Irettag 22. �pril 1�27
Unterhaltung unö Äötssen
Seklage öss vorwärts
Erika Krause, geb. Lachmann. Von O. D u st e r b u s ch. Ganze 10 Jahre ist diese Erika Krause, geb. Lachmann, dazu ein fröhliches Ding mit lustig flackernden Augensternen, keck schnup- perndem Ueberallnäschen und dem unruhyollen Hin und Her der Spotgeborenen. Und sie heißt wirklich und recht begreiflich: Krause, geb. Lochmann. Sie selber ist der Sache spürend aus den Grund gegangen und hat in kindlich straffer Schlußfolgerung aus unaus- bleiblich zwingenden Vorgängen das einzig mögliche Ergebnis für ihr bescheidenes Eigendasein finden können. Sie kam als Erika Lachmann in die enge Well eines Ein, bettendoseins, irgendwo im Massenlager Berlins : da, wo man sich im ewig grauen Dämmerlicht unruhvoller Hofwohnungen die Lieb« zwischen Arbeitsraxerei und bleischwerer Mattigkeit wie unerlaubte Früchte aus den müden Knochen ringt. Mutter Lachmann— die nunmehr eigenlliche Krause, geb. Lachmann— macht sich noch jetzt über den Hergang bei Erika» Fleischwerdung keine süßen Illusionen. »Ha, sehn Se, Frollein, et kam natierlich. wie et kommen mußte. Ick konnte doch den ollen Krause nich alleene lassen. Als ihm sein« Zlltc durch Dot in Stich un mutterseelenalleene zurückjelassen hatte, zoch ick zu ihm und wir schmissen beede unsere Rackerei aus de Bude zusammen, und ick sorchte denn noch für det 5?äusliche. Kraus« war dabei immer heeflich zu mir. det kann ick janich anders sagen, un nannte mir vor die Leite janz in Ehren.Frollein Lachmann". Wir Hain uns denn ooch einijermoßen jut verdraren: wenn uns bloß nich immer Krausen seine jroßen Kinder dazwischen sekommen wär'n.— Na— un wie det denn so iz, Frollein— Sie wissen ja ooch Bescheed,— na ja,— un da kam uns denn eenen scheenen Dares Erika so unjerusen dazwischen. Ick war dazumal schon ziemlich an die 4S un Krause war 10 Jährekens älter, det erklärt manchet bei Erikan, und Sie derfen ihr det nicht so übel nehm, Frollein. Aber jefreit ham wir uns doch, als det kleene Wurm mit eenmal da war. Un der olle Krause ie noch mal so uffjeblieht in seine späten Daterfreuden.— Er hat mir ja ooch heiraten wolln, wenn ihm bloß sein Junge nich die Helle so heeh jemacht hätte.— Mit eenmal hat's der Jroße aber janz un jar verdorben. Et war noch immer Kriech. Der Jroße lag weit wech in» Lazarett, un wir wollten ihm doch so jerne eene Freude machen. Weil det nu billjer war. wenn ick als Krausen seine Frau fuhr, jab mir der olle Krause als seine Frau aus.— Als wir denn ankam, hat der Junge wieder nischt von mir wissen wolln un hat sein Vater sojar anjezeicht, det er mir als Frau Krausen usfcn Freifahrschein mitjenominen jehabt hat. Un al» denn Krause die Ntederträchtigkeet von seinen Jungen mit'n halbet Jahr Jefängnis wejen Urkundenfälschung jebießt hatte, da war et abjemacht, det wir heiraten wollten." Und so sollte denn eine« Tage» da» tapfer«.Frollein Lach« mann" Frau Krause werden. Erika war natürlich mit ganzem Herzen bei der Heirat. Beglückt lief sie mit der freudigen Botschaft durch Haus und Nachbarschaft, und auch die Schule nahm an dem frohen Ereignis voll teil. Ob man's wissen wollte oder nicht, jedem jubelte Erika ihr« Freude entgegen:.Ja. wir heiraten morgen. und meine Mutter heißt nachher nicht mehr Fräulein Lachmann: heißt dann Frau Krause." Und wer dann fragte:.Und du, kleine Erika?" Der bekam strahlend zur Antwort:.Ich? Ich heiß« dann Erika Krause, geb. Lachmann!"