Nr. 136 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 69
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Dienstag, den 22. März 1927
Immer neue Truppenlandungen.
Shanghai , 21. März, 6,20 Uhr abends.( WEB.) In| wurde bei ihrer Ankunft von den Angestellten mit einem Hagel der Eingeborenenstadt sind Straßenkämpfe zwischen mit Blumentöpfen, Feuerlöscheimern und anderen Truppen und bewaffneten Zivilisten im Gange. Es wird ge- Wurfgeschossen empfangen. In einem der Räume des Kaufhauses meldet, daß an verschiedenen Punkten Brände ausge. Polizei griff ein und vertrieb die Leute. Sikhs zerstreuten hierauf wurde gerade von Streifführern eine Versammlung abgehalten. Die brochen sind. Die Südtruppen haben jetzt die Grenze der die großen Menschenansammlungen, die sich in der Umgebung gebildet Niederlassung erreicht. hatten. Die Ruhe wurde wieder hergestellt, nachdem die Lage zeitweilig fehr bedrohlich erschien. Ein ausländischer Polizist und ein Hilfspolizist wurden leicht verwundet.
Shanghai , 21. März.( WEB.) Die Polizei der internationalen City war vormittags bei ihrer Bemühung, die Straßen von den erregten Menschenmassen zu säubern, gezwungen, auf der Rantingstraße mehrere knüppelangriffe zu unternehmen, um die großen Menschenansammlungen, die den Verkehr hinderten, zu zerstreuen. Ueber dem Poffamt weht die nationalistische Flagge. Die Truppen", die heute vormittag in die Chinesenstadt einzogen, trugen Zivilkleidung und gehörten zur fogenannten„ Nationalistischen Armee hinter den feindlichen Linien". Die Hauptstreitkräfte der Kantonesen find noch einige Meilen von der Chinesenstadt entfernt.
Ein englischer Panzerwagen beschossen. Schanghai , 21. März.( WTB.) Chinesische Truppen, vermutlich des Nordheeres, trafen heute abend im Norden der internationalen Niederlassung auf die Sperre und begannen zu plün. dern. Auf Ersuchen der Polizei murde ein Panzerwagen an Drt und Stelle gesandt, der einem ständigen Feuer aus Maschinengewehren ausgefeßt war. Ein englischer Offizier und drei Mann wurden verwundet.
Shanghai , 21. März.( WTB.) Aus der Richtung der Chinesen. stadt ist dauernd Gefechtslärm vernehmbar. In der 3n ternationalen Siedelung sind verschiedene Per
jonen verwundet worden.
Maffenübertritt von Nordtruppen zur Kantonarmee.
Shanghai , 21. März.( Reuter.) Eine in der Nähe von Schanghai stehende, etwa 10 000 Mann farte Truppe der Nordarmee ist zu den Nationalisten übergegangen. In der Eingeborenenstadt kam es zu starten Ausschreitungen. Dagegen herrscht in den ausländischen Vierteln bemerkenswerte Ruhe. Die Bewohner bleiben zu Hause. Die Straßen find leer.
Immer neue Truppenlandungen. Schanghai , 21. März.( WTB.) Auf Wunsch der Gemeindeverwaltung der Internationalen Niederlassung find nunmehr auch holländische, spanische und italienische Seefoldaten gelandet worden. In der französischen Konzession wurden fran 30fifche Seefoldaten an Land gesetzt.
Nach näheren Mitteilungen über die Beschießung indischer Truppen handelt es sich um folgenden Borgang: Cine Abteilung Inder fuhr auf Laftautos außerhalb der Niederlassung den Beg entlang, und zwar wenige Meter von der Grenze, als plötzlich von einem Durchgang her durch das Drahtverhau mehrfach auf sie geschoffen wurde, und zwar, wie man annimmt, von italie nischen Freischürlern. Ein indischer Soldat ist sofort den erfiffenen Berlegungen erlegen, zwei andere wurden nur leicht perlegt.
Blumentopfschlacht im Warenhaus. Schanghai , 21. März.( WTB.) Gestern nachmittag fam es in einem der größten chinesischen Warenhäuser in der internationalen Niederlassung zu einem Zusammenstoß zwischen Polizei und Streifenden. Die Polizei, die vom Direktor zu Hilfe gerufen wurde, I daten.
Am Nachmittag wurden 1500 amerikanische Seesoldaten mit Maschinengewehren gelandet, ebenso 1500 japanische Sol
Energische Aktion Briands.
prüfen follten.
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Kriegsgefahr und Völkerbund.
Greift Genf in den Balkankonflikt ein?
Das Ringen um den Balkan ist in ein atutes Stadium getreten.
