Mittwoch 2Z.März 1927
Unterhaltung unö
Seilage öes vorwärts
„Vir flnö Gefangene/ Don Oskar Moria Graf/) Ich wurde nicht vernommen, sondern gleich in den Vorraum des Gefängnisses geführt. Dort stand ein langer Tisch, gleichgültig nahm mir der Wärter alles ab, was ich bei mir trug. Auch den Blumenstrauß notierte er als eingeliefert. Der Soldat ging. Ein anderer Wärter bracht« mich in die Zelle dreizehn. Es war ein Raum mit ungefähr neun Holzpritschen, die vollauf besetzt waren. Außerdem stand auf jedem Fleck wer. Man konnte nicht auf und ab gehen, nur sich notdürftig aneinander vorbeidrängen und hin und wieder an den zwei kleinen, offenen Gitterfenstern ein wenig Luft schnappen. Ein« buntgemischt« Gesellschaft, hauptsächlich Ar- beiier, einige Kellner und Schieber, ein Herr in hellem Sporttostüm und ein bebrillter Redakteur, umgab mich. »Ah. auch unschuldig?" fragte ei« kecker Arbeiter ironisch, und alle lochten. Ich lachte ebenso. „Geschoben?" erkundigte sich der eine Kellner. Qualm, Schweißgeruch, Gestank herrschten drückend. Hinten auf dem Klosett saß immerfort ein alter, vollbärtigcr Arbeiter, graunzte, drückte und klagte über seine schmerzenden Hämorrhoiden. Einige hockten in kleingepferchtem Kreis iH einer Pritscheneck« und spielten lärmend Tarock. Diele pfiffen, sangen, unterhielten sich, und es gab wieder welche, die einfach stumm und leer vor sich hinstarrtcn. Nachdem ich endlich die Situation ein wenig erfaßt hatte, wurde mir leichter. Wenigstens keine Cinzelzelle, wenigstens unter einem Haufen, und immer kleine Abwechslungen, dachte ich ruhig. Das Anfreunden ging schnell. Ich fragte herum und erfuhr fast stets das gleiche.„Wegen roter Umtriebe," war die immer gleiche, gelassene Antwort. Keinem lag was dran. An das Morgen dachte niemand, jeder fügte sich, so gut es ging, ins Ganze. Don Zeit zu Zeit ging immer wieder die Türe auf, und ein Neuverhafteter wurde herein- geschoben., „Ja, Herrgott, wir haben ja sowieso keinen Platz mehr!" schimpften die meisten. „Wird schon leerer," meinte der Wärter und zog die Tür wieder zu. „Ja, wenn wieder ein Dutzend erschossen werden!" schrien die meisten höhnisch. Und dann stand der Neuling da wie ein begossener Pudel, und alles lachte galgenfroh:„Ah, auch unschuloig, was?" Sagte er ja und wollte beteuern, so wurde das Gelächter noch stärker. Gutmütige Spöttereien mischten sich ineinander:„Iaja, mir sind ja alle unschuldig, Kamerad! Aber da brauchst überhaupt gar nichts sagen! Da geht's sehr einfach! Ob du was gemacht hast oder nicht, derschossen wirst doch! Am gescheitesten ist's schon, du sagst gleich, du hast zwanzig Weiße niedertartätscht." „Schmier' eini!" kam es aus der Tarockerccke und„Ah, haut schon! An Herzzehna! Uens gehört's' sekundiert« der andere Spieler In wenigen Minuten war so ein Neugekommener sicher und gehörte zu uns. Voll und immer voller wurde es. Wie die Heringe standen wir aneinander, heiß und heißer wurde es, Läuse und Flöhe, Wanzen und Russen gab es. Ich schob mich hin und her, zog mich an den Gitterstäben des Fensters hoch und blickte in den Polizeihof hinunter. Da standen rundherum Gewehrpyramiden und Abteilungen von Soldaten, Maschinengewehre und Bagagewagen. Auch an den anderen, gegenüberliegenden Zellenfenstern sah ich hochgereckte Köpfe, es schrie herüber, es winkte. Plötzlich packt« drunten ein Soldat ein Gewehr und schrie anlegend herauf: „Weg da! Weg, ihr Hunde!" Dann wurden die Fenster wieder für eine kurze Zeit leer. So vergingen die Stunden. Dunkler wurde es, Licht kam In der Decke, zwei Wärter brachten dünne Suppe und je ein Kommißbrot. „Ja,, wie ist's denn da mit dem Schlafen?" erkundigte ich mich. „Schlafen?" lachte ein Kamerad.