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Nr. 154 44. Jahrg. Ausgabe A Nr. 78

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Freitag, den 1. April 1927

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Kampf um den Achtstundentag!

Eine Erklärung der Vorstände der Gewerkschaften zum Notgesetz. Ueberarbeit aus eigenem Entschluß ab!

Der Nachdruck der nebenstehenden Erklärung der gewerk - Die Spizenorganisationen der Gewerkschaften, mit Aus­schaftlichen Spitzenverbände zum Kompromiß des Bürger- nahme der Christen, haben am Donnerstag zu dem neuen blocks in der Arbeitszeitfrage ist auf den Schlußpaffus Arbeitszeit Notgefeßentwurf der Reichsregie­zu legen. Das Kompromiß ändert so gut wie nichts an dem rung, der noch in dieser Woche dem Reichstag zugeht, Stel­bestehenden Zustande. Der Bürgerblock muß aber aus Rücklung genommen. Die Gewerkschaften kamen dabei zu einer ficht auf seine Arbeiterwähler so tun, als unternähme er etwas entschiedenen Ablehnung des Entwurfs. für die Wiederherstellung des Achtstundentages, für die Ein­Die Erklärung der Spizenorganisationen reihung der Arbeitslosen in die Produktion. In Wirklichkeit über ihre Stellungnahme lautet: ist das Kompromiß bestimmt, die Wiederherstellung des Acht­stundentages zu verhindern oder doch für so lange wie nur irgend möglich hinauszuschieben..

Auch die Arbeiterwähler der Bürgerblockparteien werden nach Infrafttreten des Kompromißentwurfs feststellen, daß an den bisherigen Mißständen gar nichts geändert worden ist. Auch die Arbeiterwähler der Bürgerblodparteien werden fest stellen, daß diese Parteien versagt haben, daß sie nicht den Achtstundentag als gesetzlichen Normalarbeitstag wiederher­gestellt, sondern nur den Versuch gemacht haben, den Zehn­stundentag gefeßlich zu verankern.

Im selben Maße, in dem es den Parteien des Bürger blocks gelingen follte, ihre Arbeiterwähler über ihre Ab­fichten zu täuschen, ebenso groß wird dann die Ent täuschung dieser Arbeiterwähler sein. Sie werden fest­stellen, daß sie von den Parteien im Stich gelassen worden sind und daß nur die Gewerkschaften ernsthaft den Kampf führen um die Wiederherstellung des Achtstundentages, daß nur die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion sich an den Beschlüssen der Gewerkschaften gehalten und entsprechend diesen Beschlüssen einen Initiativantrag im Reichstag ein­gebracht hat.

Wenn innerhalb der Regierungsparteien heute noch die Hoffnung bestehen sollte, daß mit der Annahme des Kompro­

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Lehnt

entwurf damit, die Ueberschreitung des Zehnstunden­tages einzuschränken.

An den für die regelmäßige Ueberschreitung des Acht st undentages entscheidenden Bestimmungen der Arbeits­zeitverordnung will der Entwurf nichts ändern.

Aber selbst die Ueberschreitung des Zehnstunden­tages foll auch fünftig in weitgehendem Maße zulässig sein und in sehr vielen Fällen ohne voraufgegangene behördliche Ge­

des Gewerkschaftsringes deutscher Arbeiter-, Angestellten- und nehmigung einzig von der Entscheidung des Unternehmers abhängen.

Die Vorstände des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes , Beamtenverbände und des Allgemeinen freien Angestelltenbundes erklären nach Prüfung des zwischen den Regierungsparteien verein­barten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung der Arbeitszeit verordnung, daß der neue Entwurf von den Gewerkschaften ebenso entschieden abgelehnt werden muß wie der am 26. Februar veröffentlichte Vorentwurf. Während die Gewerkschaften die Wiederherstellung des Achtffundentages fordern, begnügt fich der Regierungs­

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund.

Gegenüber diesen Absichten erklären die unterzeichneten Bor­stände erneut, daß es das Lebensinteresse der Arbeitnehmer und die wachsende Not der Millionen Arbeitsloser erfordern, der Ber­

längerung der Arbeitszeit über 8 Stunden täglich mit allen

Kräften entgegenzutreten.

Sie fordern deshalb die deutsche Arbeitnehmerschaft auf. der Parole ihrer Berbände zu folgen und die Leistung von Ueberzeitarbeit forfab aus eigenem Entschluß abzulehnen.

Allgemeiner freier Angestellten- Bund.

Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtengewerkschaften.

Volksprotest gegen Muckerei.

miſſes der Kampf um die Arbeitszeit beendet sein wird, dann Kundgebung der kulturellen Verbände wider das sogenannte Jugendschutzgesetz.

