Ein deutschnationaler Kronzeuge vor Gericht
Wegen Unterschlagung zu zwei Monaten Gefängnis
berurteilt.
Dobring in der Klemme.
and
Oldenburg , 9. April. ( Eigener Drahtbericht.) Am Freitag Hat er sich um Politik gekümmert oder nicht?- Ein würdiger Funktionär der KPD.
hatte sich der deutschnationale Bureaugehilfe Willi Niemöller wegen auf dem Finanzamt begangener Unterschlagungen vor Gericht zu verantworten. Niemöller machte von sich reden, als im Reichstage der Untersuchungsausschuß wegen der Marinemeutereien tagte. Die Oldenburger Nachrichten für Stadt und Land" brachten einen Alarmartikel über die ganze erste Seite ihres Hauptblattes, in welchem Niemöller sich den Rechtsparteien als 3euge anbot. Tags darauf brachte die Re publit" in Rüstringen eine Mitteilung, wonach dieser Kronzeuge auf dem Finanzamt megen Unterschlagung ent lassen worden sei. Auf Grund dieser Mitteilung der Republic", welche wahrscheinlich von einem Interessenten der Staatsanwalt schaft zugeschickt wurde, erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Unterschlagung. In der heutigen Gerichtsverhandlung gab der Angeklagte zu, eingezogene Steuerbeträge für sich verwandt und später eingezogene Steuerbeträge zur Deckung der unterschlagenen Gelder verwandt zu haben. Das Finanzamt scheint auf Grund der heutigen Zeugenvernehmung nicht erheblich geschädigt worden zu sein, zum wenigsten wurde befundet, daß vorhandene Fehlbeträge bis heute von dem Angeklagten gedeckt seien. Die geschädigten Steuerzahler hat der Angeklagte im Laufe der letzten zwei Jahre zum Teil befriedigt, doch hat er noch heute einen Betrag von 450 Mart abzubezahlen. Weshalb das Finanzamt seinerzeit nicht Strafantrag gestellt hat, ist nicht recht ersichtlich und bildet ein Kapitel für sich. Genau konnten die veruntreuten Beträge auch in der heutigen Verhandlung sonderbarerweise nicht festgestellt werden, jedoch ging aus der Verhandlung her vor, daß es sich um eine lange Rette von Beruntreu= ungen handelt, indem der Angeklagte neu eingenommene Beträge immer wieder gebrauchte, um die entstandenen Lücken zu decken. Der Amtsanwalt beantragte 6 Wochen Gefängnis und Tragung der Kosten, während der Angeklagte, der sich vor Gericht sehr geschickt verteidigte, um mildernde Umstände bat, da er bei seinem niedrigen Gehalt, das anfangs monatlich 130 M., später dagegen 175 M. betrug, nicht hätte auskommen fönnen. Darüber hinaus ſei ſein Bater plötzlich in Wilhelmshaven am Herzschlage gestorben und habe er bei dieser Gelegenheit zum erstenmal den Betrag von 150 M. für fich verbraucht. Das Urteil lautete auf 2 Monate Gefängnis und Tragung der Koften wegen Unterschlagung.
Kein Fortschritt in Genf . Abschluß der ersten Abrüstungsberatung. Genf , 9. April. ( Eigener Drahtbericht.) In seiner Begründung des deutschen Vorschlages auf eine Beschränkung der Zahl der Gewehre, Maschinengewehre, Geschütze aller Art mit ihrer Munition sowie der Panzerautomobile und Tants führte Graf Bernstorff heute in der Vorbereitenden Abrüstungskommiffion aus, daß wohl mit der Materialbeschränkung auch die Mannschaftsbestände herabgesetzt werden könnten. Die Einwände dagegen, daß man eine genügende Kontrolle darüber nicht befige, feien hinfällig. Vor allem fei auch hier
der Wille zu ehrlicher Bertragserfüllung die erste Boraussetzung, sodann aber fei die Zählung und Kontrolle von Gewehren und Munition nicht schwieriger als die der Motorkräfte von Militärflugzeugen. Die Angriffstraft, von der wiederholt gesprochen wurde, fönne nur durch eine dirette Beschräntung des Kriegs materials erfaßt werden. Bernstorff schloß mit der Erklärung, daß ein Abrüstungsverfrag, der die wesentlichsten Arten des Ma terials nicht erfaßt, nicht als eine befriedigende Lösung des Problems angesehen werden könnte. Man hat von der öffentlichen Meinung gesprochen, die unsere Arbeiten mit Sorge und Sparnung rerfolgt.
