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Jmt Alande war. Außerdem seßte Lloyd George , der Groß- meister einer Londoner Loge, dem Duce in seiner Weltpresse mit der Frage zu:Wann werden Sie, Herr Mussolini , an- statt soviel mit Ihren Erfolgen zu prahlen, uns und den Amerikanern mitteilen, wie und wann Sic die italienischen Kriegsschulden bezahlen wollen?" Der Kampf gegen die Freimaurerei mußte vorerst abge- stoppt werden. Der italienische Diktator zog aber die Kon- sequenz daraus: diesem international operierenden Gegner, der Freimaurerei , sind wir nur gewachsen, wenn wir Faschisten uns auch international aneinanderschließen. Frei- lich, es kam die zunehmende Spannung mit Frankreich , mit Jugoslawien , die vorübergehende mit Deutschland . Da wäre es gar töricht gewesen, zu oerlangen:Faschisten aller Län- der vereinigt euch!" Mussolini hat aber nicht locker gelassen. Vor kurzem schickte er seinen Sekretär Marsini nach Deutschland , um eine Privataktion bei unseren Reaktionären und Reaktionärsten zu unternehmen. Dieses Mal geht der Derbrüderungsversuch unter dem Stichwort:Los vom Parlamentarismus, los von der Demokratie." Das ist für Mussolini nur der Lockruf, von dem er sich etwas anderes bei unseren Hugenbergs und Re- ventlows verspricht, denn er hat ja die Emanzipation von der Demokratie in Italien gründlich vorgenommen, und es dürfte ihm ziemlich gleichgültig sein, ob bei uns Parlamentaris- mus und Demokratie bestehen oder nicht. Was also will der Diktator mit seiner letzten Paroleausgabe: Faschisten ver- einigt euch? Die Sache hat wirtschaftliche Hinter- gründe. Die oberitalienische Industrie fürchtet nichts so sehr wie den Geschäftsanschluß oder gar die Betriebszusammenlegung von französischen und deutschen Großunternehmungen. Ein deutsch -französisches Preissyndikat oder ein Absatzsyndikat von Kohle und Eisen könnte in jedem Moment die junge, teilweise nur durch Gewaltszölle am Leben erhaltene Industrie rui- uieren. Diesen Zusammenschluß haben die Italiener schon als Folge des Ruhreinfalls befürchtet und deshalb haben sie dagegen protestiert. Run hat sich im vergangenen Jahr dieser Zusammenschluß vorerst programmatisch vollzogen. Da möchte Mussolini doch noch abzustoppen versuchen. Er läßt seinen Sekretär sagen, eine Wirtschaftskoalition, wie ihr deutschen Großindustriellen da mit französischen Unter- nehmern abschließt, bedeutet letzten Endes eine Stärkung der Demokratie, wollt ihr dieses Unglück vermeiden, so haltet zurück, bevor es zu spät ist. Natürlich wird er tauben Ohren predigen. Der vierte Versuch der internationalen Faschistenverbrüderung wird wie seine Vorgänger scheitern.

Der zwiespältige Selüte. Er umwirbt und beschimpft Berlin . Der Führer desStahlhelms ", S e l d t e, hat gestern abend in der Philharmonie in der Bernburger Straße seinen mit großein Munde angekündigten FeldzugzurEroberung Berlins " begonnen. Man sah viel Uniformen und noch viel mehr Orden und bunte Vcreinsabzeichen. Wurde Beifall geklatscht, dann rasselte es neu so in den Schachtelhalmen. Daneben aber bemerkte man sehr viele Angehörig« j ü n g st e r allerjüngster Jahrgänge, und wenn Herr Seldte immer wieder vomFronterlebnis" sprach, aus dem heraus der Stahlhelm geboren fei, so konnte man sich der Erkenntnis nicht ver- schließen, daß ein beträchtlicher Teil der anwesenden deutschen Helden schon im zarten Alter von acht bis zehn Iahren den Schützengraben bevölkert haben muß. Auf einer ganzen Sitzreihe, die besetzt war mit braungebrannten, ungroß- städtisch wohlgenährten Bauernsöhnen, entdeckte man beispielsweise nicht einen einzigenFrontkämpfer", der heute, neun Jahre nach .Kriegsschluß, über zwanzig Lenze zählt. DasFrontleben" dieser Stahlhelmer besteht also nur in der nachträglichen Lektüre von

