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Abendausgabe

Nr. 175 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 87

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise sind in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292- 297 Tel.- Adreffe: Sozialdemokrat Berlin  

10 Pfennig

13. April 1927

Vorwärts=

Berliner   Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Nordchina trumpft auf.

Die Sowjetforderungen werden abgelehnt.- Beunruhigung in Japan  .

Paris  , 13. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Aus Peking   wird| gemeldet, das Marschall Tichangtfolin und die Mitglieder der Beringer Regierung erklärt haben, daß fie nicht gewillt find,

auf die in der Sowjetnote über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen vorgetragenen Forderungen einzugehen. Die Beringer Regierung wird sich wahrscheinlich darauf beschränken, ihren diplomatischen Vertreter aus Mostau ebenfalls abzuberufen. Die durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen ge­schaffene Lage hat nach den hier vorliegenden Meldungen starte Beunruhigung in Totio ausgelöst. Der japanische Kriegs­minifter, der beabsichtigt hatte, die japanischen Truppen in der japa­nischen Konzeffion in Tientsin zurückzuziehen, hat diesen Plan auf­gegeben und im Gegenteil die Truppen verstärken lassen.

Kanton antwortet den Mächten einzeln. Hantau, 13. April.  ( Reuter.) Der nationale Minister des Aeußeren Tichen wird die Forderung der fünf Protokollmächte über die Vorfälle von Ranting in vier Einzelnoten beant­worten. Die Mächte, deren Kriegsschiffe Nanking   befchoffen haben, werden eine Antwort erhalten, in welcher die Frage der Gewalt­tätigkeiten der nationalen Truppen umgangen und den Mächten der Borwurf gemacht wird, daß sie durch das Bombardement ohne jeden Grund Menschen getötet und die Häufer der Zivilbevölfe­rung zerstört haben.

3talien und Frankreich   follen Noten erhalten, in denen die Zahlung von Schadensersah zugesichert wird. Auch die Jote an Japan   foll, wie man glaubt, persönlich gehalten fein, um zu verfuchen, Japan   von England und den Bereinigten Staaten zu trennen.

England freut sich über die Kämpfe in der Kuomintang. London  , 13. April.  ( EP.) Die ausgedehnte Razzia der Unter­gebenen des Generals Tschiangtaischef in Schanghai   gegen die chine­

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fischen kommunistischen Organisationen hat nach englischen Meldungen die Spaltung in den Reihen der Kantonesen erheblich erweitert. Nach Meldungen des Daily Telegraph  " ist der Außenminister Tschen von Tschiangfaischek abgerückt.

Das geht deutlich aus einem Leitartikel der Times" hervor, in dem sie die weitere Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Forderungen der Mächte lediglich dem Außenminister Tschen zu­schreiben. Auch die Daily News" weist darauf hin, daß es Tschen möglich sein müsse, eine befriedigende Antwort auf die Note der Mächte zu geben, daß aber diese Angelegenheit dadurch erschwert worden sei, daß die Mächte gleichzeitig auch dem General Tschiang­taischet die Noten überreicht hätten. In den Times" wird die all­gemeine Auffassung dahin wiedergegeben, daß die fantonesische Gefahr für Nordchina auf ein minimum gesunken sei.

Diplomatenfrauen verlassen Peking  .

Paris  , 13. April.  ( WTB.) Nach einer Meldung des, New York Herald  " aus Bering haben die Frau des amerikanischen   Gesandten in Beling sowie die Frauen mehrerer anderer Mitglieder der amerikanischen   Gesandtschaft angesichts des wachsenden Ernstes der Lage die Stadt verlassen.

Russischer Aufmarsch in der Sowjetmongolei? Paris  , 12. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Verschiedene Blätter melden, daß vier Sowjetdivisionen an der chinesisch- mon­golischen Grenze stehen und der Ausbruch von Feindseligkeiten befürchtet wird. Man glaubt in Paris  , daß bei Ausbruch von russisch- chinesischen Feindseligkeiten eine ja panische bewaff­nete Intervention unvermeidlich sein wird. Die Nach­richten, die von bereits im Gange befindlichen Kämpfen melden, werden hier nicht bestätigt.