- das können wir ohne jede Prophetengabe voraussagen- werden sie große Ueberraschungen erleben. Der Kompromiß­entwurf der Regierungsparteien entscheidet gar nichts. Man fann viel eher behaupten, daß er statt zu einem Ausgleich zu führen. in Wirklichkeit Konflitte heraufbeschwört. Wir möchten die Gewerkschaft sehen und sei es auch eine christ liche Gewerkschaft, die bereit wäre, einen Tarifvertrag ab­zuschließen, in dem die Arbeitszeit entsprechend den Bekim mungen des Kompromißentwurfes der Regierungsparteien gererelt wird.

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Die Gewerkschaften aller Richtungen werden gezwungen fein. diefe ,, Mißgeburt", wenn sie durch das Gewicht der deutfchnationalen und volksparteilichen Stimmen Gefeß ge­worden sein wird, einfach zu ignorieren. Ja, wir gehen noch weiter und sagen, daß es keine Unternehmerorga nisation geben wird, die auf Grund des Kompromißentwurfes die Arbeitszeit als geregelt anfehen kann. Mehr als es bisher geschehen ist, wird in der nächsten Zukunft, d. h. solange dieser Reichstag bestehen wird, der Kampf um die Arbeitszeit bei allen Tarifverhandlungen zwischen Unternehmern und Ar­beitern im Vordergrund stehen.

Wenn es in den letzten Wochen und Monaten gelungen ist das Ueberstundenunwefen etwas einzudämmen, wenn es gelungen ist, in Tarifverträgen den Achtstundentag wieder herzustellen, dem Mißbrauch mit der Anordnung von Ueber­ stunden Dämme entgegenzufeßen, dann ist das nur zurückzu­führen auf die Stärtung der gewerkschaftlichen Organisationen und auf die Entschlossenheit

der Arbeiter für die Wiederherstellung des Achtstunden­

tages ihre ganze Kraft einzusehen.

Dieser Kampf ist nicht gefördert worden durch die Ber­sprechungen der Parteien des Bürgerblods. Er ist mit elementarer Naturgewalt entflammt worden durch die unge heure Notlage der Millionen Arbeitsloser. Und er ist geführt worden von den Gewerkschaften. Er ist unterstützt worden von der demokratischen Arbeiterpresse.

Wie die Aussicht auf ein Notgesetz des Bürgerblocks diesen Kampf nicht zum Stillstand zu bringen vermochte, so wird auch das Kompromifs, wenn es in seiner jetzigen Miß gestalt Gesek wird, die Fortführung des Kampfes nicht ver­hindern. Wie auch die Beschlüsse des Bürgerblocks in der Arbeitszeitfrage schließlich ausfallen mögen: entweder der Achtstundentag wird auf gefehlichem Wege als normale Höchstarbeitszeit wieder hergestellt, oder der Kampf um die Wiederherstellung des Ahtstundentages geht mit verstärkter Kraft auf der ganzen Lirie weiter.

Der Reichsausschuß kultureller Verbände hatte für den gestrigen Donnerstagabend eine frei zugängliche Versammlung in die ehe­malige Hochburg preußischer Reaktion, das Herrenhaus, zum Bro­test gegen den Gesezeniwurf zum Schuß der Jugend bei Luftbar feiten" einberufen. Vor dichtgefülltem Saal eröffnete der Vor­fizende des Volksbühnenverbandes und dieses Reichsausschusses Curt Baake

die Kundgebung mit der Feststellung, daß von den eingeladenen Reichstagsfraktionen nur die sozialdemokratische der Einladung ge­folgt ist. Die Deutsch nationalen haben geantwortet, daß sie ihre sachverständigen Mitglieder sofort von der Einladung unterrichtet haben. Da sich auf Anfrage deutschnationale Reichstags­abgeordnete als anwesend nicht melden, nimmt der Borsigende an, daß diese Fraktion hierfür sachverständige Mitglieder nicht habe. ( Einmütige Zustimmung.)

Ein Protesttelegramm Walter v. Molos gegen diesen Gesetz entwurf wird unter lebhaftem Beifall verlesen. Als Hauptreferent bezeichnet

