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ffon zu bringen. Der Minister, an den sich der Referent wenden sollte, war Severing. Auf die Vorhaltung des Vorsitzenden, daß dieser Brief nicht un- initteldar mit der heutigen Sache zusammenhängt, erklärt Di tt» in a n n, daß es ihm nur darauf angekommen fei, die G e- j i n n u n g des Herrn Dobring darzustellen. Dobring sagt dann weiter, daß er seine Behauptung, es habe eine feste Organisation bei der Flotte bestanden, unter anderm auf die Aussagen von Beckers gestützt habe. Dieser habe gesagt, der II SP. würde es angenehm fein, wenn die Flotte sich an einem Ge- neralstreik beteiligte. Die Abgeordneten hätten auch den Leuten gc- sagt, sie sollten vorsichtig sein. Abg. Zoos meint dazu, es sei doch etwas anderes, ob man sich über eine Sache freue, oder ob man sie billige und fördere. Dobring sagt weiter, noch vor dem Reichsgericht wäre es doch für die Zeugen Zeit gewesen, die Protokolle als gefälscht zu be- zeichnen; das hätten sie aber nicht getan. Die Vernehmung wendet sich nunmehr den Vorgängen in Celle  zu. Der Zeuge Weber hat am 23. Mälz vor dem Untersuchungs- ausschuß ausgesagt, auf seine Frage an Dobring, ob es nicht sein Gewissen belaste, daß er die beiden Matrosen habe er- schieben lassen, habe Dobring kaltblütig erklärt: 3ch wäre imstande, diese Leute noch einmal zu erschießen, besonders Reichpietsch  . Dobring habe diese Aeußerung bei der ersten Vernehmung getan, bevor noch ein Protokoll aufgenommen worden war. Dobring erklärt dazu, er könne sich heute nach zehn Jahren nicht mehr darauf entfirmen, ob er dies« Aeußerung getan habe. Er mag wohl gesagt haben, Verräter, die ihrem Vaterland in den Rücken fallen, hätten zehnmal den Tod verdient. Roch heute würde er nichts anderes sagen können. Weber schildert dann den damaligen Vorgang. Er gibt zu, daß er bei der Begegnung mit Dobring tief erschüttert war und geweint habe. Das sei aber zu verstehen, wenn gesagt werde, daß der Kops nicht mehr sicher sei. Der Zeug« hebt eine Photo- graphje gegen Dobring hoch und ruft ihm zu: Das sind die Gräber der beiden Erschossenen. Sie können sie ja jetzt noch einmal ausgraben und erschießen lassen.(Lebhafte Bewegung im Saal.) Der Vorsitzende erklärt, wegen dieserUngebühr" werde sich der Ausschuß noch befassen. Abg. Dittmann stellt fest, daß auch Herr Dobring sich ungebührlich benommen l>abe. Es entspinnt sich nun» mehr«ine längere Erörterung darüber, ob die damaligen Be- schuldigten von sich au» eine Organisation unter den Matrosen zugegeben hätten, oder ob das erst geschehen sei, nachdem die Untersuchungsführer, insbesondere Dobring, immer von Organisation geredet hätten, worauf dann eben auch die Be- schuldigten dieses Wort gebrauchten. Dobring behauptet, daß n i ch t e r den Ausdruck Organisation hineingebracht hätte. Aber die damaligen Angeschuldigten und jetzigen Zeugen halten ziemlich entschieden daran fest. Abg. Dittmann: Der Zeuge Weber hat vorhin bekundet, daß ihm Protokolle vorgehalten worden sind, worin das Wort Organisation gebraucht war, und daß auch der Untersuchungs- führer dieses Wort gebraucht habe, ohne direkt von Dobring zu sprechen. Zeuge Weber: Dobring hat großen Wert auf die Organi» sation und die USPD  . gelegt. Abg. Zoos: Es ist klar, daß der Untersuchungsführer, wenn politische Zusammenhänge vermutet werden, auch daraus ausgeht, solche Zusammenhänge zu finden. Mit der Untersuchungsführung selbst haben wir es hier nicht zu tun. Zeuge Becker: Ich kann Dobring nicht den Vorwurf machen, daß er mir etwas e r p r e ß t hat. Bei der Uebersührung in das Terichtsgefäugnis empfing er mich allerdings mit den Worten: Aha, da kommt einer von den Todeskandidaten. Er hat auch weiter gesagt, das Gericht würde sich seinem Antrag beugen müssen. Ich habe mir das alles drei Tage nach der Ver- Haftung aufgeschrieben. Bei den Vernehmungen hat Dobring von Galgen, Hängen und H i n r i ch t u n g gesprochen. Im Zucht- haus Celle   hat Dobring mir auf meine Frage, ob Koebifch und Reichpietsch   wirklich erschossen seien, geaMwortet:Ja, gewiß, und wenn ich die Macht besäße, würde ich die beiden ausgraben und noch einmal erschießen lasse n." Mir war die Niederschrift eines Manifestes zur Last gelegt. Als ich schon ver- urteilt war, fragte mich Dobring, wann ich meine da»
