Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Str. 19144. Jahrgang

10 Pfennig

Sonnabend

= Vorwärts=

Ausgabe B Nr. 94

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife

find in der Morgenausgabe angegeben

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3

Fernsprecher: Dönhoff 292- 292

Zel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner

Volksblaff

23. April 1927

Berlag und Anzeigenabteilungs Gefchäftszett bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Fernsprecher: Dönhoff 292-292

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Pleitegeier über Japan .

Gewaltige Zusammenbrüche.- Moratorium.- Vergleich

mit Deutschland .

Moskauer Einflüsse in China .

Cindenstraße 3

Daß ein Land von einer jähen Wirtschaftskrise erfaßt Renter veröffentlicht die in der Pekinger Botschaft beschlagnahmten Urkunden.

wird, ist trotz der starken Verflechtung der Weltwirtschaft nicht sonderlich aufregend. Die Krise gehört nun einmal zum Kapitalismus wie das Amen zum Vaterunser. Höchstens Spezialisten und Fachzeitschriften können sich daher ein­gehend mit den zahlreichen fleinen und größeren Krachs be­faffen, die in den mehr als 60 Staaten der modernen Welt und den großen Kolonialländern bei jeder Krise vorkommen. Was sich jedoch in Japan abspielte, war eine Finanz­tatastrophe großen Stils, die auf dem Boden einer protektionistischen Wirtschaftspolitik erwuchs und endete- bisher mit einem Regierungswechsel, einer all­gemeinen Schließung der Börsen auf zwei Tage, einem staat­lich angeordneten 3ahlungsaufschub von drei Wochen. Niemand kann noch die abschließende Bilanz aus dem Wirr­warr ziehen. Hunderte von Millionen Goldmark find offenbar verloren, die Notenpresse mußte mit Milliardenbeträgen zur Beruhigung der erregten Gläubiger herhalten, die feit Tagen die Bankschalter beftürmen. Freilich die japa­ nische Währung hat unter dieser Finanzkatastrophe kaum gelitten. Der Yen hat nur geringe Kurseinbußen und notiert in Berlin noch jetzt mit über zwei Mark um wenige Pfennige niedriger als vor zwei Wochen. Man weiß jedoch, oder ver­mutet mit großer Aussicht auf Wahrscheinlichkeit, daß die neugebildete Regierung Tanafa mit den Notenbanken ein Abkommen getroffen hat, wonach die Währung durch Devisenverkäufe im Ausland gestützt wird. Wer die gleiche Praxis aus dem von Havenstein in Deutschland während des Ruhrkriegs angewandten System in Erinnerung hat, der tennt noch die Folgen solcher Rursregulierungen: die wahre Lage wird verschleiert. Und so trägt auch das japanische Regierungsmanöver dazu bei, das Bild der Situation noch zu trüben, anstatt es zu klären.

den

wenn dieser sich zu den von Sunjatsen aufgestellten nationalen Grundsätzen bekenne. 3. Er wird die für die Nankinger Zwischen­fälle verantwortlichen Bersonen bestrafen und Genugtuung geben durch Entschädigung der Opfer bzw. ihrer Hinterbliebenen. Im übrigen betonte Tschiangfaischet, daß er gegen die bolsche= wistischen Elemente in seinem Heere energisch vorgehen werde; der russische General Gallen sei bereits geflüchtet, gegen Borobin habe er einen Haftbefehl erlassen.

London , 23. April. ( WTB.) Times" meldet aus Befing:| bereit, sich mit Marschall Tschangtsolin zu verständigen, Dokumente, die in den Sowjetgebäuden entdeckt wurden und über deren Echtheit nicht der geringste Zweifel bestehen kann, zeigen, wie eng Moskau mit der Kantonbewegung verbunden ist. Der Be­richterstatter führt u. a. folgenden vom 22. Februar 1927 datierten Brief des Schatzmeisters der Sowjetbotschaft in Beting an bolichemistischen General bei den Kantonesen, Galens , an. Dieser bejagt: Die Botschaft hat Ihnen durch Kurier 13 324 Golddollar in Begleichung Ihrer Bezüge für Januar und Februar gesandt. Ihr Märzgehalt wird Ihnen mit nächstem Kurier übermittelt werden. Am 15. Februar hat die Botschaft 10 000 Dollar an die Familie Borodins überwiesen und eine weitere Summe von Die Räuberbande der mexikanischen Kirche. 1000. Wir haben soeben ein Schreiben Borodins erhalten, be­sagend, daß Sie diesen Betrag zurückbehalten haben. wahr? Bitte antworten Sie gleich."

