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Abendausgabe

Nr. 221+ 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 109

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10 Pfennig

Mittwoch

11. Mai 1927

Vorwärts=

Berliner Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Deutschnationale gegen Wilhelm.

Sie wollen der Verlängerung des Verbots der Rückkehr Wilhelms zustimmen. Im Reichstag verlautete heute vormittag, daß sich die Deutsch - Zweifel im Sinne der damaligen Bereinbarungen. nationalen im Interfraktionellen Ausschuß mit der Aufrecht- Die einfache Verlängerung des jetzt noch geltenden Gesetzes auf zwei erhaltung des Paragraphen 23 des Republikschutzgesetzes( kaiser - Jahre ist daher die beste Lösung." paragraphen) einverstanden erklärt hätten, und daß der Die deutschnationale Presse nimmt den Beschluß des Streit unter den Koalitionsparteien nur noch um die Beibe- Zentrums mit großer Zurückhaltung auf, läßt aber erkennen, daß die Deutschnationalen nur einer Verlängerung einzelner haltung des Staatsgerichtshofs gehe. Ein Beschlußz der deutschnationalen Reichstagsfraktion liegt Bestimmungen zustimmen will. Ueber die Frage des Krisen­paragraphen geht sie stillschweigend hinweg.

jedoch noch nicht vor.

Mahnung an die Richtlinien.

Die Berlängerung des Republikschutzgesetzes wird ein Prüfstein für die Richtlinienrepublikaner werden. Der Be­schluß des Zentrums, für die Verlängerung des Schutz gesetzes um zwei Jahre einzutreten, hat den Versuch von Deutschnationalen und Bolkspartei durchkreuzt, die Frage der Berlängerung auf das Gebiet der tattischen Fragen" zu schieben. Die Germania " mahnt die Deutschnationalen

ausdrücklich an die Richtlinien:

Die Frage der Verlängerung des Republitschutzgesetzes ist eine politische, feine rein juristische Angelegenheit. Sie muß deshalb auch unter politischen Gesichtspunkten behandelt werden.

Die Deutsche 3eitung" tobt:

Der Teplitzer Parteitag.

Auf dem Wege zur Internationale in der Tschechoslowakei traten hat, die selbstverständlich gewordenen Folgerungen aus Der Osterparteitag der tschechoslowakischen Sozialdemo Parteiegekutive beauftragt, zu gegebener Ziet mit der deut­der Wandlung der innerpolitischen Situation ziehend, die che in sozialdemokratischen Partei in der Tschechoslowakei in Verhandlungen über die Bereinheitlichung der Politik beider Parteien zu treten.

liger Parteitag der deutschen Sozialdemokraten in der Wenige Wochen später, am 7. und 8. Mai, hat der Tep­Tschechoslowakei aufs neue und besonders nachdrücklich die nie

Der Beschluß des Zentrums, durch den also eine Vorent­scheidung über die Frage des Republitschutzgesetzes geschaffen wird, ftellt eine starke Jlloyalität gegenüber den anderen Koalischen Internationale in der Tschechoslowakei ausklang, die lastung der Koalition als solcher bar. Auch das Zentrum tionsparteien und eine außerordentlich schwere Be dürfte sich darüber klar sein, daß die Verlängerung des Re­publikichuggefeßes für die Deutschnationalen, wenn sie auch bisher noch keine flare Stellung eingenommen haben, selbstverständlich ganz untragbar sein muß. Man wird des halb mit einiger Spannung beobachten müssen, wie sich diese Dinge

weiter entwickeln."

Die Tägliche Rundschau" jedoch beschwichtigt: ,, Es herrschte vollständige Ruhe, und es berechtigt nichts Spannung eintreten wird."