makige Braut eigentlich heiraten wölke, ob vielleicht, wenn ich die fünfzehn Jahre abgesessen haben würde. Bei meinem Schwiegervater kehrte die Polizei das Unterste zu oberst. Im Februar 1918 wurden Sachse und ich wieder als Zeugen nach Wilhelmshaven   transportiert. Dobring fragte uns, wie es uns gehe, und als wir über Hunger klagten, brachte er uns belegte Brote und sagte uns, wir sollten uns in der bevorstehenden Hauptverhand- lung kurz fassen und sagen, was wir wissen. Kauend erwiderten wir, daß wir schon zu seiner Zufriedenheil aussagen würden. Als ich dann aber in der Verhandlung leugnete, das Manifest geschrieben zu haben, wurde ich angeschrien und Dobring machte ungefähr ein Gesicht, als ob er sagen wollt«:Da hat er Brät- chen bekommen und jetzt leugnet der Kerl noch. (Große Heiterkeit.) Gegenüber einer Behauptung Dobrings stellt Sachse fest, daß er am 7. August 1917 verhaftet worden ist. also das WortOraani- sation" in dem Vernehmungsprotokoll vom 3. August nicht auf ihn zurückzuführen sein könne. Zeuge Scheidemann: Als ich in der Hauptverhandlung gegen die Ziethen-Matrosen auf die Frage, ob der Matrose Zimmermann das Schiff in die Luft sprengen wollte, lachen mußte, warf Dobring wütend den Bleistift hin und rief: Auf diesen Zeugen "��Iltofcs'(Soz.); Im Münchener   Dolchstoßprozeß hat Dobring ausgesagt, er könne beweisen, daß oller Verrat, Sa- botage und Meuterei zurückzuführen seien auf Leute, die sich al» Anhänger der USPD  . bekannten und kein Hehl daraus machten, daß sie da» Programm der USPD  . erfüllt hätten. Nun haben uns sämtliche Zeugen erklärt, daß sie sich niemals als Anhänger der USPD  . bekannt und niemal» erklärt haben. daß sie das Programm der USPD  . durchgeführt hätten. Das ist doch ein W i d e r f p r u ch. Dobring: Ich weiß nicht, ob ich in dem Münchener   Prozeß gesagt habe, ich könnte das beweisen. Abg. Dr. Moses: Das steht in beiden Ausgaben des gedruckten stenographischen Berichts über den Dolchstoßprozeß. Dobring scheint zunächst die Richtigkeit dieser Berichte bezweifeln zu wollen und sagt dann: Da jener Prozeß ein Prioatklageoer- fahren gegen einen sozialdemokratischen Redakteur war, lag mir daran, zu unterscheiden zwischen der alten Sozialdemokratischen Partei und der USPD  . Ich habe ausdrücklich gesagt, daß mir nicht ein einziger Anhänger der alten Sozialdemokratischen Partei be- kanntgeworden sei, der an diesen Machenschaften beteiligt wäre, während die Angeschuldigten sich zur USPD  . bekannt hätten. Wenn die Leute es heute bestreiten, so ist das ihre Sache. Aber hat nicht Becker in seinem Manifest aufgefordert, der USPD. beizritreten? Becker: Allerdings, aber nur damit die Vertreter dieser Partei auf der Stockholmer Konser«z sagen könnten, hinter ihnen ständen Taufende deutscher�Matrosen. Es ging mir nur darum, unsere Stimmen zu zählen, d. h. die Mannschaften, die mit uns baldigen Frieden wollten. Dobring: Warum er den Beitrstt zur USPD.   verlangte, ist seine Sache, aber verlangt hat er ihn. Abg. Dillmann(Soz.): Laut den Akten hat Weber vor dem Oberkriegsgerichtsrat De Barry am 3. August 1917 ausgesagt, er selbst lese denVorwärts" und neige zu den darin vertretenen An- schauungen, strebe allerdings danach, sich über beide Richtungen zu informieren. Weber war also damals Mehrheitssozial- d e m o k r a t, und die Behauptung Dobrings in München   ist somit unrichtig. Dobring hält Dittmann vor, daß die Zentrale der USP. den Matrosen Reichpietsch   an ihren Parteisekretär Senz empfohlen hätte. Abg. Dittmann: Senz war nicht Parteisekretär, sondern Ver- trauensmann. Niemals hat die Zentrale der IISVD. in der Marine Unterschriften für Stockholm   sammeln lasten. Denn was hätte das für einen Zweck gehabt, man hätte die Leute nur ans Messer geliefert. Die eine vorgefundene Lifte mit zwölf Unterschriften ist vollkommen handschriftlich, von einer Hand hergestellt. Auf wen sollten derartige Listen Eindruck machen? Es sind uns aus der Marine einzelne Beitrittsscheine zugegangen, so waren 15 Beitrittserklärungen von Matrosen des SchiffesZiethen" an dieLeipziger Volks- z e i t u n g" geschickt worden, die dann im Briestasten mitteilte, sie seien an Dittmann weiter gegangen. Wir haben die Scheine an unseren Bezirkssekretär in Bremen   geschickt und ihm überlassen, ob die Leute aufgenommen werden sollen. Von Stockholm   war dabei überhaupt kein« Rede.
