„Hier bei uns gehört derjenige au den Brahamen(der ober- sten Kaste), welcher befleißigt ist, die geistigen Grundlagen seines Volkes zu begreifen." Wir konnten dem freundlichen Bitten nicht länger widerstehen und sagten zu. Nach Schluß unserer Vorträge muhten wir in dem schlichten Speiseraum des Internats an der indischen« Abendmahlzeit teilnehmen. Um die herzlich wohlmeinenden Gastgeber nicht zu verletzen, verzehrte ich nicht nur Orangen und Bananen, sondern schluckte mit Mut auch das zuckrige und fettige Backwerk. Daß ich dabei von einem Eisbein fern im Abendland träumte, sahen mir die feinwitternden Inder an und waren darüber sehr amüsiert. ch Agra , weiter landaufwärts und abseits vom Ganges ge- legen, ist die Stadt der mohammedanischen Bauwerke und Kaisergräber aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. Für uns bedeutet es ein zweitägiges Verschnaufen von Ver- sammlungen und Fabriken. Das unbestritten, ja unvergleich- lich Schönste der Stadt ist der T a j M a h a l, der ganz in weißem Marmor errichtete Tempel, den einer der Mogul- kaiser in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges als Grabmal seiner im Wochenbett verstorbenen Lieblingsfrau erbauen ließ. Reisebücher heißen das Werk ein Gedicht in Marmor. Man könnte den mit Worten nicht zu beschreibenden Bau eine versteinerte Vision nennen. Graf Keyserling in seinem Reisetagebuch sagt, der Tempel würve seine Einzigartigkeit verlieren, wenn an Umgebung oder Atmosphäre das Geringste anders wäre als es ist. Ich glaube, er hat recht. Dies blütenweiße Frauengrabmal, das vier schlanke Minarettürme, wie die Kerzenständer eine Leichenbahre, umstehen, könnte nimmermehr ohne Tötung des eigenen Bildes grauen Nord- landhimmel zum Hintergrund haben. Und niemals einen anderen Vordergrund als das lange, großartig perspektivisch wirkende, steingesaßte Wasserbecken, in welchem der weiße Palast sich als Reflex verdoppelt, während an dem Bassin entlang das strenge, aufrechte Zypressenspalier wie ein düsterer Schicksalsweg harter Wirklichkeit auf diese zwiefache Illusion zuführt. Doppelt wundersam! Di« Reihen lebender Bäume stehen härter da, als der leblose Steinbau,— und das Marmorwert über dem Erdboden wirkt nicht schwerer, nicht shoff- hafter, nicht„wirklicher", als fein Spiegelbild im Wasser. Beides, das Ganze eine Erscheinung aus einer Welt ohne Gegensatz von Traum und Wirklichkeit. Nichts Gleiches und nichts Aehnliches hat die an Schöpfungen der Baukunst vieler Zeitalter so reiche Erde. Wie erdenstaubig wirkt selbst die Erinnerung an Napoleons prunkvolle Ruhestätte im Anblick dieses lichten Glanzbildes, welches Liebs über das Grab er- stellt hat. Am selben Tage sahen wir mal andere Bauten aus der mohammedanischen Kaiserzeit, vor allem dem Grabtempel Akbars. So unsagbar weit sie alle hinter dem Taj Mahol zurückstehen— untereinander wetteifem sie an Größe und Pracht. Einige zeigen merkwürdige Stilverschmelzungen islamischer, hindustischer, abendländischer und sogar chinesischer Bauweise. Doch eines Ortes sei Erwähnung getan, wo der Führer in un, mehr Eindruck hinterließ als das Gezeigte. Zwanzig Meilen vor der Stadt draußen ist eine Feste, die, früher eine große Stadt umfassend, heute ein Dorf einschließt. Fathpur Sikri war im sechzehnten Jahrhundert Kaiser Akbars Residenz, von diesem unter dem Einfluß seines Scheichs Selim erbaut. Der große Scheich liegt hier begraben, und auch über seiner Gruft erhebt sich ein weißer Marmortempel. Eine be- hördliche Anschlagtafel am Burgeingang teilt mit, daß der offizielle Führer, der gegen frei vereinbarte Geldgeschenke die Sehenswürdigkeiten erklärt, ein Nachkomme Scheich Selims sei. Der schlanke, alternde Mann mit dem kurzgeschnittenen Mohammedanerbart, dem Fez und dem enganliegenden langen Rocke imponierte uns nicht so sehr durch seine aristokratische Herkunft, als durch die Qualitäten seiner eigenen Person. Er spricht nicht nur das vollendetste Englisch, sondern memoriert
