Einzelbild herunterladen
 

Die Kundgebung Drei Rede» Die republikanische Kundgebung am gestrigen Abend füllte die ?iiesenhalle des Sportpalastes aus mit Reichsbannerleuten und Zivilisten", auch reckst vielen Frauen. Anders als noch bei der letzten Riesenkundgebung unserer Partei gegen den Rechtsblock war die Rednertribüne mehr im Innern der Halle, ringsum freistehend, aufgebaut, wodurch die Redner auch ohne Verwendung einer Laut- sprecheranlage besser hörbar wurden. Vor der Rednertribüne hatte sich das neue Fanfaren bläserkorps aufgestellt, das unter Begleitung der Trommler den Einzugsmarsch für die Fahnen- kompagnie spielte, als diese unter stürmischem Beifall der Tausende heranmarschierte, um einen Wald republikanischer Fahnen auf der Estrade und um sie herum aufzubauen. Fanfarenklänge mußten auch jeden neuen Redner ankündigen: die andere Funktion einer Präsidentcnglocke, nämlich zur Ruhe und Ordnung zu mahnen, brauchten die rvackeren Trompeter dagegen nicht zu übernehmen. Geschäftsführer N e i d h a r d t eröffnete mit ernsten Worten die Kundgebung, zu deren Teilnehmern u. a. auch die Reichstags- abgeordneten Hildenbrand und Scheidemann , Vizepräsident Weih und Direktor Windisch vom Polizeipräsidium, Regierungs- Präsident B o l k- Königsberg gehörten. Darauf sprach, stürmisch be- grüßt. Sunüesvorsitzenöee Höring: Mehr als zwei Drittel der europäischen Bevölkerung leidet teils unter der persönlichen, teils unter einer kollektiven Diktatur. Fafchis- mus und Bolschewismus wetteifern in der Unterdrückung der sozialen Demokratie. Die Demokratie ist ertötet, ausgerottet in Rußland , Ungarn , Italien , Spanien , in Rumänien . Litauen usw. Dort herrscht die reine Diktatur. In einer Reihe weiterer Staaten wie Griechen- land, Portugal . Bulgarien usw. kämpft die Demokratie einen wahrm Verzweisli'.ngskampf gegen die Diktatur. Zn keinem Lande Europas ist die Geduld, die Langmut der staateerhaltenden Bevölkerung, der Republikaner so groß gegen- über den Feinden der Republik , einem wahren politischen Bon- dnrntum von rechts und links, als in Deutschland ! Wir mußten die Bandenbildung und deren Unwesen erleben, die sich, obgleich mit dem Schein des Militärs umgeben, in der übelsten Landskneckstsmanie benahmen und maßloses Unheil anrichteten. Der Kapp-Putsch mit all seinen schrecklichen Folgen zeigte, welch ein Maß von Verwilderung und politischer Unfähig- keit in den sogenanntennationalen" Kreisen sich breit gemacht hat, und der mitteldeutsche Ausstand zeigte, daß die K o m in u- nisten durchaus derselben Verbrechen fähig sind wie die K n p p i st e n. Die furchtbare Kulturschande des Radau-Antisemitisinus ging über uns und bereitet« den Weg für die große Schande, die uns betrofsen, für den politischen ZNord vor. Da wurde in letzter Stunde unser Bund, das Reichsbanner Echwarz-Rot-Gold, gegründet.< Beifall.) Unsere beispiellose Eni- Wicklung ist betanm. Wir warfen uns dem Feind von rechts und links entgegen. Unser Verdienst ist, daß wir zunächst erst wieder die Versammlungsfreiheit hergestellt haben. Die sogenanntendeutschen Tage", dieRegimentsbefehle" usw., alle? Veranstaltungen gegen die Republik , zum Abflauen, zum Stillstand brachten."Wir trugen die Farben der Republik bis ins letzte Dorf. Wir stellten das Vertrauen zur Republik wieder her. Wir brachten den parlarr.eiüarischcn Erfolg derer von rechts und links zum Stillsland und wir haben bei den legten Wahlen mitgeholfen, daß die republikanischen Parteien den größten Teil der verlorenen Position wiedergewonnen haben. Trotz oller