„Iaja, das ist sehr einfach, du hast ja deine zwei gesunden Füß' noch... Na also... Da stehst einmal auf dem einen, dann wieder auf dem anderen, und hie und da kannst du auch Glück haben und kommst auf die Pritsche." Dann kam also die Schlafenszeit. Wirklich lag alles berggleich übereinander auf den Pritschen und darunter. Der Rest versuchte stehend, an die Wand gedrückt oder aneinanderlehnend, zu schlafen. Das ging ober nie sehr lange. Auf einmal fing das Rutschen an. Alles, was stand, sackte schief hin. rührt» sich wieder und tappte schlaftrunken herum. Flüche knurrten, Gemurmel fing an, Unter- Haltungen begannen und brachen ermattet wieder ab. Schrecklich langsam verliefen diese dunklen Stunden. Die Augen taten weh, der Körper juckte, man scharrte und stieß dabei den Nebenmann. Der murrte ein wenig und schnaufte schwer auf. Aus einer Ecke stöhnte ein Lungenkranker, der nachmittags eingeliefert worden war, keuchte, hustete wie sich erbrechend und spuckte. Dort träumte einer laut und schlug herum.'Die neben und auf ihm Liegenden wachten auf, weckten ihn und versuchten sich anders zu placieren. lim den Abort stritten einige, das Wasser rauschte, irgendwer schimpfte und verlangte Ruhe. Endlich, endlich wurde es langsam hell, und fahl siel das Licht über den wüsten Schlafberg, der oll- gemach wieder lebendiger wurde. Eine Blechschal« voll schwarzen Kaffees gab es und wieder Kommißbrot, truppweise durften ab und zu welche in die Waschzellen. Das Fräulein war angekommen und hatte mich auf der Polizei erfragt. Es durste aber nicht herein. Der Wärter reichte mir durch die viereckige Türöffnung eine Konservenbüchse, Brot und einig« Zigaretten. Wie jeder hier, teilte ich aus. Gemeinsam wurden di« Zigaretten bis zum letzten Stummel geraucht, dann streifte einer die Glut weg und zerkaute das Uebriggebliebene. „Schuster!" brüllte der Wärter draußen abermals. Der Gerufen« kam heran und ging durch di« offene Tür«. Zwei Soldaten nahmen ihn in die Mitte und führten ihn über die steinernen Treppen hinauf. „Mensch, endlich fangen st« doch einmal mit dem Verhören an," sagte ein unterwachsener Arbeiter. Ich erfuhr, daß einige schon fünf und acht Tag« unverhört hier waren. Manchmal kam der Geholt« wieder, manchmal nicht mehr. Die«inen mutmaßten, er sei erschossen worden, die andern waren der Meinung, man habe ihn in«in anderes Gefängnis gebracht.„Erschossen wird da herinnen kaum einer... Ja, vielleicht in den ersten Tagen!... Jetzt nicht mehr... Wir können ja von Glück sagen, daß man uns erst so
*) Oskar Maria Graf , der Münchener Dichter, läßt demnächst im Drei-Masten-Verlag, München , feine eigen« Werdegeschichte unter dem Titel„Wir sind Gefangene erscheinen. Diese ungewöhnlich« Autobiographie erzählt nicht nur das Leben und schwere Werden eines Menschen und Dichters, sie umspannt die Zeit von 1905 bis 1919 und schildert die Ereignisse dieser letzten zwei Jahrzehnte. So wird das Buch zu einem menschlichen und zeitgeschichtlichen Doku- ment. Wir sind vom Verlag ermächtigt, das Kapirel, da, die München «! Reoolutionswirrnisse widergibt, zum Abdruck zu bringen.
spät gefaßt hat," sagte ein Arbeiter und fing zn erzWen an von den Erschießungen im Schlacht- und Viehhof und im Hofbräuteller. Viel mehr unschuldige, denunzierte und willkürlich festgenommene Zivilisten als Rotarmisten seien an die Wand gestellt und ohne Verhör einfach niedergeknallt worden, berichtete er. Kein Wort war erlogen. Später mußte sogar der Polizeibericht und derjenige des., sozialdemokratischen Aktionsausschusses dies zugestehen. Ick) sagte, was ich im Ostfriedhof gesehen hatte. .La, das sind di« sogenannten standrechtlich Erschossenen," meinte«in anderer Kamerad:„Gell, Weiber hast du unter den Toten gar nicht gesehen?" „Nein." „Die hat man weggeräumt, damit« sticht so feig aussieht," sagte er. Eine Weile verging schweigend. „Mensch, für das hat man im Feld de» Schädel hingehalten." brummte einer. Die Tür ging auf. Ein Neuer kam. Ein smgefähr vierzig» jähriger, zerhetzt dreinjehender Arbeiter war es. Er blieb stehen und schaute, als wolle er jeden auffressen.. Als wir ihn gemütlich an».
