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Hochschulring und Stahlhelm.

Die völkischen Studenten lassen die Masken fallen.

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Die maßlose Hetze, die von einem Teil der Stu­dentenschaft unter Mißbrauch ihres Selbstverwaltungsrechts gegen den preußischen Kultusminister geführt wurde, wird durch ein von der Germania  " veröffentlichtes Rund­schreiben in ihrem wahren Charakter enthüllt. In diesem Briefe fordert der Hochschulring die studentischen Verbände zu einer großen Rundgebung auf, die im Mai d. I. statt finden soll. lleber die Form der Kundgebung wird gefagt: Im Rahmen von Darbietungen des Berliner   Hochschulchors wird ein Akademiker die Festrede halten, deren Sinn und Absicht durch einen Hochschullehrer( vorgesehen ist Herr Profeffor Seeberg, Universität Berlin) und durch den Stahlhelmführer Selte ( Akademiker) in furzen Worten unterstrichen und unterstützt wird. Die Mitwirkung des Stahlhelmführers Selte ist deshalb möglich und münschenswert, als im Mai d. J. in Berlin   der 8. Stahlhelm tag angesetzt ist, und der Ausdruck einer Kampfgemeinschaft zwischen nationaler Studentenschaft und vaterländischen Verbänden durch die furze Mitwirkung des Stahlhelmführers zwanglos erreicht wird.

Der deutsche Hochschulring ist für die rechtsradikalen Ten denzen in der deutschen   Studentenschaft verantwortlich. Beder die katholisch- konfessionellen, noch die sozialistischen, noch an­bere republikanisch gesinnte Stubentengruppen wollen mit ihm etwas zu tun haben. Bisher hatte der Hochschulring die Deffentlichkeit irrezuführen verstanden, indem er sich als parteilos hinstellte und jeden Angriff auf seine Forde­rungen zur parteipolitischen Mache stempelte. Heute erklärt er selbst, daß er sich nur als Anhängsel der politisch reattio­nären Stahlhelmorganisation betrachtet. Das bringt wenigstens Klarheit in die unsauberen politischen Machenschaften, zu denen sich einige Studentenschaften von ihren politischen Drahtziehern verleiten ließen.

Regierung unterm Kreuz.

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verewigten Zerstörungen begingen. Mutter Kirche verträgt folche fleinen Betriebsunfälle. Ob auch die deutsche Außenpolitit fie verträgt, möchten wir ebenso bezweifeln, wie die Beamten des Auswärtigen Amtes, die gegen die Aufführung des Films wenig­stens für eine bestimmte Zeit Bedenken hatten. Der Massenaufmarsch der Bürgerblockminister bei der Aufführung eines wegen seiner antipolnischen Tendenz zeitweilig verboten gewesenen Films war zum mindesten ein außenpolitischer Schildbürger streich. Jährt man so fort, die außenpolitischen Beziehungen zu feinem Bergnügen zu stören, so wird man sich über die Folgen nicht

wundern dürfen.

Finanzausgleich und Erwerbslosenlasten. Heftige Geschäftsordnungsdebatten im Steuer­ausschuß.

Der Steuerausschuß des Reichstages fegte am Mittwoch die Einzelberatung zum Finanzausgleich fort. In den Borverhandlungen hat die Reichsregierung den Ländern und Ge­meinden zugesagt, daß fie vom 1. April ab die Lasten der Erwerbs­lofenfürsorge ganz auf das Reich übernehmen werde. Demzufolge beantragten die Regierungsparteien die Einführung einiger neuer Paragraphen, deren wichtigfter lautet:

Das Reich erstattet den Ländern und Ge­meinden die Beträge, die sie nach der Berordnung über Erwerbslofenfürsorge vom 16. Februar 1924 für die Beit vom 1. April 1927 bis zum Infraftreten des Arbeitslosenversicherungs­gefeges zum Fürsorgeaufwand beizusteuern haben."

Diefe Bestimmungen sollen jedoch mit dem 30. September 1927 außer Kraft treten. Wie aus der Begründung der Antrag fteller hervorging, soll auf diesem Wege ein 3 wang zur schleunigen Verabschiedung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes ausgeübt werden. Genoffe ell erklärte fich mit der Tendenz des Anirages der Regierungsparteien einverstanden, wandte sich aber dagegen, daß die Bestimmungen bis zum 30. September 1927 befristet werden. Man wisse nicht, ob das Arbeitslofenversicherungsgefeß bis dahin in Kraft treten fönne. Gei das nicht der Fall, dann würde der Fortfall der Erstattungspflicht des Reiches die Finanzlage der Ge­meinden gefährden und eine unbillige Unsicherheit für die zwei

Marg, Keudell, Curtius bei der Erstaufführung des Millionen Erwerbslofen herbeiführen. antipolnischen Films.

Sie haben es sich nicht nehmen lassen, unsere Bürgerblod minifter. Sie mußten am Mittwoch die Erstaufführung des Oberschlesienfilms and unterm treu 3" mitmachen, ob­wohl das Auswärtige Amt von der Aufführung des Films eine Beeinträchtigung der deutsch  - polnischen Beziehungen befürchtete. Der Außenminister Dr. Stresemann   blieb freilich fort. Ob er die Befürchtungen noch jetzt teilt?

Der Film ist ein politischer Tendenzfilm. Was er von der Schönheit und von der Not Oberschlesiens   zu sagen weiß, hätte mit besseren Mitteln vielleicht noch eindringlicher gejagt werden können; die deutsche Republik hat viel gutzumachen, nicht nur das, was die Zerstörungswut polnischer Infurgenten in den Putschkämpfen und eine unfinnige Grenzziehung vernichtet haben, sondern auch das, was Unterlaffungen in Jahrzehnten altpreußischer Oft poli. tif verschuldet haben. Aber die Erinnerung an die glorreiche Zeit der Kämpfe und des Selbstschuhes hat es den Reattio. nären angetan. Und den Zentrumsfreunden waren die schönen Bilder von den Kirchen, Messen, Wallfahrten und Prozessionen das Wichtigste.

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Demgegenüber erflärte Staatssekretär Popih, es tönne nicht davon die Rede sein, daß die Ansprüche an die Erwerbslosenfürsorge etwa aufhören. Die Rechte der Erwerbslofen blieben unter allen Umständen gewahrt. Es handele fich lediglich eine interne Erstattungspflicht des Reiches gegenüber den Ländern. Die Begrenzung sei notwendig, weil das Reich allenfalls die Erstattung für eine halbjährige Uebergangszeit übernehmen fönne, feinesfalls aber bei seiner gegenwärtigen Etatslage für eine unbeschränkte Zeit. Der Antrag der Regierungsparteien wurde angenommen.

Preußen und die Justizreform. Ar Eine Erklärung des preußischen Justizministeriums. Dem Reichsrat liegt seit Ende 1924 der Entwurf eines Strafgefegbuches vor, der als einheitliches Strafgesetzbuch für Deutschland   und Desterreich gedacht ist.

Das preußische Justizministerium hat nun dem preußischen Staatsrat eine Dentschrift über seine Stellungnahme zu den Bro­blemen zugehen lassen. Danach ist die Staatsregierung mit dem Entwurf in mefentlichen Buntien einverstanden, besonders mit der Absicht, durch das Gericht in Zukunft mehr den Täter als die Tat betrachten zu lassen. Besonders soll das Geriát bei der Strafzu meffung abwägen, inwieweit die Tat auf einer verwerflichen Ge­finnung oder Willensneigung des Täters und inwieweit sie auf Ur­sachen beruht, die ihm nicht zum Vorwurf gereichen, die Berücksich­tigung der Beweggründe und der persönlichen und wirt. schaftlichen Berhältnisse des Täters zur Zeit der Tat wird dem Richter besonders zur Pflicht gemacht. Bei den Reichs. ratsberatungen ist auf Antrag Preußens eine Ergänzung nad der Richtung beschlossen worden, daß auch die persönlichen und wirt. fchaftlichen Berhältnisse nach der Tat bis zum Zeitpunkt der Ab­urteilung mitberücksichtigt werden sollen.

Was die Frage der Erweiterung des richterlichen Er. meifens anbetrifft, so hat sich Preußen grundsätzlich dafür aus. gesprochen, aber doch beantragt, daß das völlig schrankenlose Milderungsrecht, das der Entwurf vorsieht, und das es dem Richter ermöglichen würbe, selbst bei Berbrechen bis auf 3 Mart Geldstrafe herabzugehen, beseitigt, und die Befug nis zum Abfehen von Strafe eingeschränft werde.