Widerstände haben wir gegen den nationalistisch- kommunistischen Radau den Sieg davongetragen. Doch es sieht so aus. als ob wir und das ganze Land n i ch t z u r Ruhe kommen sollten. Der Ausgang der letzten Rcichspräsidentenwahl weckte bei den Rechtsbolschcrvisten wieder Hoffnungen. Doch bald mußten sie wieder mit gedämpftem Trommelklang marschieren. Doch da kam die jetzige Reichsregierung als ihr Ideal. Es ist kein Zufall, daß mit dem Erscheinen dieser Reichsregierung die Bewegung der Rechksverbände mit dem ganzen Radauantijemitismus ge- wattig aufgeflammt ist und das Kleinkalibcrunwesen erschreckend zunimmt. Die Führer der Rechtsverbände führen«ine drohende Sprache gegen die Re- publik. Sie verfügen zurzeit über große Geldmittel, die ihnen teils von dernotleidenden" Landwirtschaft(Heiterkeit), sicher auch aus Musiolinien und endlich aus geheimen Fonds reichlich zufließen. Den Schreck der Fememordprazesie haben diese Rechts- bolfchewistcn abgeschüttelt, frecher denn je einen brutalen Terror ausübend ziehen sie durchs Land. An Stelle der Staatsordnung ist in vielen Orten Deutschlands der völkifch-nationale Radau er­schienen, Bürger sind brutal mißhandelt worden. Man hat uns oft gefragt, was wir zu tun gedenken, um dem nationalistisch-kommunistischen Straßenradau, dem Uebersall an Menschen, entgegenzutreten. Wir haben immer geantwortet und antworten auch heule: Wir haben zu der L a n d e s p o l i z e i, ins­besondere zum preußischen Minister des Innern und seinen Beamten das große Vertrauen, daß diese Radaubrüder von der Straße gebracht werden, daß ihnen Hören und Sehen vergeht. Die Mitglieder unserez Bundes, unsere Kameraden, halten sich für zu gut es ist unserer unwürdig, uns mit diesen Radau- brüdern herumzuschlagen.(Lebhafter Beifall.) Die Ko m ni u n i st e n sollten aber endlich begreifen, daß die Hakenkreuzler den Radau als Lebenselement brauchen, sie wollen den Militärischen Belagerungszustand, denn nur mit diesem glauben sie ihr Ziel zu erreichen. Einen von den hakenkreuzlern mit Hilfe der Kommunisten erzwungenen Belagerungszustand aber werden wir als einen Angriff gegen die Republik ansehen, dem wir uns mit allen Mitteln und Kräften entgegensetzen werden. Das mögen alle, die es angeht, sich merken. Von den Hakenkreuzlern und ihren Hilfstruppcn lassen wir uns und die Republik nicht abschlachten. Der Stahlhelm kündet nun einen riesigen Aufmarsch in B c r l i n an. Das ist richtig. Der Aufmarsch wird groß werden, denn bereits jetzt arbeitet ein Terror ohne Vergleich und dienotleidenden" Agrarier pressen alles, was in ihren Diensten steht, in die Reihen der Rach-Bcrlin-Fahrer. Ausrüstung und Fahrgeld zahlen diese Herren, um nach beendeter Fahrt die Auslagen restlos von dem Hungerlohn der Lanoarbeiter diesen abzuziehen. Im Berliner Stahl- hclmaufmarsch wird% der ärgste Feind des Stahlhelnis marschieren. Republikaner ' und viele Kommunisten, die gezwungen dort marschieren rnüsien.% politisch Indifferente werden, den Wirtschaft- lichen Boykott fürchtend, mitgehen. Der Rest waschechte Stahlhelmer von Seldto bis Gräfe ein buntes Gemisch, wir werden diese Leute hübsch unter sich ollein lassen.(Allgemeine Zustimmung.) Zum ersten Male grinst uns der Relchsekat. der von der über- wiegendnationalen" Regierung durchgesetzt ist, an. Es ist ein Bild des Schreckens, eine Verzerrung des Volkswilleus. Im Reiche steht hinter diesem Reichsetat nur eine oerschwindende Minderheit. Aber geradezu Empörung herrscht bis weit in die Rechtskreise, daß diese Regierung nichts, icher auch gor nichts, zur Arbeitsbcjchossung tut, daß sie ein auf den Leib der Unternehmer