— Und sie halten auch heute noch fest zusammen, die alten Krause» und dl» spät« Erika. Die in harter Arbeit steif gewordenen Alten haben freilich nicht mehr die Schmiegsamkeit der Jungen, um mit Erika so recht geziemend umgehen zu können. Der Fabriklärm hat sie beide fast taub gemacht. Die kargen Zärtlichkeiten, die sie sich untereinander gönnen, müssen sie sich laut in die Ohren schreien, und der Reiz der Liebkosung geht auf diesem Wege manchmal vcr- loren. Abe� Erika ist das laute Schreien schon zur Gewohnheit geworden. Und sie haben sich doch von Herzen lieb, die drei so spät aneinander geratenen Menschenkinder. Rührend, wenn Vater und Mutter Krause noch spät abends mit ihrer Erika, über den Schularbeiten sitzen und wenn, wie Mutter Krause meint,.det Vorsetzen von die und da» vor die Wörter" gar nicht so recht gehen will, denn Dater Krause weiß mit dem Vorsetzen nicht so recht Bescheid.„Aber bei's Rechnen", sagt Mutter Kraus«,„da kommt et ja immer richtig bei Vätern raus", aber bloß die Methvd« ist immer so ganz anders Und Erika kann dann wieder die Methode, —„aber et kommt nich so raus wie bei Datern". Doch so ganz ohne Erfolg ist auch das Schulleben der Erika Krause, geb. Lachmann, keineswegs. Mutter Krause sagt es jedem, der es wissen will, und Erika selbst hat Mutter eines Tages di« beruhigende Gewißheit gegeben:.Bei's Diktat kommt se immer runter: aber bei's Zuspätkommen— von die andern!— kommt se immer wieder ruff." Ein prächtiges Mädel, diese Erika Kraus«, geb. Lachmann! Und nicht minder prächtig die beiden Alten, die ihr spätes Glück mit so viel Gewissenhaftigkeit und soviel erzieherischem Ernst ge» nießen! Erste öer Schule unü Erste des Lebens. Von Studienrat Dr. Erich Witte . Berlin . Kürzlich feierte die Presse in Iubiläumsartikcln zwei Genie», welche schlecht« Schüler gewesen waren, den Erfinder der elektrischen Glühlampe, des Mikrophon» und Grammophons und Inhaber von 2000 Patenten zu seinem 80. Geburtstag, und den Bahnbrecher der modernen Pädagogik zu seinem 100. Todestag. Edison wurde von seinen Eltern schon im Alter von l2 Jahren aus der Schul« ge- nommen: sie toten dies auf den Rat feine» Lehrers, der wegen seiner schlechten Leistungen der Ansicht war, daß der Knabe es in seinem Leben nie zu etwa» Ordentlichem bringen werde. P e st a- l o z z i wurde als Schij/er für«inen großen Dummkopf gehalten, machte besonders in der Rechtschreibung gering« Fortschritte und wurde von seinen Mitschülern wegen seiner geistigen Schwerfällig- keit.Heinrich Plumpsock genannt. Aehnliche Beispie'e gibt es zahlreich«. Gerhart Haupt mann , der größte deutsch « Dichter der Gegenwart, blieb in den unteren Klassen verschiedene Mal« sitzen und ging schließlich in Ouarta ab. Zola siel zweimal bei der Reiseprüsung durch, well er in den fremden Sprachen und in der französischen Sprache und Literatur, also gerade auf dem Gebiet, aus dem er später so Großes leistete, nicht genügte..Das gewöhnliche Urteil unter meinen deutschen Aufsätzen", schrieb der Dichter Wildenbruch dem Versasser dieser Zeilen,„war mittelmäßig, manchmal darunter, dar- über nie." Cr fügte aber hinzu, daß dies kein Vorwurf gegen sein« Lehrer sei, daß er vielmehr in der Tat ein schlechter Schüler war. Dieser Gegensatz zwischen den Leistungen auf der Schule und denen im Leben» erklärt sich oft daraus, daß manches Talent sich nicht früh entfaltet, weil auf dasselbe erst spät Lebensumstände. die Umgebung oder kleine Erfolge zündend wirken. Wächst nicht
Weiteres aus ernster Feit. (3n einem gegen Zrankrei» gerichteten vrohartllel begeifiert sich dl«.veuische Tageszeitung' au der chireflichen Revolution.)
vi« chinesische Revolulion spricht dem Kali Menschenwürde und Menschenrecht-zu, Mas unfern Agrariern ungeheuer sympathisch ist... Die chinesische Revolution vertritt den Gedanken der sozialen Demokratie. Ma» unsere Agrarier schon immer getan haben... Die chinesische Revolution kennt keine Ausbeulung polnischer Landarbeiter. was unsere Agrarier geradezu ia Entzücken verseht..
