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Nr. 134 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 68

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Sonntag, den 20. März 1927

Rom unterrichtet Berlin .

Ueber die angeblichen Absichten Jugoslawiens in Albanien . Zu den letzten Pressemeldungen über Schriffe der italienischen Regierung im Zusammenhang mit der Lage auf dem Balkan erfährt WIB. von unterrichteter Seite, daß ein solcher Schritt der italienischen Regierung gestern auch bei der deutschen Regierung erfolgt ist. Die italienische Regierung hat dabei darauf hingewiesen, daß nach ihren Beobachtungen in Jugoslawien starte mili­färische Borbereitungen mit Bezug auf Albanien getroffen würden. Die italienische Regierung beabsichtigt nicht, hierauf mit militärischen Gegenmaßnahmen zu ant­worten. Sie werde aber der deutschen Regierung ebenso wie den übrigen am Balfan interessierten Mächten zur Entfräf­fung der in Zusammenhang mit diesen Rüstungen gegen Jtalien eingeleiteten Kampagne alsbald ausführliches Material vorlegen, das die tatsächliche Lage aufkläre.

slawischen Rüstungen hinzuweisen, werden deshalb hier als sehr ernst angesehen. Es ist die beunruhigendste Episode seit 1914", schreibt der Soir", die Politik der Diktatur und des Imperialis mus des italienischen Duce mußte notwendigerweise so weit führen. Ohne Zweifel sieht die faschistische Regierung die diplomatische und militärische Vorbereitung als genügend an. Die Völker tun also gut, überall auf der Hut zu sein!"

London beruhigt.

London , 19. März.( Reuter.) Hinsichtlich der Mitteilung Italiens an Großbritannien über seine Besorgnisse wegen der Lage an der albanisch- jugoslawischen Grenze vertreten die hiesigen gut unterrichteten Kreise den Standpunkt, daß, so lange die Groß­mächte vereint für den Frieden arbeiten, wie sie es neulich in Genf getan haben, die Ruhe Europas nicht gefährdet sein werde.

Paris ist nervös.

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Rom erzählt Märchen.

,, Agenzia Stefani" telegraphiert einen Artikel des Giornale d'Italia", in dem behauptet wird, die jugoslawische antiitalienische Tätigkeit" werde durch eine kräftige Attion der sozialdemo fratifchen(!) internationalen Freimaurerei" unterstützt, da diese glaube, in Jugoslawien Kriegsmittel gegen den Faschismus zu finden. Mit dieser sozialdemokratischen Freimaurerei" stehe die ,, Weiße Hand" in Verbindung, eine serbische Militärorganisation, der fast alle serbischen Generäle angehörten. Zugleich stehe aber die ,, Weiße Hand" auch mit den Bolschewisten in Verbindung usw.

Es handelt sich offenbar in diesem Fall um keine ,, Weiße Hand", sondern um weiße Mäuse. Die Geschichte von dem Geheims bund der Sozialdemokraten, Generäte, Freimaurer und Bolsche­wisten ist so a bermißig, daß sie nur von einem Bublifum ernst genommen werden kann, das durch eine dauernde Pressezenfur im Dunkel gehalten wird. In der übrigen Welt fann sie nur Gelächter hervorrufen.

Belgrad ist entrüstet.

Paris , 19. März.( Eigener Drahtbericht.) Die Blätter ver- Belgrad , 19. März.( EP.) Die Angriffe der italienischen Bresse zeichnen auch am Sonnabend mit besonderer Beunruhigegen Südslawien haben in der Deffentlichkeit und in der politischen gung die Meldungen über die italienisch- jugoslawische Spannung. Welt große Entrüstung hervorgerufen. Einstimmig wird Man sieht die Nachrichten aus römischer Quelle, nach denen die auf die Unhaltbarkeit der Angaben der italienischen Presse hinge­jugoslawische Regierung militärische Vorbereitungen an der alba- wiesen und betont, daß niemand in Südslawien an einen Krieg dente. nischen Grenze treffe, nur als italienischen Vorwand an, um weitere italienische Interventionen in Albanien zu recht­fertigen. Diese Auffassung wird damit begründet, daß alle Be­mühungen der italienischen Diplomatie der letzten Monate am Balkan nur darauf ausgegangen seien, durch den Korridor von Albanien fest en Fuß zu fassen.