Italien stößt auf die andere Seite der Adria vor. Alba nien hat es in jeder Beziehung, nicht nur der Form nach, zu einem Proteftorate gemacht; von Afrika , von Kolonialimperialistischen Libido, feines Befitstrebens, geworden. mahnideen abgedrängt, ist es im Osten zum Objekt seiner Italien hat sich mit Griechenland gut gestellt; es hat mit Rumänien enge Verträge geschlossen, ja fogar um seinetmillen die Freundschaft mit Rußland riskiert, es fnüpft mit Ungarn enge Beziehungen an. Südslawien fühlt sich in die 3ange genommen. Es scheint keinen anderen Ausweg zu sehen, als die Umflammerung gewaltsam zu sprengen. Nun erhebt Italien die Anklage, daß Südslawien - so ähnlich wie Amerika in Nikaragua in Albanien den Umsturz porbereitet; man schreibt ihm die naheliegende Absicht zu, den Mann des Vertrags mit Italien durch einen Butsch zu befeitigen, seine Gegner zur Herrschaft zu bringen, durch sie den Vertrag mit Italien zu amullieren, ihn womöglich durch einen Vertrag mit Südflamien zu ersehen und Albanien aus einem Protektorate Italiens zu einem Protektorate Südslamiens au machen. Demgegenüber wehrt sich der Faschismus. Er sieht Seine Breffe weist auf die Sekundanten hin seine heiligsten Büter, seine friedlichsten Eroberungen gefährdet. Frankreich , die die Belgrader Regierung zum Widerstand gemeint ist ermuntern, sie führt eine äußerst drohende Sprache: Die ganze Welt muß wissen, daß das faschistische Italien keine Drohungen, Erpreffungen oder Attentate dulden wird; die Lofung lautet: Schweigend handeln!" Mussolini selbst hai digt, durch seine. Diplomaten in Baris, London und Berlin bereits Jugoslawien vor den anderen Regierungen angeschuldigt, durch seine. Diplomaten in Paris , London und Berlin auf Mobilmachungsvorbereitungen Südslawiens hingewiesen. Natürlich hat fie der jugoslawische Außenminister in das Reich fann die Welt nicht mehr unterscheiden. Klar ist nur, daß der Fabel verwiesen. Aber was Wahrheit, was Schwindel ist, beide Gegner die Schuld an einem offenen Konflikt einander Dorsorglich zuschieben. Wenn es soweit ist, dann ist eines ficher: der Konflikt ist ernsthaft. Es ist Kriegsgefahr auf dem Baltan.
Wo aber bleibt der Bölkerbund? Warum ist Genf untätig? Ist der Völkerbund wieder einmal nur dazu da, um zu versagen?.
Diese Fragen der beunruhigten Massen sind verständlich. Die Antwort ergibt sich aus der Verfassung und der bisherigen Praris des Völkerbundes, so wie er nun einmal politische Siflichkeit ist.
Paris , 21. März.( Eigener Drahtbericht.) Der jugoslawische schiedenen Mächte an Ort und Stelle gemeinsam die Tatsachen nach- und Flotte, um einen Friedensstörer niederzuschlagen. Gesandte in Paris hat heute Briand die Versicherung der durch aus friedlichen Absichten seiner Regierung wiederholt; ebenso der bulgarische Gesandte. Briand hat dem Jugoslawen ebenso wie auch dem italienischen Botschafter für ihre Regierungen mäßigung angeraten. Man scheint überzeugt, daß un überlegte Handlungen nicht von Jugoslawien tommen werden und hofft, daß auch Rom faltes Blut bewahren wird.
Troz dieser Bemühungen, den Frieden zu erhalten, wird die Lage nach wie vor als sehr ernst angesehen. Man fürchtet vor allem, daß auch wenn es diesmal noch gelingen sollte, den Konflikt beizulegen, die konflittsgefahr, die der italienisch albanische Vertrag in sich birgt, nicht aus der Welt geschafft wird und bei irgendeiner ähnlichen Gelegenheit wiederum neu auflodern fönnte. Man hätte es hier sehr begrüßt, wenn auch England in Rom in dem gleichen Sinne vorstellig geworden wäre wie in Belgrad . An Versuchen Frankreichs , das noch zu ermirten, fehlt es jedoch nicht.
Die sozialistischen Abgg. Léon Blum und Fontaneau haben eine Interpellation eingebracht über die französische Politik am Balkan und die Haltung, die Frankreich im italienisch- jugoslawischen Konflikt einzunehmen gedenkt. Die Beantwortung ist auf Dienstag festgesetzt.
Eigentümlicherweise steht man hier einer Intervention des Bölferbundes im gegenwärtigen italienisch- jugoslawischen Konflift mit sichtlichem Widerstreben gegenüber und erhofft eine Klärung auf diplomatischem Wege. Der Grund hierfür mag darin liegen, daß man aus allerhand Prestigegründen Stresemann , der dazu an der Reihe wäre, eine Einberufung des Völkerbundes nicht überlaffen möchte.