Prachtstücken au, den gsfmmneven Werfen des Kriegsberichter­statters Schmermann und dem gelegentlichen Genuß Seldtc-Düster- berg-Stephanyscher Tiraden. Seldte warbmit heißem Herzen" Um Berlin , das trotz allen Skeptizismus d i e Stadt sei, in derin Deutschland am meisten gearbeitet werde". Und ausgerechnet diese schaffen- den Berliner umbuhlle der Stahlhelmsührer.Es geht um die Herzen und Seelen aller derer hier in Berlin , die uns in unserem Kampf helfen können und die bewiesen haben, daß sie Schaffende sind," so hieß es wörtlich. DieDeutsche Zeitung" aber verrät zum Hohn einen Passus aus der Rede, die Seldte in einer oertraulichen Zusammen- kunft seines Gefolgschaft gestern früh gehalten hat! In derS ch u- l u n g s w o ch e" der Stahlhclmcr hat er nämlich noch derWiking- Zeitung" gesagt: Wir wollen diesem Wasserkopf Berlin zeigen, daß der Stahlhelm wie früher so auch jetzt noch eine große vatcr- ländische Aufgabe hat. Deshalb pfeifen wir auf die Begrüßung von Rotznäsen in diesem Steinhaufen und auf die Reden der Asphaltpresse.(Stürmischer Beifall.)" Bestimmt werden sich die schaffenden BerlinerRotznäsen" diese vertrauliche Stahlhelm-Auslassung merken. Seldte machte sich auch ansReichsbanner Schwarz- R o t- G o l d" heran:Rur durch den Stahlhelm kann es dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold möglich werden, zur positiven Mitarbeit im Staat zu gelangen, wenn es sich durchringt zum nationalen Bekenntnis!"Wir aber allein sind es," fuhr Herr Seldte fort,die die Straße von der Pest der Rotfrontbe- w e g u n g befreien können." Und einige Sätze darauf vernahm man ganz allgemein:Der rote Fleck muß mit scharfem Radier- mester aus den Blättern der deutschen Geschichte weggekratzt werden." Die bombastischen Worte von derPest der Rotfront- bewegung" hin und her die Seuche des Rechtsradikalis- m u», von der wir durch die Hitlerjünger erst jetzt wieder etliche Proben geschmeckt haben, ist keineswegs erfreulicher. Wenn Seldte den roten Fleck der Sozialdemokratie aus Deutschland weg- kratzen will, so könnte er sich mit seinemscharfen Radiermesser" bedenklich schneiden. Pleite in Hannover . Hannover , 7. Mai. (Eigener Drohtbericht.) Die Beschickung des Stahlhelmtages aus Hannover bedeutet für den Stahlhelm eins große Pleite. Während die Voranmeldung der Stahlhelm- leitung nach den renommistischen Behauptungen der deutschnationalen Presse mehrere Extrazüge mit insgesamt 2400 Personen betragen haben soll, sind am Freitag abend insgesamt nur 400 Männer aus Hannover einschließlich Umgegend in ziemlich gedrückter Stimmung nach Berlin verfrachtet worden. Bei den großen Reichsbannertagen in Magdeburg und Hamburg fuhren seinerzeit allein aus der Stadt Hannover je 1600 Mann in Extra- zügen ab, obgleich das Reichsbanner keinerlei Sondcrvergünstigung an die Teilnehmer wie die Hakenkreuzler gewähren konnte. Enttäuschung im Rheinland . Köln , 7. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Am Freitag abend kam es in Köln bei der Abfahrt von Stahlhelmleuten nach Berlin zu leb- haften Zusammen st ößen mit Straßen Passanten. Ueberall, wo sich die Stahlhelmleute, die in kleinen Trupps aus dem ganzen Kölner Bezirk für einen nach Berlin gehenden Sondcrzug zusammengezogen wurden, blicken liehen, gab das Publikum seinem Mißfallen lebhaften Ausdruck. Die vom Stahlhelm erwartete Beteiligung aus dem links- rheinischen Gebiet brachte eine große Entäuschung. Bier Sonderzüge, die 6000 Personen befördern sollten, waren vorgesehen. Bon diesen fielen zwei Sonderzüge sofort aus und auch die beiden anderen, von denen der eine von Köln und der andere von München-Gladbach noch Berlin geführt wurden, waren sehr schlecht besetzt. Aus dem ganzen Kölner Bezirk waren kaum 500 Teilnehmer für den Sondcrzug zusammengebracht. Davon ent- fielen auf die Stadt Köln ganze 120 Mann. Bemerkenswert ist, daß im rheinischen Braunkohlenbezirk aus den Gruben des Herrn Silver-

berg der Terror der km Stahlhelm tätigen Vorgefetzten so flarf est» setzte, die Arbeiter, die zwangsweise im Stahlhelm organisiert sind. zur Beteiligung an der Fahrt nach Berlin zu zwingen. Die Ar- beiter haben fast überall abgelehnt, teilzunehmen. Auch die Hin- weise auf die bekannte Sonderunterstützung konnte die Beteiligung aus dem rheinischen Braunkohlengebiet nicht nennenswert beein- flusseu. Die Kölner Polizei nahm bei den im Sonderzug nach Berlin fahrenden Stahlhelmleuten vor der Abfahrt eine Durchsuchung nach Waffen vor, wobei eine Anzahl Hieb-, Stich- und Schußwaffen gefunden wurden.