Höfliche Politik. Don Paul Gutmann. In einem großen demokratischen Verlag erscheint seit kurzem ein neues Wochenblatt, dessen einleitender Artikel für Höflichkeit in der Politik eintritt. Unter bekannten Parteiführern verschiedener Richtungen ist auch der Graf R e v e n t l o w, der ein Loblied auf die höfliche Politik anstimmt. Er ist gegen das schriftliche und mündliche Schimpfen, gegen persönliche üble Nachrede, Schnüffelei und Einmischung, wie er sagt, hoffentlich auch gegen die Provo- kationen auf der Straße, gegen Ueberfälle auf Andersgesinnte, gegen das noch unlängst so beliebte Mittel des Ministermords. Aber in demselben Atem, wie er diese Engelstöne anhebt, schlägt er die Kesselpauke des Rassenkampfes als eines„Kulturkampfes", von dem er sagt, er„wird mehr und mehr in den Mittelpunkt aller öffent- lichen Fragen und bis zu einem gewissen Grade auch des gesell- schaftlichen Lebens treten". Vergessen wir nicht, woraus das Wort Höflichkeit entstanden ist. Es besagt nichts anderes als den äußeren Schliff, wie er im Verkehr bei Hofe unter Höflingen üblich ist. Diese Höflichkeit, die nichts andres ist als Vorsicht und eine schlaue Derstcllnngskunst, um den Gegner zu überlisten, wurde bekanntlich in der Renaissance, der Blütezeit verschlagener Diplomatie und des Iesuitismus jeder Art, zu einer hohen Kunst erhoben. Eine berühmte Anleitung zum voll- endeten Höfling verfaßte der italienische Gesandte Graf Castiglione in seinem„Cortegiano ", und der spanische Schriftsteller und Rektor des Iesuitenkollegiums zu Tarragona , Balthasar Gracian , gab Lebensregeln heraus, um die Höflichkeit in den Dienst egoistischer Verlogenheit zu stellen. Die Mittel des Höflings sind nickst die plumpen Mittel jugendlicher Schwarmgeister und vaterländischer Mörder. Je weniger aggressiv die Höflichkeit jener jesuitischen Diplomaten ist, umso größer ist ihre Gefährlichkeit. Gracian gibt sogar in seiner Fuchsschlanheit den Rat, sein Talent, seine Klugheit. sein Besserwissen dem Gegner zu verbergen, um ihn sorglos zu machen und seinen Neid nicht zu erwecken. Hinter jener an- genehmen Höflichkeit kann sich ein Abgrund von Verworfenheit und rohester Selbstsucht verbergen. Reventlow witzelt über jene Politiker, die, obwohl sie gut miteinander bekannt sind, grußlos am Anders- gesinnten vorbeigehen, zusammen im Fahrstuhl stehen oder einander die Tür vor der Nase zuschlagen. Gewiß, das sind harmlose Kaninchen, die den Methoben der Füchse nicht gewachsen sind. Aus ihrer brüsken Abweisung spricht lediglich die Angst vor dem Raub- tiergebiß der anderen! Ihnen Sanftmut zu predigen, erinnert an die bekannte Fuchspredigt gegenüber dem Raben in der Lafontaineschcn Fabel. Für wie dumm hält der Fuchs den Raben, dem er mst den säuselnden Tönen der Höflichkeit den Rassenkampf als den„Mittel-