auch die große Eiche langsamer als eine kleine Pflanze? Bleiben nicht die Tiere um so länger im Mutterleibe, je größer sie werden? Ist nicht der Mensch, das vollkommendste lebende Wesen, in seinen ersten Lebensjahren weit weniger entwickelt als die Tiere, die sich bald sortbeweaen können? Es gibt sogar große Dichter, die erst in dem fünften Jahrzehnt ihres Lebens mit dem Dichten angefangen haben, z. B. Fritz Reuter . Der groß« englische Romauschrist- steller Richordson hat seinen ersten Roman mit S2 Iahren veröffentlicht. Oft lzat sich zwar die hervorragende Begabung schon aus d«r Schule gezeigt, sie ist aber von den Lehrern nicht erkannt worden. Die Kunst oder die Wissenschaft gehörte nicht zu den Lchrgegen- ständen der Schule. Musikalisch hervorragend begabte Kinder, die sich nur im Gesang auszeichnen, jugendliche Malertalente, die im Zeichnen sehr gut, aber in den anderen Fächern mangelhast sind, bleiben vollständig sitzen: nicht selten haben sich Knaben, aus denen später führende Geister geworden sind, aus der Schule mit ihrem Lieblingssach privatim eingehend veschästigt und gerade dadurch die anderen Lehrgegenständc vernachlösstgt. Der große Philosoph Eduard von Hart mann konnte zwar auf der Schule gut mit- kommen, empfand sie aber als drückende Last. In seiner Lebens- beschreibung erklärt er,„er sei von Obersekunda an aus systematischer Rebollion gegen den verhaßten Schulzwnng faul geworden, und weil er sein« Mußestunden für das frei haben wollte, was ihm am Herzen lag". Lassa ll c las schon frühzeitig als Schüler politische Werke, erhielt aber auf der Leipziger Handelsschule trotz seiner guten Leistungen die Bemerkung:„Er sollte noch mehr leisten." Dies« Tatsachen sind natürlich ebensowenig«in Beweis für die Reformbedürstigkeit der Schulen wie dagegen. Denn diese sind nicht für solche bestimmt, die das Mittelmay weit überragen oder tief unter demselben stehen. Für die Förderung besonderer Wissenschaft- licher und künstlerischer Talente sind die Universitäten, Hochschulen und Akademien bestimmt, für den Unterricht der Schwachbegabten aber die Hilfsschulen. Umgekehrt könnte d-ie Chronik aller Schulen von zahlreichen Schülern berichten, deren Schulleistungen lehr gute gewesen sind, di« aber nicht einmal Mittelmäßiges im Leben geleistet haben. Wegen Mangel an Mitteln, wegen Krankheit oder wegen anderer widriger Lebensumstände hat sich ihre Begabung nicht entfalten können. Sehr oft erklärt sich der Gegensatz zwischen den Leistungen der Schule und denen des Lebens auch daraus, daß in der Schule vor allen Dingen die Kenntnisse, auch die gedächtnismäßig eingeprägten. gewertet werden, bei den bedeutenden Leistungen des Lebens es aber mehr auf das ankommt, da» man aus sich selbst heraus zu schaffen vermag. L e s s i n g sagt in seiner„Hamburgischen Dra- maturgle" mit Recht:„Dem Genie ist es vergönnt, tausend Dinge nicht zu wissen, di« jeder Schulknabe weiß. Wir stehen und staunen und schlagen die Hände zusammen und rufen:„Ader wie hat«in großer Mann nicht wissen können?" Laßt uns schweig««! Wir glauben ihn zu demütigen, und wir machen uns in seinen Augen lächerlich: alle», was wir besser wissen, beweist bloß, daß wir fleißiger zur Schule gegangen sind als er: und das hatten wir leider nötig, wenn wir nicht vollkommene Dummtöpfe bleiben wollten." Aus diesen Ausführungen möge aber niemand den Schluß ziehen, schlecht« Schüler hätten größere Aussicht, im Leben etwas Bedeutendes zu leisten als gute. Rur die Unabhängigkeit der Leistungen des L«bens von denen der Schule habe ich darlegen wollen. Es gibt zahlreiche große Männer, welche gute Schüler gewesen sind. Zu ihnen gehören auch August Bebel und Karl Marx . Bebel war auf der Bürgerschule in Wetzlar einer