Die öffentliche Meinung will, daß die Waffen niedergelegt werden, sie wartet darauf, sie will nicht Umwege, fie will flare Tatsachen. Sie wird niemals verstehen, daß man zu einer Beschränkung des Kriegsmaterials nur auf dem Ummege über die Beschränkung der Heeresausgaben sollte tommen fönnen."
Unter den Delegierten, welche den deutschen Vorschlag unterſtüßten, ist vor allem der nordamerikanische zu nennen, der ihn wärmstens begrüßte und gründlich zu prüfen erklärte. Ferner stimmten der schwedische, finnische und holländische Delegierte dem deutschen Borschlag zu, mogegen der japanische, bel= gische, südslamische und rumänische Delegierte ihn be= fämpften. Genoffe de Broudère Belgien erklärte dabei, er sei im Prinzip mit Graf Bernstorff einverstanden, daß das Kriegsmaterial in der Abrüstungstonvention irgendwie erfaßt werden müsse, zur diretten Beschränkung der Materialvorräte fehlten jedoch die erforderlichen weitgehenden Kontroll= mittel und eine Aussicht, daß die Kommission diese zu beschließen gefonnen sei, bestehe nicht. In einem furzen Schlußwort erwiderte Bernstorff auf einige Einwände gegen seinen Vorschlag, dankte für die ihm zuteil gewordene Unterstüßung und behielt sich vor, seinen Borschlag in der zweiten Lesung zu wiederholen.
Kleinere Faschistenländer.
Aus Kowno schreibt man uns: Kriegs und Feld gerichte, Todes- und Zuchthausstrafen, politische 3enfur und Massenverhaftungen find an der Tagesordnung. Reaktionärer Terror beherrscht das ganze Land. Allein 60 Sozialdemokraten und Boltssozialisten schmachten seit dem Putsch hinter Gefängnismauern; sie wissen nicht einmal, was fieberbrochen" haben. Die Machthaber aber hüten fich, öffentlich Anflage zu erheben. Dem Konzentrations lager in Wama werden täglich neue Insassen zugeführt, die politisch verdächtig sind. Der Verdacht allein genügt, um Arbeiter und Angestellte ihrer Freiheit zu berauben. Dem Spigeltum ist Tür und Tor geöffnet.
Sofia , 9. April. ( Eigener Drahtbericht.) In der oftbulgarischen Stadt Stiven hat die neue Verhandlung des vom Kassationshof an die Vorinstanz zurücverwiesenen großen Verschwörerprozesses begonnen, in dem im Vorjahre 28 Personen zum Tode durch den Strang verurteilt worden waren. Die Zahl der Angeflagten betrug 128; es sind zum großen Teil junge Arbeiter. In der Anklageſchrift heißt es, daß wie in allen anderen Kreiſen Bulgariens auch in der Hafenstadt Burgas am Schwarzen Meere eine bolichemistische Verschwörerzentrale bestanden habe, die Anfang des Jahres 1925 ihren Sih nach dem nahen Sliven verlegte; ihr Ziel sei der gewaltsame Umsturz gewesen. Als im Mai 1925 Bertreter der einzelnen Bezirke in den Balkanbergen zu einer Beratung zufammentamen, wurde das Komplott verraten. Das ausgeschickte Militär umzingelte die ,, Verschwörer", die bei der angeblichen Gegenmehr alle getötet wurden. Damit nicht genug, wurden dann die übrigen Mitglieder dieser Verschwörung vor den Richter gestellt,
der 28 Lodesurteile fällte.
3m Plauener Prozeß Stresemann gegen Rechtsanwalt Müller wird das Urteil Montag nachmittag 3 Uhr verkündet werden.
