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Str. 19244. Jahrg. Ausgabe A nr. 98

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Sonntag, den 24. April 1927

Maiprotest gegen die Reaktion!

Arbeiter, Angestellte!

In diesem Jahre fällt der 1. Mai în eine Zeit, in der es notwendiger ist als je, für die Forderungen einzutreten, für die die Arbeiter aller Länder seit Jahrzehnten an diesem Tage demonstrieren.

Weltenfriede und Völkerverständigung, Ausbau des Arbeiterschuhes, insbesondere die gesetz. liche Festlegung des Achtstundentages, das sind die Punkte, für die wir am 1. Mai stets unsere Stimme erhoben

haben.

Es hat zeitweilig gefchienen, als sei es nicht mehr so not. wendig wie vordem, für diese Forderungen einzutreten.

Das waren die ersten Jahre nach dem Weltkrieg, wo dessen Krzisen wieder vergessen worden. Reaktion und Faschismus erheben ihr Haupt, und wenn die wirtschaftlichen Notwendig­keiten und die Arbeiterbewegung nicht stärker wären, würde das nationalistische Landsknechtstum überall triumphieren. Das hieße, die Fadel des Weltkriegs erneut zwischen die Völker schleuden.

Und überall, wo die Reaktion herrscht, bedeutet fiz Unterdrückung der Massen und Ausbeutung der Arbeitersa; aft.

Bei uns in Deutschland   ist die Arbeiterbewegung zu start und damit die Hemmniffe zu groß, als daß die Reaktion es wagen fönnte, fich ausleben zu wollen. Aber auch bei

uns heißt es, auf dem Poften zu sein. Der vom Reichs­ präsidenten   gewollte Bejigbürgerblod regiert. Und wenn er aud) notgedrungen auf dem Gebiete der auswärtigen Politik Berständigungspolitik treibt, so versucht er doch zu­gleich auf dem Gebiete der Innenpolitik das Rad rückwärts zu drehen.

Das zeigen mit aller Deutlichkeit die Berhandlungen des Reichstages in den letzten Wochen, als es galt, durch das Arbeitszeitnotgesetz den Achtstundentag zu sichern und die Arbeitszeitnotgesetz den Achtstundentag zu sichern und die Bersprechungen der Regierungserklärung über den Ausbau der Sozialpolitik wahr zu machen.

Der Achtstundentag ist nicht gesichert worden und von allen Posten des Etats waren es nur die sozial­politischen, die Abstriche erfahren mußten. Unternehmer. So fritt an die Stelle des Arbeiterschuhes der Schutz der

So sehen die Zeichen der Zeit aus. Das muß alle Ar­beitenden mahnen, feft zusammenzustehen zur Wahrung ihrer Interessen.

Und das muß am 1. Mai zum Ausdrud kommen in der Beteiligung an dem Aufmarsch der Arbeiterschaft. Arbeiter, Angestellte! Demonstriert am 1. Mai! Es handelt sich um die Bertretung hoher Jdeale und praktischer Ziele.

Allgemeiner freier Angestelltenbund. Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund  .

Wahltag in Deutschösterreich.

Das ständige Wachstum der Sozialdemokratie.

von Reichsbanner und Republikanischem Schutzbund ausgearbeitet. weiter wird eine direkte Berbindung zwischen den tschechischen soz alistischen Organisationen und dem Reichsbanner behauptet und daß das Reichsbanner im Besitz von Waffen und Waffenlagern sei. Die Tag"-Meldung ist von Anfang bis zu Ende aus den Fingern gesogen.

Der heutige Tag entscheidet wieder auf vier Jahre über| Körner und Schneller hätten Pläne für das Zusammenwirken die Zusammensehung des Nationalrats, mehrerer Landtage und Gemeindevertretungen Deutschösterreichs, vor allem auch über den Gemeinderat, zugleich Landtag der Hauptstadi Wien  , die als eigenes Bundesland der Gemeinde­ratsmehrheit die Freiheit gewährt, ihre Steuern festzusetzen und ihre Einnahmen zu verwenden, ohne daß die Bundes­regierung viel hineinreden fönnte. Das heißt im gegebenen Falle, die kapitalistische Reaktion ist gefeßlich nicht in der Lage, das sozialistische Wiederaufbau- und Reformwerk der roten Rathausmehrheit zu hindern.

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Bei den letzten Parlamentswahlen in Altösterreich, es war 1911, errang die Sozialdemokratie 18 von den 33 Man­daten Wiens   und damit die Mehrheit in der Hauptstadt. Aber erst der Umsturz- der übrigens in Deutschösterreich nicht einen einzigen Tag Parlamentslosigkeit, also Diktatur, ge bracht hat beseitigte das schändliche Klaffenwahlrecht auch in der Gemeinde, das die Christlichsozialen bis zuletzt frampf­haft festgehalten haben. Das demokratische Wahlrecht gab der Sozialdemokratie sofort die Rathausmehrheit. Wie unsere vorbildliche Wiener   Organisation den jezigen Wahlkampf ge­führt hat. schildert unser dorthin entsandter Berichterstatter an anderer Stelle dieses Blattes.