der besten Schüler und zeichnete sich besonders in Mathematik, Ge- schichte und Erdkunde aus. Karl Atarx bewies aus dem Gymnasium zu Trier frühzeitig seine reiche Begabung und tonnte schon mit 18 Jahren die Universität beziehen. Die völkermoröenös Zivitisation. „Die friedlichen Segnungen der Zivilisation vernichten langsam und sicher die Nolkestämme des hohen Nordens." Der durch seine Vorträge und Berichte in der Presse auch dem weiteren deutschen Publikum bekanntgewordene norwegische Polarforscher Christian Leben stellt— im Geist Rasinussens und Siesanssons— diese Behauptung in seinem bei F. A. Brockhaus erschienenen Buch über seine abenteuerliche Nordsahrt„Ueber Kiwatins Eis- selber",„Drei Jahre unter kanadischen Eskimos" unter Beweis. Im Norden Kanadas , am Westmer der Hudson-Bai, liegen die un- endlichen Eisfelder Kiwatins. Diese rauhe Natur kennt nur ein Gesetz, und dies Gesetz heißt: Kampf ums Dasein. Nur Menschen können hier leben, deren Kraft stählern, deren Gesundheit ab- gehärtet und deren Nerven in ständigem Ringen mit Eis, Meer und Polartier erprobt sind. Die Kleidung der Eskimos war des- halb weit und luftig, sie ließ einen Teil des Oberschenkels und den Hals frei, um der kalten Luft ungehindert Zutritt zum Körper zu geben. Bevor die Zirülisation kam, benutzter» die Eskimos ihre dumpfen, warmen Winterhäuser nur von Winters Ansang bis zum Ende der dunkelsten»nd kältesten Jahreszeit. Im Frühling, im Sommer wurde das Dach abgedeckt, und die Luft vollbrachte ihr reinigendes Werk, während der Eskimo im Schlitten über Land zog. Mit Messer. Speer und Harpune trat er Eisbär, Walroß und Wal entgegen. Dann kamen die Weißen, die dein Eskimo nahe- legten, seine ihrer Zlnsicht nach mangelhaste Bekleidung zu vervoll- ständigen, seine Blößen zu bedecken, feste Wohnsitze anzunehmen und mit Feuerwaffen zu jagen. Jetzt sind die einst so kräftigen Leute mit Lungentuberkulose verseucht: ihre Dauerwobnungon wurden zu Brutstätten der von den weißen Männern eingeschleppte» Bakterien und Krankheiten— sie selbst starren vor Schmutz, Un- gezieser und Hautausschlägen: ihre neue europäische Kleidung bedeckt zwar alle Blößen, aber die Lust kann nicht mehr das Rcinigungs- werk verrichten— Hunger und Armut verringern beständig di« Zahl der Eskimos: sie haben mit ihren Feucrwasfon auf weiten Strecken des Landes alles Wild versaot oder getötet.„Hilfloses Proletariat, das weder die eine noch die andere Kultur besitzt", nennt sie Leben. Darum zog er weiter nordwärts zu den Netschillik-, Eivillik-, Kap-Pork-, Karnermiut-Eskimos und anderen Stammen, die nach Teile ihrer alten Lebensart vor der eindringenden Zivilisation ge- rettet haben. Mit einer Unmasse Geväck, wissenschastlichen Instrumenten und einer„Schiffsladung Schwiegermütter" sticht er im offenen Boot in Se«. Schon Tage darnach wird das Boot i» einem rasenden Orkan zerschmettert. Rur mit Mühe können sich die Insassen retten. Auf der schillernden Weite des nordischen Eises sieht der Forscher schon alle seine glänzenden Hoffnungen gescheitert, und Todessehnsucht beschleicht ihn. Doch die ermatteten Lebens- kräfte beginnen sich wieder zu regen. In furchtbarer Kälte und dichtem Schneegestöber zieht die kleine mutige Schar ins Ungewisse hinaus, dem Tode oder dem Leben entgegen. Menschcn und Hund« sind bald am Verenden. Die Menschen liege» schlaff und erschöpft aus dem Boden,„die Hunde heulen schauerlich vor Hunger und Frost— es klingt gräßlich, wie menschliche Schmerzens- schreie.... Ich habe mein Testament gemacht, iH habe keine Hossirung mehr.„." Doch Laden Hot Glück im Unglück. Cr erreicht nach vielen Leiden und Abenteuer» die Station, die er vor Wachen verlassen hat.— Ungebrochenen Mutes setzt er die Weiter- reise fort:«r besucht die Inlandeskimos am Großen Binnensee, deren Leben und Sitten er eingehend studiert. Von hier bricht er nach dem Rankin- und dem Chestersield-Fjord auf. Die Chestersield- Eskimos gehören zu denen, die sich noch am reinsten ihre alte Lebensart und Kultur bewahrt baden. Hier loa einst auch die An- siedlung eines blühenden Volke stsnlines. der Sadlermiut, die im einsamen Norden verschollen sind. Ein Geheimnis liegt über ihrem Schicksal, niemand weiß, ob sie an Hunger, einer europäische» Seuche oder an Inzucht zugrunde gingen. Noch mehrmals gerät „der junge Normeger, der freiwillig dem Tode entgegenging", in Gefahr.„Es geht ums Leben", überschreibt er diese» svannendfie Kapitel seiner Abenteuer, die den äußeren Rahmen des Buches ab- geben. Fesselnde Beobachtungen»her das Leben der Eskimos, ihre alte Kultur, ihre Hygiene, ihre Religion, Aberglauben. Jagd- und Ramadenfahrten fülle» ihn. Aber was noch niemand vor ibm getan hat: Leden hat die Musik der Eskimos erforscht und im Pbonogramm festaehalten! Das Werk bringt eine Reihe Roten- beispicle, die des Interesses aller Musikfreunde sicher sind.