im Sportpalast. t? die Republik . zugeschnittenes Arbeilszeilgcsetz durchsetzt, das für Millionen die Arbeitslosigkeit zur Dauereinrichtung macht, die nun aus Steuer- Mitteln erhallen werden müssen. Leider bestehen schwer« Meinunasoerfchiedenheiten sowohl in politischer, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht unter den r e p u b l i- konischen Parteien. Wir wollen uns in den Parteistreit nicht einmischen, sondern nur die höfliche Bitte aussprechen, sich doch an einen Tisch zu setzen, die politische und wirtschaftliche Lage zu über- prüfen, einen gemeinsamen Weg zu suchen und aus diesem zu morsch eren. Das erfordert die setzige Stund«. Einig sind sich zu unserer Freude die republikanischen Parteien darüber, daß die jeh'ge Staatsform erhalten, am Bestände der Republik nicht gerüttelt werden darf. Dieses Bewußtsein zu heben, ist«in Teil unserer Stärk«, unserer Kraft. Wir find uns der Gefahr, die da ist und die täglich wächst, völlig bewußt, sehen sie klar. Wir wissen, daß gegen die Sturm- Haufen von rechts und links, gegen ihre Kleinkalibergewehre die besten Parteiprogramme nichts nutzen. Worte gegen den Unser- stand keinen Sinn haben. Diesem Sturmhaufen kann man nur eine geschlossen« Kraft entgegenstellen. Ihr Männer und Züngsinge aus dem republikanischen tager, den republikanischen Parleien, schari euch um unser Bundesbanner. Zn selbslgeivollter Disziplin und Ordnung werden wir streiten und kämpfen bis zum Siege einer großdeulscheo, sreieu, sozialen und demokratischen Republik ! Oklo Ruschke. M. d. L., führte aus: Republikaner , Kameraden! Wir sind in die konservative Periode der deutschen Republik eingetreten. Das mag die Gefahren für die republi- konische Staatssorm an sich mildern, für die Republik , die wir in unserem Herzen tragen, haben sich die Gefahren gesteigert. Unsere Rechtsparteien wollen die Republik , um sie auf dem Gebiete der Wirtschaft und Sozialpolitik beherrschen zu können. Wir Republi- kaner müssen leider bekennen, daß die republikanischen Parteien den Wille« zur Macht nicht längst so gut begriffen haben wie die Zunker und die Schwer- industriellen. Die Roten Frontkämpfer versuchen heute, unser« Kameraden am Reichsbanner irre zu inachen wegen der Beteiligung des Zentrums an der Reichsregierung. Run. das Zentrum in Preußen hält treu zur Weimarer Koalition, und gerade jetzt brauchen wir dringend notwendig die Zentrumskameraden im Reichsbonner. Ge- rade jetzt muß die Millionenarmee der deutschen Republik mit ge- schärftem Mißtrauen darüber wachen, daß der Ideengehalt der Republik nicht sortgesetzt verfälscht wird. Darum: Schließt die Reihen. Mehr denn je braucht die deutsche Republik de« letzten Rclchsbannennann. Rie mehr eingerollt: Schwarz-Rol-Gold! Wieder klingts aus den FanfarenSchwarz, rot und gold" und nun langanhaltende Ovationen: flbg. Dt. Josef Vieth nimmr das Wort und geht sofort zustimmend auf einen Zuruf«in, der ihn aufgefordert hatte, frei von der Leber weg zu sprechen. Er kündigt an, klare Worte reden zu wollen, denn das erfordere die Zeit. Und er sagt: Es sind hier mancherlei Zurusc gefallen. Ich sage Ihnen, daß ich der Unzusriedenste unter den Unzufriedenen bin. Wir haben dazu im höchsten Grade Anlaß! Die Farben schwarzrolgold sind die Symbole der deutschen Einheit und Freiheit, sie weisen hin in das sittliche Reich sozialer Gerechtig­keit und edler Menschenliebe. Es ist nicht damit getan, daß wir unsere Fahne durch die Straßen trogen, es gilt, für die Republik zu arbeiten. sonst würde bei der Entscheidung unsere Müh« vergebens sein. Die deutsche Republik gedeiht nicht, wenn die Republikaner ruhen und die Moimrchisten die Politik machen. Heute ist unser Freund, Staatssekretär Schulz, aus dem Reichsministerium des Innern aus- geschieden worden und kurz darauf auch der Dersassungsreserent, unser Freund, Miiiisterialdircttor Brecht. (Stürmische Entrüstung?