Werte aus der indischen, persischen, arabischen Literatur im Urtext, und seine Vertrautheit mit der Geschichte des Orients ist durchaus anderer Art als die üblichen, auswendig gelern- ten Fremdenführerlitaneien. Jetzt führt er„gegen frei ver- einbarte Geldgeschenke" blasierte Europäer ans Grab seines Ahnen und wiederholt zum tausendsten Male die Geschichte vom großen Kaiser Akbar und seinem Scheich. Wie rasch ver- ging hier die Muselmanenherrlichkeit! Dann kamen die noch heute kriegerischen Hindu-Mahratten, und im blutigen Ringen verblich des Halbmonds Glanz. Doch auch die Sieger wur- den müde im Kampf, und der lachende Dritte, der heute das ganze große Indien regiert, hatte gar leichtes Spiel, die Städte hier im Sturme zu nehmen. Demnächst werden es hundertfünfundzwanzig Jahre, daß dies geschah. Jubiläen stimmen zum Rückblick, aber auch zum Ausblick. Ich dachte an die Länder der gelben Menschheit und der aufgehenden Sonne, an das unberechenbare Rußland, an Indien , das große braune Kind, das eben jetzt sich, dem Lauschenden nur vernehmbar, im Schlummerbett räkelt, und an Lloyd George , der einmal drastisch aber richtig sagte, dies Land sei von sechzigtausend Beamten und sechzigtausend Soldaten weißer Rasse regiert. Wer weiß. Ein zweiter Mahatma, nicht ganz so vedisch-christlich und king-fromm wie der in der Bombay Presidency , ein Blutströpfchen vom Mekkapropheten in den Adern, und— Scheich Selim wird unterm Marmorblock auf- horchen.
Worte unö Taten. Bolkspartei gegen Deutschnationale. — Lehren des Stresemann-Prozeffcs. Die parteiamtliche„Nationalliberale Korre- spondenz" widmet dem Ausgang des Stresemann-Prozesses eingehende Würdigungen, die nach verschiedener Richtung hin von politischem Interesse sind. Im Gegensatz zu den wieder- holten Behauptungen der deutschnationalen Verleumder, eigentlich sei Herr Stresemann gar nicht das Ob- j e k t der Veröffentlichungen über die angeblichen Schiebungen gewesen, erklärt diese Korrespondenz: Die vielen Beweiserhebungen über angebliche Schiebungen, über Kettenhandel und Korruption waren allerdings nicht ganz vergeb- lich; in einem ganz bestimmten Falle wurde ein politischer Kettenhandel mit gestohlenen Akten, wurden unsaubere politische Ausschlachtungsgeschäfte, wurde das, was man als politische Korruption bezeichnen darf, einwandfrei erwiesen. Wir meinen das unsaubere Kaufgeschäft, das sich auf den Erwerb und die eigen- tümliche Ausnutzung gestohlener Akten zur Vernichtung politischer Gegner bezieht. Es ist gerichtskundig durch eidesstattliche Versiche- rungen der Zeugen Kranz und Oberregierungsrat G o e b e l fest- gestellt worden, daß die Hauptgeschäftsstelle der Deutschnationalen Volkspartei auf Anweisung ihres Hauptgeschäftsführers Dr. Weiß 5000 Goldmark für den Erwerb und die Ausschlachtung gestohlener Akten gezahlt hat. Diese Akten sind fälschlicherweise als „Akten der Deutschen Werke" bezeichnet worden, noch zuletzt in den Erklärungen des deutschnationalen Hauptgeschäftsführers Dr. Weiß und des Herrn Stein-Rumpelstilzchen. Zn Wirklichkeit, das haben die Verhandlungen in Plauen ergeben, befanden sich in diesem gestohlenen Aktenmalerial auch jene sogenannlen Beweisstücke, mit denen Stresemann erledigt werden sollte. Diese Tatsache kann durch keine Erklärung aus der Welt geschafft werden. Diese Feststellungen decken sich mit den Mitteilungen, die wir an Hand authentischen Materials über den ganzen Vor- gang machen konnten. Die Korrespondenz wendet sich aber dann weiter gegen die Versuche derHugenberg-Presse, die Sache so darzustellen, als ob man willkürlich die Be- weiserhebung eingeschränkt habe, um nicht Stresemann zum Angeklagten zu machen. Sie zitiert dann folgende schönen Beispiele deutschnationaler Kampftaktik: Wie weit die Versuche zur Irreführung der Oeffentlichkeit ge- gangen sind, dafür nur einige Beispiele.„Das deutsche Volk", eine