Dobring: Es kommt nicht darauf an, was Sie als erfahrene« Politiker mit den Listen angefangen hätten. Für mich als Unter» juchungsführer kam es nur darauf an, welchen Zweck die N»- schuldigten mit den Listen verbanden. Abg. Dittmann: Die Mitgltedjchaft bei der USPD  . war doch vollkommen legal und ebensowenig ein Verbrechen wie die Zu- geHörigkeit zum Zentrum oder zur Nationalliberalen Partei. Dobring: Als Verbrechen habe ich es auch nicht ausgelegt. Aber ich lasse mich nicht davon abbringen, daß die Leute der USPD  . bei- treten wollten. Dittmann stellt fest, daß Dobring das sogenannt« Programm des Sachse in der Anklageschrist anders als im Dernehmungsprowkoll dargestellt Hai. Während der vierte Programmpunkt im Vernehmungsprotokoll vom 9. August lautet:Erzwingung eines alsbaldigen onnexionslosen und entschädigungslosen Friedens und gewaltsame Durchführung des Programms der USPD  ." lautet er in der Anklageschrift vom 21. August:Er- zwingung eines alsbaldigen annexionslosen, entschädigungslosen Friedens durch Waffenniederlegung» Generalstreik und Verweigerung des Gehorsams gegen Befehle der Vorgesetzten für Unterdrückung der Streikbewegung." Dobring will nicht zugeben, daß hierin ein wesentlicher Unter- schied liege, während vttkmann aus dieser Konstruktion den Schluß zieht, daß auch schon das Programm im Vernehmungsprotokoll k o n- st. u i« r t sein dürft«.___ Thüringens   Regierungskrise üauert fort. Mr keine der beiden Ministerlisten eine Mehrheit. Weimar  . 0. April.  (Eigener Drahtbericht.) Im Thüringischen  Landtag wurde am Sonnabend vormittag die sozialdemokra» tische Mi nisterliste mit 39 gegen 25 Stimmen, die Minister. liste der Demokraten mit 52 gegen 3 Stimmen abgelehnt. Für die sozialdemokratische Liste stimmten Sozialdemokraten und Kommunisten, für die demokratische lediglich die Demokraten und der eine Sparer. Nach Verkündigung der Abstimmungsergebnisse stellten die Kommunisten den Antrag auf Auflösung des Land- tages. Die Abstimmung über diesen Antrag wird erst in einiger Zeit stattfinden.