Man hat sich gestern im Reichstag über die Frage unter| Abg. Brüninghaus: 1916 bestand die Bewegung nur aus Gruppen, halten, wer von den beiden Zeugen Dobring und Sachse auch 1917 ist man ihr ja erst auf die Spur gelommen, als man im die unsympathischere Figur ist. Die Meinungen waren geteilt. Spind des Oberheizers Fischer den belastenden Zettel gefunden hat. Von Dobring war schon gestern hier die Rebe. Ueber Der Berichterstater, Abg. Joos, verlieft aus der Vernehmung des Sachse muß aber auch noch ein Wort gesprochen werden. Sachse vor dem Untersuchungsausschuß die Stellen, die fich Es sei damals Dobring hat ihn für den Kopf der Bewegung gehalten. Das auf die Bewegung auf den Schiffen bezog. war er nicht, er war nur ihr Maul.
Dieses Maul hat feinen Augenblick geraftet. Die großen Redensarten sprudelten nur so aus ihm heraus. Als aber die Sache gefährlich wurde, gab es ganz andere Töne von fich. Herr Dobring wünschte Geständnisse". Er hatte sie schon. Er verlangte Angaben über Mitschuldige. Er bekam fie auch unverlangt. Rette sich, wer fann!
Als aber die Gefahr vorüber war, war auch das große Maul wieder da. Jegt hatte es die Revolution gemacht. Sachse wurde Funktionär der KPD . Er ist es noch heute. Wir beneiden sie nicht um ihn.
*
Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Untersuchungsausschusses gibt Dobring die Erklärung ab, daß er feinen poli tischen Prozeß geführt habe, sondern lediglich einen Prozeß Das Politische habe er dem Oberreichsanwalt überlassen. gegen Leute, die mit Gewalt die Flotte zu Ende bringen wollten. Abg. Bergsträffer( Dem.): Ist Ihnen bekannt gewesen, daß eine Erzwingung mit Gewalt dem Programm der USPD. widersprach? Dobring: Nein.
Abg. Dittmann: Was wußte Dobring überhaupt von politischen Parteien und ihrem Programm?
Dobring: So gut wie nichts. Ich bin ein unpolitischer Mensch, nur Beamter und habe mich um derlei nie gekümmert.
Abg. Dittmann: Aber Sie sind doch von der Flottenabwehr. ftelle mit der besonderen Aufgabe betraut worden, die SPD. und USP D. zu beobachten. Wie sollten Sie diese Aufgabe erfüllen, wenn Sie von Politit nichts wußten?
Dobring: Diese Funktion blieb auf dem Papier stehen und von der Aufgabe einer derartigen Ueberwachung ist mir nichts bekannt geworden.
Diffmann: Sie wollten also das Politische dem Oberreichsanwalt überlassen? Aber am 24. November 1917 haben Sie an den Staatssekretär Admiral Capelle einen längeren Bericht geschrieben, der auf die Berurteilungen und auch auf den Kriegsgerichtsrat Dr. Lösch Bezug nimmt und ausführt, daß die Umtriebe auf der Flotte von den Reichstagsabgeordneten Haase, Bogtherr und vielleicht auch Ledebour gefannt und vielleicht auch gebilligt worden feien. Reichpietsch sei für Propaganda jener Biele von diesen Ab. geordneten ermächtigt und mit Material versehen worden. Es ergäbe sich die Möglichkeit eines Landesverratsprozesses gegen die Abgeordneten, und selbst wenn sie freigesprochen würden, so wären fie doch genug fompromittiert, damit sich der übrige Reichstag von ihnen losjage. Sie haben also versucht, scharf zu machen nach politischer Richtung, und da sagen Sie noch, das alles habe mit Bolifit nichts zu tun?
Dobring will sich damit ausreden, daß dieser Brief an Capelle längere Zeit nach dem Prozeß gegen Reichpietsch und Genossen geschrieben worden sei; er habe nur gesagt, daß dieser Prozeß mit Politif nichts zu tun gehabt habe. Die Verurteilung erfolgte am 26. August, die Erfchießung am 5. September. Der Brief ist vom November.
Abg. Dittmann: Die Zeugen haben uns doch bekundet, daß Sie immer gefragt haben, welche Beziehungen die damaligen Be schuldigten zu den USP. Abgeordneten hätten.
Dobring: Danach mußte ich fragen.