Die unzulängliche Sparkassenaufwertung. Der Rcchtsblock lehnt Verbesserungen ab. Im Verlauf der Bercktungen des Rechtsausschusses des Reichs­tages über die Anträge zum Aufwertungsgesetz wurde am Freitag von den sozialdemokratischen Vertretern die Regelung der Spar- k a s s e n a u f w« r t u ng zum Gegenstand der Aussprache gemacht. Aus diesem Gebiet herrscht eine große Verschiedenheit in den einzelnen Teilen des Reiches. Der Grund dafür liegt darin, daß das Aufwer- tungsgesetz den Ländern der Durchführung der Sparkassenaufwertung einen breiten Spielraum läßt und sich dabei in Widersprüchen bc- wegt. Der M i n d e st b e t r a g der Aufwertung soll nach dem Gc- setz 12! Proz. des Goldmarkbetrages erreichen. Die Sparkassen sollen jedoch nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit einen höheren Aufwertungssatz gewähren. Wie bei den Kommunalanleihen, so soll also auch bei den Sporkassen individuell aufgewertet werden. Die Sparkasse soll eine Teilungsmasse bilden, die aus dem auf- gewerteten Sparkassenvermögcn und Beiträgen aus dem sonstigen Vermögen der Kasse bzw. des Garantieverbandes gebildet wird. Reben dieser Individualaufwertung läßt aber das Gesetz gleichzeitig die Aufwertung zu einem Einheitssatz für ein ganzes Land zu. Von dieser Möglichkeit haben die größten Länder, Preußen, Bayern , Sachsen u. a. Gebrauch gemacht. Sie haben den Einheit?- satz auf 12 M Proz. festgesetzt mit der praktischen Folge, daß ein häherer Satz von keiner Kasse gewährt wird. Im Unterschied hierzu haben die württembergischen Sparkassen zum Teil eine Auf- wertung von 20 Proz. gewährt. Da es im ganzen Reich zahlreiche Sparkassen gibt, die einen höheren Satz als 12� Proz. gewähren können, wurde von den sozialdemokratischen Ausschußvertretern vorgeschlagen, den einheitlichen Aufwertungssatz aus dem Ge- setz zu streiche n. Obgleich die Vertreter der Regierungsparteien bisher stets die Individualaufwertung für die Kommunalanleihen ge- fordert hatten, woraus sich die Individualaufwertung der Sparkassen automatisch ergeben würde, waren sie für den sozialdemokratischen Vorschlag nicht zu haben. Sie lehnten ferner den sozialdemokratischen Antrag ob, wonach Rückzahlungen, die nach dem 15. Juni 1922 erfolgt sind, nicht nach ihrem Rennwert, sondern in Höhe des Goldmarkbetrages anzurechnen sind. Die Folge dieser Ab- lehnung ist, daß Svarkassengläubiger, die eine Friedenseinlage im Jahre 1923 abgehoben haben, keinen Pfennig Aufwertung bekom- men. Die Ablehnung des letzterwähnten Antrages steht zudem, wie der Abgeordnete Keil(Soz.) darlegte, im prinzipiellen Widerspruch mit den Bestimmungen über die Hypothekenauf- wertung, nach denen nur Zahlungen, die vor dem 15. Juni 1922 ohne Vorbehalt angenommen wurden, zum Nennbetrag, spätere Zahlungen dagegen zum Goldmarkbetrag anzurechnen sind. Erwäh- nenswert ist die Mitteilung eines Vertreters des preußischen Mi- nisleriums des Innern, daß neben den schon seither gewährten Aus- Zahlungen an ältere bedürftige Sparer ein Drittel aller aufgewerteten Sparguthaben 193 0 fällig wird. Weitere sozialdemokratische Anträge, die vom Abgeordneten Dr. Leber begründet wurden, zielen daraus ab, daß Einlagen bei Sparkassenobteiiungen von Banken oder bei privaten Sparkassen, die