Russisch  - amtlich werden diese Truppentonzentrationen bisher entschieden in Abrede gestellt.

Südflawien gegen Faschistenkapital.

Italienische Klage über die Verdrängung der Italiener aus Dalmatien  . Bulgarische Banden gemeldet.

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Eine Gandhi  - Gewerkschaft.

Cawupur und Agra.

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Von Franz Josef Furtwängler  . Cawnpur, wohin uns der Weg von Benares   führte, ist wieder eine Stadt der Textilindustrie und hat als solche auch ihre Arbeiterorganisation. Diese steht im Zeichen des Ma­ hatma Gandhi  , was bedeutet, daß ihre Führer und Urheber politisch unter seiner Fahne sind. Mit einem Hoch auf Gandhi  und einem zweiten auf die Delegation wurden wir am Bahn­hof empfangen und von der dazugehörigen Jugendsporttruppe mit Fahnen ins Hotel geleitet. Ebenso feltfam als erfreulich war mir die Wahrnehmung, daß diese Gandhi Ge­werkschaft" zahlreiche Mohammedaner umschließt, die in dieser Nordproving ziemlich zahlreich find. Da dies hindu­mohammedanische Zusammenwirken in der Arbeiterbewegung eine von uns vielfach festgestellte Tatsache ist, wage ich zu be­haupten, daß die Gewerkschaften hier das beste Brecheifen zur Zerstörung des unseligen Glaubenszmistes find. leber­haupt entwickeln sich allmählich aus der Buntheit und Wirrnis unserer Eindrücke die Linien eines flaren Bildes von der ge­werkschaftlichen Bewegung in diesem Lande, wobei mehr als die Quantität des Borhandenen das daraus Entstehende, not­wendig Kommende scharfe Beachtung verdient- und wiederum ebensosehr wie der aufquellende Arbeiterkampf selbst die Art, wie Regierung und Unternehmer darauf reagie­ren, sich damit abfinden bzw. dagegen ankämpfen. Dies lettere möchte ich unsere interessanteste Beobachtung in Indien  nennen. Unsere Funktionärkollegen in Cawnpur haben die Weihe empfangen, um bei den Arbeitern das erforderliche Bertrauen zu haben. Der eine von ihnen hat als ,, Agitator" bereits gefeffen, der andere wird zum gleichen Endzweck ,, über­schattet".

In einer Versammlung wurden uns die Geschichte bes Berbandes und seine Kämpfe, sowie die Klagen der Mitglieder über die Arbeitsverhältnisse am Orte vorgetragen.

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Auch diese Gemertschaft ist wie alle, die wir bisher kennenlernten, aus Anlaß eines Streits entstanden. Streits verschärfen die vorhandene Grundstimmung, schaffen die Not­wendigkeit und geben infolge der Arbeitsruhe die Gelegen­heit zu Zusammenfünften und Beratungen, so daß es nur einer Führerinitiative zur Organisationsbildung bedarf. Erst nennen sich dann alle Streitberechtigten Berbandsmit­glieder"; später geht die Mitgliederzahl auf einen Bruchteil als ftabiler Bestand zurück. Der Notierung wert ist jedoch der Umstand, daß die einmal entstandene Organisation nicht wieder verschwindet, auch dann nicht, wenn der Streit mit einer Niederlage endigte. Auch nach dem Abflackern der Ge­reiztheitsstimmung verbleibt stets eine bedeutende Glut fon­stanten Organisationswillens.

Dieser Verband entstand im Jahre 1919 und ist seither dem Allindischen Gewerkschaftsfongreß angeschlossen, der ihn

Rom  , 13. April.  ( Agenzia Stefani.) Giornale d'Italia" scher Führung stehen sollen, beobachtet worden. Man befürchtet bereits in Kampfzeiten finanziell unterſtüßte. Der Vorstand

wendet sich gegen ein vom südslawischem Parlament verabschiedetes Einfälle in jugoslawisches Gebiet.