Abg. Diffmann: Aber Sie sagen doch, Sie hätten sich um das Bolitische nicht gefümmert.
Dobring: Das habe ich auch nicht. Ich habe nur gejagt, daß nach meiner Ueberzeugung die USPD . die Bewegung unterstüt habe; daß sie sie eingerührt habe, behaupte ich nicht. Zeuge Sache erflärt, wiederholt, daß ein bestimmtes Programm nicht aufgestellt worden sei. Er sei wohl mit seinen Freunden auf anderen Schiffen zusammengekommen, und man habe die allgemeinen Fragen diskutiert. Aber ein Programm sei nicht aufgestellt worden. Es habe unter den Mannschaften feinerlei politische Klarheit bestanden. Was das Urteil darüber sage, sei falsch.
und seinen Kameraden feine Möglichkeit gegeben habe, die Akten einDer Zeuge protestiert dann erregt dagegen, daß man ihm zusehen, während Herr Dobring das getan habe, um hier damit gegen die Zeugen zu operieren.
Der Vorsitzende Philipp erflärt dazu, daß der Untersuchungsausschuß niemand die Akten zur Verfügung gestellt habe.
Der Zeuge Dobring erklärt nach einigem Zögern, daß er durch das Reichsmarineamt Gelegenheit bekommen habe, die Aften einzusehen.
Es sei ihm bekannt geworden, daß er als Zeuge im Münchener Doldstoßprozeß vernommen werden sollte. Er habe sich deshalb Auszüge aus den Akten herstellen lassen, um sein Gedächtnis zu stärten.
Abg. Bergsträfer( Dem.) fragt den Zeugen Dobring, ob ihm der Unterschied zwischen dem angeblichen Programm der Matrojen und dem Programm der Unabhängigen Sozialdemokraten bekannt gewesen sei. Zeuge Dobring: Mir ist gesagt worden, daß das Brogramm vom Abg. Dittmann gebilligt worden sei. Es habe also eine Verbindung zwischen Dittmann und dem Programm bestanden. Abg. Bergsträßer: Haben Sie die Listen so angesehen, daß sie dem 3wed der Anmeldung in die USP. dienten? Zeuge Dobring: Die, Ciste ist mir von Sachse in die Hand gespielt worden. Bei jeiter Bernehmung hat Sachse angegeben, wo die Liste verstedt fei, dort ist sie auch vorgefunden worden.
was
Abg. Bergsträßer: Ich untestelle das als richtig, aber als haben Sie denn die Liste angesehen? Zeuge Dobring: Die Liste hatte einen doppelten Zweck: Erstens: Mitglieder für die Unabhängigen zu nennen, damit man die Namen auf der Stockholmer Konferenz verwenden und dort auftrumpfen könne. 3weitens: Diejenigen zu nennen, die entschlossen waren, die vier Punkte durch zuführen. Abg. Bergsträger: Haben Sie denn damals die Unab hängige Sozialdemokratie als illegal betrachtet? Beuge Dobring: Ich führte tein politisches Berfahren, die Zugehörigkeit zur Unabhängigen Sozialdemokratie hätte vielleicht bisziplinarisch bestraft werden können. Für mich handelt es fich nur darum, ob Gewalt angewendet werden sollte.
Abg. Brüninghaus( D. Bp.) sieht einen Widerspruch darin, daß der Zeuge Sachse erklärt habe, schon seit 1915 habe es politische Gruppen gegeben, die fich für das Programm Karl Liebknechts erklärt hätten. Diese Bewegung sei im Jahre 1916 auf 3319 Mann angewachsen. Die Verpflegung fet doch überall schlecht gewesen. ( Abg. Künstler ruft: Bloß nicht bei den Offizieren!) Zeuge Weber wendet sich dagegen, daß einzelne Stellen der Aussagen hier heraus gegriffen und gegen die damaligen Angeklagten verwendet werden. Die Aussagen, die über die Zustände an Bord gemacht worden find, feien gar nicht in die Aften hineingekommen.
von verschiedenen Seiten Agitation getrieben worden. Bei den Listen handelte es sich um eine ganze Reihe, auch um solche, die von der Vaterlandspartei und anderen Organi fationen ausgingen. Zeuge Sachfe führt dazu noch aus, daß es sich bei der bei ihm beschlagnahmten Liste um eine Aufstellung der abonnenten für die Leipziger Boltszeitung" gehandelt habe. Diese Zeitung sei von den Matrosen von der eigenen Löhnung bezahlt worden zwei bis drei Mann hätten immer zu gesammelt und an die Zeitung geschickt. Das habe ich Herrn Dobring sammen ein Abonnement gehabt. Die Abonnementsgelder wurden angegeben, denn das war entlastend für uns.