Oer eiserne Weg üurch ÜZe Nordsee . Die Nordseeinsel Sylt ist um eine Sehenswürdigkeit, um ein technisches Wunderwerk reicher geworden. Gerad« um die Oster. zeit dieses Jahres wurde der gewaltige, fast 12 Kilometer längs Bahndamm vollendet, der die Insel mit dem Fesrlando verblichet. Aus hochg«bsrteten Gleisen braust heute der Eiiscichahnzug mitten durch die Nordsee . Die jagenden, vom Sturm gepeitschten Wellen können ihm nichts anhaben Genau genommen ist die langgestreckte Insel heute ein Stück des Festlandes. Der Bahndamm führe von K l a n x b ü l l hinüber nach der Spitze der sich in westlicher Richtung erstreckenden Landzunge, die Sylt das geographisch charakteristische Aussehen verleiht. Der Bahndamm ist eine indirekte Folge des Bcrsailler Vertrages, durch den ehemals deutsches Gebiet an Däne- mark abgetreten werden mußte. Die Bewohner der Insel, die zum weitaus� grüßten Teil vom Fremdenverkehr leben, fühlten sich i» ihrem Erwerb bedroht, weil der Strom der Reisenden wegen der Paß- und Zollschwierigkcitcn erheblich zurückgegangen war. Sa entschloß man sich dazu, eine direkte Verbindung mit dem deutsche» Festland« zu schaffen, die zwar eine Auswendung von 20 Millionen Mark erforderte, sich aber im Lause der Jahre durchaus bezahlt machen wird. Der Bahndamm ist ein technisches Riesenwerk, das sich die Be- achtung oller Fachleute erzwungen hat. Nicht weniger als 3 200 000 Kubikmeter Erde mußten aufgeschüttet. 300 000 Tonnen Steine zur Befestigung herbeigeschafft werden. Man streckte zunächst eine Spundwanid zwischen dem Festland«»nd der Lnset und rammte auf einer 12 Kilometer langen Strecke Viabl neben Pfahl. Auf diesem Mimaturdamm, dessen Errichtung sechst schon eine erhebliche Leistung war, leate man die Gleise einer Kleinbahn an, die nun in zäher Arbeit Geroll- und Sckuttmassen heranführte und aus den Grund des Meeres stürzte. Gleichzeitig saugten Bagger Sand- mengen aus dem Meere heraus und drückten sie durch lange, schwimmende Rohrleitungen hindurch. Etwa ö0 Meter nördlich der Spundwand hatte man aus Psählen und Flechtwerk einen neuen Grenzwall geschaffen. In das dadurch entstandene nRett schütteten die Rohrleitungen den Baggersand so, daß immer 85 Kubikmeter einen Meter Dammbreite deckten. Dann erst kam der von der Klein- bahn heraygeführte Trockenboden, bis der ganze Damm etwa zehn Meter hoch war und selbst bei Hachwasserstand nnh sechs Meter über die Wogen ragte. In der Znsjlchenzeit aber Vjefte man bei Linz am Rhein gewaltige Basoltblöckc gebrochen. Mit einem Mantel von Baial: wurde der Sand de» Dammes gegen den Ansturm von Meee. Regen und Wind gepanzert. Darüber brachte man wasser- dichte Tonschichten an und ganz zuletzt säte man Rasen. Ueber diesem von Gras und Blumen durchsetzten Untergründe fährt nun der Zug, der Sylt mit dem Festlande vereinigt.