Der Lämmerhirt von Greene. Ein schimpfender Richter und die deutsche Justiz. Vraunschweig, 8. April.  (Eigener Drahtbericht.) Der Amts- gerichtsrat Lömmerhirt in Greene hatte in einem A b- treibungsprozeh in seiner mündlichen und schriftlichen Urteilsbegründung darauf hingewiesen, daß den Angeklagten mildernde Umstände zugutekommen müßten, weil sichselbst in unserem engeren Vaterlande gewissenlose Parlamen- tarier fänden, die für die Straffreiheit der Abtreibung eintreten." Drei Abgeordnete der sozialdemokratischen Landtagsfraktion stellten daraufhin Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich. Lämmerhirt zu belangen. Eine Beschwerde bei der Strafkammer wurde abgelehnt und erst das Oberlandesgericht Braunschweig   verfügte die Eröffnung des Berfa hrens, da Lämmerhirt hinreichend verdächtig fei, die Parlamentarier beleidigt zu haben. Nun wurde die Sache dem Amtsgericht Gandersheim   in Braunschweig   überwiesen, da Lämmerhirt in Greene als einziger Richter tätig war. Nachdem sich verschiedene Staatsanwälte geweigert hatten, dieAngeklagezuvertreten. wurde ein Einspruch Lämmer- hirts anerkannt, der die Angelegenheit dem Amtsgericht Greene überwiesen wissen wollte. Infolgedessen mußte erst wieder die Strafkammer, da Green« nicht in Frage kommen konnte, Gon- dersheim als Ersatzgericht ausdrücklich feststellen. Nach- dem die Angelegenheit nun�schan fünfmal die verschiedenen Instanzen beschäftigt hatte, glaubte man jetzt endlich in Gandersheim  den Prozeß durchführen zu können. Nun aber entschied das Amtsgericht Gandersheim   für die Einstellung des Ver- fahrens, da Lämmerhirt im Gegensatz zu der Meinung des Oberlandesgerichts nicht verdächtig sei, eine Beleidigung begangen zu haben! Es war also nicht möglich, den braunschweigischen Richter für die Be�himpsungen in der Urteilsbegründung zur Rechenschaft zu ziehen.
Das Städtische Sailett. Zur Erstaufführung vonDon Juan" undPrometheus". Wie man ein altes Ballett in ein modernes Tanzdrama umge- stalten kann, hat Laban vor einigen Monaten in einer Matinee der Volksbühne gezeigt. Er beschränkt« die pantomimischen Element« auf ein Minimum» übersetzte äußeres Geschehen in inneres Erleben und konzentrierte die Gesühlsinhalle mehr in den Massen als in den Einzelpersonen. Eine verschwenderisch« Ueberfülle neuer tänze- rischer Motive, eine unvergleichlich« Kunst raumgliedernder Gruppen- ballung und-auflösung schufen ein Originalwerk, das vom alten Vorbilde nur wenige Züge entlehnte. Wenn die Balletimeisterin unserer Städtischen Oper es wagt, jetzt mit dem gleichen Vorbilde   dem panlomimischen Ballett D a n I u a n" von A n g i o l i n i und Gluck Labans Experiment zu wiederholen, so ist dos in jedem Fall«in tollkühnes Unterjanaen. Der Vergleich mit der Leistung des Meisters drängt sich aus. Wir lehnen ihn ab. Wir wollen unbefangen das prüfen, was sie selber zuwege brachte. Und wir wollen ihr die mildernden Umstände alle bewilligen, die jedem zustehen, der verdammt ist, nach Theatermusik moderne Tänze zu komponieren. Der nicht eigene Vision, nicht eigenes seelisches Erlsben in bewegte Archsiektur umsetzen darf, son- dern zu den Klängen von Rumbumbah, Tutehorn und G«igen un- glückliche Tänzerkorps Schwünge und Sprünge ausüben lassen muß. Denn was Fräulein M a u d r i k geschossen hat, erwuchs nicht wie LabansDon Juan" auf dem Boden einer freien Tanzbühne, son» dern die Choreographie war genötigt, sich in den Rahmen einer Opernbühne zu fügen. Bei der die Musik tonangebeno in jedem Sinne des Worte» ist. Bei der nicht der Ton, sondern der Tanz da» begleitende dienende Element ist. Was erlebten wir gestern? Di« rein pantomimischen Teile über- wogen oder hielten dem eigeMllchen Tanz mindestens die Wage. Die Personen agierten im Rhythmus der Musik. Selbst die Todes'zuckun. gen des Konturs schmiegten sich korrekt dem Takte der begleitenden Melodien an. Das zweite Bild gab Gelegenheit zu choreographischem Schaffen. Es galt, Tänze zu vorhandener alter