punkt aller öffentlichen Fragen und bis zu einem gewissen Grade auch des gesellschaftlichen Lebens" anpreist. Das heißt Krieg bis aufs Messer gegen jeden Andersblütigen oder, da das Messer den Methoden der Höflichkeit nicht entspräche, Krieg mit den feinsten Mitteln politischer Giftmischerei. Man braucht den Gegner nicht anzurempeln, aber man entzieht ihm die öffentlichen Aemter oder verhängt über ihn den kalten gesellschaftlichen Boykott, worin jene Herren eine unübertroffene Meisterschaft von altersher haben. Hat man je schlauere Fuchstöne gehört?„Ich glaube, daß dieser Kampf, wie lang er auch dauern mag, ein Kampf ums Ganze sein wird" aber sofort darauf die treuherzige Meinung:„ich glaube, daß so manches erreicht werden kann, was jetzt zu beiderseitigem Mißvergnügen fehlt"---- Die plump-naive Schlauheit eines Grafen Reventlow könnte uns gleichgiltig sein, wenn sie nicht geradezu sinnbildlich uns den Gegensatz zwischen seiner und unserer Welt enthüllte. Sicherlich war die Gesellschaft um Ludwig XVI. höflicher als das Volk, das sie aufs Schafott führte. Man ist heute wieder soweit, den geräuschlosen geölten Gang der Maschine für wertvoller zu halten als ihren Nutzen für die Allgemeinheit. Daß unsere Politik menschlich ist und die andere höflich sein will, darin besteht der Unterschied. Möglichst geräuschlos und elegant sich des Gegners entledigen, das ist die neue Politik, eine Politik auf Gummirädern. Nur keinen proletarischen Lärm schlagen. Man kann sich der Republik auch anders bemächtigen. Die Wagen des neuen Kurses sind mit prima Stoßdämpfern versehen und tragen die Farben der schwarzrotgold- weißroten Höflichkeit.
Opernhaus unö Staatsbauverwaltung. An dem Millionenumbau des Opernhauses Friedrichs des Großen ist kaum noch etwas durch Kritik zu bessern. Aber dieser wirtlich schwere Fall muß eine Lehre für die Zukunft sein, nicht nur für die Berliner Denkmalpflege, vor allem für diejenige staat- liche Stelle, die ihr Konto auch diesmal wieder belastet hat. Der Bund Deutscher Architekten hat in mehreren.Kundgebungen Kritik geübt. Die beamtete Architektenschast hat entrüstet die Berwaltungs- instanzen verteidigt. Im Bundesorgan aber weist Prof. Dr.-Ing. Ed. Jobst Siedler von der Berliner Technischen Hochschule jetzt mit fluten Gründen auf die grundsätzliche Wichtigkeit der Frage hin. Die Staatsbauverwaltung versucht' ihr Verhalten dadurch zu rechtfertigen, daß sie betont, sie habe nur den Auftrag ihrer vor- gesetzten Behörde ausgeführt. Der Finanzminister charakterisiert die Bauverwaltung als ein technisches Ausführungsorgan, das die ihr von der Staatsverwaltung— in diesem Falle vom Kultus- minsster und Finanzminister— zugewiesenen Aufträge selbständig auszuführen hat, und vergleicht sie in dieser ihrer Funktion mit Privatarchitekten, die in äbnlicher Weise von der Staatsverwaltung herangezogen feien. Der BDA. ist allerdings der Ansicht, daß selbst der Privatarchitekt sich nicht nur als Ausführunflsorgan seines Auftraggebers, sondern in erster Linie als fein sachverständiger Berater betrachten müsse. Wieviel mehr müßte man von der Bau-
sogenannte katholische Wochenzeitung für das gesamt« deutsche Volks- tum. deren geistiges Haupt der deutschnationale Reichstagsabgeord- nete Unioersitätsprofessor Dr. Spahn— Professor der Geschichte— ist, stellt in einem Artikel„Dunkle Sachen von Erzberger bis Strese- mann" u. a. die irrsinnige Behauptung auf, L i t w i n sei der Schwiegersohn des französischen Generals Rollet. Nicht minder grotesk ist die zu bestimmten tendenziösen Zwecken verbreitete Behauptung, der Prioatsekretär des Herrn Reichsaußenministers, Herr Henry Bernhard, sei der Sohn des Chef- redakteurs