Was das Straffyftem betrifft, so behält der Entwurf die Todesstrafe bei, beschränkt sie auf den Fall des Mordes und schränkt auch für diesen ihr Anwendungsgebiet wesentlich ein, indem er für den Mord allgemein die Annahme mildernder Umstände und damit Freiheitsstrafe zuläßt. Mit dieser Bestimmung hat sich Preußen einverstanden erklärt.

Dagegen hat es die völlige Beseitigung der Festungsa haft als Strafmittel verlangt und fich gegen die Sonder. behandlung des Zweifampfes im Strafgesetz aus gesprochen.

Ein Protest der Internationale.

Gegen Ungarns   Willkürregiment. London  , 23. März.( Eigener Drahtbericht.) Der Borsitzende der Sozialistischen Arbeiter- Internationale und Generalsekretär der englischen Arbeiterpartei, Arthur Henderson  , das bekannte Mitglied des englischen Unterhauses und Minister des Innern im kabinett Macdonald hat am Mittwoch an den ungari fchen Ministerpräsidenten Bethlen folgendes Tele­gramm gerichtet:

Im weiteren Verlauf der Sigung fam es zu einer heftigen Geschäftsordnungsdebatte. Die Regierungsparteien verlangten nam lich, daß alle von den Oppositionsparteien zur Hauszinssteuer, zur Einkommensteuer und zur Zudersteuer gestellten Anträge ohne Befristung zurüdgestellt würden. Die Oppositionsparteien Nachdem ich erfahren habe, daß ein Abgeordneter in dagegen verlangten ihre fofortige Beratung. Die Genossen Keil und Junte wiesen nachdrüdlichst darauf hin, daß die sozialdemokratischen Ungarn   verfolgt wird, weil er an einer Sigung der Exekutive der Anträge ebensogut im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich Sozialistischen Arbeiter- Jnternationale in Paris   teilgenommen hat, stehen wie z. B. der Antrag der Regierungsparteien auf Erhöhung bei der ich den Vorfiz führte, betrachte ich es als meine Pflicht, Sie Die in Kenntnis davon zu setzen, daß die Arbeiterklasse der ganzen Welt der Biersteuerentschädigung für die süddeutschen Staaten. Regierungsparteien wollten nur unangenehmen von Empörung darüber erfüllt ist, daß Sie fortjahren, Entscheidungen aus dem Bege gehen. Eine berartige die für die unmittelbare Kriegsgefahr bestimmten Ausnahme­So wurde der politische Kitschfilm- gut für leichtbegeisternde mißachtende Behandlung laffe fich die stärkste Partei des Reichstags gefehe gegen politische Gegner auf Grund politischer Anklagen in nicht gefallen. Wenn die Regierungsparteien an ihren Ber­Nationalisten. Nicht immer wird wie gestern der Abg. Ulifa- gewaltigungsablichten feithielten, werde die Sozialdemokratie auf der Friedenszeit anzuwenden. ein Sprecher da fein, der die Wirkung des Films mit Worten ab- jede weitere Mitwirkung an den Ausschußberatungen verzichten. fchwächt und erklärt, man molle ja nicht gerade einen Krieg, um Angesichts dieser Erklärung ließen die Regierungsparteien zunächst die ersehnte Wiedervereinigung des unsinnig abgetrennten Dst- Ober. die. Beratung der Anträge zur Hauszinssteuer zu. Sie endete schlesiens mit der übrigen Heimat zu erlangen. Auf viele wird der zunächst mit der Annahme einer Entschließung, nach der die Länder; beabsichtigte Appell an die Heimatliebe als zündender 5 aßgefang aufgefordert werden, die auszinssteuer bei Saifon betrieben nicht für das ganze Jahr zu erheben.

mirfen.

Doch die Minister des Rechtsblocks haben die Erstaufführung be­grüßt. Sie standen start unter dem Eindruck desselben Kreuzes, das immer wieder die Landschaftsbilder des Films überstrahlt, und das die polnischen Putschisten anbeteten, als sie ihre im Filmbild

Die große Woche.

Konzertumschau von Kurt Singer  .

Man mag dagegen sprechen, wie viel und wie oft man will: weder Bublifum noch Künstler laffen es sich nehmen, Beethoven  in diesen Tagen besonders zu huldigen. Da läuft dann der Troß hinter den Führern her und macht mit, das Wort Beethoven   auf den Lippen, den Jazz im Herzen. Aber eine ganze Welt hält auf einmal, für eine Gefunde ber Ewigkeit den Atem an und lauscht. In dieser einen Sefunde wird jeder vom Hauch des Genius berührt. Das ist etwas Großes; und jene Widersacher Beethovenscher Kunst, die ihm die subjektive Gebärde seiner Dusit verübeln und die feinen Anteil mehr an ihm haben wollen, diese Jungen und Jüngsten er­fennen wohl in diesem Augenblid, daß man nicht mit schwachen Mermchen einen Felsen umreißen tann. Aus Schwäche wird nie­mals Kraft durch bloßes Maulaufreißen. Diese Tage mahnen uns zur Ehrfurcht, so wir sie nicht schon fühlten, zur Anerkennung Beethovenscher Freudenbotschaft, zum Aufblic nach dem Sternenzelt. Das erst ist Sachlichkeit, ist Freiheit, ist Glück, wenn wir etwas vernehmen ,, was über uns ist. Indem wir es vernehmen, heben wir uns zu ihm hinauf. So Wolfgang Goethe  . Wir wollen es mit diesem goldenen Wort halten und uns freuen, daß ein Beethoven gedichtet und gefchaffen hat.

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Großer Feiern bedarf es dazu nicht. Immer noch ist das Spiel im eigenen Haus, still, für sich selber die beste Feier. Ein Gau  Festkonzert als Beethoven- Feier aufzuziehen, ist geschmadlos. Für 59 gemischte Chöre oder 2000 Sänger hat Beethoven   nichts, gar nichts geschrieben. So etwas hätte er als absurd verworfen. Und das alles in Umformungen des originalen Sazes, die feine stärkere Dynamit und Intensität ausstrahlen, als das Original selber, und zwischendurch in dem Riesen- Sportpalast, unter Tausenden ein Ein­zelner, der folistisch durch das Chaos der Köpfe und Leiber hindurch fich stimmlich einen Beg fucht. Am Schluß des Programms ( Beethoven- Feier!) bie ehrwürdig- ernsten Lieder, Drauß ist alles fo prächtig" und Hopfa, Schwabenliefel". Nun also, wenn draußen alles so prächtig ist, so fingt doch in der frischen Luft und treibt nicht Spott mit Beethoven   im Balajt des Sports! Kittel dirigierte. Im Konzert Bruno Walters gab es einen bemerkenswerten Auftakt. Er las ein Bekenntnis zu Beethoven   ab. Ja, er lieferte für dieses Bekenntnis eine öffentliche Generalprobe und eine Auf­führung. Dies war das einzig Unschöne. Was er aber sagte, war flug und prachtvoll geformt und glühte von innerer Leidenschaft ( der die Stimme leider nicht nachfam). Beethoven   als prophetische Statue, als Anfang einer Periode neuer Seelenstimmungen, als Rulturbringer, als Stifter einer Religion des Herzens. Man möchte die Worte des großen Interpreten über den Genius Beethoven, firenge, herbe, funstphilosophische Worte noch einmal lesen. Denn, als die ersten Tatte Beethovenscher Musit erflangen, war alles Wort vergessen. Großartig rauschten Coriolan   und Leonore auf und schufen herzlichsten Widerhall. Dazwischen die Arie Ah perfido  ", mit der Wildbrunn als Solistin. Sie war nicht in großer Form. Man mußte schon die ganze Beliebtheit diefer Leonore und die absolute Bewunderung für den schönsten aller dramatischen Soprane in Rechnung stellen, um über die Intonationsschwierig teiten ohne Gram hinwegzukommen.

Die neue Haftowißer Stadtvertretung hat einen Deutschen  zum Borsigenden gewählt und zu unbesoldeten Stadträten fieben Deutsche  , vier Bolen und einen von der Bereinigten Mieterpartei".

