Sonntag I.Ma! 1927
Unterhaltung unö ÄNissen
Seklage ües vorwärts
�irbeiterfest. Reih an Reih in Takt nod Schritt, Puls und Herzschlag schwingen mit. schüttelt ab das Bangen. hebt die Slirne hoch und frei, wie die Fahnen, Reih an Reih, soll die Kampflust prangen. Aug' in Auge, Hand in Hand, frisch durch sonnenhelles Land, freies Atemholen. Brust entbläht und sonnverbrannt. fröhlich schreitend. Hand in Hand, frei auf leichten Sohlen. heule schreckt kein geller Schrei, heute lähmt kein Einerlei hoffnungsfrohes Sinnen. heute seid ihr Mensch. Und frei könnt ihr wuchtig. Reih an Reih, hartem Druck entrinnen. heb! die Banner in den Wind! Schreitet. Bruder. Schwester. Sind. dah die Gaffer fragen. wer die grofeen Masten sind. Wc so fest und eins gesinnt ihren Millen tragen. _ Julius Z ersah. Weltfeiertag. Ein Groszstadtmärchen von Bruno Schönlank . Frau Berlin reibt sich den Schlaf aus den Augen. Ratter, ralter— ging ein Marktfuhrwerk durch die Straßen. So. nun wird wohl gleich die Straßenbahn kommen. Ach, könnt' ich noch ein Stündchen schlafen! Doch die Pflicht, die Pflicht! Und sie gähnt und sie streckt sich: hallo, setzt wird es aber Zeit. Wo bleibt denn die Hochbahn, wo die Elektrische? Das ist ja einfach eine Bummelei. haha, hihi, kommt es aus den großen Bahnhöfen. Du hast wohl keinen Kalender? heute ist der 1. Mai. In den Parks Mitschern die Vögel, die Spatzen pfeifen: Feiertag, Weltfeiertag! Denn die mußten es ja wisten, weil die Kinder schon den Tag vorher von ihren roten Schleifen und Schärpen gesprochen hatten.— In den großen Fabriken und Werkstätten war es so still, als ob sie nicht muh sagen könnten und dabei lärmten sie doch sonst so, daß man sein eigenes Wort nicht oerstehen kann.—... Und die Wecker, die alle morgen rastel, raflel gingen, waren überhaupt nicht aufgezogen. Und die Sirenen, die hui hui, auf auf. hinein hinein pfiffen, konnten heute ihren Atem svaren.— Nein, heute war Feiertag, Feiertag auf der ganzen Erde. -- Frau Berlin lächelte in sich hinein, daß sie nicht gleich daran gedacht hat. Das wird eine Freude werden. Ihre Kinder, die lieben Kinder mit roten Schleichen auf Straßen und Plätzen, all die kleinen und großen Kinder feiern heut« den Tag der Arbeit mit ihren Eltern. Und Musik, Musik würde fein und das Lied der Völkerverbrüderung würde klingen! Ja, der 1. Mai! In den Häusern wird es lebendig, die Straßen werden belebt und immer belebter und Fahnen wehen im Wind und Züge bilden sich und immer mehr Züge und olle streben sie nach dem Schloßplatz. Frau Berlin freut sich und kann sich kaum fasten. Sie muß sich unterhalten,„hallo, hallo!" ruft sie,„guten Morgen, Schwester Wien !"„Servus, Servus, herrliches Wetter. Ach, Menschen sind hier auf den Straßen, sage ich dir, ich kann überhaupt das Pflaster nicht mehr sehen." Frau Berlin übertreibt gern:„Aber hier, schau her, sind soviel Massen, da kann keine Stecknadel mehr hinfallen, und gesungen wird, gelungen!"„Bon jonr. don janr", das heißt: Guten Tag, mischt sich Pari» ein.„Erster Mai. erster Mai" jubelt Lon- don. hell flattern rote Fahnen, hallo. Stockholm , Kopen- Hagen, Petersburg, Moskau.— Brrr, hier schneit es, aber die Menschen sind so froh, alle singen das Lied der Arbeit, das klingt in allen Sprachen zusammen. Buenos Aires , Rio de Janeiro — Gott, wird das eine Unterhaltung!