erloschene Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den tschechischen Genossen befundet. Die Rede des Partei­vorfizenden Dr. Czech über die politische Situation, die in einem flamenden Aufruf zur Schaffung der sozialdemokrati­fundenden Begrüßungsworte des tschechischen Genossen Dr. herzlichen, die gleiche Bereitschaft zur Zusammenarbeit be­Soukup, alle der gleichen Sehnsucht Wort verleihenden Debattereden wurden mit begeisterter Zustimmung aufge­nommen. Die Entschließung, die der Parteitag annahm, sagt, daß der Weg zur Zusammenfaffung der proletarischen Kräfte nicht über die lediglich agitatorischen und parteimäßigen Zwecken dienende Einheitsfront" der Kommunisten führt, sondern zurück in die Reihen der Sozialdemokratischen Partei. Diese Bekundung des Willens zur Verständigung mit der wichtigste Ergebnis leistet: er hat sich sehr eingehend mit der Frage der Ge­winnung und Erhaltung des proletarischen Nach­wuchses beschäftigt und für die Zusammenfassung aller er­zieherischen Arbeiten in einem Erziehungsbeirat gesorgt, der aus Bertretern der Partei, der Jugendorganisation, der Kinderfreunde und der Arbeiterturner besteht. Er hat das Organisationsstatut der Partei revidiert und durch Erhöhung des Parteibeitrages die Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Parteiapparates und zu intensiverer Agitation geschaffen­aber das alles tritt zurück hinter der einen großen Frage, die die Lebensfrage des Sozialismus in der Tschechoslowakei iſt, der Frage des Zusammengehens der deutschen und tschechischen Sozialdemokraten.

Die Deutschnationalen haben sich bei Bildung der jeßigen Reichs. zu der Annahme, daß in den nächsten Wochen irgendeine frisenhafte des Parteitages. Er hat freilich auch sonst gute Arbeit ge­

regierung feierlich zum Schuße der bestehenden Staatsform verpflichtet. Die Berlängerung dieses Ge­setzes, das der Republik den nötigen Schuß gewährt, liegt aber ohne

Berufsausbildung und Sozialpolitik.!

Tas Reich versagt

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Sozialdemokratische Forderungne im Landtag. Im Breußischen Landtag gab heute Abg. Jacob( S03.) zunächst eme Erklärung außerhalb der Tagesordnung ab: In einer Cigung des Landtages habe ich darauf hingewiesen, daß Bergrat Hochstrat he bei einer Grubenbefahrung den Standpunkt vertreten habe, ftreifende Bergarbeiter gehörten ins Zuchthaus. Hochstrathe hat das abgestritten und mich als Lügner bezeichnet. Auf dem jetzt auf meinen Strafantrag stattgefundenen Sühnetermin wurde die Richtigkeit meiner Angaben festgestellt.( Hört, hört! bei den

Das ist sehr schön gesagt angesichts des Streits um das Republikschutzgesetz!

Die Weltwirtschaftstagung. Pugh dritter Vizepräsident der Industriekommission.

Genf , 11. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Industrietom mission der Wirtschaftskonferenz begann ihre heutige Arbeit mit der Wahl des englischen Arbeitervertreters Bugh zum dritten Bizepräsidenten. Damit wurde nachträglich einem Wunsche der Arbeitnehmergruppe Rechnung getragen, welche bei der Wahl des Bizepräsidenten und Berichterstatters bei der Kommiffion über­gangen worden war. Zugleich erklärte der Präsident den Vorschlag der Arbeitergruppe für Einsetzung von drei Unterausschüssen für die Rationalisierung, für die Industrie statistik und für die internationalen Kartelle entsprechen zu wollen. Einige kleinere Vorlagen werden hierauf dem Westausschuß Diese Verständigung mit der Arbeitnehmergruppe macht die auf heute nachmittag in Aussicht genommene und gemeldete Plenar In der fortgesetzten Beratung des Etats für Handel und Gefizung der Konferenz zur Wahl eines erweiterten Ausgleichsaus­werbe erhält zum Kapitel Gewerbliches Unterrichtswesen das Wort schusses unnötig, in welchen auch ein faschistischer Arbeitervertreter hineinkommen sollte. Abg. Thiele( Soz.):

Sozialdemokraten.)

überwiesen.

Seit einem Jahre ist der Abbau des Berufsschulwesens erfreulicherweise aufgehalten worden. Der Antrag des Aus­schusses, den Staatszuschuß pro Kopf des Berufsschülers von 8 auf 20 M. zu erhöhen, wird den Gemeinden die Möglichkeit geben, das Berufsschulwesen weiter auszubauen. Um so mehr bedauern wir den Einspruch des Staatsrates, der den Gewerbeschullehrern die Aufstiegsmöglichkeiten wieder nehmen will und hoffen, daß der Landtag an seinem Standpunkt festhält.