Deutschösterreich zerfällt für die Nationalrats. wahl in 23 Wahlkreise. 1923 wurden gewählt: 82 Christ­lichsoziale, 68 Sozialdemokraten, 10 Großdeutsche und 5 Land­bündler. Im ganzen sind 165 Mitglieder zu wählen. Rest­stimmen, die nach der ersten Ermittlung der den einzelnen Listen zufallenden Mandate verbleiben, werden in einem späteren zweiten Ermittlungsverfahren berücksichtigt. Bur Erlangung der Mehrheit im Nationalrat müßte die So­zialdemokratie gegen 350 000 Stimmen gewinnen.

Die Wahllüge über das Reichsbanner. Magdeburg  , 23. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Bundes­vorstand des Reichsbanners Schwarz- Rot- Bold teilt mit: Die Berliner  Hugenberg- Beitung Der Tag" veröffentlichte am Sonnabend in fenfationeller Aufmachung eine Meldung über rate Butschpläne in Desterreich. Es wird u. a. behauptet, ber Sekretär des Republikani  schen Schutzbundes Heinz Wien sei beauftragt worden, sich mit Oberpräsident Hörfing über die Heranziehung des Reichsbanners zu Abwehr maßnahmen zu verständigen, und diese Berständigung fei erfolgt. Ferner wird behauptet, die österreichischen Generäle a. D.

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Regierungskrise in Litauen  .

Die christlichen Demokraten verlassen die Putschregierung. Kowno  , 23. April.  ( WIB.) Finanzminiffer Karvelis und Kultusminister Briftras, die der chriftlich- demokratischen Partei an­gehören, und Verkehrsminister Jankewitschius von der Landwirie. partei haben ihren Rüdtritt erklärt. Es wird voraussichtlich folgendes neue Kabinett gebildet werden: Premierminister und Finanzen Tubelis( Partei Tautininkai), Kultusminiffer Ing. Schafenis ( Tautininkai). Verkehrsminister 3ng. Bileiichis, der Tautinintal nahestehend. Die übrigen Minister würden im Kabinett verbleiben. Es verlautet, daß die Christlich- Demokraten in die Oppofition gehen werden.

Pilsudskis Presseknebel. Werkzeug der Wahlmache.

Warschau  , den 23. April.  ( Eig. Drahtbericht.) Der Minister rat hat beschlossen, ein neues Preßgesetz als Defret des Staats­präsidenten zu erlaffen. Die Regierung war bereits vor Monaten so vorgegangen, aber diese Knebelung der Preise hatte der Sejm  nach furzem Bestand aufgehoben. Das neue Gesez sollte unter Mitarbeit von Vertretern der Journalistenverbände ausgearbeitet werden und gegenüber dem vorigen weit liberalere Bestimmungen enthalten. Wie jezt bekannt wird, ist das neue Gesez seinem Vor­gänger völlig gleich. Da eine baldige Einberufung des Sejm  , ber das Defret außer Kraft segen tann, taum bevorsteht, so ist für die nächste Seit wieder mit vollständiger Breffetnebelung zu rechnen, so daß die Regierung allerlei machen fann, was die fommenden Gemeinde- und Barlamentswahlen stark beeinflussen könnte. Der Gemeinde- und Barlamentswahlen stark beeinflussen könnte. Der antidemokratische Charatter der Regierung Bilsudsti, der sich immer mehr einer Dittatur nähert, die auf eine parlamentarische Deforation mur aus taftischen Gründen nicht | verzichtet, tommt in dem neuen Gesetz ganz deutlich zum Vorschein.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedkonto: Berlin   37 538 Banktonto: Bant ber Arbeiter, Angestellten und Beamten. Wallstr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Devaktentaffe Lindenkr. 3.

Flucht vor der Wahrheit.

Vaterländische Ausreiserverbände?

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Wer über die nationalen Wehrverbände nichts weiter müßte, als was ihre Führer am Sonnabend im Witing Olympia Prozeß ausgesagt haben, der er hielte etwa folgenden Eindrud: ein zitterndes Häuflein wehr­loser Lämmer, geplagt von ständiger Angst vor den schreck­fichen blutdürftigen Kommunisten, Tag und Nacht über dem Problem grübelnd, wie man vor dieser wilden Rotte im Ernstfalle durch rascheste Flucht aus Berlin   das eigene kostbare

Leben rette!

Tatsächlich! So und nicht anders haben die v. Lud, und Schneiber in gut eingelernten, wörtlich fast überein­v. Sodenstern, v. Knauer, v. Stephani, v. Hugo stimmenden Zeugenaussagen" den Zwed ihrer geheimen Be­sprechungen zu Beginn des Jahres 1926 dem Staatsgerichts­hof dargestellt. In der Not frißt der Teufel Fliegen, und ein echt nationaler Mann stellt sich lieber der Deffentlichkeit als zitternde Memme dar, ehe er zugibt, hochverräterische Dif­taturpläne geschmiedet zu haben.