„Schreckliche Hitze hier, aber rote Fahnen."— Gesang,'Gesang.„Wie sagtest du, Base Berlin ?"„Etwas eingemachte Hitze nach Petersburg senden?"„Wende dich an New Port, die ver- sendet Hitzewellen."„Keine faulen Witze."„Nein, diese Frau Berlin !"„hallo, hier Leipzig , hier Bordeaux , nein, das ist ja eine wahre Geographiestunde, hier Buxtehude ."„Na, du kleine Base?"„Was? Da kommt doch und sieht: die ganze Stadt auf den Beinen!"„hier Zella-Mehlis . Aber bei uns erst!" Langenbielau, ach, jetzt kommen auch die Dörfer. Alle strahlen, alle erzählen. Das ist eine Unterhaltung! Das schwirrt und klingt und jubelt: Weltfeiertag, Weltfeiertag! Tag der Schaffenden! Tag. der kämpfenden Arbeit! Und das dröhnt auf den Straßen und das singt in einem großen .Chor:„Erster Mai, erster Mai!"
Das Jest öer Rebellen. von Felix Fechenbach. Aebellenl Ein Schauer läuft dem braven Bürger über den Rücken, hört et dies Wort. Rebellen sind ihm Störer feiner Ruh« und Bshag. lichkeit. Umstürzler, höchst unbequeme Gesellen. Wir aber sind Rebellenl Stolz und frei bekennen wir's. Rebellen gegen Alte» und Morsche». Rebellen gegen Ausbeutung und Unfreiheit! Rebellen gegen Willkür und Klassenherrschaft der Möchtigenl Ja, w'r sind Rebellenl Ungestüm rennen wir an gegen eine profitsüchtige, rastgierig« Welt du Arbeitssklaoerej und Unkultur. In helliger Empörung
mW
AWlmömtag
WWM gegen entmenschte» Gestern und heute kämpfen wir mit leidenschaft- schaftlicher h.ngabe für ein freies, menschenwürdiges Morgen. Empörer sind wir!. Dreihundertvierundsechzig Tage im Jahr sind im Kalender der herrschenden eingeteilt in Arbeitstage und Feiertage, nach ihrem Willen. E i n Tag gehört uns, uns ganz allein, aus eigenem Recht: Der 1. Mail In jahrzehntelangem Ringen haben wir uns diesen Rebellen- feiertag ertrotzt. Kundgebung ist er uns von Anfang an für den Achtftundeiitag. für Arbeiterschutz und für den Bölkerfrteden. Bekenntnis zum Klassenkampf des Proletariats. Manifestation des festen Willens der Arbeiterklasse, durch soziale Umgestaltung die Klassenunterschiede zu beseitigen und so den ein» zigen Weg zu betreten, der zum Frieden innerhalb jedes Volkes wie zum internationalen Frieden führt. heiliges Gelöbnis ist uns dieser Tag zum Kampf für die solidarische Gesellschaft freier Menschen. Bekenntnis zu den Ideen des Sozialismus. » E i n Feiertag, e i n Festtag Im Jahr, der uns in einem Gedanken verbindet über alle Grenzpfähle hinweg mit den getretenen, mit den kämpfenden Arbeltern der ganzen Welt. „Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" An keinem andern Tag ist dieser Kampfruf de» Kommunistischen Manifestes so lebendig, wie am 1. Mai. Da» Bewußtsein von der internationalen Verbundenheit aller Schastenden ist nie mächtiger, als an diesem Tag. Festlich wollen wir den Rebellenfeiertag begehen, denn
unser Tag ist's. Nicht auf Tanzböden und bei Volksbelustigungen. hinausheben wollen wir uns über die Vergnügungen der Gedanken- losen. Ein Vorerleben künftigen Werdens fei unser Fest. Freudig tragen wir unser rotes Banner der Sonn« entgegen. Dieses Banner verpflichtet! Taufende haben darum gelitten, Millionen dafür gekämpft. Und die es heute tragen, haben ein heiliges Erbe übernommen, eine hohe Aufgabe zu erfüllen. Vorwärts wollen wir unsere Rebellenfahne tragen. Vorwärts und aufwärts! Und kämpfend tragen wir sie, bis wir mit ihr durch die Tore der Freiheit einziehen! Rot ist unsere Fahne, blutig rot. Aber nicht Farbe brutaler Gewalt ist uns dies Rot. Rot ist uns Symbol des Lebens. Ein jubelndes Fanal des Lebens und der Freiheit fei uns die rote Fahne. Als Sinnbild sozialistischen Kampfzieles wehe sie über uns. » Uns gehört die Straße am 1. Mai. Millionen schaffender Männer und Frauen schreiten festlich ge- stimmt dem roten Banner nach. Wir zählen unsere Kraft, wir wissen, wie stark wir sind, wir fühlten die Millionen Herzen, die für unsere Ideen schlagen. Und neuer Kampfeswille durchglüht uns. Das Bewußtsein unserer Kraft richtet gebeugte Rücken auf, jagt das Blut stürmischer durch die Adern, läßt Stirnen stolzer und freier sich erheben. Und ist's nur an diesem einen Tag, am Rebellenfeiertag so? Wissen wir nicht immer, Tag für Tag um die Not unserer Brüder und Schwestern diesseits und jenseits der Grenzpfähle? Wissen wir nicht an Werkeltagen um die Kämpfe der Millionen Schaffender in allen Ländern? Doch wir wissen darum. Aber heute ist dies Wissen lebendiger, tlutvoller, feierlicher. Und dies Bewußtsein, diese Feierstiminung, wollen wir uns hinüberretten aus unserem Festtag ins Grau der Werkeltage und nicht ersticken lassen im Staub des Alltags. Das Bekenntnis zum Sozialismus ist kein Feiertagstleid, das man einmal im Jahr anlegt, um es am nächsten Tag wieder in den Schrank zu hängen. I n u ns muß der Sozialismus leben, in uns die heilige Flamme der Empörung glühen gegen die Welt der Ausbeutung und Unter- drückung. Und erneutes Bekenntnis zum Kampf gegen dies« Welt ist uns der Rebellenfeiertag. Reuen Siegesglauben und frische Kraft für die kommenden Kämpfe schöpfen wir aus dem Erlebnis dieses Tages. Ein Fest fei uns der 1. Mar. Kampfeswille für die Ziele des Sozialismus machen ihn zum proletarischen, zum revolutionären Fest.. Fest und Kampf zugleich, kampfdurchglühtes Fest, das ist unser Rebellenfeienag! Der I.Mai im Lichte öer SoZialhpgiene. Bon Dr. med. Alfred Korach. Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Muß« und acht Stunden Schlaf!— So lauten die altehrwürdigen For. derungen der Arbeiterschaft, die sie alljährlich zum ersten Mai immer wieder laut und vernehmlich der Welt verkündet. Die feste Verankerung des Achtstundentages ist nicht nur ein sozialistisches oder ein gewerkschaftliches Ziel. Gerade auch vom sozialhygienischen Standpunkt aus bedeutet eine strikte Durchführung der achrstündigen Arbeitszeit in den Betrieben un- endlich viel mehr als tausenderlei, was auf dem Gebiete der Gesund- heitsjürsorge und der Krankenversorgung geschieht. Ist doch der Achtstundentag ganz zweifellos eins der allernotwendigsten Vor- beugungsmittel gegen die übermäßige Inanspruchnahme der Körper. kräste, gegen Krankheiten, Siechtum und frühen Tod. So nimmt es denn nicht wunder, daß die Forderung des Acht» stundsntage» zuerst nicht etwa von gewerkschaftlicher oder Partei» sozialistischer Seite erhoben wurde, sondern von einem Arzt, dem ausgezeichneten BerNner Kliniker und hygicniker hu feland. Es entbehrt auch nicht des Interesses, daß dieser Mann, der sich so warm und vernehmlich für die Durchfühnmg des AchlstundStttages einsetzte, ein Buch geschrieben hat, in dem er über„Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern", auch heute noch sehr beachtliche Ratschläge erteilte und insbesondere aus die Bedeutung einer ge- regelten Arbeitszeit für die voraussichtliche durchschnittliche Lebens-� bau er der Arbeiterschaft hinwies. Ob auch heute huseland an seiner alten Forderung festhalten würde? Ganz gewiß. Aber er würde sicherlich— ebenso wie viele heute lebende hygienikcr, Sozialpolitiker, Gewerkschaftler und Volkswirte— über sie hinausgehend mancherlei mehr verlangen. R>-Ht nur die so dringend notwendige verkürzte Arbeitszeit für die S'Wverarbeiter, die unter Tage schaffen müssen. Nicht nur für diejenigen, die in besonder» gesundheitsgesührlichen Betrieben arbei- tcn, namentlich in verschiedenen Zweigen der chemischen Industrie, Nicht nur für Frauen und Jugendlich«, die im Arbeitsprozeß stehen. Hufeland wäre— nach seiner ganzen Einstellung— heut- zutage sicherlich einer der eifrigsten Befürworter der 4S-Stund«n- Arbeitswoche und eines Wochenendes, das die breiten Massen der Bevölkerung in die freie Natur führt. Di« industriell« Entwicklung, die Steigerung des Tempos im Arbeitsprozeß und im Verkehr, die ständig sich aus- breitende Körperkulturbewegung und die zwar noch lang. fam, aber dennoch merklich und unaushaltjam wachsende Wert- schätzung einer planmäßigen Gesundheitspflege— alle diese Erschei- nungen und Strömungen drängen zu einer weiteren Ergänzung der alten Matsordenigen. Ein freies Wochenende gilt es zu sichernl Der arbeitend« Städter muß zum Wvchenschluß hinaus aus seiner„Tret- mühle". Er muß zeitweilig hinweg aus seiner ihn umgebenden Umwelt, hinein in ein anderes Milieu, aus der Stadtluft in die Landluft, vom Grauen ins Grün«, vom Asphalt aus die Wiese, aus dem Lärm der Großstadt nach ruhigen, ländlichen Gesilden. Doch nicht nur seine Alltagsumwelt soll er auf anderthalb Tage meiden und sich draußen in der freien Natur, in Licht und Luft er- gehen. Die Neroenanspannung der Großstadtbevölkerung, die bei aft und juny heutzutage nur allzu leicht in eine übermäßige nerväfe Gereiztheit übergeht, ist bestimmt nicht allein au! Mängel der Woh- nung oder Ernährung oder aus Kummer und Sorge des einzelnen Mersschen zurückzufuhren. Der Rhythmus der Großstädte verlangt rebielerlsch«ine sich regelmäßig wiederholende, nicht zu kurze Pause. Um diese zu erhalten, um in regelmäßigen Abständen in den sausen. den Rhythmus des Eroßstadtlebens anderthalb Tage der Gemächlich- keit einzuschalten, ist das Wochenende wie gefchassen. E» ist auch wahrscheinlich kein Zufall, daß in Deutschland nicht in den rheinischen Industriegegenden, sondern in Berlin mit seinem besonders stark ausgeprägten, schüttelhasten Rhythmus die Wochenendbewegung mit einer geradezu hinreißenden Gewalt eingesetzt hat und mit einer windesartigen Geschwindigkeit sich sortbewegt. Achtstundentag, 45-Stunden»Woche und ein gesichertes Wochenende für alle Werktätigen— diese wahrhaft sozialhygienischen Forderungen, die der heutigen Ge- stalt der ökonomischen Entwicklung und sozialistischer Denkart Rech- nung tragen, möge man am 1. Mai festen Sinnes überall laut ver- künden!