England für internationale Militäruntersuchung. London , 21. März.( Amtlicher englischer Funt bien ft) Hier wird betont, daß es nicht ratsam märe, die Bölferbundmaschinerie ohne zwingenden Grund in Bewegung zu setzen und daß die Angelegenheit auf dem gewöhnlichen diplomati schen Wege erledigt werden könnte, vielfach meint man, daß der Belgraber Vorschlag einer internationalen Untersuchung zweckmäßig erscheint und daß die Militärtattagés der per
Eine solche Untersuchung fann( und soll vor allem!) natürlich nur feststellen, ob Südslawien wirklich an der Grenze der neuesten italienischen Kolonie, nämlich Albaniens , rüstet. Was die Festsetzung Italiens in Albanien für Südslawien bedeutet, ob ihm das erträglich ist. das ginge natürlich über die Zuständigkeit der Militärtattachés hinaus und wäre allenfalls Sache des Völkerbundes
In Wahrheit rüsten die Italiener! Budapest , 21. März mitternachts.( WTB.) Das Agramer Blatt Rovosty"( Neuigkeiten) berichtet über militärische Vorbereitungen der Staliener längs der jugoslawischen Grenze. So sei beispielsweise in Pola cine neue Militärflugstation angelegt worden und mehrere italienische Militärflugzeuge patrouil. lierten ständig die südserbische Küste ab. Das 11. Bersaglieri regiment jei an die Grenze verlegt worden, während die italieni schen Garnisonen in Fiume, St. Peter und Idria um einige Bataillone verstärft wurden.
,, Raus mit Bobrero!"
der Rede des früheren Außenministers Irumbitsch der AbIm südslawischen Reichstag gab es großen Sturm, als während geordnete Wilder in höchster Entrüstung die Entfernung des in der Loge sitzenden italienischen Gesandten, des Generals Bodrero, verlangte, der noch immer die italienische Spionage in Belgrad leiten dürfe, während der füdslawische Gesandte Balugdschitsch Rom längst auf Berlangen Italiens habe verlassen müssen. Der Ruf fand stürmisches Echo, die Sizung wurde unterbrochen, die Regierung be dauerte usw.
Dei Entfendung Bobreros, eines Militärs, als Gesandten nach Belgrad haben die Südslawen aller Parteien als eine heraus fordernde Beleidigung betrachtet, man wollte ihm aber die Zulaffung nicht verweigern, um nicht eine Unfreundlichkeit mit einer anderen zu erwibern. Nun repräsentierte Sübflawien, als der Gesandtenposten in Rom neu zu belegen war, a u dh einen General, und noch dazu einen, ch dessen Meinung über Mussolinien allbekannt war. Die italienische Regierung erflärte, daß fie diesen Gesandten nicht annehmen fönne. Darauf schlug Südslawien einen anderen General vor mit demjelben Ergebnis. Nun erst nannte Belgrad einen Zivilisten.
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Der Bölferbund fann nicht von sich aus eingreifen. Er ist fein leberstaat mit eigener Armee Sondern er ist eine Vereinigung der Staaten, ein gemeinschaftliches Instrument der Regierungen zur Bewahrung der Friedens. Es entspricht der Aufgabe des Völkerbundes, wenn er dort eingreift, wo der Friede gefährdet ist. Eingreifen tut er aber immer nur dann, wenn eine Regierung den Völkerbund anruft, wenn ein Bundesmitglied, mag es unmittelbar beteiligt sein oder nicht, einen Streitfall a mt= lich dem Völkerbundssekretariat zur Kenntnis bringt. Tritt ein solcher Fall( nämlich ein Krieg oder ein drohender Krieg) ein, so beruft der Generalsekretär unverzüglich auf Antrag irgendeines Bundesmitgliedes den Rat." So ist Deutschland , das bis zur Junitagung den Ratsvorsiz führt, formaljuristisch in der Lage, den Völkerbundsrat einzuberufen; ebenso fann England, fann Frankreich , Italien , Südflawien, formal genommen auch jedes andere Bundesmitglied, der Aufmerksamkeit des Rates" den vorliegenden Balfanfonflikt unterbreiten.
Der Völkerbund ist keine automatisch wirkende Feuerlös.hanlage, die bei einem bestimmten politischen Hizegrad von felbst in Funktion tritt. Er ist eine Feuerwehr, die sich nur in Bewegung setzt, wenn sie alarmiert wird. Wird die Feuerder politischen Gesamtlage ab. Jede Großmacht scheut sich, wehr des Bölkerbundes alarmiert werden? Das hängt von den Bölkerbund gegen eine andere Großmacht in Bewegung zu setzen. Deshalb haben sie nicht gegen den albanischitalienischen Vertrag Einspruch erhoben, trotzdem er höchstens einbaren war, die alle Bundesmitglieder zu achten haben. Deshalb formaljuristisch mit der Unabhängigkeit Albaniens zu ververspürt auch jetzt feine Regierung Luft, mit Italien oder Jugoslawien anzubinden. Es ist ein Meinungsaustausch zwischen den Kabinetten" der Großmächte im Gange. Man berät in London , Paris und Berlin , ob die Brandgefahr groß genug ist, um zu einem Eingreifen zu nötigen. In London , wo man zunächst die Angelegenheit mit auffallender Gelassenheit behandelt hatte, offenbar weil man Italien möglichst nicht in den Arm fallen wollte, beginnt man fich des Ernstes des Konflikts bewußt zu werden. In Paris war man dagegen von Anfang an besorgter; die Gegnerschaft gegen den Faschismus läßt dort schon eher an die Einberufung des Bölkerbundes denten.
Aber