Militärische Ausbildung der Wiking- und Olympia- Mit­glieder? Wahnsinn, völlig zwedlose Spielerei, unnüße Kraft­vergeudung- so überbieten die zu Verbandsführern gewordenen ausrangierten Obersten und Majore einander mit pathetischen Beteuerungen. Wir als Militärs wissen doch am besten, daß 3ivilisten durch ein paar Felddienst­übungen feine brauchbaren Soldaten werden."

Frontkämpferbund" für eine schier fürchterliche Macht, der Aber dieselben Sachverständigen erklären den Roten gegenüber die disziplinierten Kräfte der Reichswehr   und Schußpolizei glatt versagen würden.

,, Nichts mar geplant als die Rettung unserer wehrlosen Mitglieder bei dem sicher. bevorstehenden Kommunistenputsch." Bitte, wann ist denn nun der Butsch ausgebrochen, wann hat die Schußpolizei versagt? Ist nicht der Rote Frontkämpfertag zu Pfingsten 1926 völlig ruhig Dorübergegangen, der den gefürchteten roten Klamaut ( Ausdruck Lucks) mit Sicherheit bringen sollte? Berlegenes Schweigen. Wir haben halt an den bevorstehenden Kom­munistenputsch fest geglaubt."

Warum gingen Sie nicht die Polizei um Schug an?" Wir hatten fein Vertrauen zu ihr."- ,, hat nicht Major v. Stephani, der Leiter des Berliner   Stahlhelms, bei zwei Gelegenheiten im Jahre 1926 und 1927 der Berliner   Polizei schriftlich für den musterhaften Schuh von Stahlhelmperanstaltungen gedanft?" Der Zeuge v. Stephani muß es fleinlaut zugeben.

Hinter der verächtlichen Feigheitspose der Bater­ländischen aber verbirgt sich ihr wahres Gesicht. Wir über­schätzen den Heldenmut der Wiking- und Olympia- Leute feineswegs. Aber so feige, wie sie heute erscheinen möchten, Damit man die wahren Biele ihrer Aufmarschpläne und Be­sprechungen nicht erkenne, waren sie denn doch nicht. Der ,, Kommunistenputsch", von dem die Herren so gut wie wir wissen, daß er 1926 nur in ihrer Phantasie be­stand, falls sie nicht selber ihn provozierten( siehe die Bekun­dung des Zeugen Käsehage) diefer Kommunistenputsch follte nur der Vorwand sein, um über Artikel 48 der Ver­faffung zur ,, nationalen Diftatur" zu gelangen.

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Deshalb maren die Provokationspläne Sodensterns, der Aufmarschplan Knauers auch nur ein Teil des Programms. Der andere noch geheimere Teil fonzentrierte sich auf die Berson des Reichspräsidenten v. Hindenburg  . nur wenn der dazu gewonnen wurde, auf Grund des Ar­titels 48 den Belagerungszustand zu verhängen, den Reichstag aufzulösen und die Diktatur zu errichten, konnte der auf Ab­wehr eines provozierten Kommunistenputsches aufgebaute Plan glücken.

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Sodenstern hat dieses Programm als ,, Theorie", aber praktisch deutlich greifbar dargelegt. Der Reichspräsident foll wohl zunächst( noch scheinbar verfassungstreu) Neuwahlen ausschreiben, aber den neuen Reichstag wieder auseinander­jagen und da dies verfassungsrechtlich zulässig ist- ein­fach die entgegenstehenden Verfassungsartikel und so nach und nach die ganze Berfassung außer Kraft setzen, bis nur noch der Artikel 48 übrig blieb! Das Ei des Kolumbus  - die legale Diktatur!

Bar Hindenburg   hierzu zu gewinnen? Der tatsächliche Verlauf der Dinge spricht ebensowenig dafür wie die Ein­stellung Hindenburgs zum Verfassungseid. Aber wir wissen, daß in jenem Frühjahr 1926 von mehreren Seiten mit größter Anstrengung auf den alten Herrn eingewirkt wurde, um ihn zur Errichtung der Diftatur zu bestimmen. Unter denen, die damals bei Hindenburg   vorinrachen, war auch Herr v. Soden­stern. Freilich, er gibt auch dieser Unterredung einen völlig nichtssagenden Inhalt, obwohl er auch dies ist charafte­ristisch genug ristisch genug mit seiner Darstellung des Gespräches der vom Reichspräsidenten   gegebenen völlig widerspricht. Wenn er freilich in der Märzsigung der Führer der vaterländischen Berbände damit prahlte, nunmehr auch den Reichspräsidenten für seine Pläne gewonnen zu haben, so ist er damals in seiner