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Die würdigsten Beethoven  - Huldigungen hatte zweifellos die Boltsbühne" dargebracht. In einheitlichem Zuge die Klavier­Sonaten( Schnabel) und zuleßt die IX. Sinfonie( Kleiber). Das ist Beethoven   in allen Färbungen feiner Kunst und feines Wesens. Aehnlich rundet sich das Bild vom fünstlerischen Charakter Beet hovens in den Quartettabenden des Havemann- Ensembles. Der selbe Havemann trat folistisch im letzten der fünf großen Konzerte des Arbeiter Kultur Kartells auf. Er spielte das Brahmsiche Geigenkonzert. Besonders der erste Say gelang in seiner herben Sinnlichkeit und trotz aller technischen Gefahren hervorragend schön. Horenstein war auch hier ein so guter Begleiter, wie er in Werken Beethovens ein geharnischter, mit bestem Rüstzeug bewehrter, unsentimentaler, fraftvoller Deuter wurde. Diese Kon­zerte des Arbeiter- Kultur- Kartells dürfen nicht aufhören. In Pro­gramm und Interpretation waren sie Lichtblicke der Saison. Selbst Bedenken wegen der Finanzierung müssen zurücktreten vor dem großen Gefühl, daß hier wirklich etwas für die Kunft im Leben des Arbeiters geschieht. Es müssen Mittel gefunden und geschafft werden, um diese Institution samt ihrem außerordentlichen Kapellmeister am Leben zu erhalten. Es wäre nicht die schlechteste Beethoven- Feier, wenn ein folch tulturelles Werf weiter geftüßt würde, auf daß es immer mehr arbeitende Menschen hintrüge zum Bekenntnis für den Meister, der so recht in Volfes Seele hineingefungen hat. In feinem Konzert fehlt natürlich der Name des Gefeierten. Bei Maurice Eisenberger hätte man gern eine der drei Cello Sonaten gehört. Statt dessen die entzückenden, schwebend leicht und tüchtig interpretierten Bariationen über ein Papageno- Thema( mit B. E. Bolff am Flügel). Hermann Trews unterzieht sich der großzügigen und undanfbaren Aufgabe, die Goldberg- Bariationen Bachs und die Hammerklavier- Sonate Beethovens zu spielen. Das spricht für Ernst. Aber die 30 Bachschen Bariationen find zu un­einheitlich für eine geschlossene Reihe, und sie vertragen oder ver langen doch eine andere, eine stärkere Persönlichkeit, als Trems sie heute noch ist. Immerhin: er hat viel gelernt und wird( in Sachen der Modulation des Tons und Pedalgebrauch) weiter lernen. Daß Frau Siewert Michels unter ihren Schülern wenig Tempe ramente und nur einige schöne Stimmen aufzuweisen hat und den­noch gute Vortragsleistungen zuwege bringt, spricht für die fünftles risch- pädagogische Fähigkeit der Frau. Gertrud Fiedler aber werden wir uns merten; sie hat das Zeug dazu, in der Deffentlich­feit mit Erfolg mirten zu fönnen. Auch Heinz Unger   machte nicht zum erstenmal feine Reverenz vor Beethoven  . Nach Ab. fchluß seiner Konzerte ist dem hochstrebenden Mann und seiner Gesellschaft der Mufitfreunde" für ihr Wirten zu danten. Soffent lich folgt dem glorreichen Kunstwinter fein Sommer des wirtschaft lichen Mißvergnügens.

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Schmutz und Schand" in der Natur. Während die Ausfüh­rungsbestimmungen zur Der Külz der Bearbeitung unterliegen, halten mir uns für verpflichtet, die zuständigen Instanzen auf einen wich­tigen, im Geseze leider übersehenen Puntt hinzuweisen: Nicht nur des Menschen Tun und Treiben, auch das Gehaben der freien Natur ist des Schmuzes und Schundes poll! Wir brauchen dabei kaum auf die Tierwelt zu verweisen, denn schon das Reich der angeblich lieblichen Kinder Floras gibt zu den schwersten Bedenten Anlaß.

Seudell und Anschüh. Das Reichsamt des Innern erläßt eine Erklärung, um die staatsrechtliche Untenntnis zu beschönigen, die Prof. Anschütz Herrn Reudell nachgewiesen hat. Es verwendet dazu ein 3itat, in dem Anschüz fagt, daß die Länder ihre Staat. lichkeit" nicht vom Reich gewissermaßen als Lehen, sondern aus eigenem Recht innehaben. Schön und recht, Herr v. Keudell hat aber von einer Souveränität" der Länder gesprochen, weil er eben ftaatsrechtliche Begriffe nicht auseinanderhalten fann, und hat sich dafür zu Unrecht auf Anschüß berufen. Und das ist es, was Anschüß mit Recht als ,, tompletten Unfinn" zurückgewiefen hat.

Bereits Schopenhauer   hat mit Abscheu auf die Blumen hingewiesen, und er hat die uns demnächst leider wieder bevorstehende Blüten­pracht als eine widerliche Maffenschaustellung von zwar botanischen aber darum nicht minder deutlichen Geschlechtsorganen an den Pranger gestellt. Selbst unserem sonst nichts weniger als prüden Goethe war diese ewige, öffentliche( phanerogame" fagt fchamhaft Und dabei wußten beide der Botanifer) Massenheiraterei zuwider. noch nichts von den Ergebnissen späterer Forschungen, die die Blüten­melt als jo ziemlich das stärkste Stückchen entiarpten, das die Natur fich geleistet hat. Was die Natur hier mit Unterſtüßung der Insekten an versteckten Einrichtungen, Absteigequartieren usw. in Tausenden von verschiedenen an Raffiniertheit sich überschlagenden Modi­fitationen zustande gebracht hat, das läßt das Scheunenviertel als eine moralische Anstalt erscheinen! Es ergibt sich die Forderung, daß mit den Sonderzügen zur Werderschen Obstblüte Schluß zu machen ist!

Des weiteren find die naturgeschichtlichen Werte, besonders die für Spezialforscher bestimmten, einer gründlichen Durchsicht zu unter­ziehen. Man findet darin, selbst in der Zoologie, Geschöpfe, die an Berversität Schauerliches leiften. So z. B. eine gewisse Bonellia, über deren Teiben Näheres zu verraten wir uns hüten werden. Diese Bonellia hat leider das Glück, fern im Mittelmeer   auf die Leg Külz pfeifen zu können.

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Aber auch vor den Toren Berlins   fehlt es nicht an Gipfel. Den Gipfel selbst erreicht ein puntten schmuzigschundiger Natur. Bilz, der sich unsere schönsten Wälder ausgesucht hat und den Namen Phallus impudicus führt. Der Name fagt alles wir selbst werden allerdings vorsichtigerweise nichts darüber sagen. Dieser Bilz hat eine durchaus polizei- und fülzwidrige Form, und überdies stinkt er zum Himmel. Und zwar in einer Weise, daß man sich, ehe man ihn zu Gesicht bekommt, auf zehn Meter im Umkreise die Nase zuhalten muß.

Wir schlagen vor, die gesamte, außerhalb von Museen noch be mertbare Ratur als Naturschutzpart zu erklären und das Betreten Rip. zu verbieten.

Profeffor Emil& eberer Heidelberg   im Sisungsiaal des ehemaligen Freie Sozialistische Hochschule. Sonnabend, abends 7%, Uhr, spricht Herrenhauses, Leipziger Str. 3, über, China   in ber Weltpolitit Starten zum Breise von 50 Pf. in der Buchhandlung 3. H. 2. Dies, Lindenstr. 2, sowie an der Abendlaffe.

Der Männerchor Fidte- Georginia" gibt Donnerstag, abends 7 Uhr, in ber Alten Garnisonkirche, Neue Friedrichstraße, ein Konzert, verbunden mit Beethoven- Ebrung. Mitwirkende: Das Lambinon Quartett und Organist Otto Priebe. Starten zu 1 M. einschließlich Programm an der Kaffe.

Beethoven- Feier in der Sorbonne. In der Pariser   Sorbonne fand eine Feftaufführung von Werken Beethovens unter Mitwirkung von Künstlern der Cper und Opera Comique   statt. Die Drchester standen unter Leitung der Stapellmeister Vincent d'Indy  . Henri Rabaud   und Philippe Gaubert Gs tamen die Duvertüre zu Coriolan  , die 5. und 9. Sinfonte und das Beethoven- Duartett zur Aufführung.

Briefmarken mit dem Bildnis 3bfens. Dem Dsloer Dagbladet" zufolge bat ein Borschlag, aus Anlaß des hundertsten Geburtstages bon Henrit 3bjen, am 20. März 1928, Briefmarken mit 3bfens Bild drucken zu laffen, bie freudige Zustimmung aller Behörden gefunden. Die Marten sollen in einer solchen Auflage gedrudt werden, daß jeglicher Verdacht einer Spekulation ausgeschloffen ist