der„Vossischen Zeitung". Man könnte über alle diese Dinge nur lachen. Wenn man aber feststellen muß, daß bis heute die nicht minder groteske Behauptung, Frau S t r e s e m a n n sei die Tochter eines tschechischen Geschütz- und Muni- tionslieseranten und gleichzeitig die S ch w e st e r P o i n- c a r e s, immer noch herumgetragen wird, dann bleibt nur der Schluß übrig, daß alle diese tollen Nachrichten nur deshalb verbreitet werden, weil ihre Erfinder damit rechnen, daß sie in völkischen und deutschnationalen Kreisen tatsächlich geglaubt werden. Diesen Kreisen wird dadurch nicht gerade das Zeugnis besonderer Julelli- genz ausgestellt: aber das geniert die Nachrichtenfabrikanten nicht, wenn nur etwas hängen bleibt. Und gerade von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir feststellen, daß auch im Zusammen- hang mit dem Plauener Prozeß der Versuch, die össentliche Meinung irrezuführen, Pressekorruption zu treiben in weitestem Um- fange unternommen und durchgeführt worden ist. Wie man sieht, ist die Epistel über die deutschnationale Schlechtigkeit, die hier geschrieben wurde, recht deutlich. „Politischer Kettenhandel mit gestohlenen Akten",„irrsinnige Behauptung",„krasse Korruption",„verleumderisches Ge- schwätz",„Pressekorruption"— diese Vorwürfe wiegen schwer, wenn sie von der Deutschen Volkspartei sozusagen amtlich gegen ihre deutschnationalen Koalitionsge- nassen erhoben werden. Man ist mit Worten nicht sparsam. Aber die Taten?— Während die„Nationalliberale Korrespondenz" solche Klagetöne ausstößt, assistiert Herr Stresemann dabei, wie die politischen Gesinnungs- freunde der Stein-Rumpelstilzchen, Dr. Weiß und Kon- sorten, reaktionäre Beamte in die höchsten Stellen des Reiches bringen.
Krimmelle Sowfet-Kommuniften. Eine interessante Liste. Die eigenartige Zusammensetzung der russischen Kommunistisch c.i Partei ist bereits des öfteren Gegenstand von Erörterungen gewejcn. In keinem Zwesten Lande ist ja in so kurzer Zeit eine Partei mic einer so großen Anzahl von Mitgliedern entstanden, wie dies bei der Kommunistischen Partei der Fall war, höchstens käme noch in dieser Hinsicht die faschistische Partei im Lande Mussolinis in Betracht. Hier wie dort ist es ja die alleinherrschende Partei: daher der Zulauf zu ihr von oft sehr verdächtigen Elementen. Die Zahl der wirtlichen Kommunisten in Rußland ist ja bekanntlich äußerst gering. Alles andere find Mitläufer. Wie diese aber mitunter aussehen können, darüber führen eine beredte Sprache die Listen der ausgeschlossenen Mitglieder. Ein« Pariser Zeitung weiß über die Zusammensetzung solch einer Liste für das Leningrader Gouvernement Interessantes zu berichten. Im Jahre 1S2S wurden hier aus der Kommunistischen Partei SSl> Mitglieder ausgeschlossen. Bei 287, also 40 Proz., bildete die Ursache des Ausschlusses Unterschlagung von Geldern: einige von ihnen hatten bereits die zweit« Unterschlagung begangen. III waren wegen der verschiedensten kriminellen Verbrechen ausgeschlossen. Oft waren sie bereits schwer kriminell, als sie in die Partei eintraten: unter diesen Kriminellen befindet sich eine Anzahl rückfälliger Diebe. 87 Mitglieder sind wegen Holiganentums, d. h. Rowdytum in Ver- bindung mit Trunksucht, ausgeschlossen worden. Ungefähr 60 bis 70 haben sich der Spritbrennerei, der Bestechlichkeit, des Schmuggels, der Desertion und dergleichen mehr zuschulden kommen lassen. Der Rest von etwa 150 ist wegen verschiedener anderen Ursachen aus- geschlossen. Zehn von den Ausgeschlossenen gehörten früher der zaristischen Polizei und der Gendarmerie an.