Auf die Frage des Abg. Joos an den Zeugen Gaisteuer, ob dieser davon gehört habe, daß die Kameraden über eine Revolte sprachen, erklärt dieser, man habe wohl wiederholt gemunkelt, daß
irgendetwas geschehen müsse. Aber
von einer bevorstehenden Revolte habe er nie etwas gehört.
Abg. Joos fommt nunmehr auf die Rede zu sprechen, die der Redakteur der Leipziger Voltszeitung", erre, der sich damals in Wilhelmshaven befand, vor einer Bersammlung von Matrosen gehalten hat. Herre hai die Rede nach seinen Aufzeichnungen refonstruiert, sie liegt in dieser Form dem Untersuchungsausschuß vor. Abg. Mojes
hält dem Zeugen Dobring vor, er habe im Münchener Dolchftoßprozeß behauptet, Herre jei wegen Paralyse vom Militär entlassen worden. Das stehe aber im Gegensatz mit der von ihm im Mafrosenprozeß vertretenen Behauptung, Herre habe die Anwendung von Gewalt propagiert.
Alle Zeugen haben hier aber ausgesagt, daß Herre gerade bas Gegenteil getan und vor der Anwendung von Gewalt g?- warnt hat. Ein Zeuge hat Herre jogar das Verdienst zugesprochen, die Matrosen von der Anwendung von Gewalt abgehalten zu haben. Dobring erwidert, er habe in München nur das vorgetragen, was von anderen über Herre gejagt worden sei. In dem Matroken prozeß sei behauptet worden, daß der Gedanke der Gewalt gerade von Herre hereingebracht worden sei. Abg. Moses : Dann wäre es doch richtiger gewesen, Sie hätten im Dolchstoßprozeß gesagt: Das habe ich von anderen gehört! Sie hätten sich doch hitten müssen, zu sagen, Sie selbst wüßten, daß Herre Gewalt ge predigt habe.
Dobring gibt zu, daß er sich in München etwas vorsichtiger hätte ausdrücken und sich auf Reichpietsch , Weber uno Sachse häfte berufen sollen.
Abg. Dittmann: Sie haben in München von Herre als von einem Baralytiker gesprochen, also ihn als einen Menschen hingestelt, der nicht glaubwürdig sei. Meines Wissens war Herre 1917 schwer nerventrant, Herre lebt heute noch. Er ist jetzt noch Redakteur der Leipziger Boltszeitung". Die ganze Art der Aussage Dobrings muß den Eindruck erwecken, daß ihm daran lag, den Mann zu disqualifizieren. Das ist ganz die Methode, die sich aus den Akten über den Matrosenprozeß ergibt, hat er doch auch Reich pietsch einen„ Luden" genannt. Es muß Dobring doch bekannt sein, daß das Verfahren gegen Herre eingestellt worden ist. Er hätte, also vorsichtiger in seinem Urteil über ihn fein müffen Beuge Dobring fagt darauf, Sachfe habe bei der Vernehmung behauptet, Reichpietsch hätte sich seines Verkehrs mit der meiblichen Lebewelt gerühmt.