Helüen öer Schwarzen Reichswehr.
1923
.Da» Schwein, der Severins muh gekillt werden.. 1927
„wir glaubten doch. Herr' Severing hätte uns Amnestie bewilligt.
redeten, brüllte er auf einmal furchtbar auf. rannte an die Tür und oersuchte, dran zu reihen, schrie, schrie:.Meine Frau stirbt! Mein« Frau! Laßt mich hinaus!" Der Wärter kam und schimpfte herein. ging wieder.- Der Mann fing gräßlich zu heulen an, rannte herum wie ein Irrsinniger, fand den Abort und zerstampfte ihn mit seinen schweren Stiefeln. Wir überwältigten ihn und beruhigten ihn. so gut es ging. Er blieb schlotternd auf der Pritsche liegen, starrte irr zur Decke, dann brüllte er wieder furchtbar auf:„Meine Frau! Die Hunde! Die Metzger! A— a— ach!" Und weinte, weinte. Ein anderer wurde hereingeschoben, und blitzschnell war der Weinende an der Tür. aber sie klappte schon wieder zu. Der Rasende riß abermals dran und fiel bleich und wutschäumend lang hin. schlug um sich. Wir legten ihn wiederum auf die Pritsche. Einer taucht« sein Taschentuch in» ausgelaufene Abortwasser und legt« es dem Schreienden auf die heiße Stirn. Der Mann fing wieder sein ver- zweifelte« Weinen an. und nun weinte auch der Lungenkrank« hustend auf, stoßweise, immerfort.> Der Neugekommene erzählt« von der Festnahme Levinö-Niflen». „Den erschießen sie wie einen Hundl" sagte jemand. „Aber sicher!... Der kann noch so recht haben, er wird hingemacht!" gab ein anderer zurück. „Der muß da herinnen in der Polizei sein," sagte der Res» wiederum. Die neben ihm hoben die Köpfe und schauten ihn an. „Da? Da herinnen?... In der Polizei?" „Ja, da herinnen... Er muß in einer Einzelzelle sein." Auf einmal drängte sich jeder um den Neugekommenen, auf einmal fragt« jeder, auf einmal wich die Gleichgültigkeit, auf einmal belebte sich jedes Gesicht. „Da?... Ganz gewiß?... Wirklich»... Da. w da Polizei?" Abermals bejahte der Neue. Jetzt wußten es alle, jetzt schaute jeder sekundenlang dem andern in die Augen, ein stockendes Schweigen setzte ein. nur die Weinenden hörte man noch, und auf einmal schrien etliche au» der Mtte:„f>och! Hoch Levine-Nissen!" Und wie ein jähe», aufmunterndes Signal ergriff es alle. „Schreit da, nicht, da geht's uns schlechter," mahnte d-r im Sportkostüm kläglich. „Feigling!" plärrte ihn einer drohend an, und wie auf ein Zeichen wiederholte di» ganz« Zeye:„Hoch! Hoch, Levinö-Nissen! Hoch!"_(Schluß folgt.) Der Sieg öes Lebens. Don Willi L�y. Der Moralist möge klagen, der Gottesgelehrte fluchen, der Skeptiker lachen und sich sonst jeder in gewohnter oder ungewohnter Weise betätigen_ die Aussichten für einen Weltuntergang werden immer geringer. Der Naturforscher ist Zeug«. Dia Wirbelstürme und Erdbeben, dt« di« ganz« Erde abmurksen sollen, wolle» nicht kommen. Da»
Meer will nicht austrocknen, aber auch nicht alles überschwemmen, unt�Äie Eiszeit fühlt sich anscheinend in Grönland so wohl, daß sie nW an Jtalienreisen denkt. Mit den astronomischen Katastrophen hfl es noch schlimmer. Der Mond weigert sich hartnäckig, wie Mancher Abgeordnete, seinen Platz zu verlassen und uns auf den Kopf zu fallen, wie es die Welteislcute doch so nötig sür ihre Theorie brauchen, die Sonne denkt einfach nicht daran, kälter zu werden(2 Grad jährlich sind Vorschrift, aber die hat sie wohl nicht gelesen), und die schrecklichen Kometen wird Hagenbcck wohl nächstens einsangen lassen und dressieren. Asso eine Katastrophe größeren (wirklich westbedeutenden) Ausmaßes— na, also höchst ungern. Und wenn, dann