbare Nachkriegsperiod« der euro» päifchen Politik abschließt, für Deutschland e-n Gesamt'-isd der Id--n und Möchte zu gewinnen, zwischen welche es sich oestellt sieht". So wurden Nordamerika , England. Frankreich , die Wel'siowenttaa'en, der nahe Osten, Rußlend und nicht zuletzt China , Japan , Mexiko in meist mehrslllndiaen Vorlesungen, denen noch«no-reote Die» kussionen folgten, dehandelt. Doneben kam auch di« Problematik der durch Wirtschaftsorganisatton, Völkerrecht und Minderheiten- verstreuimg geschaffenen internationalen Verflechtungen zu ihrem Rocht. Das Ganze wurde In vier abendlichen Kurz'tunden je Tag bewältigt. Di« Zahl der Teilnehmer betrug etwa 250.