Gesetz über das Bermögen und die Geschäftstätigkeit von Stalienern in Dalmatien  . Dieses Gesetz sei für alle wirt­fchaftliche Betätigung von Italienern   in Dalmatien   unbedingt prohi­butio. Man müsse es als eine scharfe politische Waffe betrachten, um bas italienische Element in Dalmatien   durch Methoden, die auch zur Zeit der österreichischen Verfolgungen unbekannt waren, end­gültig zu entwurzeln. Dalmatien   habe fast nirgends eine Breite von mehr als 5 Kilometern. Die italienische Bevölkerung fize in der Hauptfache an der Küste. Wenn man also den Auslän dern verbiete, innerhalb der Zone von 50 Kilometern von der Küste Befizungen zu haben und Geschäfte zu betreiben, so werden da­durch alle Italiener betroffen.

Der italienische Besitz in Dalmatien   einschließlich der Inseln Der italienische Besitz in Dalmatien   einschließlich der Inseln stelle etwa ein Drittel der Bodenfläche und die Hälfte des ganzen Privatbesizes in den an Jugoslawien   abgetretenen Gebieten bar. Von den neuen Gesezen werden nicht nur Privatpersonen, sondern auch bedeutende italienische Gesellschaften betroffen. Es gibt dort Unternehmungen, die nur dann leben und arbeiten tönnen, wenn sie die Möglichkeit haben, sich nach Erschöpfung der im Abbau begriffenen Lager oder falls die Anlage neuer Kraft­quellen notwendig wird, weiter auszudehnen. Alle sind nor die Entscheidung gestellt worden, entweder darauf zu verzichten, Staliener zu sein und sich als solche zu bezeichnen, oder umzukommen. Aber das neue jugoslawische Gesetz steht auch in direktem und offenem Widerspruch zu den zwischen Italien   und Jugoslawien   bestehenden Berträgen, z. B. zu der Konvention von 1879, die die italie­nischen Staatsangehörigen den jugoslawischen gleichstellte und die im Jahre 1924 auf Grund von Artikel 12 des Vertrages von St. Ger­main durch eine Verordnung der Belgrader   Regierung auf ganz Jugoslawien   ausgedehnt wurde. Damit bildet das neue Geseß eine Berlegung der von allen Mächten festgesezten internationalen Rechts­ordnung. Spätere Abkommen, die jedoch von Jugoslawien   nicht ratifiziert worden sind, waren dazu bestimmt, diesen Schuh näher zu umschreiben. Welchen Beweis feiner Loyalität, so fragt das Blatt zum Schluß, gibt also Jugoslawien   gegenüber Italien  , wenn es die Ratifizierung dieser neuen Abkommen unterläßt und die Durch­führung einer seit 50 Jahren bestehenden friedlichen Konvention einstellt? Wir wollen die Antwort abwarten, um die Wahrheit der Behauptungen Spalaifowitschs zu beurteilen."

Bulgarische Banden unterwegs?

Belgrad  , 13. April.  ( WIB.) Nach einer Meldung der Breme" aus Prizren( Südferbien) sind an der jugoslawisch- albanischen Grenze Banden in Stärte von zwölf Kompagnien, die unter bulgari  

Ertappte Geheimbündler.

Hannover  , 13. April.  ( Eigener Drahtbericht.) In Schmal falden wurde am 10. April bei einem Mag Bischof, der bei einem Amtsgerichtsrat wohnte, eine polizeiliche Haussuchung vor­genommen. Die Ursache bildete der Verdacht, daß die Ortsgruppe Schmalkalden   des in Preußen verbotenen Witing- Bundes noch fortbesteht. Tatsächlich wurden Schriftstücke, Mitgliederlisten und Rundschreiben der Ortsgruppe Schmalkalden   gefunden, die er­gaben, daß diese Organisation noch fortbesteht. Auch Bistolen und Gewehrmunition wurden beschlagnahmt. Die Angehörigen der Schmalkaldener   Ortsgruppe werden sich wegen Bergehens gegen das Gesetz zum Schutz der Republik bald vor dem Reichsgericht zu ver­

antworten haben.

Woldemares tritt zurück.