Leider hat die Reichsregierung fich ihrer Pflicht zur alleinigen Aufrechterhaltung des Berufsschulwesens bisher entzogen. Die von ihr dafür aufgewendeten Mittel find sehr gering. Nichts ist für die Zukunft der deutschen Wirtschaft so wichtig als die heran­ziehung eines durchgebildeten Nachwuchses.( Sehr wahr! bei den Goz.) Wir vermissen insbesondere noch immer die obliga­torische Durchführung der Berufsschulen. Solange allerdings die Regierungsparteien im Reiche nicht nach dieser Rich­tung wirken, wird die obligatorische Berufsschule für Preußen nur ein frommer Wunsch bleiben. Dabei kann in einer Zeit der techni­schen Umwälzung, der spezialisierten Arbeitsmethoden, die beste Aus­bildung der Jugend nur im Interesse der deutschen Wirtschaft liegen. Dazu ist vor allem notwendig,

beffere Existenzbedingungen und höhere Löhne für die Arbeiterschaft und Jugend zu schaffen. Wir verfolgen mit besonderer Sorge, wie Hunderttausende von Jugendlichen beiderlei Geschlechts arbeitslos auf der Straße liegen. Wie diese Erwerbs lofigkeit auf die Seelen dieser zum Teil erst Schulentlassenen wirkt, ist nicht auszudenken.

Der Staat hat die Verpflichtung, diese jungen Leute vor der moralischen Verlofferung zu schützen, indem er sie zusammenfaßt und in dazu errichteten Werkstätten nach Neigung und Veranlagung beschäftigt. Hier sind verschiedene Gemeinden bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Wir ver­langen, daß die gesamte erwerbslose Jugend den Berufs schulen zugeführt wird, um sie wenigstens einige Stunden in der Woche für das Leben vorzubilden. Die Einrichtung von Lehr­werkstätten ist anzustreben.

Die weibliche Jugend besucht leider nur in ganz ge­ringem Maße die Berufsschulen. Die Ausrede, daß das Weib andere Aufgaben hat, ist in dieser Zeit der Anspannung auch der weiblichen Arbeitskräfte nicht aufrecht zu erhalten. Mit aller Entschiedenheit werden wir die Einführung des Religionsunter richtes als ordentliches Lehrfach betämpfen, da bie Bahl der Pflichtstunden in den Berufsschulen bereits außerordentlich knapp ist. Der Redner schließt unter dem Beifall der Sozialdemokraten mit einem Dank an die Berufsschullehrerschaft, die in ihrem Bestreben, die Jugend zu tüchtigen Staatsbürgern heranzubilden, außerordentliches geleistet haben.

L. Die Debatte dauert noch an

Genosse Merten's bedauerte, daß infolge dieser Widerstände der betreffenden Arbeitgeberkreise, besondere Unterausschüsse für die wichtigen Industrien Kohle, Eisen, Stahl usw. nicht gebildet werden

fönnen.

Hierauf hielt der Präsident der Internationalen Vereinigung für wissenschaftliche Arbeitsmethoden ein Referat über die Ratio- nalisierungsbewegung, in welchem er u. a. darauf hin­wies, daß die Rationalisierung auch in Sowjetrußland zahl reiche überzeugte Anhänger zähle. Der zweite Unteraus­schuß der Handelskommission hat die allgemeine Diskussion geschlossen und eine zwölfgliedrige Redaktionskommiffion eingesetzt.

Dreimal bei Briand .

Pariser Mutmaßzungen über die deutschen Schritte wegen des Rheinlandes.

"

<- es

Ginge es nach dem Willen der Parteimitgliedschaft, fönnte Begeisterung allein das große Wert vollbringen wäre sofort getan. Aber Begeisterung allein, so wichtig, fo notwendig sie ist, so sehr sie das Gelingen beschleunigen wird, genügt nicht. Es muß auch viel Mühe und Arbeit und Geduld sich dazu gesellen, mancherlei ernste Schwierigkeiten zu überwinden. Aber man darf nach den beiden Parteitagen, man darf nach der zustimmenden Beurteilung unserer Partei­tagsverhandlungen durch die tschechische sozialdemokratische Preffe das Bravo Lidu" bezeichnete den Parteitag als einen Markstein der Arbeiterbewegung in der tschechoslowaki­schen Republik, man darf nach dieser Bildung einer im ganzen deutschen und tschechischen Proletariat lebendigen Stimmung der Sehnsucht, ja der drängenden Ungeduld nach der Vereinheitlichung aller sozialdemokratischen Kräfte wohl als gewiß annehmen, daß auf beiden Seiten mit größtem Ernst, mit bestem Willen an die Ueberwindung aller Hemm­nisse geschritten werden wird. Nach dem tschechischen und dem deutschen Parteitag ist, wie Genosse Dr. Soukup sagte, die Zeit gekommen, zu Taten überzugehen.

