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Nr. 220 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 112

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Der Borwärts" mit ber illuftrier ten Sonntagsbeilage Boll und Beit fowie den Beilagen Unterhaltung. und Wissen", Aus der Filmmelt, Frauenstimme", Der Rinder,

freund", Jugend- Borwärts", Blid in die Bücherwelt" unb Rultur arbeit erscheint wochentäglich zwei mal, Gonntags und Montags einmal.

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Telegramm- Abreffe: Sozialdemokrat Berlin  "

Morgenansgabe

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Mittwoch, den 11. Mai 1927

Zentrum für Republikschuh.

Einstimmiger Beschluß für Verlängerung des Gesetzes um zwei Jahre.

Die Reichstagsfraktion des Zentrums befaßte fich am Dienstag mit der Frage, ob das Gesetz zum Schutz der Republik, deffen Geltungsdauer am 21. Juni abläuft, als Ganzes zu verlängern ist oder ob es genügt, einzelne seiner Baragraphen aufrecht zu erhalten. Die Fraktion beschloß einstimmig, eine Verlängerung der Geltungsdauer des ganzen Gesetzes auf zwei Jahre zu verlangen. Die Zentrumsminister wurden beauftragt, ihren Einfluß im Reichstabinett im Sinne dieses Beschlusses geltend zu machen.

Bei den Deutschnationalen herrscht zurzeit noch keine Neigung dieser Forderung des Zentrums nachzukommen, was nach den bekannten Bekenntnissen Westarps, Everlings u. a. zur Monarchie nicht Wunder nehmen fann. Bei den übrigen Regierungsparteien aber rechnet man damit, daß die Deutschnationalen schließlich nachgeben werden, wenn man ihnen auf anderen Gebieten entgegenkomme. Danach werden fie sich auch mit der weiteren Geltung des vielbesprochenen § 23 abfinden, der eine Rückkehr Wilhelms II. nach Deutsch  land ohne besondere Erlaubnis der Reichsregierung nicht gestattet.

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Das Gesetz über die Berlängerung der Geltungbauer bedarf zu seiner Berabschiedung der 3 meidrittelmehr. heit, über die die Regierungsparteien für sich allein nicht heit, über die die Regierungsparteien für fich allein nicht verfügen. Wenn die Regierung das Gesetz ganz oder teilweise verlängern will die Einbringung eines Gesetzes hat der Reichsinnenminister v. Keudell im Aeltestenrat schon an gefündigt, allerdings ohne über seinen Inhalt etwas zu per­raten werden auch Berhandlungen mit den De mokraten und den Sozialbemotraten notwendig

merben.

Der interfraktionelle Ausschuß der Regierungsparteien wird sich am Mittwoch unter dem Borsiz des Reichs tanglers und in Gegenwart des deutschnationalen Reichs­innenministers mit der Verlängerung des Republitschut gefeßes befaffen. Von den Regierungsparteien nehmen an den

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

Boftichedtonte: Berlin   87 536 Banffonto: Ban! ber Arbeiter, Angestellten sab Beamten. Ballftr. 65: Distonto- Gesellschaft. Depoktenlaffe gindenfte. 3.

Erlebnisse in Bulgarien  .

Das Regime Ljaptscheff.

Bon Kurt Rosenfeld  .

Berhandlungen teil die Abgeordneten Graf West ar p, munisten haben schon lange in allen Kulturstaaten die leb­D. Guerard, Leicht und Dr. Scholz