würde da? Leben mit ihr fertig werden. Wie, 'das haben wir schon einmal vorgemacht bekommen bei einem kleinen Privatweltuntergang im fernen Insulinde. Es war 1883 im August, mitten in der blauen Sundasee. Die Vulkaninsel Krakatau erplodierte buchstäblich. Kaum die Hälfte blieb von ihr übrig. Der Rest wurde Ä Meter hoch mit Asche und glühendem Bimsstein bedeckt. Ein Jnselchen in der Nähe,„Ver- loten Eiland", wurde ebenso verschüttet,«ine 30 Meter hohe Flut- welle vernichtete aus Java und Sumatra 40 000 Menschenleben. Bis Ceylon hörte man den Donner der Katastrophe. Bis nach Kalifornien und Frankreich kam ein Rest der Flutwelle. Wenn je- mals ein Eid unbedingt sicher war, kein fahrlässiger Falscheid zn sein, so war es der, daß kein Lebewesen auf Krakatau und Verlaien Eiland am Leben geblieben war. Nun war es dem Direktor des Botanischen Gartens zu Boitzenzorg bei Vatavia vergönnt, auf zwei Expeditionen zu beobachten, wie die Natur das Stück toter Welt zurückeroberte. Drei Jahre nach dem Unglück tat er die erste Fahrt. Da war auf Krakatau schon„etwas los". Auf den Bimsstein- und Lava- brocken klebten saust- bis kopfgroh« schwarzgrünliche Gallertklumpen, Algenkolonien. Ferner hatten sich elf tropische Farnartcn ein- gesunden, zwei Gräser und vier Blumen. Alle hatten sich schon nach Möglichkeit ausgebreitet— diese im Innern, am Strande war der Fels von 11 Sorten verschicdencr Strandpflanzen erklettert worden.— Elf Jahre später die zweite Fahrt. Da fanden sich außer den schon vorher dagewesenen Ansiedlern noch eine Wolfmilchsart, Pan- danus, Trichterwindcn, Leguminosen. Gräser, sogar Kokospalme», Farbholzbäume, Zuckerpalnie, Mangos. Eichen und alles Mögliche andere. Weiter im Innern Erdorchide'en und große Korbblütler inmitten kleiner Farnwälder. Verlöten Eiland hatte außerdem noch kleine Welten von Kasuarbäumen, die eigentlich in Australien heimisch sind. Der Gencralappell ergab: 22 Algen, 12 Farne und 50 Blüten- pflanzen. Vor 11 Jahren wären es 8 Algen. 11 Farne und 15 Blütenpflanzen gewesen. Als Transportweg« der Sporen und Samen fand man heraus: Für alle Algen, Farn« und 17� Blütenpflanzen den Wind. Für 32 der letzteren die Wellen, und für den Rest Transport durch Seevögcl und Flughunde. Eine Ticrstatistik liegt mir leider nicht vor. Man wird an das denken müssen, das da fliegen oder schwimmen kann.— Wenn es einmal durch ungeahnte Möglichkeiten einem ganzen Planeten so schlecht gehen sollte, so helfen die anderen aus, wie hier die Nachbarinseln: sie senden Bazillen durch den leeren Raum, und dann beginnt eben das Entwicklungsvergnügcn von neuem. Also, Leser, vernimm der Geschichte traurigen Ausgang. Du bist, da du dies liest, noch lebendig und gehörst somit zur Angelegen- heit„Leben"— und das ist eine Sorte, die sich nicht unterkriegen läßt. Und dein eigenes Leben wirft du wohl auch zu Ende leben müssen—. schade, man mär« ganz froh, auf eine so anständige und vornehme Art, wie es ein Weltuntergang doch nun einmal wäre, dem Jammertal zu entwische),. Aber es HRtr ja keinen Zweck, denn nach uns würden doch nur andere kommen, die densciben Wunsch hätten.—