Der Rechtskurs verschärft sich. Riga  , 13. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Der litauische mi­niffterpräsident Woldemares ist noch am Dienstag abend, nach dem er die Auflösung des Sejm durch den Staatspräsidenten erwirkt hatte, von seinem Amt zurüdgetreten. Es verlautet, daß der gegenwärtige Wehr minister Oberst Merkys nunmehr beauf­fragt werden wird, eine rein nationalistische Regierung ohne Be­teiligung des christlich- demokratischen Blocks zu bilden. Diesem Ka­binett, von dem man behauptet, daß es bis auf weiteres ohne Par­lament diftatorisch regieren wird, soll der bisherige Ministerpräsident als Außenminister angehören.

Die Reichsbahn lehnt ab!

Morgen neue Verhandlungen. Während die Eisenbahnerorganisationen troh allerlei Bedenken dem Schiedsspruch vom 8. April zugestimmt haben, hat die Hauptverwaltung der Reichsbahn ihn abgelehnt.

Es ist zu erwarten, daß schon morgen im Reichsarbells minifterium neue Verhandlungen vor sich gehen über eine Verbind­lichkeitserklärung des Schiedsspruches, der für die Lohngruppen I bis VII eine Erhöhung des Stundenlahnes um 4 Bf., für Arbeite­rinnen um 3 Pf. vorfieht.

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zur einen Hälfte Intellektuelle, zur anderen Arbeiter wirkt ehrenamtlich. Statt einem vollbezahlten Bureauges hilfen, wie andere Verbände im Lande, hat dieser einen hauptamtlichen Agitationsangestellten, einen stämmigen, bär­tigen mohammedanischen Weber. In der persönlichen Unter­haltung ist Ali die Sanftmut selber, mildlächelnd und wort­farg. Von der Tribüne dagegen redet er mit einer Gewandt­heit und Zugkraft, daß alle Fabrifherren der Stadt wütend find, weil er die Leute verheyt und noch dafür bezahlt wird". Um diese Bezahlung, die wenig höher ist als sein früherer Weberlohn, ist er nicht zu beneiden, auch verdient er sie bei der Rührigkeit, die er entfaltet, schon mit der körperlichen Leistung. Er ist übrigens der einzige Gewerkschaftsführer unserer Bekanntschaft, der des Enalischen nicht mächtig ift; aber dafür zündet sein Hindostanisch um so besser. Beschrei bung verdient sein Bureau. Dies hat er selbst erbaut, indem er an der Stelle einer Brandruine vier Pfähle in die Erde rammte, diese durch ein Schilfdach verband und sich unter deffen Schuh und Schirm mit einem Tisch uns zwei Stühlen einmöblierte. Wertvollere Schriftstücke seiner Bureautätig feit trägt er, in sein großes, farbiges Umschlagtuch gehüllt, ftets bei fich. In dem Ernst und Opfermut, mit dem diese Leute wirken, ist solche Brimitivität mehr imponierend als fomisch oder lächerlich. Die Verbandsbeiträge sind, bei der Armut dieser Arbeiterschaft, außerordentlich niedrig, weshalb auch Unterstügungen nicht gewährt werden können außer in Streitfällen, und selbst dann wird der Hauptteil der Hilfe mit Reisspenden sympathisierender Bauern und Swarajisten be­

ftritten.

Die uns vorgetragenen Beschwerden aus den Betrieben waren etwa dieselben, wie wir sie leider überall vernehmen mußten: Schlechte Behandlung, willkürliche Geldstrafen in Form von Lohnabzügen, Berweigerung von Urlaub selbst bei Todesfällen in der Familie, Fehlen jeglicher Hygiene im Be­trieb, Annahme von Beftechungsgeldern für die Einstellung; Dinge, von denen der Delegationsbericht im einzelnen han­deln wird.

An einem der folgenden Abende sollten wir auf Ersuchen des Rettors und der Studenten der indischen Hochschule in der ökonomischen Fakultät Borlesungen über Themen aus der modernen Arbeiterbewegung hatten. Auf den Einwand, daß mir in unserem eigenen Lande zur untersten Kafte der Sudras ( Arbeiter) gehören und sicherlich ausgelacht werden würden, wenn es uns einfiele, über die Bultdeckel der Hochschulen hin weg zu predigen, erhielten wir die schlagfertige Antwort: