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Nr. 186 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 95

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Donnerstag, den 21. April 1927

Gegen die Zwölfftundenschande.

Urabstimmung im mitteldeutschen Kohlenbergbau.

r

eine Ur abstimmung in Form einer Sammlung von Unter­schriften vorgenommen. Die Arbeiter haben also ihren Willen nicht unter dem Schutz einer geheimen Abstimmung, sondern mit voller Namensunterschrift offen und mutig befundet. Das Ergebnis der Urabstimmung ist außerordentlich überraschend.

Die Antwort der Arbeiter.

Heute beginnen im Reichsarbeitsministerium Schlichtungs | Arbeitszeit sei feine Forderung der Arbeiter, sondern mur eine For verhandlungen zur Regelung der Arbeitszeit im mitteldeutschen derung der Gewerkschaftsführer. Die Gewerkschaften haben daher Braunkohlenbergbau. Die Arbeitszeitverhandlungen der Parteien find an einer geradezu unglaublichen Hartnäckigkeit der Arbeitgeber gescheitert. Die Führer der Arbeitgeber haben jedes Entgegen tommen so gut wie abgelehnt, trotzdem außerordentlich günstige Be triebsergebnisse in der Braunkohlenindustrie vorliegen. Gnädig wollen die Arbeitgeber höchstens den in den Tagebau- und in den Abraumbetrieben beschäftigten Arbeitern die elfstündige Ar beitszeit in verklausulierter Form gewähren. Recht interessant ist das Bekenntnis einer schönen Seele, das dem deutschnationalen Abgeordneten Leopold entschlüpft ist; danach bedeutet Schicht 3eit Arbeitszeit, d. h. auch die Pausen sind mit Arbeits­leistungen auszufüllen. Damit haben die Arbeitgeber eine jahrelang geübte Pragis ungewollt zugestanden. Im übrigen soll es beim 3wölfftundentag bleiben. Abgeordneter Leopold be­zeichnete die Forderungen der Bergarbeiter auf Verkürzung der Ar­

beitszeit als eine, auf Jahre hinaus undurchführbare Theorie, deret­wegen man sich nicht die gange Industrie zerschlagen lassen fönne. Bei einer solchen Einstellung der Arbeitgeber braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Berhandlungen gescheitert sind und der Reichsarbeitsminister nunmehr die Parteien zu Schlichtungsverhand lungen nach Berlin geladen hat.

Wie das vorläufige Ergebnis bereits zeigt, haben sich bisher von 78 000 beschäftigten Arbeitern über 60 000 durch Namensunterschrift gegen die zwangsweise eingeführte zwölfftündige Arbeitszeit und für die Wiedereinführung der tariflichen achtstündigen Arbeitszeit ausgesprochen. Die Resultate wichtiger Reviere stehen noch aus, so daß das Endergebnis die für den Achtstundentag ab­gegebene Stimmenzahl noch wesentlich erhöhen wird. Da etwa 10 Broz. der Belegschaften als tranf zu betrachten sind und sich an der Abstimmung nicht beteiligen konnten, ergibt sich, daß sich durch schnittlich 90 bis 95 Proz. der Brauntohlenberg arbeiter für die Beseitigung des Zwölfftundentages ausgesprochen haben. Das Resultat ist um so beachtenswerter, als gerade in den Revieren, wo die gelben Bertsvereine noch festen Boden haben, faft durchweg bis zu 100 Prog. Unterschriften geleistet wurden. Gibt es eine beffere Kennzeichnung der Hohlheit der von den Arbeitgebern mit so großen Roften aufgepäppelten Wertsvereine? Die Arbeitgeber des mitteldeutschen Braunkohlengebiets haben Bird das Reichsarbeitsministerium bei den Verhandlungen den Bergarbeitern des mitteldeutschen Braunkohlengebietes Gerechtigkert burch die Urabstimmung eine vernichtende Schlappe erlitten. Die widerfahren lassen und, der Zwölfftundenschande ein Ende machen? einmütige Kundgebung der mitteldeutschen Braunkohlenarbeiter muß Wird es den Ruf der Bergarbeiterschaft nach Verkürzung der Ar- für das Reichsarbeitsministerium eine ernste Warnung sein. Das beitszeit, der sich in der soeben stattgefundenen Urabstimmung der Reichsarbeitsministerium soll schlichten. Will es schlichten und den Bergarbeiter über die Arbeitszeit so überaus eindrudsvoll geäußert Frieden stiften, dann muß der Wille der mitteldeutschen Braunkohlen­hat, überhören? Der Arbeitgeberverband für den mittelbergarbeiter respektiert werden. Wird dieser Wille nicht refpeftiert, deutschen Braunkohlenbergbau hat in den letzten Wochen der Deffent lichkeit und dem Reichsarbeitsministerium gegenüber fortwährend behauptet, die Forderungen der Bergarbeiter auf Verkürzung der

Ausflüchte der Arbeitgeber.

dann wird der latente Kriegszustand im mitteldeutschen Braun­fohlengebiet verewigt und die Folge muß sein, daß eines Tages die Empörung gegen, die Zwölfftundenschande zu einer Explosion führt.

Neue Truppentransporte nach China .

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Blutiger Bürgerkrieg.

von ihm eingebrachte Entschließung zurück, während die Delegierten Paul Faure , Compère- Morel, Brade und Zyromsti auf ihren Ent­schließungen beharrten. Der Kongrèß wird infolgedessen selbst zu einer Entscheidung berufen sein.

Feng marschiert gegen Tschiangkaischek. London , 20. April. ( Eigener Drahtbericht.) Wie die letzten aus China eintreffenden Meldungen befagen, hat das Vorgehen Tschiangtaischets gegen fämtliche des Kommunismus verdächtige Elemente in Schanghai in den letzten Tagen an Intensität sehr 3u genommen. Die Anzahl der hingerichteten Agi­fatoren" beträgt nach Meldungen der amtlichen britischen Agentur über hundert. Die letzten Opfer sind der Präsident und sechs Führer des Seeleuteverbandes, die am Dienstag im Hofe des mili­tärischen Hauptquartiers heimlich hingerichtet worden sind. Tichiangtaischets Untergebene sind nach dieser Meldung entschlossen, feinerlei Barmherzigkeit gegenüber den Kommunisten auffommen zu laffen".

Die militärische Lage ist weiter unflar. Der als Nachfolger Tschiangtaifchets zum Oberbefehlshaber ernannte chriftliche" Ge­neral Feng hat den Vormarsch auf Nanting angeordnet. Seine Truppenverbände unterstehen dem Kommando feines Unterführers, des Generals Tschang Sen Tsching.

Auf Grund eines furz nach Mitternacht ergangenen Befehls find am Mittwoch weitere starte englische Truppen­fontingente, bestehend aus einem Infanteriebataillon, zwei Artilleriebatterien, einer Fliegerstaffel und 51 Truppentransport­autos, in Southampton als Verstärkung für das Expeditionsforps in Schanghai eingeschifft worden. In militärischen Kreisen ist man der Auffassung, daß diese neuen Verstärkungen nicht auf Berwendung in Schanghai felbst, sondern auf geplante Operationen im offenen Felde hindeuten. Die Lazarettausrüstung, welche den Truppentransport begleitet, besteht u. a. aus 200 Betten und tann für eine Aufnahme von 600 Verwundeten erweitert werden.

Einigung in Lyon .

Resolution Faure angenommen. Paris , 20. April. ( Eigener Drahtbericht.) Die Refolutions tommiffion des sozialistischen Barteitages in Lyon tagte vom Diens tag abend bis Mittwoch morgen um 7 Uhr, ohne zu einer einheitlichen Entschließung zu gelangen. Nur Rena ubel zog die

Im Laufe der Mittwoch- Morgensizung referierte Grumbach unter gespannter Aufmerksamkeit der Zuhörer über den Fall Maurin. Dieser Delegierte, der auch die Resolution über ein Zu­fammengehen der Partei mit den Kommunisten billigt, hat in seinem Blatte ,, Etincelle" zahlreiche Mitglieder der Partei, besonders Blum und Paul Boncour sowie mehrere ausländische führende Sozialisten, heftig angegriffen und verleumdet; so hatte er Breitscheid heftig angeklagt und, wie Grumbach feststellte, den ,, kaiserlichen Sozialisten" genannt, weil er die Zusammenhänge der deutschen Reichswehr mit den Sowjets aufgedeckt haben sollte. Grumbach schlug vor, Maurin die Fähigkeit, sozialistischer Parteidelegierter zu fein, auf die Dauer von zwei Jahren zu entziehen. Maurin verteidigte sich in einer längeren Rede, die zu zahlreichen Zwischenrufen Veranlassung gab, da der Redner zum Teil die Angriffe gegen Blum und Paul Boncour, die nicht anwesend waren, wiederholte.

Der Kongreß wird im Laufe der Schlußfißung, die bis tief in die Nacht zum Donnerstag hinein dauern dürfte, auch über diesen Fall eine Entscheidung treffen.

In später Abendstunde wurde dann doch noch eine Einigung erzielt:

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Boftschedtonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bant der Arbeiter, Angestellten unb Beamten. Wallstr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3.

Koalitionsforgen des Zentrums.

In Preußen bleibt alles beim alten. Auf Hindenburgs Drängen diese Tatsache darf nicht vergessen werden hat sich das Zentrum bereit gefunden, mit den Deutsch nationalen eine neue Roalition im Reiche zu versuchen. Vor Hindenburgs Eingreifen hatte Marg nach verschiebenen Möglichkeiten ge­fucht, eine Regierung zu bilden, die seiner Tradition als republikanischer Kandidat bei der Reichspräsidentenwahl mehr entsprechen würde, als die des Besitbürgerblocks", wie Dr. Wirth die jetzige Mehrheit getauft hat. Das Zentrum hat sogar den BVolksparteiler Curtius talt ablaufen lassen, als er in Hindenburgs Auftrag ein Kabinett zu bilden unternahm. Es wollte felbst die Führung behalten. Wie das geschah, ist noch in aller Erinnerung. Marg ist der Kanzler in einem herrschend sind und die ebenso tonservativen bayerischen Rabinett, in dem zahlenmäßig die Deutschnationalen vor­Bolksparteiler den Ausschlag geben.

Seit einigen Monaten ist das Bürgerblockfabinett am Ruder. Es hat sogar den Etat für 1927 verabschieden fönnen. Dr. Köhler aus Baden hat seinen guten republika­

nischen Ruf in die Masse geworfen, um diesen Etat fertig­zubringen. Die Streichung der Kinderspeisungen, die Ab­lehnung einer ausreichenden Kriegsteilnehmerfürsorge, Streichung wichtiger Kultur- und sozialpolitischer Leistungen das alles unter dem Druck der Deutschnatio­nalen. Die strebten nicht zur Futtertrippe", um hun­gernden Kindern und darbenden Baterlandsverteidigern zu geben, was ihnen zukommt, sondern nur, um ihre altbe­tannte Betterleswirtschaft pflegen zu können.

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Auf solchen Etat der Unmoral und der Gefühlskälte hat gerade das Zentrum wenig Anlaß, stolz zu sein. Denn auch funden, der zwischen den für die Reichswehr bewilligten in seinen Arbeiterkreisen wird der Widerspruch emp­Hunderten von Millionen, zwischen den Generalspensionen und dem Bettelgroschen klafft, die das Reich für die Ver­trüppelten, die Witwen und Waisen des Weltkriegs auszu­werfen geruht.

Das Zentrum hält es deshalb für nüßlich, schon heute den deutsch nationalen Koalitionsgefährten das volle Maßan Verantwortung zuzuweisen. In einem Leit­auffaz der Germania ", der Zentrumsgedanken zur neuen Roalition" überschrieben ist, wird daran erinnert, daß seit dem Eintritt der Deutschnationalen in die Regierung sich in den grundlegenden Fragen der Innen- und Außenpolitik nichts geändert habe. Die deutschnationalen Propheten, die ein hörbares herumwerfen der Politik anfündigten, seien Lügen gestraft:

Aber das andere große Gefeß, das die neue Koalition verab schiedet hat, der Etat für 1927/28, trägt zweifellos die Spuren der neuen Mehrheit. Und da die Politik nicht nur von den Parteien und vom Parlament, sondern auch zu einem guten Teil von der Bureaufratie gemacht wird, so gehört auch die Personalpolitik hierher, und hier haben es die Deutschnationalen zweifellos ver­standen, mit einem recht träftigen Griffel ihre Handschrift zurück­

zulaffen.

Das ist höflich umschrieben dasselbe, was sonst im Volke so ausgedrückt wird: Die neuen Herren haben nichts Eiligeres zu tun gehabt, als ihre Bettern in die wichtigsten Bosten zu bringen, obgleich durch die Verabschiedung der bisherigen Amtsinhaber der Pensionsetat wieder erheblich be= lastet wird!

Es scheint, als wenn die Zentrumsgedanken" der Ger­ mania " schon erhebliche 3entrumsforgen um die Wir­fung der Bürgerblockpolitik zum Ausdruck bringen sollen. Denn das Zentrum ist noch immer eine Partei, die trot Stegerwald nicht reine Bürgerblock politik treiben fann, ohne an die Grundlagen seiner Eristenz zu rütteln. Es ist eine politische Partei, deren Angehörige im wesentlichen durch welt­anschauliche Tradition zusammengehalten werden. Aber diese Tradition fann auf die Dauer nicht die großen sozialen Gegenfäße übertünchen, die in seinen Reihen sich je länger, je mehr auftun. Die christlichen Arbeiter, einst von firchlicher Seite als Prellbod gegen die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften in Sonderorganisationen zusammengefaßt, haben es im Laufe der Jahre verlernt, in jedem Sozialdemo­fraten einen schwarzen Mann" zu sehen. Aber sie haben es nicht verlernt, in dem Kassenschrank der Schwerindustrie das blicken. Die Stimme der Zentrumsarbeiter läßt sich heute Gegenteil eines sozial fühlenden menschlichen Herzens zu er­nicht mehr unterdrücken. Kriegs- und Nachkriegserlebnisse haben das Ihrige dazu beigetragen, diese schon vorhandene Entwicklung eifrig zu fördern.

Bei der Abstimmung über die politische Haltung der Partei wurde mit 2352 der abgegebenen Stimmen die Tages: ordnung Paul Faure angenommen, die, wie der Autor dieser Tagesordnung in der Begrüßung erklärte, eine Einheits. front mit den kommunisten mit dem gleichen Recht a b- Das Zentrum fann es sich nicht leisten, eine rein arbeiter­lehnt, wie eine solche mit den bürgerlichen Barteien, denn die Sozialisten dürften teine Bindungen mit anderen Parteien ein feindliche Politit zu treiben wie feine augenblicklichen Reichs­gehen. Eine von der linksstehenden Oppofition eingebrachte Tages- toalitionsgenoffen, die Deutschnationalen altpreußischer Prä­ordnung Brade- 3yromsti erhielt 747 der abgegebenen Stimmen und die von der ertremen Linfen, der Richtung Maurin, vor. geschlagene 185. Sieben stimmberechtigte Delegierte haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt, 80 waren abwesend.

gung und die Volkspartei von Gnaden der Schwerindustrie. Seine Wähler würden das auf die Dauer nicht ertragen, fo eifrig auch manche Wortführer aus dem Industriellenlager es dazu reizen mögen. Das Zentrum muß deshalb um seines