Ballettmustk zu koni- panieren. Die Opernmusiker behaupten, dein Stil dieser Musik paßten sich tänzerisch nur regelrechte Ballertkompositionen an. Laban hat in seinemDon Juan" bewiesen, daß dos ein Irrtum ist. Er gab zur alten Musik moderne Tgnzformungen und erzielt« Wirkun- gen, die bei einem modernen Publikum alte Ballettänze zu erzielen nicht fähig sind. Auch ohne Spitzentanz, Pirouetten und Entrechats gestaltete er Soli und Gruppentänze, die sich nicht nur dem Ganzen stilgerecht einfügten, sondern den Gesamteindruck belebten und ver- tieften. Fräulein Maudrik hielt am alten Stil fest, war ober nicht imstande, auch nur die üblichen Ballettwirkungen zu erzielen. Weder die Technik ihres Korps reichte dazu hin, noch ihr eigenes komposi- torisches Können. Was sie zeigte, w-ar phantasielos, temperamentlos, ungegliedert, von bleierner Monotonie. In der Friedhofsszen« des dritten Bildes machte sie einmal den Versuch, einen musiklosen Tanz modernen Stils zu schaffen. Er fiel aus dem Rahmen und tonnte auf verdunkelter Bühne kaum gewürdigt werden. Dos Schlußbild versank dann in ein Chaos von wirrem Durcheinander und reich» lichen Wasserdänipsen. Neben demDon Juan' gab es ein Ballett
von Beethoven  :Die Geschöpfe des Prometheus  ". Choreographisch ein sader, süßlicher Kitsch. Ohne eine einzige tänze. rische Idee. Nicht diskutabel. Die Einzelleistungen in diesen beiden Balletts zu beurteilen, wage ich nicht. Es bot sich leine Gelegenheit zur Entfaltung tänze- rischen Könnens. So hatte z. B. im letzten Bilde desPrometheus" die offenbar begabte und technisch vorzügliche Alice Uhlen ein Solo, das anfangs Gutes zu verheißen schien. Aber die erfreulichen Ansätze verpufften und verflachten in der Trostlosigkeit einer un- organischen, in eintönigen Wiederholungen endlos hinplätschernden Komposition. Ein schlimmer Abend. Wenn man hört und sieht, was die Tanzgruppen in Hannooer oder in Münster   an modernen choreo- graphischen Schöpfungen zuwege bringe», dann drängt sich die Fratze aus: weshalb ist solches in Berlin   nicht möglich? Weshalb muß die Reichshaupiftadt gegen dieProvinz" so schmählich zurückstehen? Aber wenn ich für die Tanzgruppe der Staotsoper die Forderung stellte: Erlöst dieses unvergleichliche Ensemble aus den Klammern der Oper, gebt es frei, daß es unbehindert durch musitalische Taktstöcke zu selbständigen Leistungen sich ausschwinge so könnte ich die gleiche Forderung für die Tanzgruppe der Städtischen Oper mit gutem Gewissen nicht stellen. Denn nach allem, was wir bisher von dieser Gruppe und ihrer Leiterin tzesehen haben, zweifle ich, daß hier selbst unter den günstigsten Bedingungen semals etwas Großes, Starkes, Kühnes, Achtunggebietendes zu erhoffen Ist. Der Tanzbe- trieb der Berliner Städtischen Oper in seinem gegenwärtigen Zu- stand ist ein hosfnuntzsloser Fall. Nur radikale Umgestaltung an Haupt und Gliedern kann Besserung bringen. Wird sie kommen? Oder wird auch fernerhin fortgewurstelt und ein großer Auswand nutzlos vertan werden? John Schikowski  .
Seethoven-Ieier im Grpheum. Mit seinem Aerztechor und den Philharmonikern rief Dr. Kurt Singer zu einer Beethovenfeier imO r p h e u m" in der Hasenheide. Die Orchesterdirigenten haben dazu eine unend- lich viel reichere Auswahl als die Chordirigenten. So mühte sich der hochstrebende, erfolgreiche Führer der Aerzte mit der Schauspiel- musik zu KotzebuesRuinen von Athen" ab, ohne daß der Immensen Anstrengung die dankbore äußere Wirkung entsprochen hätte. Der erste Teil pendelt zu sehr zwischen starren allegorischen Tiefsinnig- leiten und fast Mendelesohnschen Niedlichleiten hin und her. Und erst vomTürkischen Marsch" an wird das Ganze energischer, plastischer und hinreißender, um im Schlußchor schließlich schon die herrliche Mystik derNeunten" zum Teil vorwegzunehmen. Dazu kommen� die verschiedenen Attacken Beethovens gegen die mensch- lichen Stimmen, die hier weit zahlreicher sind als in dem zweiten Chorwerk des Abends, der<-Dur-Messe. Daß diese problematischen Ruinen von Athen" wenigstens sicher, exakt und am Schlüsse imponierend zu Gehör gebracht wurden, wollte schon sehr viel heißen. Wären die Männerstimnien noch mehr zu lockerer Deutlichkeit ausge- rüttelt, die jugendlichen Sopranstimmen in der Höhe zu ebenerer Tongebung angehalten worden, so war es wenigstens beim Kenner ein Erfolg im höchsten Sinne. Um so unantastbarer war die Wieder- gäbe der schönen, poesievollen und bei einschmeichelndster Melodik grandios gestalteten Dorläuseriss derMissa Solemnis  ", ihrer uner-