- rufe.) Wie schnell das geht, wenn die Rcchlsgerichleten regieren, und wie langsam geht es, wenn die Republikaner an der Macht sind!(Lebhaste Zustimmung. Rufe: Marx!) Geben Sie Marx und uns dreißig Mandate der Linken mehr, dann hat die Rechte ansgesprell! Als die Deutschnationalen die Regierung in Württemberg übernahmen, haben sie unseren Freund Hilden- brand, diesen guten Republikaner, sogar durch einen Eilbrief cnilasse»!.(Pfuirufe.) Einen Eilbrief möchten wir heut« jedem Republikaner und jeder Republikanerin schicken: es eilt, daß wir uns versieben lernen und gemeinsam weiterarbeiten, daß wir lernen, Politik z» machen. Es darf nicht so kommen, daß auch noch in der preußischen Berwaltung die Reaktion triumphiert. Erst soll die ollgemeine Volkswahl in Preußen zeigen, wie das preußische Volk regiert werden will.(Stürmischer Beifall.) Alle Arbeit für Schwarzrolgold ist nichts wert, wen« wir nicht gründlich die kommenden Wahlen zum preußischen Landlog und im nächsten Zahr zum Reichstag vorbereiten. Das Reichsbanner ist keine Partei, es ist die Schutz- und Trutz- organisation der Deutschen Republik, aber wenn wir heute sehen, was für Leute sich zur Republik drängen, so scheint es mir dringend nötwendig, daß die Reichsbannerleutc und Republikaner in die Versammlungen und Organisationen ihrer poli- tischen Parteien hineingehen, um dort für das Zu- sarnmengehen aller Republikaner zu wirken. Wir haben die Freud «, daß unser Freund Paul Löbc wieder gesundet ist und bald wieder mit uns arbeiten kann.(Große Ovationen für Lobe.) Uns«re Arbeit hat nur dann Zweck und Sinn, wenn bei der nächsten Reichstags- wohl nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Demokraten gestärkt und insbesondere auch im Zentrum entschiedene Demokraten gewählt werden. Als wir in den ersten Iahren der Republik , als Erzberger, Rathenau und Ebert noch lebten und kämpsten, in der Außenpolitik, so Schlimmes zu leiden hatten und trotzdem unser« Politik weiter- führten, da haben uns die Gegner oft gesagt: Ihr schluckt ja Kamele mit Haut und Haaren. Aber die Rechlspolitiker haben in- zwischen Elefanten und Mammute geschluckt. E- geht übrigens bei ihnen mit gedämpftem Trommelklang, sie lernen auch, daß sie sich in Geduld üben müssen. Wie wollten wir da die Geduld oer, licre». Rein, gerade jetzt heißt es. alle Republikaner zusammen. zubringen, damit wir, wenn nolwedig. bei einer Preußenwahl zeigen können, daß das Boll für die Republik ist.»ir brauchen nickst wie Stegerwald mit Preußen zu drahen. aber der Kampf um P.r eußen ist der Auftakt zum Kampf um die deutsche Republik, um unser deutsches Baterland. Der Republikaner muß dem Staate geben, was er braucht und muß sich hüten vor sinnlosen: Radikalismus. Ich verstehe sehr gut die sozialistischen Republikaner , auch ich sehe in dem heutigen kapitalistischen Zustand nicht das letzte Wort. Aber die Sozialisten müssen auch Toleranz gegenüber dem katholischen Volk üben. Andernfalls würde man aroße Teile des katholischen Volkes in Schlesien , Rheinland und Westfalen der Reaktion geradezu in die Arme treiben. Schwarzrotgold bedeutet auch Achtung der ehrlichen Heberzeugung des anderen. Es schleichen Leute durch das Land, die dem Reichsbanner»achsagen, es Hab« die Lahn der