nicht unter Aufsicht stehen, daß serner Bankguthaben, die mit mindestens lechsmonatlichcr Kündigungsfrist angelegt waren, mit mindestens 12)4 Proz. aufgewertet werden. Da die Vertreter der Regierungsparteien sich zu diesen Anträgen wieder nicht schlüssig machen konnten, beschlossen sie, für die nächste Sitzung noch einmal den Rcichswirtschaftsminister und den Reichsbankpräsidenten«inzu- laden. Mit Bezug auf die Aufwertung der Hypothekenpfand- b r i e f e wurde beschlossen, einen Unterausschuß einzusetzen, der prüfen soll, ob der gesetzliche Verwaltungskostenbeitrag von 8 Proz. an die Hypothekenbanken für die Erledigung der Aufwertungs- geschäfte nicht z u h o ch ist.

Zlorian Geyers" Schicksale. Thealergeschichtliche Erinnerungen. LeopoldIeßners grandiose Inszenierung desFlorian Geyer " von G e r h a r t Hauptmann riß gestern im Staat- l i ch e n Schauspielhaus das Publikum zu begeisterten Kund- gedungen für den anwesenden Dichter hin. Als der Dorhany�nach dem ersten Akt gefallen war, entstand zunächst andächtige Stille. Dann setzte ungeheurer Jubel ein. Da gab es niemanden, den nicht die historische Tragödie des Bauernkrieges gepackt hätte, als hon- delte es sich um das eigene Schicksal. Wir fühlten, die Sache der Bauern, die um ihre Freiheit kämpfen, ist auch unsere Sache, der aufrechte Ritter Florian Geyer , der an der deutschen Zwietracht zugrunde geht, und die erwähnte Freiheit mit ins Grab niinmt, ist auch unser cheld. Stehend grüßte die ergriffene Zufchauerschar zur Loge des Dichters hinauf und dankte ihin für ein Drama, dessen Zeitlosigkeit sich eben erwiesen hatte. Wie mag Gerhart Hauptmann gestern.zumute gewesen sein? Als derFlorion Geyer" vor einem Menschenalter im Brahmschen Deutschen Theater seine Uraufführung erlebte, wurde er mit Miß- gunst verfolgt und begeifert. Obwohl man'sich mit dem Naturalis- mus im Drama fast at-gefunden hatte, las man damals in den Zei- tungen diese gehässigen Meinungen:Die vollzählig versammelte Gemeinde des Dichters klatschte wütend Beifall, tobte jeden Versuch der Opposition mit brutaler Enengie nieder und brüllte ihren Meister mit bewundernswürdiger Lungerckrast vor den Vorhang. Schließ- lich änderte sich das Bild doch ein wenig. Durch den Uebermut der Beifallspendec gereizt, erstark:« der Widerspruch von Szene zu Szene und artete mitten im letzten Akt zu einem wüsten Skandal aus, der an die schlimmsten Tage derFreien Bühne" erinnerte. Daß Herr Hauptmann trotzdem auch am Schluß unter grellem Zischen und wütendem Beifall wiederholt erschien, bedarf wohl seiner Selbst- erkenntnis und Bescheidenheit gegenüber kaum der Erwähnung... E i n AbendFlorian Geyer "' wiegt an Langweiligkeit niindestens drei der durchgefallensten Absndfüller aus... Hauptmann ist ein Mann von schrankenlosein Ehrgeiz. Er will in der Lite- ratur nicht nur herrschen, sondern allein herrschen» er will vor ollem dem Publikum beweisen, daß mit ihm -ine ganz neue Epoche der Dramatik beginnt... Sein ganzes Schaffen ist nicht das Werk eines unzähmbaren künstlerischen Re- volutivnstriebes, sondern einer kühlen, überlegenden Ehrsucht. Das vier Akte lang durch Raffeln und Brüllen mißhandelte Publikum machte sich in stürmischen Schlußrufcn Luft. "Gerhart Hauptmann lönnt« einer unserer besten Lustspieldichter sein, da er zum deutschen Shakespeare werden wollte, hat ihm die Kraft versagt." Was da dem Dichter für kleinliche Vorwürfe gemacht wurden! Indem er imFlorion Geyer" geschichtstreu den Götz von Bsrlichingen als einen kleinen, verschlagenen Gauner von Ritter zeichnete, setzte er den großen Goethe herab. Die brutale Szene des fünften Aktes, in der gefangene Dauern von einer betrunkenen Ritterschaft un- menschlich mißhandelt werden, überschreite die Grenzen natura- listischer Schilderung. Schon am ersten Tage nach der Uraufführung oersandte denn auch das Bureau des Deutschen Theaters folgende Notiz an die Presse:Florian Geyer " ist bei seiner ersten Wieder-

holung am Sonntag in wesentlich verkürzter Gestalt vor das Publi- kum getreten. Das Vorspiel wurde sortgelassen, die Nachtszene im letzten Aufzug, da das entfesselte Junkertum auf die gefangenen Bauern eindringt, wurde auch am Sonntag von einem starken Msinungskampf bei offener Szene begleitet." Aber auch diese Maß- nähme Brahms genügte nicht, und nach wenigen Ausführungen wurde der Florian Geyer vom' Spielplan abgesetzt. Brnhm hatte ein feineres.Kunstgefühl als feine Zeitgenossen. Er brockte den Mut auf. acht Jahre später im Lessingtheater Hauptmanns Bauern- tragödiein gekürzter Form" noch einmal dem Berliner Publikum anzubieten. Was damals vor mehr als 20 Iahren die Presse berichtet, kann auch für den gestrigen Abend gelten:Im Lessing - theoter hat Gerhart Hauptmanns HistoriendichtungFlorinn Geyer" eine einmütig zustimmende jubelnd« Ausnahme gefunden. Schon nach dem ersten Att bereitet das Publikum dem Dichter eine herz. liche langanhaltende Huldigung und wiederholt mußte Hauptmann im Laufe des Abends sich vor der Gardine zeigen." Ein Kübel voll Gehässigkeit hat sich über Hauptmann und Jeßner schon vor der gestrigen Aufführung ergossen. Alle Anfein- düngen hat aber der gestrige Abend erstickt. Jeßner bringt auch an dieser Dichtung des Mitleids entschiedene Kürzungen an, aber er läßt sich nicht verleiten, mit dem wandelbaren Pubiikumsgeschmack Kam- promisse zu schließen. Das Wesentliche, die Atmosphäre einer fernen und doch so wirklichkeitsnahen Zeit, bleibt so, wie er das Werk auffaßt, erhalten. Der erste Akt ist von erschütternder Ein- dringlichteit und Wucht und der kvaftvvllste von allen. Hier tritt uns Walter Franck am unmittelbarsten als sieghafter Feldhauvt- mann und unbetümmert verheihungsfroher Befreier entgegen. Ich stelle mir zwar einen Florian Geyer hünenhafter und blonder vor, als es die düstere und verhaltene Innerlichkeit des Walter Franck gestattet. Und doch greift dieser Darsteller in der allmählich wachsen. den Verzweiflung ebenso ans Herz wie in der sorglosen Fröhlichkeit. In Ießners Inszenierung gibt es keine Szene, die nicht blutvolles Leben atmete, keinen Schauspieler, der nicht so, wie er spielt, Er- leben gestaltete. Erwin Faber als Löfselholz, Ferdinand Hart als Grumbach, Fritz Volk als Tellermann und die rührende Ruth Hellberg als Soldatenliebchen Morel runden die Aufführung zu dem schönsten Abend, den das historische Schau- spiel in den letzten Iahren geschenkt hat. Immer wieder muhten Hauptmann, Jeßner, Franck vor die Rampe treten. _ Ernst D e g n e r.

Sommertemperatur auf üen Sühnen. Nach dem alten Theatergesetz, daß, wenn sommerliches Wetter die Körper erhitzt, der Geist der Theaterbesucher möglichst kühl zu halten ist, wurde in der Nachtvorstellung im Theater am Kurfür st endamm verfahren. LhermannsJunge Generation" spielte zwei Einakter. Zuerst Karl Schnogs und Hans Reimanns nette Parodie eines Dorkriegsfamilien- stückesM inna Prießnitz" oderW aldesglück und späte Sühne". Durch ausgiebige Kürzungen würde die kleine Szene, die allerdings besser in den Rahmen eines Kabaretts gepaßt hätte, noch erheblich gewonnen haben. Doch auch fo freute man sich angenehm temperiert die allzu stürmischen Lacher und Beifalls- kla'tfcher gehörten wohl einem Freundeskreise an des Wertchens

und seiner lustigen Darstellung durch Heinrich Schnitzlcr, Hans Marland, Raoul Long.«, Erika Nymgau, A r t u r A u b e r l e. Im Anschluß daran sah man Strindbergs Spiel mit dem Feuer" im gleichen Stil wie die erste Szene aufgemacht: S e n t a S ö n e l a n d als die hysterische Frau Kerstine, Bruno Kastner , der Schöne, unwiedertennlich als Wildling und Reurotiker Knut, Artur Auberle als entzückend dümmlicher Freund Axel, Paul Ceblin und Ina Rudolph als das echt Strindbergfche Elternpoar. Diese Parodie ohne Text- Veränderung hätte, ollein genommen, reckt lustig wirken können. Zwei Nachtstunden aber mit solchen unzugefpitzten Heiterkeiten dürsten für die meisten Theaterbesucher zu wenig ermunternd sein. Man kriegte das Gähnen ohne böfe Absicht. Das Refidcnztheater macht Sommer mit Rudolf Lotharsneubearbeitetem" LustspielDie schöne Melusine ". Bon einer wesentlichen Neubearbeitung merkt allerdings der Theaterbesucher nichts. Noch immer muß auf die Frage, aus welchem Grunde der Mann sich im zweiten Akt plötzlich von der geliebten Frau abwendet, die einzig mögliche Antwort stehen: wegen des dritten Aktes. Der dritte Akt bleibt also weiterhin überflüssig. Im übrigen präsentiert sich dieschöne Melusine ", die einst im Kleinen Theater im Zustande einer Wassernixe von einem Wandschirm diskret aufgenommen wurde, diesmal auf einem mit der Lehne den Zu- schauern zugekehrten Sessel, der sie keusch wie ein Schwimmtrikot bekleidet. Maria W e st als Briesträgerstochter Anna Plüschke und reiche, verliebte Elsie Morbach zeigt sich in dieser Rolle sehr anmutig. Auch sonst wird flott gespielt. Hans Lüp schütz als Briefträger Plüschke, Martin Kettner als Kunstmäcen Mar­bach seien genannt. Nur Olaf S t o r m in der Hauptrolle als ehefeindlicher Bildhauer Peter Wolfs, der schließlich von der rafsmier- ten Elsi« Marbach geheiratet wird, ist ebenso unmöglich wie das Bühnenbild. Der dafür Verantwortliche seinen Namen ver­schweigt der Theaterzettel sollte sich doch einmal ein richtiges Bildhoueratelier ansehen. T e s. Trlanon-Thcater:Dodo". Der Textdichter Oskar Felix und der Komponist Kurt Z o r l i g sind trotz des jungen Mais schon hochsommerlich ausgedörrt. Die Afrikageschichte, die sie für ihren musikalischen Schwant mit berlinischem Grips und vielfältig gepumpter Tanzmusik versehen, ist reichlich abgebraucht. Aber es spielen in dieser Operette ganz famose Künstler, die sich bewunderungs- würdig um das Rettungswert bemühen. Der Komiker Paul eblin, Alice Torning . Edith v. Aghy, Ehrhardt ardt, Gustav Willfahn, andere noch und ein Quartett von wilden und waschechten Negern, sind auf das Drolligste dressiert. Der Unsinn wird so erträglich, daß man beinahe vergißt, einem höchst mißlungenen Schwank- und Musikwerk zugehört zu haben. M. H. Die Deutsche Kunstgemcinschafl setzt ihre gemeinnützigen Aus- stellungen im Schloß sort. Die siebente Schau, die ungefähr das Schema für alle künftigen darstellen soll, enthüll: eine lande- mannschaftliche Sondergruppe(badische und hessische Künstler, unter denen man keine so interessanten und wichtigen Erscheinungen antrifft wie bei den Ostpreußen ), den der Land- schastsmalerei gewidmeten Hauptteil und neben einer all-