Seit fünfzehn Jahren schon gehen deutsche und tschechische Sozialdemokraten gesonderte Wege. Verschiedenheit der Ge­schichte des tschechischen und des deutschen Proletariats, Ber­schiedenheit des Tempos der Klassendifferenzierung im tschechi­schen Volke und in der sudetendeutschen Bevölkerung haben Verschiedenheit der politischen Anschauungen in beiden sozial­demokratischen Lagern erzeugt. Die tschechische Sozialdemo­fratie, die den neuen Staat mit gebaut hat, stand anders zu ihm als die deutsche Arbeiterschaft. Jahrelange Teilnahme der tschechischen Genoffen an der Regierung, wäh­rend die deutschen Sozialdemokraten in der Opposition standen, mußte eine starke Entfremdung zwischen deutschen und tschechi­schen Sozialdemokraten zur Folge haben. Aber die deutschen Sozialdemokraten haben gewußt, daß die geschichtliche Ent­wicklung deutsche und tschechische Proletarier wieder zu­sammenführen wird, sie haben an dieser Ueberzeugung selbst in den schlimmsten Tagen festgehalten, sie haben sich zu ihr bekannt auf allen Parteitagen, in allen Rundgebungen der Partei.

Paris , 11. mai. Eigener Drahtbericht.) Der Malin" äußert zu dem geftrigen Besuch des deutschen Geschäftsträgers Dr. Rieth bei Briand , daß der 3wed dieser, in einer Woche dreimal wiederholten Demarche ohne Zweifel auf die Absicht Strese­manns hinauslaufe, die neue Reichstagsfeffion mit einem diplomafi­schen Erfolg eröffnen und den Nationalisten, die ihn in seiner Ministerftellung bedrängten, eine Herabsetzung der Effektivbestände der alliierten Truppen im Rheinland ankündigen zu können. 3m Laufe der Unterredung soll Briand , dem Blatte zufolge, darauf hin­gewiesen haben, daß Frankreich allein diese Frage nicht entscheiden, fondern London und Brüssel mitzusprechen hätten und daß gerade London in diesem Punkie mit sehr viel Borsicht und Die Entwicklung hat die Erwartungen der deutschen Opportunität vorzugehen beabsichtige. Dem Peät Parisien zu­folge soll Briand darüber hinaus betont haben, daß die Reichs- Sozialdemokraten bestätigt. Das wachsende Selbstbewußtsein regierung gut täte, die Frage der Ost festungen und ihre Zer- und die Gewinngier der jungen tschechischen Bour ftörung endgültig zu erledigen, um das Kapitel der Ent- geoisie, das Erstarken des Bürgertums aller Nationen, waffnung nunmehr zu schließen; dann erst könnte nützlicherweise an das Begehren des deutschen Bürgertums, mit teilzunehmen an die Frage der Herabsehung der Truppenstärke im Rheinland heran- der Ausplünderung der Volksgenossen- Arbeiter haben zur getreten werden. Sprengung der nationalen Fronten und zur Aufrichtung einer brutalen Herrschaft des Bürgerblods geführt. Dieser Bürgerblock hat nicht nur den Arbeitern das Leben verteuert - er greift auch zerstörend nach ihren sozialpolitischen Er rungenschaften, er schreckt nicht zurück vor Anschlägen wider die Demokratie selbst unter Berlegung der Verfassung. Da­mit ist es für die sozialdemokratischen Parteien zum dringend sten Gebot geworden, sich zusammenzuschließen zur gemein­famen Abwehr, aber darüber hinaus auch zur Vereinheit lichung des Kampfes um neuen Machtgewinn.

Seipel verbreitert seine Basis.

Wien , 11. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Verhandlungen der Regierung mit dem Landbund haben dessen Bereitwilligkeit zum Eintritt in das Kabinett ergeben. Als Kaufpreis erhält der Landbund nicht das von ihm geforderte Landwirtschaftsministerium, sondern den Staatssekretär in diesem Amt. Außerdem soll er noch einen Minister ohne Ressort stellen und an den verschiedenen Länderregierungen beteiligt werden.

Schon die Vorahnung dieses Zusammenschlusses, des Sich­jwiederfindens deutscher und tschechischer Sozialdemokraten