Toleranz verlassen. Das Gegenteil ist wahr.(Sehr richtig!) Dir ehren Deutschland , seine Geschichte, sein Wesen und wir achten auch den Menschen anderer Ueberzeugung und anderer religiöser Ge- sinnung. Da wir aber wissen, daß ganz Europa zusammengebracht werden muß, wenn nicht ein neuer Krieg schließlich die ganze Kultur vernichten soll, so achten wir auch den Menschen anderer Nation wie uns selbst. Als eben Herr L o u ch e u r in Berlin war, da find viele geeilt, ihm die Hand zu drücken, die nie zum Reichspräsidenten Ebert gegangen wären!(Sehr gut!) helft alle, daß wir In Preußen die republikanische Phalanx er- halten und daß wir im Reiche der Rechlsregierung so bald wie möglich ein Ende bereiten. lLanganhaltcnder stürmischer Beifall.) Die Deutschnationalen mäch- ten gern aus unserem Staat eine Berliner Planschwiese machen. (Heiterkeit.) Aber da haben wir auch noch mitzureden. Die soziali- (tischen Republikaner müssen sich daran halten, daß der Sozialismus zu solidarischem Hendeln in Gemeinde. Staat und Nation verpflichtet. Und was das Christentum anbelangt, so verpflichtet esdieDiener der Kirche nicht, sich zu Bütteln des Kapitalis- mus zu machen.(Stürmischer Beifall.) Der Kampfruf, den ich heute abend ausgestoßen, hat mir viel- leicht neue Feinde geschaffen. Das ist mir gleichgültig, wir haben in all den Jahren genug Anfeindungen erfahren. Vereinigen wir uns alle zum Kampf für die soziale deutsche Republik , für Freiheit und soziale Gerechtigkeit. Und einmal werden die, die unter schwarzrotgoldenen Fahnen an unseren Gräbern vorbeigehen, von uns sagen: Da ruht einer, der für Bolk und Vaterland gekämpft und gestritten hat. So lange wir leben, kämpfen wir unter der Fahne unserer Vorfahren und in ihrem Geiste für deutsche Einheit und Freiheit! Diese Rede riß die gewaltige Versammlung zu einer lang- andauernden begeisterten Kundgebung für den Redner und für die Republik hin. Geschäftsführer R e i d h a r d t brachte ein dreifaches Hoch auf die deutsche Republik und seine Schutzorganisation, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold aus und tosend widerhallten die Ruf«. Dann sang die Versammlung stehend unter Fanfarenbegleitung dos Lied Schwarz-Rot-Gold".

Mark Gelöftrafe. Das Urteil im Plauener Prozeß. Zm plauener Prozeß gegen den Rechlsanwall Dr. Müller wegen Beleidigung des Reichsaußenministcrs Dr. Slrescmann wurde nach mehrstündiger Beratung des Gerichts heule nachmittag folgendes llrlell verkündet: Der Angeklagte Dr. Müller wird wegen üffenklicher Beleidigung nach den Paragraphen lSS und 200 des Strafgesetzbuches zu 10 000 Mark Geldstrafe v e r- urteilt, an deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeil 100 lag« Gefängnis zn treten haben. Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagle, der auch die dem Rebenkläger erwachsenden notwendigen Auslagen zu erstatten hat. Dem Rebenkläger wird die Befugnis zugesprochen, den ver­fügenden Teil des Urteils auf Kosten des Angeklagten innerhalb zweier Wochen nach Erlangung der Rechtskraft zu veröffentlichen in: Berliner Tageblatt",Berliner Lokal-Anzelger",vossische Zetlung". ..Tägliche Rundschau",vorwärts".Deutsche Zeitung", Leipzig Reueste Rachrichten",Dresdener Anzeiger",Hamburger Fremden- btatt",Münchener Reueste Rachrichten",kölnische Zeltung", Voglländische Zeitung",Volkszeitung für das Vogtland". * Die Beschuldigungen, die der Plauener völkische Rechts- anmalt gegen Stresemann