Ist dies

Moskau bezahlte eine Revolte gegen Tichangfolin. Peking , 23. April. ( Reuter.) Gestern abend wurde hier eine von den chinesischen Polizeibeamten in der Sowjetbotschaft beschlag nahmte Urkunde veröffentlicht, aus welcher hervorgeht, daß Ruojunglin, einer der Untergenerale Tschangtfolins, von der Sowjetregierung 400 000 Dollar als Belohnung seiner Em­pörung gegen feinen Borgesetzten im Jahre 1925 erhalten hatte und nach der endgültigen Beseitigung Tschangtfolins einen weiteren Betrag bekommen sollte.( Wie erinnerlich, wurde nach anfänglichen Erfolgen Kuosunglin gefangengenommen und hingerichtet.)

"

Absage des Generalstreifs.

Hongkong , 23. April. ( WTB.) Die Kantonregierung hat den Arbeitern befohlen, dem Generalstreitbefehl der Allgemeinen Ar­beiterunion nicht nachzukommen. Der Streit mußte daher für heute vormittag 10 Uhr abgesagt werden.

Die Politik Tschiangkaischeks.

Der Hergang der großen Wirtschafts- und Finanzkrise läßt auch andere interessante Vergleiche zu. Mit zäher Ener­Paris, 23. April. ( WTB.) Der Sonderberichterstatter des gie hat das japanische Volk die Umwandlung vom Agrar­zum Industriestaat vollzogen und ist innerhalb weniger Jahr- Petit Parifien" in Schanghai hat von General Tschiangtaischek Er­zehnte nicht nur zur politischen, sondern auch zur induflärungen über die von ihm geplante Politik erhalten. Tschiang­striellen Groß macht im fernen Osten geworden. Nach taischef vertritt darin folgende brei Grundfäße: 1. Er hofft, dem Weltkriege, den es ohne Einsatz wesentlicher Opfer mit daß die Mächte dem chinesischen, vom Bolschewismus befreiten gutem Gewinn überstanden hatte, erfolgte der Rückschlag zu Rationalismus ihre Unterstützung nicht versagen werden. 2. Er ist nächst mit der Weltwirtschaftskrise von 1920/21, dann mit der gewaltigen Erdbebenfatastrophe im September 1923, die dem Bolt wie seinem Staat und seiner Wirtschaft schwere Wunden schlug. Zur Tilgung der angewachsenen Staatsschulden und zur Sanierung seiner Finanzen befann sich Japan auf das altbeliebte Mittel der selbstgenügsamen Wirtschaftspolitik: Erzeugung für den eigenen Bedarf unter Ausschaltung

Die Urheber des Zugüberfalls entlarvt. Megito, 23. April. ( WTB.) Wie die Regierung offiziell bekannt gibt, wurden in der Nähe von Dondiego, einer Stadt in Guanajuato dreizehn Mitglieder der Räuberbande, die vor einigen Tagen einen Eisenbahnzug überfallen hatte, getötet und drei ge­fangen genommen. In der Veröffentlichung der Regierung werden die Räuber als t atholische Extremist en" bezeichnet. Re­gierungstruppen fetzen die Berfolgung der Aufständischen fort, die von einem früheren General Gallegos Desci geführt werden.

merito, 23. April. ( WTB.) Der Erzbischof von Merito und zwei Erzbischöfe fowie fünf Bischöfe wurden auf Ver­fügung der Regierung ausgewiesen. In politischen Kreisen wird hervorgehoben, daß die Ausweisung erfolgt ist, weil der Epistopat Aufstände begünstige und damit für den Ueber­fall auf den Eisenbahnzug verantwortlich sei, an dem Vertreter der Ciga für religiöse Freiheit sich als Anführer beteiligt hätten.

Daß die aufständische katholische Kirche an dem grauenhaften Zugüberfall beteiligt ist, wurde bereits durch die Erklärung eines Bischofs bestätigt. Dieser bestritt mur, daß, wenn katholische Priester an dem Raubüberfall beteiligt seien, sie nicht auf Befehl des Episkopates gehandelt hätten". Damit ist also auch von fatho­lischer Seite zugegeben, daß Angehörige der Kirche sich an einem gemeinen Massenmord beteiligt haben. Wir werden auf den barbarischen Kampf der Kirche gegen den Staat in Merito noch aus­führlich zurückommen.

Die legale Putschtheorie.

der fremben Konkurrenz. Diese neuerdings von den Sodenstern im Verhör. - Die putschistischen Kampfverbände als Fluchtverbände.

deutschen Hochschutzöllnern bei uns wieder aufgestellte Parole mußte herhalten, um den Wiederaufbau auf Kosten der breiten Volksmassen rasch finanzieren zu können. Und es schien auch, als ob es glüden sollte. Zwar gab es Rückschläge; doch die gingen vorüber, ohne allzu viele Spuren zu hinterlassen. Erst viel später erfannte man, daß unter der Oberfläche sich Rrantheitserscheinungen angesammelt hatten, die durchbrechen mußten, sobald die Lage am Geldmarkt sich zu

spizte.

Das trat am 15. März d. J. ein, als die Schwierigkeiten der Banken so offenkundig wurden, daß die Regierung selbst mit besorgten Erklärungen vor das Parlament trat. Darauf hin stellten die für ihr Geld fürchtenden Banken die Gewährung von Krediten ein. Das erste Opfer wurde der Suzuki Ronzern, ein gewaltiges Handels- und Industrieunter­nehmen mit Umfäßen, die weit über eine Milliarde Mart jährlich betrugen und die sich auf fast alle Welthandelsartikel, von Getreide und Baumwolle bis zu Tabak und Metallen erstreckten. Dieser Konzern, der nicht weniger als etwa dreißig industrielle Tochtergesellschaften besigt, war schon seit langem verschuldet, hatte sich aber dank der Wechselkredite der Notenbank Formosas von Taiwan immer wieder über Malfer gehalten. Jezt brach infolge der Kreditbeschränkungen der Riesentonzern mit einem Schlage zusammen. Ein verantwortliches Kapital, das einschließlich der Be teiligungen an arderen Unternehmungen fich auf rund eine halbe Milliarde Goldmart belaufen dürfte, war bedroht. Ungeheuer aber waren die Wirkungen auf die Glaubigerbanken und auf die mittelbar interessierten Kreife. Ein panifartiter Ansturm der Bankengläubiger auf die Kassen setzte ein. Die Regierung mußte, nachdem eine ganze Reihe von Kreditinstituten die Zahlungen eingestellt hatte, mit Ausnahmevorschüssen", also ungedeckten oder nur teilweise gededten Krediten einspringen, um die Banik einzudämmen. Das Moratorium, das jetzt auf 21 Tage verhängt wurde, betrifft alle größeren Zahlungen mit Aus­nahme der Löhne, der kleinen Banteinlagen und der Schulden der Lokalbehörden. Wieviel nun endgültig verloren ist, wird sich erst später übersehen lassen. Sicher scheint, daß der Betrag mehrere Hundert Millionen Den( doppelt soviel Mart) betragen wird, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, die den übrigen Beteiligten, der Regierung vor allem aus der überhafteten Kreditgewährung und der übereilten Noten­ausgabe ermachsen müssen.

Das ganze Bild des Zusammenbruchs erinnert peinlich an die Borgänge, die die Ratastrophe des größten

Den Auftakt der Sigung bildet eine Räubergeschichte, mit der

nach es sich lediglich bei den Besprechungen gehandelt habe um die Frage,

wie man sich im Falle eines fommunistisches Putsches verhalten und die Mitglieder der vaterländischen Verbände in Sicherheit bringen könne.

rungen in dieser Form für ihn durchaus unerwünscht" gewesen sei. Die Briefe, in denen Sodenstern angibt, den Inhalt der