Das neue Zenfurgesetz im Reichstag. Scheuern zu bringen. Das Gesetz zur angeblichen Be. Die Kulturreaktion hat es sehr eilig, ihre Ernte in die tämpfung von Schund und Schmuß ist schon vor einiger Zeit mit Eilzugstempo durch die Reichstagsberatungen tämpfung von Schund und Schmuh ist schon vor durchgejagt worden. Jetzt hat der Aeltestenausschuß be­schlossen, das üble Gesetz zum angeblichen Schuß der Jugend bei Lustbarkeiten ebenfalls bald verab­schieden zu lassen und es deshalb auf die Tagesordnung der Bollfigung des Reichstages am Mittwoch zu sehen. Den Bätern und Freunden des Gesezes tommt zustatten, daß der Reichstag   zurzeit feinen Ueberfluß an beratungsreifen Gegen­ständen hat. Man scheint mit der Absicht umzugehen, das Gesetz in Schnellzugstempo binnen einer Woche zu verab schieden. 0 Der Gesezentwurf hat, ganz ähnlich wie das Külzsche Schmutz- und Schundgefeß sein Gesicht im Laufe seiner Ent­notwendig, sollte er in seiner anfänglichen Form lediglich einen stehung ganz wesentlich verändert. An sich überhaupt nicht anstaltungen schaffen. Der Rechtsmehrheit im Reichstags­Schuß der Jugend auf Rummelplägen und bei ähnlichen Ver­ausschuß stieg aber der Appetit beim Essen. Immer mehr und immer bedenklichere Bestimmungen wurden eingefügt, so daß das Gefeß in der Form, in der es aus dem Ausschuß vor das Blenum gelangt ist, eine schwere Gefährdung aller Beranstaltungen fultureller Art be deutet. Weitgehende Befugnisse tönnen unter Umständen in ganz unberufene und untergeordnete Exekutivorgane gelegt

merden.

werden, dem Entwurf, gegen den bis in die Kreise der Es muß unter allen Umständen der Bersuch gemacht Bollspartei, ja selbst der Deutschnationalen hinein lebhafte Bedenken geltend gemacht werden, mindestens noch die chlimmsten Giftzähne auszubrechen. Je weniger von ihm übrig bleibt, desto besser!

Niederländische Kolonialgreuel.

12 Tote, 25 Verwundete auf Java. Amsterdam  , 10. Mai.  ( Eigener Bericht.) Jn 3ndonesien friff in der javanischen Bewegung auch die Kuomintang bewegung immer mehr auf. Das ist erklärlich, da im niederländischen Teile des Archipels fast eine Million Chinesen wohnen. Die holländische Regie­rung steht dem Kuomintang mit großem Mißtrauen gegenüber, das fich aus ihrer blinden kommunistenfurcht erklärt. Sie ließ daher durch Polizeiorgane eine a asjuchung bei in Samarinda   wohn­haften Chinesen vornehmen und ging zu Berhaftungen über. Als die Arrestanten zum Polizeibureau gebracht werden follfen, hatten sich Hunderte von Chinesen angesammelt, die die Polizei nach den hier vorliegenden Berichten derartig bedroht haben sollen, daß diese von ihren Revolvern Gebrauch machte, 12 Chinesen tötete und 25 verwundete.

Die Behandlung der Eingeborenen in Niederländisch- Indien ge­hört zu den abscheulichsten Kapiteln der folonialen Unter­drückungspolitik der Neuzeit. Die als fommunistisch" bezeichneten Aufstände, die fürzlich auf Java und Sumatra   ausgebrochen find und erst nach langen Rämpfen unterdrückt wurden, waren fast aus­schließlich die Folge einer un menschlichen Ausbeutung und Behandlung der Eingeborenen durch die holländischen Behörden und Kolonisten. Sie waren eine elementare Frei­heitsbewegung mit weit mehr wirtschaftlichem als politischem Hintergrunde. Sie wurden von der holländischen Regierung nur Deshalb als tommunistisch bezeichnet, meil man ihre wahren Ursachen perdeden wollte.

Die holländische Rolonialpolizei, die jetzt auch gegen die chinesischen Kulis in so brutaler Weise vorgegangen ist, steht unter Führung weißer Offiziere, die durch das tropische Kolonialleben ver­roht sind, und besteht hauptsächlich aus solchen Farbigen, deren rassen­mäßige und religiöse Borurteile gegen die anderen Bevölkerungsteile geschickt ausgenutzt werden.