erhoben hat, waren schwer. Die Urteilsbegründung sagt darüber: ..Aus allen diesen Gründen ergibt sich die völlig« Halt- losigkeit der ausgesprochenen Vorwürfe. Daß der Vorwurf eine schwere Ehrenkränkung enchölt, bedors keiner weiteren Ausführung. Es liegt auf der Hand, daß sich der Angeklagte des Charakters dieser Ehrenkränkung vollkommen be- wüßt gewesen ist. Es liegt deshalb ein Vergehen nach jj 180 vor. Was das Strafmaß betrifft, so verhehlt sich das Gericht nickst, daß die kleine Vorstrafe des Angeklagten hier nicht in Betracht kommt. Strafverschärfend aber kommt in erster Linie i« Frage, daß es nicht gleichgültig ist, wer der Beleidigte ist. Jeder Mensch hat seine Ehre, und jede Ehre ist an sich gleich. Aber objektiver Strafzumessungsgmnd ist die Bedeutung des Beleidigten. Es muß eine Rolle spielen, wer beleidigt ist, deswegen well der Schaden, der durch die Beleidigung eines hervorragenden Mannes hervorgerufen wird, natürlich viel größer ist als der durch die Be- leidigung eines in der Oeffentlichkeit nicht hervorgetretenen verur- sacht ist. Run ist bekannt, daß der Beleidigte zur Zeit der Leleidi' gung Minister des Auswärligen. Repräsentant des deutschen Volke, dem Ausland gegenüber ist. Die Größe de» Schaden», die diese Aeußerung angerichtet hat. im Zu. und Auslande, läßt sich kaum abschätze«. Die Schwere des Porwurfs ist ganz besonder« groß. Sie sieg! neben dem Vorwurf der Begünstigung des Landesverrat» auch in dem WorteKorruption". Ein Korruptionsminister, wurde behauptet, sei Dr. Stresemann. Das ist etwas ganz llngeheuerlichc». was ein« außerordentliche Erschwerung der Handlung bedeutet." Man hätte nach dieser Begründung erwarten müssen, daß das Gericht dem Antrag des Staatsanwalts gesolgt wäre und auf eine Freiheitsstrafe erkannt hätte. Es folgt auf diese Sätze m der Begründung jedoch dasAber": Als stroferjchwerend kommen also eine ganze Meng« Moment« in Frag«, aber es gibt auch viele Momente, die zugunsten de» An- geklagten sprechen und die eine große Roll« gespielt haben bei der Frage, ob ihm eine Freiheitsstrafe aufzuerlegen sei. Dies« Frage war außerordentlich schwer zu entscheiden. Die Grenz« war sehr nah an der Freiheitsstrafe. Aber voranzustellen ist doch vor allem, daß der Angeklagte das, was er getan hat, nicht au» unedlen Motiven getan hat. Er hat an die Wahrheit seiner Behauptungen fest geglaubt und hat auch allen Ernstes geglaubt, de« valerlande einen großen Dienst erweisen zu können, wenn er zu diesem Schlage ausholte. Dies« verschiedenen Momente haben das Gericht davon abgehalten, eine Freiheitsstrafe auszuwerfen. Wenn ein« Geld- strafe verhängt wurde, dann war es aber notwendig, mit Rück- ficht auf den ungeheuren Schaden, den der Angeklagt« angerichtet hat, und aus die Schwere de» Vorwurfe» aus«ine hohe Geldstrafe zu erkennen. Dos Gericht hat sich entschlossen, auch im Hinblick aus die nicht ungünstigen Pemögensverhällniss« des Angeklagten, d i e Hoch st geld st rase auszuwerfen, die dos Gesetz zuläßt. Da» find 10 000 Mk ein Betrag, der noch nicht einmal besonder« hoch er-' scheint für solche Ehroerlehung." Ein merkwürdiges Urteil das! Das Gericht entschuldigt sich, daß es den Angeklagten nicht höher bestraft hat, es er- klärt: von rechts wegen hätten wir ihn schärfer bestrafen müssen... Warum hat es angesichts desungeheuren Schadens" nickst zu einer Freiheitsstrafe gegriffen? Weil der Angeklagte e i nn ationaler Man n ist. Dafür erhält man in Deutschland für alles mildernde Umstände, sei es bei Feme - morden, sei es bei Ministerbeleidigungen.