Wolfgang Heine

das Gesetz als einen Zwillingsbruder des Schmutz- und Schund­gefeßes, erzeugt vom Geist des Großinquifitors mit alten Hegen gültigkeit von Bublifum, Barteien und Presse. Nach der ersten Leg beiderlei Geschlechts, und beide waren nur möglich durch die Gleich Rülz ist dieses neue Gesez sogar eine Berfassungsverlegung. Her

vorgerufen ist es durch den Reigen" prozeß, in dem ein Theater­direktor und mehrere Schauspieler angeflagt wurden, weil sie( in unbestritten dezenter Weise) etwas gespielt haben, was zwar nicht unzüchtig war, aber dem etwas auf der Bühne Gespieltes zugrunde lag, was, wenn es auf der Bühne gespielt worden wäre, unzüchtig gewesen sein würde!( Stürmische Heiterfeit.) Es erfolgte zwar nicht Berurteilung, aber die Bemühungen, folche Stücke zu verhindern, sezten nicht aus und haben es nun zu diesem Gesezentwurf geführt. Der neue Strafgesehentwurf will die Aufführung von Stücken ver­hindern, die als Buch für unzüchtig erklärt worden ist, was bei unserer Rechtsprechung jedem Buch geschehen kann. Man redet von Kinos und Rummelplägen, meint aber Schnitzler und Wedekind und nach dem Gesez kann auch die Erklärung der Darwinschen Lehre als un­fittlich erklärt und Vorträge darüber können verboten werden. Tänze, Turnübungen, Schwimmvorführungen, selbst das Aktzeichnen, Ausstellungen in Läden und ihren Schaufenstern fallen gleich­Kunstausstellungen usw. könnten verboten und verhindert werden. falls unter dieses Gesez, selbst die Herstellung als unfittlich an­gesehener Wäsche und Kleider fönnte, verboten und bestraft werden. Darum schließt sich auch die Hauptgemeinschaft des deut­schen Einzelhandels unserem Proteft an. Die auf sozialdemokrati­schen Antrag in den Entwurf hineingekommene Schußbestimmung gegen Mißbrauch zur Bekämpfung unbequemer Gesinnungen gibt uns nicht genügende Gewähr, denn es bliebe immer die Möglichkeit des Berbots wegen demoralisierender Wirkungsmöglichkeit". Es fann verpflichtet werden, die Vorstellung so einzurichten, daß sie die wird eine Borzenfur wieder eingeführt, denn der Unternehmer behördliche Zustimmung erhält. Der Besuch von Vorstellungen, die als unfittlich der Jugend verboten sind, wird in der Provinz auch sehr vielen Erwachsenen unmöglich sein, da sie Rücksicht auf ihre

Für die Freiheit der italienischen Anwälte! eigenen Kinder nehmen müſſen. Kundgebung deutscher Reichstagsabgeordneter.

Die unterzeichneten Rechtsanwälte, Mitglieder der Reichstags­fraffionen des Zentrums, der Bayerischen Volkspartei , der Demokraten und der Sozialdemokratischen Par­fei, find davon überzeugt, daß der Anwaltsstand feine hohen Ideale nur in voller Unabhängigkeit erfüllen tann. Sie be­trachten die Freiheit der Advokatur als ihr höchstes Guf. Den italienischen Berufskollegen, die so schwere Zeiten zu ertragen haben, versichern die Unterzeichneten ihre volle Sym­pathie, und sie sprechen die Hoffnung aus, daß es den italienischen Anwälten in kurzer Zeit wieder vergönnt sein möge, als freie Männer dem Ideal der Gerechtigkeit zu dienen.

Dr. Bell( 3.), Dr. Bodius( 3.), Dr. Ludwig Ha as( Dem.), Dr. Erich Koch( Dem.), Landsberg ( S03.), Dr. Cevi( S03.), Dr. Pfleger( Bayr. Bp.), Dr. Kurt Rosenfeld ( Soz.), Saen­get( Soz).

Solche Wiederherstellung der Borzenfur widerspricht der Reichs­verfaffung, zumal das Gesetz sogar nichtöffentliche Beranstaltungen, 3. B. in Freundeskreisen, trifft. Noch ernster ist es, daß dieses Ge­ez die Grundlagen des Rechtsstaates und der Republit erschüttert. Es gibt dem Betroffenen tein fondern überläßt das, wie die Regelung des Verfahrens den Lan­Rechtsmittel, es bestimmt auch die Ausführungsbehörde nicht, deszentralbehörden. In dem ersten Jarres- Entwurf war wenigstens die Ortspolizeibehörde und Verwaltungsstreitverfahren vorgesehen- der Reichsrat hat das gestrichen! Seit dem Kriege ist der Schutz des Bürgers gegen die Bureaukratie start abgebaut worden, an die Stelle des ordentlichen Rechtsschutzes ist die Be­schwerde an die Aufsichtsbehörde getreten. Die Republik sollte fich darauf besinnen, daß geordnete Rechtsverhältnisse neue Geseze die Machtfülle der Bureaukratie und die Bevormun wiederhergestellt werden müssen und daß nicht durch immer dung durch sie erweitert werden. Wir müssen zum Boltsstaat mit eigener Berantwortung tommen und dazu hilft dieses Gesetz nicht!( Lebhafter Beifall.)

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