Es ist ein großer Mangel des gegenwärtigen Bölterbundes, daß er nur für die Kontrolle der Zustände in den ausdrücklichen Mandats. gebieten zuständig ist und nicht für die übrigen Kolonien. Der zweite Borsigende der ständigen Mandatsfommission in Genf   ist ein ehe­maliger holländischer Kolonialbeamter, van Rees, beffen Objektivi tät gerühmt wirb und der sich tatsächlich schon mehrfach in fichtbarer Belle bemüht hat auch gegen den Widerstand der führenben

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Mandatsmächte, die Rechte der Mandatsvölker in Schutz zu nehmen. Offenbar weiß er aus eigener Erfahrung, wie sehr die Kolonialvölker schußbedürftig sind. Die Zustände in Niederländisch­Indien sind ein typisches Beispiel für die Notwendigkeit einer Aus­dehnung der Bölferbundstontrolle auch auf solche Kolonien, deren Status bereits vor den Friedensverträgen von 1919 feststand. Berhält sich die Welt hingegen weiter passiv gegenüber diesen blutigen Unterdrückungsmethoden, dann macht sie sich nicht nur einer beispiellosen Heuchelei schuldig, sondern sie läuft auch Gefahr, daß die revolutionäre Bewegung in diesen fernen asiatischen und afrikanischen Ländern in ein allgemeines blutiges Chaos ausartet. Nur die ver spätete Erkenntnis dieser Entwicklung hat die Ereignisse in China  eine so ungeheure und für alle Beteiligten so gefährliche Aus dehnung annehmen laffen. Das Gleiche gilt aber auch für alle Rolonien, in denen eine kleine weiße Minderheit über Millionen von Farbigen mit Gewalt zu herrschen versucht, um sie mit den gleichen barbarischen Methoden wie in früheren Jahrhunderten weiter ausbeuten zu können. Die Folgen dieser unmenschlichen und turzsichtigen Bolitit werden aber als erste die fleineren Kolonial­mächte, wie Holland  , tragen müssen, deren Machtmittel am schwächsten sind. Das sollte die Regierung im Haag endlich be­greifen und mit dem Beispiel eines tolonialpolitischen Kurswechsels vorangehen, ehe es zu spät wird.

Neue Unterredung Dr. Rieths mit Briand  .

Paris  , 10. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Der deutsche Ge­fchäftsträger Dr. Rieth hat am Dienstag einen neuen Befuch bei Briand   abgestattet. Dem amtlichen Kommuniqué zufolge wurden laufende Angelegenheiten" besprochen. Es dürfte jedoch auch bei dieser Gelegenheit wieder die Frage der Herableßung der Truppenbestände im Rheinland   erörtert worden sein. Die Aussichten auf Erzielung einer derartigen Herabsetzung werden hier nach wie vor nicht sehr günstig beurteilt; selbst wenn Briand  , an deffen gutem Willen nicht zu zweifeln ist, bereit wäre, den deutschen   Wünschen entgegenzutommen, ist man über. zeugt, baß er auf schärften Biberstanb im Rabinett stoßen mürbe.

Die furchtbaren Urteile bulgarischer Gerichte gegen Kom­haftesten Proteste ausgelöst. Die Sozialdemokratische Arbeiterinternationale und der Internatio­nale Gewerffchaftsbund besonders haben gegen diese Justiz energisch Widerspruch erhoben und Genosse Bander­Delde hat fogar auf der letzten Tagung des Bölkerbundsrats Schredens in Bulgarien   unternommen. einen scharfen Borstoß zugunsten der Opfer des weißen

munistenprozessen veranlaßte bulgarische Freunde der An Eine am 3. Mai beginnende neue Serie von Kom­geflagten, den Genossen Oswald Richter, Wien   und mich aufzufordern, nach Bulgarien   zu fahren, um als Rechts­anwälte den Prozeßverhandlungen beizuwohnen. So fuhren wir, mit Einreiseerlaubnis des zuständigen bul­garischen Konsulats versehen nach Sofia  . Wir erbaten und erhielten dort durch Vermittlung eines bulgarischen Verteidi­gers auch die Erlaubnis des Gerichtsvorsitzenden, an den übrigens öffentlich stattfindenden Sizungen des Kreis­gerichts teilzunehmen, und wir hörten zwei Stunden hindurch den Verhandlungen zu.

schöpfend dargestellten Tatbestandes schritt die Polizei Auf Grund dieses mit vorstehenden Worten er= festgenommen, voneinander und von der Außenwelt von Sofia   gegen uns ein. Wir wurden in unserem Hotel pöllig abgesperrt und einer geradezu schimpf­lichen Behandlung ausgesetzt. Zunächst wurden wir von einem Polizeibeamten festgehalten, der uns verbot, mit irgendeinem Menschen in Verbindung zu treten und uns vom Platz zu rühren. Mein Verlangen, den deutschen Ge sandten anrufen zu dürfen, der mich gerade erwartete, wurde brüst abgeschlagen. Auch als ich einen be­stimmten Ort aufsuchen mußte, folgte mir der Beamte, sorg­ein Polizeiaufgebot, an der Spitze der Chef der fältig jede meiner Bewegungen beobachtend. Dann erschien politischen Polizei, zehn Mann hoch, die sich auf uns stürzten wie auf lange gesuchte Verbrecher. Schon das Aussehen dieser Beamten" war recht sonderbar, fast durchweg Basser­mannsche Gestalten". Alles, was wir bei uns trugen und was sich in unserem Gepäck befand, wurde auf das Sorgfältigste durchsucht. Unsere Kleider wurden befühlt, ob auch nicht Bomben oder Schriften in das Futter eingenäht seien, unsere Schuhe wurden untersucht, ob etwa zwischen den Doppelfohlen etwas verborgen sei, Klosettpapier wurde gegen das Licht gehalten, ob es nicht mit unsichtbarer Tinte beschrieben war, ein Blatt Papier   mit den Namen der Angeklagten und früher bereits Berurteilter, um deren Schick­sal wir uns fümmern wollten, wurde als höchst verdächtig be­Notizbuch, um es zu entziffern. Ein Vortragsprogramm des fchlagnahmt, und schließlich konfiszierte man auch noch mein österreichischen Monistenbundes wirkte auf die Polizeibeamten wie ein fommunistisches Manifest. wurde nach gezählt und die festgestellte Summe als zu Unser Reisegeld hoch befunden. Daß sozialdemokratische Anwälte sich wegen tommunistischer Angeklagter nach Sofia   bemühen, war den wahrlich nicht sehr intelligenten Herren von der politischen Polizei Sofias nicht flarzumachen. Man drohte mir legten Endes auch noch, mich ins Gefängnis zu überführen und vor Gericht zu stellen oder mich per Schub über die Grenze zu befördern.

Bier Stunden währte unsere Behandlung, bis als Retter ein Vertreter des deutschen   Gesandten erschien und dem ganzen Spuf ein Ende machte. Man begnügte fich dann damit, uns zu eröffnen, daß wir mit dem nächsten Zuge Sofia   und Bulgarien   zu verlassen hätten und während unseres Verweilens im Lande mit keinem Kommunisten sprechen dürften. Bergeblich führten wir beim Ministerpräsidenten

japtscheff Beschwerde. Der Führer der Sozialdemo­fratischen Partei Bulgariens  , der greise Genosse Sa kasoff, trug diese Beschwerde an höchster bulgarischer Stelle vor. Bergeblich. Es blieb bei den gegen uns angeordneten Maßnahmen.

Warum alles das? Lediglich weil die bulgarische Regierung Angst hatte, daß durch uns die Wahrheit über die Zustände in Bulgarien   nach Europa   gemeldet werden tönnte. Wie schlimm muß es um die bulgarische Justiz bestellt sein, wenn die Regierung wahrheitsgemäße Berichte über öffentlich" geführte Prozesse so sehr fürchtet, daß sie zu solchen gänzlich unbegründeten Maßnahmen gegen uns ihre Zuflucht nahm! Hinterher allerdings schienen der bulgarischen Regie­rung doch Bedenten gekommen zu sein, ob sie selbst von ihrem Standpunkt gut daran tat, uns so zu behandeln, uns der Freiheit zu berauben und des Landes zu verweisen. Denn sonst sind die Schwindelnachrichten, die sie uns über die Brenze nachsandte, überhaupt nicht zu erklären.

bei uns fand, wurde frei erfunden, daß ich gestanden Um uns durch die Geldsumme zu diskreditieren, die man hätte, das Geld zur Berteilung unter die bulgarischen Kom­