Die Eristenz der Kleinen Entente schien der italienischen Diplomatie nach hiesiger Auffassung eines der legten Hin dernisse auf dem Wege einer imperialistischen Balkanpolitik, da ste den französischen Einfluß in den Baltanländern verkörpert, und man glaubt hier in offiziellen Kreisen, daß Mussolini durch An­erkennung der Souveränität Rumäniens über Bef farabien nur den Zweck verfolgt hat, die Kleine Entente zu Sprengen. Die offiziellen Demarchen, die er in den verschiedenen Hauptstädten unternehmen ließ, um auf die angeblichen jugo

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Das griechische Dokument wird dementiert. Am Schluß unserer Mitteilung im Sonnabendfrühblatt unter dem Titel ,, Mussolini intrigiert auf dem Balkan . Ein griechisches Dokument" stand, daß auf diese Veröffentlichung ,, weder ein offi ziöses noch offizielles Dementi erfolgt" fei. Dazu teilt uns die griechische Gesandtschaft mit, daß das griechische Außen= minifterium am 4. März d. 3. folgendes Dementi veröffentlicht hat: Das zuständige Amt macht bekannt, daß die von der Belgrader " Politika" veröffentlichten Mitteilungen und die darin enthaltenen Ratschläge, die angeblich die Regierung Großbritanniens durch Ver­die griechische Regierung gemacht haben soll, jeglichen ernsten mittlung des griechischen Gesandten Katlamanos( in London ) an Charakters entbehren. Daten, die angegeben werden, um die Hneingeweihten zu täuschen, Die Nummern der Eintragung und die find buchstäblich nur Phantasieerzeugniffe."

Der Streit um Bessarabien .

Russischer Protest in Rom .

Mostau, 19. März.( Telegraphenagentur der Sowjetunion .)| Abmachungen dritter Staaten bzw. durch die Ratifizierung Die Note der italienischen Regierung, in der sie die Ratifizierung des bessarabischen Protokolls durch Italien mitteilt, sowie die Antwortnote der Sowjetregierung, die der russische Botschafter Kamenew im italienischen Ministerium

des Aeußern überreichte, werden hier veröffentlicht.

Die russische Note verweist darauf, daß die Sowjetregierung angesichts der ganzen Welt und vor den Regierungen, die die Pariser Abmachungen von 1920 unterzeichneten, und speziell vor der italienischen Regierung in einer Note vom 7. Oftober 1926 mehr­fach dargelegt habe,

daß die Annegion Bessarabiens durch Rumänien eine brufale Befihergreifung des Territoriums entgegen dem Wunsche der dort ansässigen Bevölkerung ist.

In sämtlichen Berhandlungen über die beffarabische Angelegenheit habe sich die Sowjetregierung ftets auf den Standpunkt gestellt, daß bas Schidfal diefes Gebiets ausschließlich durch die freie illensäußerung feiner Bevölkerung entschieden merden kann und soll. Deshalb zeige die Ablehnung des Boltsentscheids seitens der rumänischen Regierung am deut­lichsten die Erkenntnis der rumänischen Regierung, daß fie ihre Macht ftellung in Beffarabien lediglich fraft militärischer Ottu pation und traft der Bergewaltigung des Willens feiner Bevölte rung innehat. Diese Tatsache tönne teinesfalls durch irgendwelche

derartiger Abmachungen von irgendeiner Seite im Bewußtsein der Bevölkerung der Sowjetunion und Bessarabiens selbst geändert werden. Unter Hinweis darauf, daß die Unterzeichnung der Pariser Abmachung 1920 zu einer Zeit erfolgt ist, als die an der Abmachung beteiligten Mächte nicht nur feinerlei Beziehungen zur Sowjetunion unterhielten, sondern faktisch gegen dieselbe einen Interventionskrieg führten, erklärt die Sowjetunion ,

daß die Ratifizierung dieser Urkunde drei Jahre nach Wieder­herstellung normaler Beziehungen zwischen beiden Ländern weder vom Gesichtspunkte des Völkerrechts und noch viel weniger vom Gesichtspunkte der Interessen beider Länder zu rechtfertigen sei.

Indem die Note den entschiedenen Protest der Sowjet­regierung gegen den Schritt der italienischen Regierung zum Aus­brud bringt, betont sie, daß die Sowjetunion wie bisher die Annegion Bessarabiens durch Rumänien als reinen Gewalt att betrachte, und daß das gegenwärtige, ohne Teilnahme der Sowjetunion und ohne Befragung der beffarabischen Bevölkerung ratifizierte bessarabische Protokoll eine Abmachung ist, der teinerlei rechtliche Bedeutung zukommt und die nicht nur nicht imftande ist, den Frieden im Osten Europas zu sichern, sondern auch in traffem Widerspruch zu den Grundfäßen friedlicher Politit steht.

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Albanien .

Italien klagt über Friedensstörung...!

Am Sonnabendmorgen berichtete die Londoner ,, Times", die italienische Regierung habe der britischen Regierung und anderen Regierungen mitgeteilt, sie habe Informationen er halten, daß auf jugoslawischem Gebiet Vorbereitungen in ge­waltigem Maßstabe für einen Einbruch nach Albanien gemacht würden, um die albanische Regierung in Tirana zu stürzen. Italien habe vor furzem den Vertrag von Tirana mit der Regierung Ahmed Bey 3ogus, des Präsidenten der albanischen Republit, abgeschlossen, und es verlaute, daß die italienische Regierung gegenüber dem Schicksal dieser Regierung nicht gleichgültig bleiben werde.

Die Meldung des Londoner Blattes hat nicht geringe Aufregung hervorgerufen, besonders natürlich in Belgrad , wo man die Behauptungen der italienischen Regierung energisch dementiert. Aller Welt ist die Bedeutung des Gegensatzes, der zwischen Italien und Jugoslawien wegen Albaniens be­steht, unter die Augen gerückt.

Albanien , das noch feine Million Einwohner zählende füdliche Nachbarland Jugoslawiens an der Adria , ist ein Spät­produkt des Zersehungsprozesses der europäischen Türkei . Erst während des Balkankrieges von 1912 erklärte sich dieses vor­wiegend von Mohammedanern bewohnte Land für unabhän­gig, und im Londoner Frieden vom 30. Mai 1913 wurde seine Unabhängigkeit anerkannt. Der deutsche Brinz Wilhelm von Wied , der etwa ein Jahr später als Fürst einzog, sah vou Anfang an seine Herrschaft durch die Bürgerkriege, die feit je zwischen den einzelnen Stämmen tobten, schwer bedroht; furz nach Ausbruch des Weltkriegs verließ er das Land, das zeit­meilig auch zum Kriegsgebiet wurde. Aus dem Frieden ging 20banien als selbständige Republik hervor, und im Jahre 1920 wurde es auch in den Völkerbund aufgenommen.

Dauernd blieb jedoch das Land ein Streitapfel zwischen Italien und Jugoslawien . Auch dieser Streit hat seine Vor­geschichte, die bis in die Zeit vor dem Weltkrieg zurückreicht. Denn schon damals machten sich Bestrebungen Italiens geltend, fich auch auf der öftlichen Seite der StraßevonOtranto festzusetzen. Das alte Desterreich sah diese Bestrebungen höchst ungern. Denn saß Italien auf beiden Seiten der Adria , dann war damit der sogenannte Flaschenha's" verschlossen, die Fahrt von Triest ins Mittelmeer unter italienische Kontrolle gestellt, die Adria ein italienisches Meer.

Desterreich gefürchtet hatte. Denn der Vertrag, den Italien mit Nun ist Jugoslawien in die Lage geraten, in die zu kommen dem führenden Mann Albaniens , Ahmed Zogu , am 27. No­vember v. 3. in Tirana abschoß, befaat, daß jede Störung des widersprechen würde und daß man sich gegen diese Gefahr gegebenen Zustandes den politischen Interessen beider Länder maßgebenden Einfluß auf das kleine Land gesichert, in dem es gegenseitig unterſtüken werde. Italien hat sich damit den furz zuvor Erdölfonzessionen erworben hatte und damit, nebenbei gesagt, englischen Interessen in die Quere gefommen war. Italien übernahm die Schukherrschaft über den Machthaber Ahmed Zogu und damit faktisch das Protek­torat über Albanien . Jezt hat es seine Protektorstellung nach­drücklich geltend gemacht, indem es den Mächten die angeb­lichen feindlichen Absichten Jugoslawiens gegen seinen Schütz­ling signalisierte.

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Jugoslawien , das aus der Vereinigung Serbiens mit Kroation und Slamonien entstandene Königreich, hat zur Sorge mehr als einen Grund. Mit Bulgarien lebt es wegen Mazedoniens in ständigem Hader. Rumänien feiert Mussolini als seinen Freund, weil dieser seine Rechte auf Bessarabien , die Rußland bestreitet, anerkannt hat. Dann hat Italien auch mit Ungarn , das von altersher ein Feind Serbiens war und es durch den Verlust weiter Gebiete im Weltfrieg noch mehr geworden ist, diplomatische Fäden angeknüpft.

So fann mit gutem Grund von einer Eintreisung Jugoslawiens durch Italien gesprochen werden.

Wie steht es mit der Haltung der nicht unmittelbar be­teiligten Mächte? Die freundschaftlichen Beziehungen der konservativen Regierung Englands zu Mussolini sind be= fannt. Sie spiegeln sich in der Haltung wider, die ein großer Teil der englischen Presse gegenüber den neuesten Ereignissen' einnimmt. Allerdings kann daraus nicht ohne weiteres ge­schlossen werden, daß London die italienische Expansions­politik auf dem Baltan ohne weiteres und bis zu jeder Konfe quenz unterstützt. Auf der anderen Seite steht Frankreich in freundschaftlichen Beziehungen zu Jugoslawien , es war der Protektor der sogenannten Kleinen Entente , die Jugoslawien , Rumänien und die Tschechoslowakei zu einem Schutzbund gegen etwaige ungarische Revancheansprüche vereinigt. Aber was ist aus dieser Kleinen Entente geworden? Die Tschecho­ slowakei liegt weit ab, Rumänien aber segelt in italienischem Fahrwasser. Frankreichs Einfluß im nahen Orient zer­rinnt wie Schnee in der Sonne.