bittlichen Rivalin. Wie Singer hier die verboroensten Schönheiten auszugraben wußte, wie er Orchester, Chor uno Soloquartett zu- sammenhiett und auss innigste zusammenschweißte, war wunderbar, eine Leistung allerersten Ranges. Vom Quartett wäre außer der untadelhaften Altistin Maria Peschken an den Einzelstimmen manches zu bemängeln, so die widerspenstige Höhe der Sopranistin BerthevonVigier.di« etwas trockene Tongebuntz des Tenors Carlos Sengstaak, dem auch die hinreißende Höhe fehlt, die wenig fundamentale Tiefe des Bassisten Kurt Arndt. Aber das Ensemble und die feinsten künstlerischen Abstufungen des Quartetts waren unvergleichlich. Der Klaviersolist des Abends war Erwin B o d t y. So hoch ich ihn als Pianisten auch schätze, zum G-Dur- Konzert reicht seine Kraft noch nicht aus. Die lyrisch so herrlich durchtränkten Figuren des ersten und letzten Satzes wurden wenig liebevoll angefaßt, die rhythmische Größe durch nervöse Hast schwer geschädigt, die Oktavengänge in den oberen Lagen mit wenig An- schlagskultur erledigt. Die von ihm gespielten(von wem verfaßten?) Kadenzen sind in ihrer teils«tüdenhaften Langweiligkeit, teils grotesken Sprunghaftigkeit ein Hohn auf den Geist Beethovens. Nur der zweite Satz entsprach allen Ansprüchen. Die Philharmoniker spornte Dr. Singer als ein echter Orchesterdirigent zu höchsten Taten an._ Heinrich Maurer  .
Osssip DymoivsZrühssngswahn" im Thealer i. d. Slofterstrahe. Der Abend wäre ganz gewiß in keinem Theater«in sonderlicher Er- folg gewesen. In diesem unglückseligen Stall in der Klosterstraße aber, der jede Stimmung mordet, mußte das anspruchslose Stück eine ausaesprochene Niete werden. Die Auffichruna war nicht schtecht. Erika Mein gast zeigt« sich sogar als Schauspielerin von recht beachtenswertem Formal. Ihr glaubte man die Holdheit des Back- ftschs so gut wie da« beinahe zynische Wissen der Frau, und selbst ihren naiven, kitschigen Tod starb sie noch als Mensch. Franz San- d i n e« r und die übrigen Darsteller boten mindestens annehmbares Durchschnittstheater. Was diese ganze klein«, tapfere Schar zusam- menhält, ist eine ungeheure Liebe zur Sache, zum Theater im all- gemeinen, zu Ossip Dymows Werk im besonderen. Dabei ist das Werk durchaus keine Offenbarung, nur ein resigniertes Bekenntnis, daß das Leben nichts Großes, nichts Wunderbar«» ist, daß es keine jauchzenden Höhen, kein« gewaltigen Probleme für den Einzelnen hat, und daß die Menschen, wenn sie schon gut sind, es meist anein. ander vorbei sind. Das all«» ist ein wenig russssch-zersliehend und nicht sehr bühnenwirksam dramatisiert. Immerhin könnte das Stück, wenn auch nicht lebhafte Anteilnahme, so doch einiges Intelresse wecken sofern man es auf ein« andere Bühne als die in der Klosterstraße gestellt hält«. T e s. Werkkunst in den Berliner   Slaaksschulen. In der Ausstellung Werkkunst 1927 in den Vereinigten Staatsschulen für freie und ange- wandte Kunst fand dieser Tage eine Führung für Mitglieder des Preußischen Landtages   statt. Prof. Bruno Paul   wies an Hand des reichen und zum Teil sehr kostbaren Materials auf den hohen Wert dies«r künstlerischen Vorarbeit für diele Zweig« der Industrie hin.- Besonders fanden die Silberarbeiten, die keramische Kollektion und die Handwebereien Anerkennung. Das Ministerium hat die Erlaubnis ertellt, die Ausstellung um acht Tage zu verlängern. Da» Eintrittsgeld beträgt von jetzt ab an ollen Tagen 59 Pf.