Die Väter öes Sieres. Diö alten Babylomer sind schon vor sechstousend Jahren leiden- schaftliche Biertrinker gewesen, sie sind die„Väter des Bieres". Die Bedeutung der Bierbereitung im alten Babylonien behandelt ein Aufsatz von Dr. E. Huber im neuesten Heft der„Umschau". Aus den Archiven der königlichen Domänen und Tempelgüter, die bei den Ausgrabungen entdeckt wurden, erfahren mir, daß schon Ende des fünften Jahrtausends regelmäßig aus den Magazinen der Kön/igs bestimmte Mengen Emmer, Gerste und Gerstenmalz an den „Vorstand des Bierhauses" überwiesen wurden, um verschiedene Bierarten herzustellen. Aus derselben Zeit sind„Braubüchcr" der Brauereidirektoren erhalten, in denen sie über die Verarbeitung der Rohstoffe Rechenschaft ablegen. Neben dem Dattelwein war das Bier das einzige alkoholische Getränk der alten Babylonier, denn der Wein aus Trauben wurde aus dem Ausland eingeführt und war nur«in Luxusgetränk der„großen Herren". Dagegen stand der Blerkrug in, alten Babylon ebensogut auf dem Tisch des Königs wie auf dem des Arbeiters. Das Bier war der flüssige Teil der täglichen Nahrung: die Gehälter und Löhne wurden zum Teil in Bier ausgezahlt. So erhielten die Arbeiter täglich ein Maß Bier, di« höher entlohnten. Spezialarbeiter zwei, die Beamten und „akademisch" Gebildeten drei bis fünf Maß Bier. Ebenso spielte dieses Getränk beim Opfer eine große Rolle. Bier und Brot wurden täglich den Göttern dargebracht, und zwar regelmäßig ein Maß, die Menge, die als die Norm"für den täglichen Lebensunterhalt des Menschen betrachtet wurde. Bei festlichen Anlässen wurden auch Krüge m!» 10 und 27st> Maß geopfert, und als Dank für einen Sieg bracht« König Cudea Opfer in„altem Lagerbier" so reichlich, daß der Vorsaal des Tempels wie„ein großes Meer" war. Das altbabylonisch» Bier unterscheidet sich von ollen Viersorten der übrigen anttken VölKr dadurch, daß dabei Malz und ein oder auch zwei Rohfruchtarten verwendet wurden. Als Rohfrucht wurden Emmer und Gerste Zu gleichen Teilen, zur Malzbereitung nur Gerste verwendet. Die allen babylonischen Bierbrauer stellten Trockenmalz auf Vorrat her und bereiteten aus Malz und Roh- frucht hell«„Bierbrot«', aus denen das helle Bier, und„Röstbier- brote", aus denen dunkelbraunes Bier gemacht wurde. Wie der deutsche Name„Brauer " ursprünglich„Malzmacher" bedeutet, so werden di« babylonischen Bierbrauer als die Leute bezeichnet,„die da» Malzbrot machen". Ob bei der Gärung Hefe benutzt wurde, wissen wir nicht. Gewöhnlich wurde das Vier nach vollendeter Gärung als Iungbier getrunken. Es wurde aber auch Lagerbier in große Tonnen gefüllt, di« im Boden des Bierkellers vergraben waren Hier machte das Bier noch eine Nachgärung durch, bis es dann in versiegelten Krügen, die zwei bis fünf Matz faßten, für festliche Gelegenhellen aufbewahrt wurde. Es gab auch„Misch- biere", bei denen eine Art Malzextrakt durch Mischung mit Wasser zu gebrauchsfertigem Jungbier verarbeitet wurde. Im ganzen werden in den allbabylonischen Urkunden 10 verschiedene Biersorten angeführt: von diesen war die größere Anzahl Spezialbiere, die nur bei Festen auf die Tafel kamen. Im alt- babylonischen Haushalt begnügte man sich mit dem„gewöhnlichen Gerstenbier", dem„Schwarzbier", dem„guten Schwarzbier" und dem.wrima Bier". Bei Tisch wurde das Bier aus hohen Bechern oder flachen Schalen getrunken:«s muhte dann erst durch Seihen mit einem Leinentuch von den Getretdekörner- und Bierbrotrestchen befreit werden. Tüchtige Zecher aber saugten den Gerstentrvnk aus langen Röhren direkt ans dem großen Kruge, und diese Sitte de»„Biersaugens" ist von anderen anttken Völkern übernommen worden. So saugten das Bier' auch die germanischen Völker am Schwarzen Meer , und mit ihnen kam dann das Hvpfenbier, das dt« Babylonier in späterer Zell verfertigten, während der Völker- Wanderung»ach Deutschlasch.