Zeuge Schneider, gleichfalls ein früherer Matrose, sagt aus, das Reichpietsch , mit dem er eng befreunde: mar, wohl von Abenteurer, luft getrieben wurde, als er fich 1912 freiwillig zur Marine meldete. Er habe auf gutes Aussehen Gewicht gelegt und sich gern herausgeschmückt. Er sei in die zweite Klasse des Soldatenstandes versetzt worden, weil er einmal zu einem Ausgang in die Stadt die Klei dung und die Stiefel eines Leutnants angezogen habe. Leutnant habe sich später auch dagegen gewendet, daß man Reich pietsch , worum dieser gebeten hatte, wieder zurückversezze, also ihm das Müzenband wiedergebe. Als er von seinem Urlaub zurüdfehrte, erzählte er,
Dieser
daß er mit den Abgeordneten Dittmann, Haase und Vogtherr über seine Bestrafung gefprochen habe, diese hätten aber nichts für ihn unternehmen können und ihn vor unbedachten Schritten gewarnt. e
Seit Weihnachten 1916 sei die Verpflegung auf ben Schiffen immer schlechter geworden. Allerdings nur für die Mannschaften, nicht aber für die Offiziere.
Abg. Joos fragt den Zeugen Dobring, ob niemals diesen Quellen der Unzufriedenheit nachgegangen worden sei, ob man nicht die Ursache der Mißftimmung unter den Mannschaften geprüft habe. Dobring erwidert, er habe das nicht getan. Denn ihm jei ja befannt gewesen, daß die Berpflegung überall zu wünschen übriggelassen habe. Die Angeklagten hätten ja damals auch gesagt, daß die Bewegung wegen des Effens nur das Locmittel gewesen sei, dann sei aber die politische Seite und die Verbindung mit den Abgeordneten hinzugekommen. Er habe es nicht für felne Aufgabe gehalten, den klagen wegen der schlechten Verpflegung und der anderen Beschwerden nachzugehen.
Zeuge Beders erzählt dann folgenden Vorfall: Köbis hatte drei Tage Urlaub. Er tam aber erst zmei Tage später zurück, weil sein Vater ertrunten war und man die Leiche nicht gleich ge funden hatte. Als er wegen Urlaubsüberschreitung zum Rapport fam, wurde ihm gesagt:
Und wenn Ihre Mutter auch noch erfrunten wäre, so hätten Sie doch zurückommen müssen!"
Abg. Brüninghaus will sich erinnern, daß Reichpietsch deswegen in die zweite Klasse verlegt worden sei, meil er eine Börse mit 250 bis 260 mart gestohlen habe. Zeuge Schneider stellt dazu fest, daß dieses Geld ihm und Reichpietsch gehört habe. Es stammte aus einem Zigarettenhandel, den die beiden an
piefich zugegeben, daß er das Geld gestohlen habe, um nicht auch noch seinen Kameraden hineinzulegen.
Bord betrieben hatten und roeil das verboten war, habe Reich
Beuge Dobring verliest nun aus dem Abschiedsbrief von Reich pietsch an seine Eltern zwei Stellen, in dem er wegen seines ,, Bergehens" um Verzeihung bittet. Abg. Dittmann nennt es unerhört, baß dieser Abschiedsbrief eines zum Tode Berurteilten hier gegen ihn ausgenügt werde. Das zeuge von der Gefühlsroheit des Zeugen Dobring. Dobring sucht sich damit zu entschuldigen, daß dieser Brief dem Ausschuß doch schon vorgelegen habe. Abg. Dittmann hält dann dem Zeugen Dobring vor, daß er in anderen Prozessen gegen Matrosen gerade auf die politische Seite der Anflagen den größten Wert gelegt und ihnen schon als Verbrechen angefreidet habe, daß sie für einen annettionslosen Frieden eintraten. Das stehe im Widerspruch zu seiner heutigen Be= habe. Dobring erklärt dazu, er habe in den späteren Prozessen als Verhandlungsführer nur das vortragen müssen, was ihm als Material vorgelegen habe.
Der Zeuge wendet sich beftia gegen die Art, wie Dobring die Unterbaupfung, daß die politische Seite für ihn feine Rolle gespielt suchung geführt habe. Der Vorsitzende fällt ihm ins Wort, es gehe nicht, daß die Beugen sich hier gegenseitig beleidigen. Zeuge Steinemann erflärt: Wenn wirklich im Jahre 1916 auf den Schiffen schon eine so starte Bewegung bestanden hätte, dann würde fie doch ebenso schnell herausgetommen sein, wie im Jahre 1917.
Damit ist die Bernehmung der Zeugen beendet, der Ausschuß fchließt gegen 3 Uhr die Sigung.