Verwaltung eine derartige Selbsteinschätzung voraussetzen! Die Bau- Verwaltung hätte die Bedenken unterstreichen müssen, die gleich nach Bekanntwerden des Umbauprojektes in der Oeffentlichkeit wach wurden und auf die die Akademie der Künste, die Akademie des Bauwesens, eine große Zahl hervorragender Baukünstler und Kunst- gelehrter und nicht zuletzt der Bund Deutscher Architekten hinwies. Die Bauverwaltung hätte auch die städtebauliche und Wirtschaft- liche Seite stark betonen müssen. Sie konnte daraus hinweisen, daß hier in dem mehr musealen Zentrum der Stadt ein Opernhaus nicht am Platze sei, daß ein derartiges Gebäude in eine ganz andere Gegend der Stadt gehöre, wenn es seine Aufgabe erfüllen solste. Sie konnte beweisen, daß selbst bei Aufwendung großer Mittel doch durch den Umbau des Knobelsdorfffchen Hauses nie und nimmer das staatliche Opernhaus geschaffen werden könne, das die Reichs- Hauptstadt Berlin als Weltstadt brauche und das über kurz oder lang doch gebaut werden müsse. Mit einem Wort, die Staatsbau- Verwaltung mußte, wenn sie ihre eigene Bedeutung betonen wollte, sich zum Führer aller der Stimmen machen, die eindringlich vor dem Umbau warnten, und konnte— nur falsch beraten und falsch geführt— sich in die Position eines reinen Ausführungsorgans drängen lassen. Die Staatsbauverwaltung hatte wohl auch selten wie hier, als„vom Bauherrn" die Opernhausfrage aufgerollt wurde, Gelegenheit, sich die Sympathien und die Achtung aller künstlerisch und kulturell interessierter Kreise zu erringen. Aber diese Gelegen- heit wurde verpaßt. Weswegen? Weil die Bauverwaltung so töricht war, die ihr gegebene hochbedeutsame Stellung als erste Beraterin des Staates in allen Fragen der Baukunst zu verkennen und gering zu achten, und sich in der viel weniger bedeutsamen Stellung eines technischen Ausführungsorgans zu gefallen. Das Verhalten des Geheimrats Fürstenau, des Vertreters der preußischen Staatsbauverwalwng, in diesem Falle ist aber— und das ist dos bedauerliche— symptomatisch. Hier liegt auch die ganze Schwäche der Bauverwaltung an sich. Aber die Bauverwaltung hat diese ihre eigene Blöße noch nicht einmal erkannt.
Das Petroleum geht zu Ende. Ein Viertel der Handelsschiffe der Erde werden heute bereits mit Oel betrieben. Die Verwendung des Oeles als Heizstoff ist noch nicht alt und dennoch wirft man schon heute die Frage auf, wie lange das Oel ausreichen wird. Ge- messen an dem gegenwärtigen Konsum in den Vereinigten Staaten wird der Oelvorrat Amerikas in acht Iahren erschöpft sein. Neue Oelquellen sind nicht bekannt. So bleibt nur als Hilfsmittel: Spar- samere Wirtschaft. Heute werden jährlich 75 Millionen Barrels Gasolin verbraucht, 50— 60 Millionen Barrels Dieselmotoröl Und 20 Millionen Barrels zu Brennzwecken. Im gleichen Maße darf der Verbrauch nicht weitergehen, weshalb die Sachverständigen die In- dustrie vor die Aufgab« stellen, eine Methode zu erfinden, nach welcher der Derbrauch des Oels ökonomischer gestallet wird als bisher. „Der gespaltene Mensch«', ein neue? Sprechchorwerk von Bruno S ch ö n l a n t erscheint in den nächsten Tagen im BolkSdübnen-Verlaq (Berlin NW. 4c>, Platz der Republick 7). DaS Werk wird von dem Sprech. und BewegungSchor der Berliner Volksbühne auf dem verbandstage der deutschen BolkSbühnenvereine in Magdeburg ausgejührt.