Den vielfackien Interessen der Erwachsenen Rechnung tragend, existiert hier eine Toynbee-Shakespeare-Gesellschast, die sich mit der Kunst dieses Dramatikers beschäftigt und selbst seine Stücke m vorbildlichen Laienaufführungen herausbringt, andere gehen in die Toynbee naturhistoristische Gesellschaft oder den Toynbee Kunstklub. In der Toynbee Gartengesellschast kann man sich über landwirt- schastliche Dinge unterhalten und die Toynbee Ambulance-Brigade ist eine Art Arbeitersamariterkolonne. Wer sich aber nicht so stark binden will, besucht nur die Klassen und Zkurs«, in denen Wirtschast, Philosophie. Literatur und Naturwissenschaften, und vor allem Sprachen gelehrt werden, denn Toynbee Hall ist auch eine„populär University", eine Volkshochschule Mit Malone ging ich durch die vielen Räume Toynbee challs. In einem Saale tansten Madchen unter Zupfgeigenbegleitung englische Volkstänze. In einem andern plauderte eine Gruppe der von Barnett gegründeten Arbeiterreisegesellschasteni es waren Fremd«, die hier für billiges Geld angenehme Unterkunst finden. Drüben war Konferenz der Eisenbahnarbciter. Davon ist übrigens eine kleine aufschlußreiche Episode zu erzählen: Während des letzten Generalstreik» hatte Toynbee Hall dem Streikkomitee Arbeitsräume zur Verfügung gestellt, gleichzeitig nahmen hier Cambridger Studenten Wohnung, die sich der Technischen Nothilse angeschlossen hatten. Das mußte doch Krach geben! Wenigstens nach unseren Begriffen. Es wurde aber nur eine Diskussion daraus zwischen den Kontrahenten, eine ernste, ruhige, sachliche und stiefgründige Diskussion über das Recht zum Streik: Akademische Nothelfer und das Streikkomitee in friedlicher Auseinandersetzung! Man stelle sich unsere lärmenden teutschen Korporierten in dieser Situation vor! Toynbee Hall ist eben das offene Forum. Der Whitechapel- man redet oft und gern, er ist orthodoxer Marxist, aber hört still und ruhig auch die Gegenmeinung. Auf dem großen Hofe finden sie sich dann zusammen. Der Chairman, der Vorsitzende, mit dßm Sprecher auf erhöhtem Podium. Lange, lange, bis tief in die Nacht hinein diskutieren hier die Arbeiter aus dem Londoner Osten über sozialistische Fragen. Mit Malone stieg ich höher. Da saßen in einem Zimmer die kleinen Stenotypistinnen und Verkäuferinnen andächtig auf ihren Stühlen und folgten aufmerksam den Worten und Melodien einer Einführung in Beethovens Musik. Rundum an den Wänden hingen gut« Oelbilder, kühn, überraschend in ihrer Farbgebung. Das waren Arbeiten des Toynbee Kunstklubs, in dem sich schon manch ein- facher Arbeite, als Künstler entpuppte. Das fft Toynbee Hall, die Hoffnung von Whitechapel, ein großes herrliches Werk, ein Denkmal, das feinen Meister lobt, und für das Proletariat ein unschätzbares Gut. Sie sind auch sehr stolz darauf. Für uns aber ist so etwas immer nur anregendes Beispiel: „Gehe hin und tue desgleichen!�
pirre bringt sich um. Von Peter Scher . Pirre hotte es satt. Er wollte nun nicht mehr jeden Tag auf den Geldbriesträger lauern und jede Nacht in der„Brennessel" Boheme markieren. Schluß. Strich drüber, Punkt drunter— Ausrufungszeichen. Einen Revolver besaß Pirre. Wohlan. Es galt, dem lieben Gott mit Anstand die Hand zu reichen. Der liebe Gott würde eine Freude haben, wenn Pirre ankäme: Zur Stelle! Setzt mich bitte neben H. von Kleist! Nicht, daß Pirre leichtfertig herangegangen wäre— Gott war fein Zeuge, daß er bis zur letzten Minute den Mächten anheimgestellt hatte: Stop, Pirre— du bist der Welt verpflichtet!
Er hatte— Gottesurteil!— dem großen Verleger Pomeisel ein ultimatives Telegramm gesandt: Zahlung bis übermorgen, sonst Katastrophe. Pomeisel hatte zurückdrahten lassen: Zieh« Katastrophe vor. Schluß. „Glänzt der Gletscher noch so sehr, einmal muß er doch ins Meer!" Pirre mit Revolver— beide geladen— bestiegen zwecks Frei- tods die Trambahn, Linie 6. Das Zigarrengeschäft Ecke Bayerstraße gab auf Befragen, wenn auch ungern, weil national gesinnt,«ine Schachtel englische Navy-Cut-Zigaretten ab. und Pirre hatte nun keine irdischen Wünsche mehr. Pirre liebte englische Navy-Cut-Zigaretten über alles. Auf der Bahn ereignete sich wenig— außer, daß Pirre zum letztenmal sächsisch reden hörte. Wenn etwas geeignet war. ihn in seinem Entschluß zu festigen, so dieses. Das sächsische Ehepaar in Pirres Kupee hatte die Schuhe ausgezogen: hatte sich's gemütlich gemacht. Amen! dachte Pirre— es gibt kein Zurück! In Diesten am Ammersee entstürzte er dem Zug und machte sich auf, jenen romantischen Winkel zu betreten, der seinem Herzen teuer war. Dort hatte ihn Phillppin« geliebt. Unvergeßliche Philippine! Bei Durchsicht seines Seelenlebens fand Pirre das Konto Philippine mit einem größeren Posten Wehmut belastet. Wo in der Eile nun jene letzte strahlende Heiterkeit hernehmen. welche....? Ein Wir.shaus tat sich „Kirsch!" sagte Pirre—„großes Glas!" Der Kirsch war gut. Darüber kommt kein Mann weg. Nach dem fünften großen Kirsch war Pirres Seele heiter wie ein Frühlingsmorgen. „Jetzt sterben!" sagte Pirre. wie ein anderer sagt: Jetzt Ochsen. fleisch mit Senf! In zehn Minuten hatte er den romantischen Winkel erreicht, wo er damals Philippinen (siehe oben). Ahhh! Pirres Augen, die längst danach gelechzt hatten, es dem Munde gleich zu tun, tranken sich satt. Ein wundervoller Platz zum Sterben! Pirre setzte sich und betrachtete abwechselnd die romantstche Natur und seinen Revolver. Als er einmal aufsah, bemerkte er ein« Tafel mit der Inschrift: Bauplatz billig abzugeben. Alles um Geld! dachte Pirre bitter— der viele Kirsch machte sich bemerkbar. Aber dann schwang sich sein« Seele wiederum empor. Gut! dachte er weiter, so komme ich eben noch zurecht, bevor der Mammonismus mich aus diesem letzten Paradies vertreibt! Bumm! machte er mit dem Mund, indem er probeweise den Revolver an die Schläfe hielt. Da fiel ihm ein, daß er vorher noch eine englische Navy-Cut- Zigarette rauchen könnt«. Es waren noch drei Stück da. „Nur kein« jüdisch« Hast beim Sterben!" sagte Pirre, und steckte die erste an. Teufel, war das eine Zigarette! Pirres Seele schwang sich, indem er rauchte, zum Himmel empor und segelte auf weißen Wölkchen über den Ammerse«. Und der Revolver grinste. (Poesie____!)
Pirre wuchte die zweite mit nicht geringem» Vergnüge«. „Nun die letzte!" sagte er. Um ein Haar— und weil es eine englische Zigarette war— hätte er gesagt: last, not ieast..., aber er unterdrückte es diesmal denn doch. Und jetzt kommt das Wunderbare. Als er die letzte schon zur Hälfte aufgeraucht hatte, hörte er plötzlich jemand sagen:„Drei Mark fünfzig für den Quadratmeter ist angesichts der romantischen Lag« geschenkt, mein Herr!" Worauf eine ziemlich fette Stimme schmetterte:„Mensch, Ihn' Hamm se woll mit'ner Schrippe aus'n Urwald jelockt?!" Als Pirre diese Stimme vernahm, hob er beide Hände zum Himmel und stammelte blassen Mundes:„Pomeisel!" Es war der große Verleger Pomeisel. der seine Gemahlin in der Sommerfrische besucht und die Gelegenheit benützt hatte, sich einen romantischen Bauplatz anzusehen. „Pardon!" sagte der Verleger, nachdem die erste Wiedersehens- freud« vorüber und sein Blick auf den Revolver gefallen war.„par- don, wir woll'n nicht stören." Aber Pirre, der den Finger Gottes sah, legte mm keinen Wert mehr darauf, allein zu bleiben. Er bohrt« sich wie eine Zecke in Pomeisel, und es gelang ihm, wenn auch schwitzend, einen Vorschuß zu erpresten. Drei englischen Naoy-Eut-Zigaretten ist es zu danken, daß Pirre der Well erhallen Wieb.
kanaöisthe Hunüepoft. Die kanadisch« Pofkerwaltung hat neuerdings ein-, segÄ- mäßigen Dienst nach dem Nordteil des Landes und den bewohnten Inseln des nördlichen Eismeeres eingerichtet, der sicherlich bean- spruchen darf, nicht nur mit den primitivsten Mitteln zu arbeiten, sondern zugleich auch eine dauernde Kampfansage an die Natur- gemalten ist. Die Post für die Polargegenden von Kanada wird in Zukunft in Edmonton (Alberto) gesammelt und von hier mit Hundeschlitten nach dem IMO Meilen entfernten A k l a v i k an der Mündung des Mackenzie-Flustes geschafft. Um diese gewaltige Strecke zurückzu- legen, sind fünf Hundegespanne nötig, so daß in bestimmten Abständcn vier Hundestationen errichtet werden muhten, auf denen die Gespanne gewechselt werden können. Der begleitende Postbote bekommt kein Zelt mit, sondern muß die Nächte und Ruhepausen unter dem Schutze seiner Postsäcke ver- bringen. Ueber die gewaltigen Einöden der fast das ganze Jahr schneebedeckten Felder geht es längs der Flüste Athabasca , Slave und Mackcnzie, ohne daß dem Schlitten je anderes begegnete als wilde Tiere und Schnee- und Eisstürm«. Am Tage leuchtet die matte arktische Sonne, de» Nacht » der Mond, wenn nicht Nordlichter ihre farbigen Muten aufstrahlen lasten. Und unter dem Horizonte heulen die Wölfe und lauern de» Unfalles, der Mann und Hunde in ihre Fänge spielen kann.... In Aklavit nimmt der Inspektor der kanadischen berittenen Polizei, der zum Postmeister des Polgebietes ernannt worden ist, die Schlittenpost in Empfang, um den letzten und schwierigsten Teil dieser nördlichsten Postlini« zu bewältigen, den 200 Meilen langen Weg nach den Herrschel-Jnseln im Eismeer.... Ob Jack London , der in seinem Abenteurerroman„Lockruf des Goldes " vor Jahren eine wilde, waghalsige Hundepostfohrt durch die arktischen Einöden de» amerikanischen Kontinentes geschildert hat, wohl an diese Entwicklung geglaubt hat? Leben und Entwicklung machen am Ende doch alle Abenteuer, die wir suchen, zur alltäglichen Erscheinung, zur Linie X des Dienstplanes, in den wir alle ein- gespannt sind....
blütenreine Kleidung. Darum schicken Sie bitte die zum Färben, chemisch Reinigen oder Waschen gewählten Stücke unverzüglich in die nächste Filiale oder Annahmestelle der
'/PlNDLEZ/fELD BEI COPEMCK S BEQ.LIH
Am Mittwoch, den 30. März, bleiben unsere sämtlichen Bureaus im bisherigen Verwaltungsgebäude Friedenstraße 60 mit Ausnahme der Be- stattungs- Abteilung wegen Umzug geschlossen.