E. K. Ceipzig, 23. April. ( Eigener Drahtbericht.) sterns, dessen Zeugenvernehmung mehrere Stunden beansprucht. Die heutige Vormittagssigung steht im Zeichen des Soden Senatspräsident Niedner allerdings scheint nicht mehr einen Prozeß gegen Wiring und Olympia , sondern einen Prozeß gegen den Zeugen Käsehage zu führen. Er bringt das rein äußerlich schon dadurch zum Ausdruck, daß er bei der Konfrontierung Goden Dabei erklärt er aber, daß auch ein Bekanntwerden seiner Aeuße ftern mit Herrn Käsehage diesen daher ohne Herrn" anredet. die Berteidigung offenbar Sensation machen will. Sie stellt einen Beweisantrag, daß im November 1923 der damalige Chef des Landespolizeiamtes Genosse Grzesinski durch zwei Geheimpolizisten 20000 Stück Infanteriemunition nach Kassel geschickt habe, wo Scheidemann die Sendung in Empfang genommen habe. Ministerial­rat Schönuer bittet, den Antrag als gänzlich unerheblich abzulehnen, fragt im übrigen, ob die Verteidigung behaupten wolle, daß diese Munitionssendung, falls fie überhaupt geschehen wäre, zu umſtürz­erischen Zwecken erfolgt sei. Auch hier ist auffällig, wie Herr Niedner die Wikinganwälte breiteste Ausführung machen läßt, während er den Vertretern der preußischen Regierung bei jeder Ge­legenheit das Wort abschneidet.

Nunmehr wird der Zeuge v. Sodenstern vernommen. Er ist Redakteur der Deutschen Zeitung" und war Bezirksleiter des

Bitingbundes für Berlin und Brandenburg . Er ist ein kleines männchen, mit einem beinahe mongolisch anmutenden Gesicht, dessen Büge nach allem anderen als nach germanischer Raffereinheit aus­lehen. Sodenstern bestreitet selbstverständlich, die Ausführungen ge­macht zu haben, die der Zeuge Käsehage zu Protokoll gegeben hat. Er beruft sich auf seine Darstellung in der Deutschen Zeitung", wo­

deutschen Inflationsfonzerns begleiteten. 3mar hatte die deutsche Regierung feine ,, Erdbebenwechsel" gegeben. Aber sie hatte es noch im Jahre 1924 vorgezogen, der ge­famten Ruhrindustrie ohne Gegenleistung über 700 Millionen Mart zuzuwenden. Diese unmittelbare Subvention bewirkte, daß der Stinnes - Konzern bei seinem Zusammenbruch dem Reich gegenüber teine Schulden hatte. Auch sein Ende fiel in die Zeit großer Geldknappheit, der die Banten zu einer Revision in der Kreditgemährung zwang. Und nicht anders wie die Suzuki- Gruppe in Japan , so versant der Riefenbau des Stinnes- Konzerns unter großen Bermögens­verluften für die ihm nahestehenden Geld- und Kreditgeber. Staatliche Subvention, Hochschutzzollmaßnahmen, Lohndrud,

|

Mahraunschen Denkschrift zu kennen und in denen er nicht die Aeußerung bestreitet, die ihm teils in den Mund gelegt wird, sondern vielmehr bestätigt, erklärt Herr v. Sodenstern auf sehr eigenartige Weise: Er habe den Inhalt der Denkschrift nicht ge fannt, aber fennen lernen wollen.

Da ihm das trotz seiner vorzüglichen Beziehungen zum Reichs­wehrministerium( ein Bruder des Herrn v. Sodenstern ist dort tätig!) nicht geglüdt sei, habe er in dem Brief den Anschein erweden wollen, als fenne er die Denkschrift,

damit die Empfänger ihm ohne weiteres den Inhalt der Denkschrift

verrieten.

Gegenüberstellung Käsehage- Sodenstern.

Aeußerst lebhaft gestaltet sich die Gegenüberstellung

zwischen Käsehage und Sodenstern. Auch diesmal wollen die vielfältigen Versuche Niedners, den Zeugen Käsehage zum Umfall zu bringen, nicht glücken. Noch einmal schildert Käse­hage äußerst drastisch den Terrorismus, der von den Bater­ländischen auf ihn ausgeübt worden ist und der der Grund seiner

hohe Preise- feines dieser bewährten Mittel kapitalistischer Wirtschaftspolitik gegen die Fehler eigener Wirtschaftsführung wirfte mehr. Nur daß im Falle Stinnes die deutschen Groß­banken sich rechtzeitig genug zurückgezogen hatten, um sich später aus der großen Bermögensmasse einigermaßen schad­los halten zu können.

Wie die Riesenpleite in Japan endigen wird, wie große volts- und staatswirtschaftliche Verluste sie bringt, kann man nicht übersehen. Das jedoch zeigt sie auch dem entfernt stehenden Beobachter: wie innerlich morsch ein Wirt­fchaftssystem ist, das trop weitgehender staatlicher Hilfe derartige Zusammenbrüche unvermeidlich macht und dessen Fäulnis in allen Leilen der Welt zutage tritt.